Sie sind der Meinung, Sie seien die Einzigen, die nicht ideologisch seien. Manchmal habe ich das Gefühl, Sie sind die Einzigen, die in diesem Parlament die Ideologen sind.
Zumindest beim Thema Energiewirtschaft haben Sie offensichtlich das Gefühl, Sie können, indem Sie sich gegen das EEG, gegen Windkraft und gegen Solarenergie positionieren, die eine oder andere Wählerstimme gewinnen. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Art von Populismus irgendwo hinführt, aber man kann es ja mal versuchen. Wir werden sehen, wie weit das trägt.
Tatsache ist aber: Wir müssen hier mit ein paar Fake-News aufräumen, z. B. zum Thema CO2-Einsparung – als ginge es bei der Energiewende nur um eine CO2-Einsparung. Schauen Sie doch einmal in die Präambel zum EEG. Da werden Sie feststellen, dass die CO2-Einsparung und der Klimaschutz nur zwei von mehreren Themen sind. Das heißt, es geht bei der Energiewende auch darum – das ist das erste Ziel, das dort genannt wird –, von der gefährlichen Nukleartechnologie wegzukommen. Wenn man Atomkraftwerke durch erneuerbare Energien ersetzen, dann ist natürlich der Effekt auf den CO2-Ausstoß nicht so groß, als wenn man Kohlekraftwerke durch erneuerbare Energien ersetzen. Ergo müssen wir beides machen: Wir müssen die Kernenergie durch erneuerbare Energien ersetzen, und wir müssen die Kohlekraftwerke durch erneuerbare Energien ersetzen.
Da wir ein Ausstiegsgesetz haben, das besagt, dass bis 2022 alle Kernkraftwerke in Deutschland abzuschalten sind, ersetzen wir natürlich zunächst einmal die Kernkraftwerke durch erneuerbare Energien. Die Kohlekraftwerke werden anschließend ersetzt. Dann werden auch die CO2Emissionen im Bereich der Elektrizitätserzeugung entsprechend sinken. In dieser Hinsicht hat der Wirtschaftsminister aber den richtigen Hinweis gegeben: Es geht nicht nur um die Elektrizitätswirtschaft; wenn wir über das Thema CO2 reden, müssen wir auch den Wärmemarkt und den Verkehr betrachten. Das heißt, das Gejammere über das EEG ist in dieser Hinsicht in der Tat falsch. Es geht gar
nicht darum, dass das EEG irgendwelche falschen Prioritäten gesetzt hat, sondern es geht darum, dass wir eine erkennbare Schrittfolge haben, zuerst die Atomkraftwerke und dann die Kohlekraftwerke so schnell wie möglich durch erneuerbare Energien zu ersetzen.
Weil hier viele Missverständnisse bestehen und vielleicht auch absichtlich Falschinformationen über das EEG verbreitet werden: Das EEG ist kein Gesetz, aus dem irgendeine Subvention abgeleitet werden kann, die gezahlt wird, ob nun Strom geliefert wird oder nicht, sondern das EEG regelt als Marktordnungsgesetz, dass jemand, der mit einer Anlage zur Erzeugung erneuerbarer Energie Strom produziert und einspeist, den produzierten Strom zu einem bestimmten Satz vergütet bekommt. Dieser Satz sinkt stetig, seit das EEG in Kraft ist. Vom EEG ging von Anfang an ein industriepolitischer Impuls aus; denn es ging darum, einen Anreiz dafür zu setzen, dass Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien immer günstiger werden. Genau das ist passiert. Die Anlagen wurden immer günstiger. Wenn irgendjemand vor 30 Jahren gesagt hätte – ich gehöre zu denen, die das vor 30 Jahren gesagt haben –, dass wir Windstrom für unter 5 Cent/kWh produzieren können, dann wäre der für komplett verrückt erklärt worden, insbesondere von denen, die im Augenblick gegen das EEG wettern. Was machen wir heute? Wir produzieren Windstrom an Land für unter 5 Cent/kWh. Es ist also möglich.
Wodurch ist das möglich geworden? – Durch den marktwirtschaftlichen Impuls, den das EEG gesetzt hat. Das ist Marktwirtschaft, um die es hier geht, nämlich die Möglichkeit, zu sagen, der Vergütungspreis wird immer weiter sinken, dadurch werden die Anlagen günstiger. Das war eine marktwirtschaftliche Anreizsetzung, die dazu geführt hat, dass erneuerbare Energien heute so günstig sind. Sie werden immer günstiger – im Gegensatz zu Kohlestrom und Atomstrom, die immer teurer werden.
Meine Damen und Herren, das war die durchschlagende Wirkung des EEG. Das ist der Vorteil der Energiewende. Deshalb müssen wir sie weiterverfolgen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit ausdrücklicher Genehmigung unseres parlamentarischen Geschäftsführers erlaube ich mir, ein paar wenige Anmerkungen zu machen.
Ich glaube, dieses Thema ist es tatsächlich wert, dass wir uns an einigen Punkten nochmals austauschen und alle voneinander wissen, wofür der jeweils andere steht.
Herr Kollege Rock, ich dachte eigentlich, dass wir in der grundsätzlichen Frage Einigkeit erzielt hätten. Ich will noch einmal in Erinnerung rufen, was Sie in der Zeit gesagt haben, als alle Welt, jedenfalls in Deutschland, über die Folgen von Fukushima gesprochen hat. Da gibt es von Ihnen das Zitat – ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten –:
Deutschland ist das einzige Industrieland der Welt, das die Energiewende ernsthaft und mit einem breiten Konsens der politischen Parteien betreibt. … Aber ich glaube, es besteht ein Gesamtkonsens darüber, dass wir diesen Weg gehen. Darüber gibt es keinen Streit mehr.
Ich will heute ganz einfach wissen: Gilt das noch, oder gilt es nicht mehr? Wenn Sie sagen, Sie haben Ihre Meinung geändert, nehme ich das zur Kenntnis.
Das Zweite, was ich gerne wissen möchte: Wenn Sie sagen, Sie reden über andere Energieformen, und CO2 sei für Sie kein Thema, dann nehme ich auch das zur Kenntnis. Das glaube ich aber nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Partei, die für sich reklamiert – Sie haben es gesagt –, den ersten für die Umwelt zuständigen Minister in der Bundesregierung gestellt zu haben, Hans-Dietrich Genscher, sagt, dass sie dieses Thema ausblendet. Wenn Sie hier erklären, Sie schauen sich den Ausstoß an CO2 und das an, was in den letzten Jahren im Rahmen der Energiewende bei den regenerativen Energien passiert ist, und leiten daraus ab, dass die Gesamtausstoßmenge an CO2 eher gestiegen ist, und behaupten, das sei ein plausibler Grund dafür, zu sagen, die Energiewende habe kein Ergebnis, dann wissen wir alle miteinander, lieber Herr Rock, dass das, was Sie hier behaupten, abenteuerlich ist.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vorsitz.)
Deshalb dachte ich, dass wir uns in einigen Fragen einig seien. Lieber Herr Kollege Hahn, wir waren damals gemeinsam im Kabinett. Ich will hier gar keine alte Wäsche waschen.
Ich will nur darauf verweisen, dass wir, die Union, und die damalige Regierung aus CDU und FDP schon immer eine Grundidee hatten, nämlich dass wir von fossilen Brennstoffen wegkommen müssen. Lieber Herr Kollege Al-Wazir, als wir zu Zeiten der CDU/FDP-Regierung in Hessen gesagt haben – das war übrigens eine Beschlussfassung im Bundesrat, an der ich mitgewirkt habe –, wir verlängern die Laufzeit der Kernkraftwerke, haben wir das nicht deshalb getan, weil wir die Kernenergie so toll finden, sondern weil wir Kraft schöpfen wollten, um den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe und am Ende auch aus der Kernenergie zu schaffen. Fukushima hat uns alle eines Besseren belehrt.
Weil wir schon beim Zitieren sind, will ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten sagen: Der Vorgänger von Florian Rentsch, Dieter Posch, hat damals als Wirtschaftsminister gesagt: „Die Bevölkerung hat die Kernenergie abgewählt, weil sie schlicht und ergreifend Angst hat.“ Das bedeutet aber noch lange nicht, dass das mit einer Akzeptanz für alternative Energien verbunden ist, wenn es beispielsweise
um den Bau von Leitungen oder das Aufstellen von Windrädern geht. Dieter Posch hat schon damals völlig zu Recht gesagt: Eine solche große Entwicklung in unserer Gesellschaft, wie wir sie nach Fukushima hatten, ist das eine, aber die Frage, was in der Folge passiert und welche neuen Betroffenheiten sich ergeben, ist das andere.
Deswegen will ich ausdrücklich sagen – der Minister hat darauf verwiesen, dass hier einige Betroffene aus Regionen sitzen, wo es erhebliche Streitigkeiten vor Ort um die Einrichtung und Aufstellung von Windkraftanlagen gibt –: Ich bin zunächst einmal sehr froh – das sage ich nicht nur den Bürgern im Gespräch, sondern auch hier im Parlament –, wenn Bürgerinnen und Bürger vor Ort sehr deutlich ihre Interessen artikulieren und sagen, was sie wollen bzw. nicht wollen. Dann muss es aber auf der anderen Seite auch möglich sein, dass wir mit diesen Bürgern in einen Dialog treten. Herr Rock, Sie haben in Ihrem ersten Redeteil erklärt, damit hätten wir als Union ja nichts am Hut. Das weise ich entschieden zurück. Wir reden jeden Tag mit den Bürgerinnen und Bürgern. Wir haben heute Morgen über die Folgen des Bundestagswahlergebnisses vom Sonntag gesprochen. Wenn Sie als Vertreter einer demokratischen Parteien versuchen, zu insinuieren, „die da oben“ würden eh machen, was sie wollen, und „die da unten“ ignorieren, dann finde ich das demokratiepolitisch höchst unverantwortlich. Das will ich sehr deutlich sagen.
Das Zuhören, dieses Miteinander-Reden ist das eine. Wenn es denn Menschen vor Ort gibt – auch das hat der Minister gesagt –, die am Ende des Tages das behördliche Handeln überprüft wissen wollen, dann können sie sich entweder an ihre Abgeordneten wenden – das machen die Menschen übrigens auch, dazu braucht man sie nicht aufzufordern, das ist auch völlig in Ordnung –, oder sie können, wenn sie mit dem, was am Ende herauskommt, nicht zufrieden sind, den Klageweg beschreiten.
Das ist es, was einen Rechtsstaat ausmacht: dass man am Ende ans Ziel gelangt – wenn auch vielleicht nicht immer nach den eigenen Vorstellungen. Aber man kommt zu seinem Recht und kann wenigstens hinterfragen, wie Behörden und Verwaltungen mit solch schwierigen Phasen, Problemen, Aufgabenstellungen und Herausforderungen umgehen.
Ich finde, darauf sollten wir stolz sein, und wir sollten den Bürgerinnen und Bürgern auch jeden Tag sagen: Hier gibt es keine Hinterzimmerpolitik. Im Hessischen Landtag und auch im Deutschen Bundestag wird über solche Fragen lebhaft diskutiert, aber am Ende des Tages gibt es Mehrheitsentscheidungen. – Für die müssen wir – gemeinsam, finde ich – um Akzeptanz werben, und wir haben da viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Das wird mit dem heutigen Tage sicher nicht aufhören. – Herzlichen Dank.
(Holger Bellino (CDU): Der erste Umweltminister hieß Walter Wallmann! Das muss man auch einmal festhalten! – Weitere Zurufe)
Wir haben zwei FDP-Anträge und einen Dringlichen Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen. Sie wollen, dass über beide FDP-Anträge abgestimmt wird?
Ich rufe zur Abstimmung auf: Tagesordnungspunkt 35, Antrag der Fraktion der FDP betreffend keine EEG-Subventionen für neue Windenergieanlagen, Klimaschutz günstiger realisieren, Drucks. 19/4897. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Abgeordneten der FDP-Fraktion. Wer ist dagegen? – Das sind die übrigen Fraktionen des Hauses. Somit gibt es auch keine Enthaltung, oder? – Nein. Damit ist der Antrag mit der Mehrheit der anderen Fraktionen gegen die zustimmende FDP-Fraktion abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 73, Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP betreffend Bürgerwille endlich achten – Windkraftausbau stoppen, Drucks. 19/5305. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der FDP. Wer ist dagegen? – Das sind die übrigen Fraktionen des Hauses und die Abg. Öztürk, fraktionslos. Enthaltungen gibt es keine. Damit ist dieser Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.