Protokoll der Sitzung vom 19.06.2018

Die Wohnortwahl darf nicht vom Einkommen abhängig sein. Wohnungspolitik macht nicht halt an den Rändern der Ballungszentren. Wohnungspolitik hat den Wandel der Gesellschaft im Blick. Auch bei der Neufassung der HBO haben wir gemerkt, dass Wohnungspolitik auch Flächenpolitik sein muss. Da unterscheiden wir uns wohl in ganz wesentlichen Dingen von Teilen hier in der Versammlung, die der Meinung sind: „Viel hilft viel.“ Ich glaube, das war früher einmal so. Es gilt jetzt vielmehr, die richtigen Anreize zu schaffen, damit wir mit dem wenigen, das vorhanden ist – Boden ist eine Ressource, Platz in den Innenstädten ist eine Ressource –, vernünftig umgehen. Genau dies wird auch hier getan.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wenn mein Vorvorredner gesagt hat, mehr Marktwirtschaft wäre das richtige Mittel, dann tut es mir leid. Herr Lenders, da muss ich jetzt wirklich ein bisschen lachen. Wenn die Kosten steigen, dann nicht, weil wir weniger Marktwirtschaft haben, sondern weil wir wirklich viel bauen. Egal, wo Sie hinschauen, es wird gebaut. Die Nachfrage ist riesengroß. Wenn etwas die Kosten beflügelt, dann ist es wohl die Knappheit von Baumaterialien und Menschen, die das Ganze umsetzen können.

(Manfred Pentz (CDU): Ja, so ist es!)

Wenn Sie weiter darauf abheben – ich kann es mir jetzt wirklich nicht verkneifen –, der Handelsstandort Innenstadt falle auch irgendwie diesem Wohnungsbauprogramm zum Opfer, dann frage ich mich: Mit was beschäftigen Sie sich eigentlich? Wie tief dringen Sie in unterschiedliche Probleme ein? Wie ausgeprägt ist Ihre Bereitschaft, sich mit gewissen Dingen auseinanderzusetzen? – Wenn man den Handelsstandort Innenstadt gefährdet sieht, dann gebe ich Ihnen mit dieser Aussage recht. Das hat aber weder etwas mit der Wohnungspolitik

(Jürgen Lenders (FDP): Aber mit Ihrer Steuerpolitik, Frau Kollegin!)

noch mit der Wirtschaftspolitik, noch mit irgendetwas anderem zu tun, sondern mit etwas ganz anderem. Dann lassen Sie sich doch einmal von einer Person beraten, die 27 Jahre im Einzelhandel gearbeitet hat.

(Jürgen Lenders (FDP): Entschuldigen Sie mal, ich war jahrelang selbstständig!)

Ich bin gerne zu einem persönlichen Gespräch bereit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Michael Siebel (SPD): Und 19 Jahre in der Politik!)

Danke Herr Siebel, die 19 Jahre als Politikerin kommen noch obendrauf. – Sie haben dann schon einen geeigneten Gesprächspartner.

Zu dem Antrag der SPD möchte ich sagen: Das, was ich jetzt gerade geschildert habe, sind Maßnahmen, die abgefragt werden.

(Zuruf von der SPD: Nein!)

Im Gegensatz zu dem, was Herr Siebel gerade behauptet hat, wundere ich mich, wenn es stimmen würde, was er gesagt hat. Dann würden die Mittel ja gar nicht abgerufen werden. Aber das Gegenteil ist der Fall. Das ist also ein ganz klarer Beweis dafür, dass die Maßnahmen greifen. Ich sage es einmal in Zahlen: Die 1,7 Milliarden €, die auf fünf Jahre angelegt sind und zu denen auch die 257 Millionen € für die Wohnraumförderung gehören – das wirkt. Man kann da nicht drum herumreden, und man kann auch nicht daran vorbeireden. Deswegen lehnen wir den SPDAntrag ab, weil er sozusagen nicht in dieses Portfolio der Wohnraumförderung und der Wohnungswirtschaft hineinpasst. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Danke, Frau Förster-Heldmann. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Caspar das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir diskutieren über ein Gesetz, das vom Land deswegen gemacht wird, damit die Kommunen bestimmte Baumaßnahmen durchführen können. Herr Kollege Lenders, Sie haben hier über die Wohnungspolitik gesprochen – das kann man alles machen. Sie haben auch über die Naussauische Heimstätte gesprochen – auch das kann man machen. Das ist aber nicht Gegenstand dieses Punktes, über den wir sprechen. Hier geht es konkret um das Wohnrauminvestitionsgesetz.

Was ist der Inhalt des Gesetzes? Es geht darum, dass 257 Millionen € an Darlehensmitteln bereitgestellt werden, die das Land den Kommunen zur Verfügung stellt, und zwar zu einem Nullzins für die ersten 15 Jahre. Das heißt, die Kommunen bekommen das Geld und müssen dafür in den ersten 15 Jahren überhaupt keine Zinsen zahlen. Was dürfen die Kommunen mit dem Geld machen? Sie dürfen in Wohnungsbau investieren, und zwar sowohl in Neubau als auch in die Umwandlung von bisher gewerblich genutzten Gebäuden oder leer stehenden Gebäuden in Wohnungen, die dann bezahlbar und mietzinsgünstig für die Nutzer sein müssen. Insoweit ist das ein Programm, mit dem das Land Hessen die Kommunen unterstützt, und zwar zielgerichtet, um günstigen Wohnraum anzubieten. Das ist ein sehr gutes Programm.

Herr Siebel, deswegen kann ich auch Ihre Ausführungen hierzu relativ wenig verstehen. Ich gebe zu, soweit Sie über das Märchen mit dem Hasen und dem Igel gesprochen haben,

(Zuruf des Abg. Michael Siebel (SPD))

fand ich das sehr beeindruckend. Von Fabeln und Märchen verstehen Sie sehr viel. Aber die Ausführungen, die danach

kamen und sich dann auf die Wohnungspolitik bezogen haben, haben sich mir jedenfalls nicht erschlossen.

Sie haben gesagt, es müsse darüber hinaus noch Zuschüsse geben. Aber man muss sagen: Wenn die Kommunen Darlehensmittel zur Verfügung gestellt bekommen, für die sie überhaupt keine Zinsen zahlen müssen, ist das natürlich ein ganz erheblicher Vorteil. Denn die Kommune stellt sich immer die Frage, wenn sie investieren oder etwas unterstützen will, ob sie dafür etwas zahlen muss oder ob sie dafür nichts zahlen muss. Wenn man überhaupt keine Zinsen zahlen muss, ist das ein ganz erheblicher Vorteil.

Sie haben dann beim Thema sozialer Wohnungsbau etwas vermengt. Hierzu muss ich Ihnen sagen: Wenn Sie sozialen Wohnungsbau machen, sehen die Programme des Landes bereits vor, dass Sie nicht nur Zinsverbilligungen haben, sondern dass Sie auch Tilgungszuschüsse bekommen. Was Sie hier fordern, wird tatsächlich vom Land schon angeboten, nämlich dort, wo es gebraucht wird. Wenn es darum geht, dass Wohnungsgesellschaften oder Private investieren wollen, haben Sie völlig recht: Heute reicht es nicht, die Zinsen zu verbilligen, sondern dann werden Tilgungszuschüsse gegeben.

(Vizepräsident Wolfgang Greilich übernimmt den Vorsitz.)

Das vorliegende Programm würde lediglich eine Finanzierung der Kommunen bedeuten. Das ist aber nicht notwendig; denn wir haben viele Instrumente, mit denen das Land die Kommunen finanziell unterstützt. Aber für die Maßnahmen, die im Rahmen dieses Gesetzes vorgesehen sind, nämlich dass die Kommunen auch günstigen Wohnraum schaffen können, wenn sie z. B. alte, stillgelegte Betriebsgebäude oder Ähnliches sowohl für die dauerhafte Nutzung für günstigen Wohnraum als auch für die temporäre Unterbringung von Flüchtlingen haben, hilft dieses Programm den Kommunen sehr. Deshalb erwarten es die Kommunen sehnlichst. Das haben sie in der Anhörung entsprechend ausgeführt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, natürlich ist das nur e i n Baustein in dieser Wohnungspolitik in den unterschiedlichen Programmen, die angeboten werden und die alle dazu beitragen, dass Wohnraum auch in den Ballungszentren und dort, wo er knapp ist, auch denjenigen zur Verfügung steht, die nicht kaufkraftstark sind. Selbstverständlich müssen wir die genauso im Blick haben wie alle anderen auch. Denn Aufgabe der Politik ist es, Rahmenbedingungen zu setzen, damit alle Menschen angemessenen Wohnraum finden können. Hierfür ist dieser Gesetzentwurf ein positiver Beitrag. Daher wird er von uns unterstützt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Caspar. – Als Nächster hat Herr Abg. Schaus für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will mich heute auf den Gesetzentwurf beziehen, weil

wir die allgemeine Debatte zur Wohnungspolitik sicherlich morgen Vormittag intensiver führen werden.

Die Anhörung im Umweltausschuss am 9. Mai hat unsere grundsätzlichen Kritikpunkte an dem vorliegenden Entwurf zu einem Wohnrauminvestitionsprogrammgesetz bestätigt. Obwohl der Gesetzentwurf von allen Anzuhörenden grundsätzlich als unstrittig angesehen und als eine Fortsetzung des bestehenden Programms verstanden wird, enthält er einige, wie ich finde, nicht unwesentliche Passagen, die von einer Reihe von Anzuhörenden bemängelt wurden.

Sie schaffen mit diesem Gesetz ein weiteres Förderprogramm, das die Kommunen mit Beginn des Jahres 2019 in Anspruch nehmen sollen. Die damit auf sechs Jahre verteilt zur Verfügung gestellten Mittel in Höhe von insgesamt 257 Millionen € sollen dabei erneut ausschließlich als Darlehen bereitgestellt werden. Tilgungszuschüsse, die aber beim derzeit niedrigen Zinsniveau ein wichtiges Instrument zum Anreiz für den sozialen Wohnungsbau darstellen würden, sind jedoch nicht enthalten.

In der Anhörung sagte dazu Herr Kremer von der Wiesbadener Wohnbaugesellschaft – Zitat –:

Im Moment besteht die Schwierigkeit darin, dass die Zinsen relativ niedrig sind und das Land sicherlich nicht bereit ist, negative Zinsen zu bezahlen – wie es die Banken manchmal fordern. Aber vielleicht könnten wir überlegen, ob man – analog zu den KfWMitteln – ergänzend zu den Zinszuschüssen Tilgungszuschüsse gewährt. Das wäre eine Möglichkeit.

Dies greift der Änderungsantrag der SPD auf, und das unterstützen wir ausdrücklich.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Darüber hinaus ist im Gesetzentwurf lediglich eine Übernahme der Darlehenszinsen für die ersten 15 Jahre durch das Land festgeschrieben. Ab dem 16. Jahr müssen also die Kommunen nicht nur das als Förderprogramm getarnte Darlehen zurückzahlen, sondern sie sollen zudem auch noch die Zinsen vollständig tragen.

(Zuruf von der CDU: Wie? Getarnt?)

Wie ich bereits in der ersten Lesung sagte, halte ich dieses Vorgehen für höchst bedenklich. Die CDU-geführten Landesregierungen haben seit 1999, wie wir wissen, maßgeblich dazu beigetragen, dass heute gerade noch 85.000 Sozialwohnungen in ganz Hessen zur Verfügung stehen. Gleichzeitig ist die Zahl der offiziell bei den Wohnungsämtern registrierten anspruchsberechtigten Haushalte für eine Sozialwohnung auf eine Rekordhöhe von über 51.000 angestiegen.

Viele Jahre lang wurde nicht nur tatenlos dabei zugesehen, wie Jahr für Jahr Tausende Sozialwohnungen aus der Bindung fielen und die Zahl der neu errichteten Wohneinheiten ständig weiter sank, sondern zudem wurden Maßnahmen ergriffen, die diese Entwicklung auch noch förderten. Ich erinnere hierbei an die Änderungen des Wohnraumfördergesetzes von 2012, also unter Federführung der FDP, und 2014 unter Verantwortung der GRÜNEN, wo jeweils die knappen Fördermittel auch für den Bau von Wohneigentum zunächst vorrangig, danach gleichrangig zum Bau von Sozialwohnungen eingesetzt wurden. Zunehmend

wurden die jeweiligen Bindungsfristen für Sozialwohnungen aber immer weiter verkürzt.

Auch die kommunalfeindliche Politik vorwiegend der CDU hat ihren Beitrag zum Rückgang der Sozialwohnungen geleistet. Unter dem Deckmantel der schwarzen Null und ihrer sogenannten Entschuldungsprogramme wurden in vielen Kommunen die Bautätigkeiten zurückgefahren. Geeignete Flächen und Gebäude wurden und werden zum Ausgleich der defizitären kommunalen Haushalte meistbietend verkauft.

Die Kommunen sollen, so sieht es dieser Gesetzentwurf vor, weitestgehend auf ihre eigenen Kosten diesen fatalen Rückgang an preiswerten Wohnungen jetzt umkehren. Mit anderen Worten: Die Kommunen sollen die schlechte Wohnungspolitik der CDU-geführten Landesregierungen nun ausbaden. – Das halten wir für nicht in Ordnung.

(Beifall bei der LINKEN)

Hinsichtlich der befristeten Übernahme der Darlehenszinsen durch das Land Hessen sagte Herr Hessenauer vom hessischen Mieterbund Folgendes – ich darf zitieren –:

15 Jahre Zinsfreiheit sind ganz gut – wobei ich meine, dass es auch eine Tilgungsfreiheit für mehrere Jahre geben müsste.

Da haben wir sie wieder.

Das wäre jedenfalls besser und ein kleiner Schritt hin zu einer Zuschussregelung. Aber ab dem 16. Jahr trifft die Kommunen – oder die, die das Darlehen zurückzuzahlen haben – die volle Belastung.

Ebenfalls kritisiert wurde in der Anhörung, dass es keine kontinuierliche dauerhafte Förderung gibt. Zwar sprechen Sie in § 1 des Gesetzentwurfs von „dauerhaftem bezahlbaren Wohnraum“, doch glaube ich nicht, dass nach Rückzahlung der Darlehen und einer Übergangsfrist die gebauten Wohnungen dauerhaft als Sozialwohnungen erhalten bleiben.