Protokoll der Sitzung vom 28.06.2017

Deshalb müssen wir das absichern, wenn wir die Betreuerinnen und Betreuer tatsächlich nicht verlieren wollen. Das Gegenteil sollte sogar der Fall sein. Sie sollten sagen, dass das eine Aufgabe ist, die Spaß macht. Sie sollen in ihrem Umfeld sagen: Ich werde durch den Betreuungsverein weiterhin gut begleitet. Ich übernehme mich mit der Betreuung nicht. – Denn es sollten am Ende nicht alle des Umfeldes abgeschreckt sein und sagen: Um Gottes willen, so etwas mache ich auf keinen Fall.

Wir sind darauf angewiesen, dass wir die, die diese ehrenamtliche Arbeit leisten, in diesen Positionen halten können. Wir müssen auch Menschen dafür gewinnen. Deshalb muss es eine gewisse Attraktivität haben, das zu machen.

Wir sollten uns einmal ausrechnen, wie das mit der derzeitigen Finanzierung aussieht. Wir haben ca. 160 € pro Jahr für die Begleitung eines ehrenamtlichen Betreuers. Damit kann man nicht sicherstellen, dass durch die Betreuungsvereine tatsächlich eine gute Begleitung der ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer gemacht werden kann.

(Beifall der Abg. Gabriele Faulhaber und Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Ich will damit nicht die Arbeit der Betreuungsvereine angreifen, sondern die Rahmenbedingungen, unter denen sie arbeiten müssen. Das müssen wir uns anschauen. Danach müssen wir sehr deutlich sagen: Da müssen wir ran. – Es wäre der richtige Moment, es jetzt zu tun. Das ist auch meine Aufforderung. Wir sind kurz vor den Haushaltsberatungen. Deshalb sollte man sich das anschauen und insgesamt noch einmal überlegen, ob diese Befristungen sinnvoll sind oder ob das eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Abgeordnete ist.

Ich kann für meinen Teil sagen: Ich habe hier genug Arbeit. Ich glaube, die meisten anderen können das auch sagen. Wir brauchen keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.

Ja, wir sollten uns die Gesetze vornehmen, wenn es notwendig ist, sie zu beraten und sie bearbeiten. Wir sollten das aber nicht sozusagen per Kalender und frei davon tun, ob es eine innere Notwendigkeit gibt oder nicht. Wie wir hier sehen, wäre es unter Umständen sinnvoller gewesen, das Gesetz im nächsten Jahr aufzurufen, wenn wir im Bund in der Debatte ein Stück weiter sind. Das wäre vielleicht ratsamer gewesen. Aber da binden uns dann die fünf Jahre. Ob das immer klug ist, wage ich noch einmal deutlich zu bezweifeln. – Herzlichen Dank.

(Beifall der Abg. Gabriele Faulhaber und Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Frau Kollegin Schott, vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Klaff-Isselmann von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Stellen Sie sich vor, Sie wären nicht mehr im Besitz Ihrer geistigen und körperlichen Kräfte. Stellen Sie sich vor, Sie könnten alleine keine wichtigen Entscheidungen mehr treffen, Sie wären geschäftsunfähig. Dinge, die Ihnen bisher

alltäglich vorkamen und wie selbstverständlich von der Hand gingen, sind nicht mehr so einfach zu erledigen. Dabei geht es um Bankgeschäfte, Einkäufe, Rechnungen bezahlen, Verträge abschließen oder kündigen. Es ist ernüchternd, wenn man sich als Erwachsener oder ehemals mündiger Mensch nicht mehr selbst vorstehen kann.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das stimmt!)

Schnell stellt sich die Situation ein, die Sie hoffentlich alle durch Instrumente wie Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung und Betreuungsverfügung bestens vorbereitet haben. Das sollten Sie erledigt haben.

Das ist der Augenblick, in dem das Betreuungsrecht sehr schnell virulent werden kann. Liegt keine Vorsorgevollmacht vor, wird durch das Amtsgericht eine Betreuerin oder ein Betreuer bestellt. Diese haben sich im Rahmen des Möglichen an den Wünschen des betroffenen Menschen zu orientieren. Sie haben die Betreuung so zu gestalten, dass sie sich an die jeweiligen Bedürfnisse und noch vorhandenen Fähigkeiten anpasst.

Hessen hat erstmals 1992 ein Ausführungsgesetz zum Betreuungsgesetz erlassen. Es wurde im Jahr 2012 geändert. Nun steht dieses Gesetz nach Evaluation wieder zur Veränderung und Verlängerung an.

Das Ausführungsgesetz regelt die Zuständigkeit der Betreuungsbehörden auf örtlicher Ebene und konkretisiert die überörtlichen Aufgaben nach dem Betreuungsbehördengesetz. Darüber hinaus werden die Aufgaben der überörtlichen Betreuungsbehörden aufgeführt und die Zuständigkeiten für das Verfahren für die Anerkennung der Betreuungsvereine sowie die Grundlage der Förderung der Betreuungsvereine geregelt.

Dieses Ausführungsgesetz hat sich in der Praxis ausgesprochen bewährt. Es besteht daher wenig Änderungsbedarf. Redaktionelle Änderungen und zwei Änderungen in der Sache sind daher die Folge.

In der Sache wird es zum einen künftig notwendig sein, zu prüfen, ob der zur Anerkennung anstehende Betreuungsverein seinen Sitz in Hessen hat und seine überwiegenden Tätigkeiten in Hessen ausübt. Das ist eine Regelung, die wir in fast allen anderen Bundesländern vorfinden.

Zum anderen soll nun neu festgelegt werden, dass das Merkmal der Gemeinnützigkeit im Sinne des Steuerrechts als eine weitere Voraussetzung für die Anerkennung als Betreuungsverein in Hessen aufgenommen werden wird. So soll sichergestellt werden, dass Betreuungsvereine keine ausschließlich wirtschaftlichen Ziele verfolgen. Das ist eine Bedingung, die derzeit alle anerkannten hessischen Betreuungsvereine erfüllen. Dennoch ist das sehr wichtig.

Der gesetzliche Rahmen ist also gestellt. Ich würde es begrüßen, wenn die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung zum Anfertigen der Vorsorgevollmacht, der Patientenverfügung und der Betreuungsverfügung weiter fortschreiten würde. Auch den gesetzlichen Betreuern würde diese gute Vorbereitung ihre Arbeit erheblich erleichtern.

Viele Betreuerinnen und Betreuer leisten einen wertvollen Dienst am Menschen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr richtig!)

Dafür danken wir ihnen sehr.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Betreuerinnen und Betreuer tragen dazu bei, unsere Gesellschaft menschlicher zu gestalten. Ich bitte daher um Zustimmung zum Entwurf dieses Ausführungsgesetzes. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Marcus Bock- let und Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Kollegin Klaff-Isselmann, vielen Dank. – Jetzt spricht zu uns Herr Kollege Gerhard Merz von der SPD-Fraktion. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir hatten gestern einen kleinen Wettbewerb hinsichtlich der Frage, wer am schnellsten einen Gesetzentwurf über die Bühne kriegt. Ich hatte den Ehrgeiz, hier unmittelbar in die zweite Lesung einzutreten. Das wird jetzt nicht stattfinden. Das ist auch gut so.

Wir haben im Vorfeld dankenswerterweise die Unterlagen der Regierungsanhörung bekommen. Sie waren durchaus aufschlussreich und geben Anlass, das noch einmal im Ausschuss sorgfältig zu diskutieren. Dabei geht es weniger um die Fragen, die mit diesem Gesetz geregelt werden sollen, als um die, die mit diesem Gesetz nicht geregelt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Was damit geregelt werden soll, hat Frau Kollegin Schott schon gesagt. Ich will das aus unserer Perspektive heraus noch einmal ein bisschen anders akzentuieren.

Was geregelt werden soll, ist in der Tat überwiegend redaktioneller Art bzw. ergibt sich aus den Regelungen anderer Gesetze. Der Herr Minister hat schon darauf hingewiesen. Dabei geht es um die Änderung vom Vormundschaftsrecht auf das Betreuungsrecht. Aufgrund des Anlasses des Auslaufens des Gesetzes wird es erforderlich, das zu ändern.

Ich teile die Auffassung, die Herr Kollege Rock gerade geäußert hat. Es gibt ein substanzielles Thema, das in der Mitte steht. Es betrifft das Örtlichkeitsprinzip und die Frage der Gemeinnützigkeit. Darauf kann man noch einmal genauer schauen. Aber auch ich glaube in der Tat, dass all das, was mit dem Gesetz geregelt werden soll, nicht strittig ist.

Es gibt aber tatsächlich sowohl aus dem realen Leben als auch aus den Unterlagen der Regierungsanhörung Hinweise, was die Finanzierung der Betreuungsvereine angeht. Ich will mich da einerseits dem Dank an die Ehrenamtlichen anschließen. Das gilt übrigens auch für die Hauptamtlichen. Teilweise leisten sie Betreuungsarbeit weit über ihre Verpflichtung und weit über das hinaus, wofür sie vergütet werden.

Der Dank ist das eine. Eine anständige Förderung ist das andere.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Die Frage der Vergütung der Berufsbetreuerinnen und -betreuer ist etwas, was bundesgesetzlich geregelt werden muss. Das ist etwas, was nicht im Wirkungskreis dieses

Ausführungsgesetzes liegt. Aber sehr wohl betrifft das die Frage der Förderung der Betreuungsvereine. Dazu gibt es, sowohl was die Höhe als auch was die Art und Weise der Förderung angeht, aus der Regierungsanhörung ein paar Hinweise, von denen ich glaube, dass sie diskutiert werden müssen im Hinblick darauf, ob nicht doch Veränderungsbedarf gegeben ist.

Die eine Frage, die aufgeworfen worden ist, bezieht sich auf die Förderung im Rahmen der Kommunalisierung sozialer Hilfen. Ich gehöre zu denen, die der Kommunalisierung von sozialen Hilfen schon kritisch gegenübergestanden haben, als ich noch hauptamtlich kommunaler Beamter war. Ich halte das für fragwürdig in Bezug auf die Treffund die Zielgruppensicherheit der Förderung. Ich weiß, dass wir da unterschiedlicher Auffassung sind. Ich bleibe bei meinen Bedenken und würde sie gern noch einmal diskutiert haben – auch vor dem Hintergrund der jetzt genau zu diesem Sachverhalt „Förderung von Betreuungsvereinen“ vorgetragenen Bedenken. – Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt ist in der Tat die Höhe der Förderung. Wir haben in den letzten Jahren im Arbeitskreis Soziales der SPD-Landtagsfraktion eine ganze Reihe von Gesprächen mit Vertretern von Betreuungsvereinen geführt. Wir haben auch viele parlamentarische Initiativen ergriffen, unter anderem auch einen Berichtsantrag zu dem Thema. Das Ergebnis war in der Tat, dass die Förderung unter den Notwendigkeiten bleibt, und zwar deutlich. Jetzt haben wir zur Kenntnis genommen, dass es eine Anhebung der Förderung gibt. Wir haben aber auch zur Kenntnis genommen, dass andere Bundesländer – das Beispiel Rheinland-Pfalz wird in Ihrer eigenen Stellungnahme dazu angeführt – –

(Zuruf von der CDU)

Ja, ja. Das ist ein substanzieller Unterschied, der erklärbar sein muss. – Dass 6,80 € pro betreuter Person jetzt nicht der Weisheit und des Haushalts letzter Schluss sein können, ist doch wohl klar. Insoweit gibt es Bewegung. Aber wir glauben, dass es sowohl in Bezug auf die Höhe als auch auf die Art der Förderung Diskussionsbedarf gibt. Das ist – wie gesagt – das, was in dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht geregelt ist.

In Bezug auf das, was geregelt ist, sind wir sehr entspannt. Wir hätten uns da auch auf eine noch zügigere Gesetzesberatung verständigen können. Es ist gut, dass wir jetzt noch einmal Zeit haben, darüber nachzudenken – auch über die Sommerpause und in einem geordneten parlamentarischen Verfahren, dem ich mit großem Interesse entgegensehe. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, lieber Herr Kollege Gerhard Merz. – Die nächste Wortmeldung kommt vom Kollegen Bocklet, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich es richtig sehe, steht zwischen Ihnen und dem Mittagessen nur noch meine Rede. Deswegen bemühe ich mich um Kürze.

(Holger Bellino (CDU): Wir haben Zeit! – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Viel Richtiges ist schon gesagt worden – gerade, was die Beurteilung, die Wichtigkeit und die Bedeutung von Betreuungsvereinen, von ehrenamtlichen, aber auch von hauptamtlichen Betreuern angeht. Ich selbst habe einen Praxistag bei einem Berufsbetreuer gemacht. Ich habe ihn einen Tag lang begleitet. Ich bin tatsächlich sehr überrascht und erstaunt gewesen, mit welch einer Fülle von Aufgaben und Herausforderungen diese Betreuer konfrontiert sind. Das sind Generalisten, die sich um alles kümmern und die hochgradig engagiert sind. Das ist eine fantastische Arbeit. Wir als Staat, als Land und als öffentliche Hand können uns glücklich schätzen, dass viele hauptamtliche Betreuer solch eine wichtige Arbeit so engagiert für wenig Geld machen und dass die, die ehrenamtlich arbeiten, fast kein Geld für ihre Arbeit verlangen. Deshalb sei an dieser Stelle auch für meine Fraktion noch einmal ausdrücklich gesagt: mein allerherzlichster Dank aus diesem Hause für all diese Betreuerinnen und Betreuer.

(Allgemeiner Beifall)

Zu dem Gesetz würde ich mich gerne der Vorrede des Kollegen Merz anschließen. Auch ich sehe hier wenig Kritisches. Das, was dort vorgeschlagen wird, ist eine Verlängerung; denn am 31.12.2017 läuft das bestehende Ausführungsgesetz aus. Der Herr Minister hat darauf hingewiesen. Die beiden wesentlichen Punkte, die dort geregelt werden, sind klug umgesetzt. Auch auf die Anregungen der Anzuhörenden ist im Wesentlichen eingegangen worden. Insofern ist dieses Gesetz unstrittig.

Über die Frage, ob die Vereinsförderung für die Betreuungsvereine verbessert werden muss oder nicht, sollte man sich tatsächlich in Ruhe unterhalten. Wir nähern uns einem Doppelhaushalt. Man kann seine Vorstellungen einbringen. Aber in jedem Fall muss man die Finanzierung von Betreuungsvereinen nicht in einem Gesetz niederschreiben. Darüber kann man reden. Man kann das natürlich tun. Theoretisch und praktisch ist das auch möglich. Aber es stellt sich die Frage, ob man das tatsächlich in einem Gesetz konkret vorschlagen muss. Man kann natürlich im Haushalt immer festlegen, wenn man etwas mehr tun will. Aber man muss das nicht in ein Gesetz hineinschreiben. – Das wäre meine Erwiderung auf Ihren Vorschlag.