Ja, das ist ja in Ordnung. Das sage ich doch gerade. Erst einmal tief durchatmen und zuhören hilft insgesamt.
Was die Rahmenbedingungen der Medizinerversorgung in Deutschland angeht, können wir aber auch gern einmal darüber nachdenken, wer eigentlich seit zehn Jahren die Bundesregierung stellt. Sie wissen, dass die wesentlichen Rahmenbedingungen für die Gesundheitsversorgung in Hessen durch die Bundesregierung gemacht werden. Da regieren Sie eifrig mit. Da hätte ich gern einmal ein paar mehr Signale erwartet, als immer nur im Landtag aufzutreten und zu sagen, wie schlecht es bei uns eigentlich ist.
Ich sage noch einmal: Ich finde es unverantwortlich, dass Frau Schott gesagt hat, dass man nur mit dem Abgeordnetenausweis Hausarzttermine bekommt. Ich finde das unverantwortlich. Das wollte ich Ihnen noch einmal sagen. Das muss man einfach einmal sagen.
Ich finde, die Bürgerinnen und Bürger draußen im Lande haben das Recht, dass sie von der Landesregierung erfahren, ob sie das, was sie tun kann, tut oder nicht. Da wiederhole ich gern, was Kollege Dr. Bartelt begonnen hat: Wir fördern regionale Gesundheitsnetze, wir haben die Famulaturförderung, wir unterstützen das Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin, wir haben einen Fonds für kommunale Aktivitäten eingeführt und die Gemeindeschwester 2.0, die die Ärzte entlasten soll. Das sind mindestens fünf Programme, die diese Landesregierung macht. Diese fünf Programme sind das, was landespolitisch getan werden kann, weil wir den Ernst der Lage erkennen. Aber wir heulen nicht nur herum, sondern wir haben auch konkrete Maßnahmen, die greifen werden.
Wir befähigen die Kommunen, dass tatsächlich dort regionale Gesundheitsnetze gebildet werden. Wir unterstützen kreative Lösungen. Wir unterstützen innovative Lösungen. Wir wollen, dass dort auch sektorenübergreifend gearbeitet wird und dass der real existierende Mangel, wo immer er auch auftritt, kreativ bekämpft wird. Natürlich brauchen wir auch mehr ausgebildete Ärzte, damit auch statistisch mehr zur Verfügung stehen. Wir wissen, dass die Ausbildung sehr weiblich geworden ist. Gerade Frauen entscheiden sich auch dafür, in anderen Modellprojekten zu arbeiten, in Teilzeitmodellen und anderen Berufsbildern zu arbeiten und sich dort niederzulassen. Das muss man fördern und unterstützen.
Genau das tun wir. Wir wollen, dass auf dem Land genug Hausärzte und Fachärzte vorhanden sind. Aber das können wir nicht mit vorgehaltener Pistole erzwingen, sondern nur mit Anreizen und Unterstützungsprogrammen erreichen. Ich habe Ihnen fünf davon genannt. Deswegen ist Ihr Vorwurf, dass wir zu wenig oder gar nichts tun oder das nicht auf dem Schirm hätten, nicht nur völlig falsch, sondern auch noch unverantwortlich.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist noch nicht ganz so lange her, da hatte ich noch keinen Abgeordnetenausweis. Das sind interessante Tipps, die man hier bekommt.
Nein, ich war Angestellte. Es war Winter. Ich war unglaublich erkältet und musste meinem Arbeitgeber am ersten Tag des Fehlens eine Krankschreibung vorlegen. Aber wie kommt man daran? – Ich war zeitgleich auch schwanger, durfte deswegen ohnehin gar nichts nehmen und hätte einfach nur ins Bett gehört. Mein Hausarzt war kurz vorher in Rente gegangen. Der zweite Hausarzt, zu dem ich sonst hätte gehen können, war selbst schwer erkrankt und die Praxis zu. Für beide Praxen gibt es übrigens auch über ein Jahr später noch keine Nachfolger. Die KV sagt trotzdem, dass meine Heimatgemeinde überversorgt sei.
Was habe ich also gemacht? – Ich habe natürlich den dritten Hausarzt vor Ort angerufen. Er hat mich dann ins Krankenhaus geschickt, um mich für einen Tag krankschreiben zu lassen. Dort musste ich dann zwei Stunden warten und eine Stunde hin- und zurückfahren. Das war völlig abstrus. Dann konnte ich mich endlich zu Hause ins Bett legen. Das ist nur eine kleine Episode aus meinem Leben. Ich bin ansonsten Gott sei Dank recht gesund und muss nicht so oft zum Arzt.
Aber bei älteren Menschen sieht das schon ganz anders aus. Das ist nur ein Beispiel für eines der drängendsten und zugleich schwierigsten Themen, die wir gerade auf dem Land haben, nämlich der Ärztemangel, über den wir heute sprechen. Deswegen bin ich der SPD auch sehr dankbar für diese Aktuelle Stunde.
Das Problem fehlender Ärzte auf dem Land, das sich mit jedem Jahr weiter verschärft, ist sehr vielschichtig. Es hat mit Geld zu tun, aber es hat eben nicht nur mit Geld zu tun. Wenn in den ländlichen Regionen keine Bank mehr ist, keine Post und kein Bäcker, und auch der Breitbandausbau noch weiter auf sich warten lässt, dann können wir auch nicht erwarten, dass sich Ärztinnen und Ärzte dort ansiedeln. Deshalb hat die Kassenärztliche Vereinigung Hessen auch noch einmal in ihrem – so will ich ihn einmal nennen – Brandbrief gefordert, das Problem in der ganzen Breite anzugehen und vor allem neue Lösungswege zu diskutieren.
Diese neuen Wege müssen – das ist auch unsere Überzeugung – diskutiert und erarbeitet werden, weil es ganz offensichtlich ist, dass das, was die Landesregierung bisher getan hat, eben nicht ausreicht und dass mehr passieren muss als bisher.
Der Mangel an Hausärzten auf dem Land nimmt weiter zu und wird sich in den kommenden Jahren auch aufgrund der Altersstruktur – das wurde eben schon angesprochen – verschärfen. Die Zahlen dazu kennen Sie alle. Deswegen will ich sie hier auch gar nicht wiederholen. Um Arztplätze aber mit größerem Erfolg wiederbesetzen zu können, muss an ganz unterschiedlichen Stellschrauben gedreht werden. Manche wurden schon genannt. Die Planungsbereiche müssen kleiner zugeschnitten werden, d. h., auch die Kreise müssen nochmals in mehrere Bereiche unterteilt werden, damit die Feststellung von tatsächlicher Über- oder Unterversorgung sichtbar wird. Das ist die Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung.
Um die Übernahme einer Landarztpraxis attraktiv zu machen, müssen Hausbesuche besonders großzügig vergütet werden und nicht – wie es kürzlich bei mir im Kreis in Gilserberg geschehen ist – mit Regressforderungen belegt werden.
Extra budgetierte Zuschüsse für Landärzte sind sinnvoll und gegebenenfalls auch, wie von der KV vorgeschlagen, Zuschüsse, wenn Ärztinnen und Ärzte in der Stadt leben und in ein Dorf hineinpendeln und dort eine Landarztpraxis betreuen.
Wir müssen darüber hinaus auch auf die Tatsache reagieren, dass es für junge Ärztinnen und Ärzte heutzutage eben nicht mehr erstrebenswert ist, zehn oder zwölf Stunden täglich in der Praxis zu sein, danach noch Hausbesuche zu absolvieren und dann noch das wirtschaftliche Risiko einer eigenen Praxis zu tragen.
Die meisten jungen Ärztinnen und Ärzte achten heute auf geregelte Arbeitszeiten und ein geringes wirtschaftliches Risiko. Deshalb geht auch der Trend hin zu Gemeinschaftspraxen, zu medizinischen Versorgungszentren und einem Angestelltenverhältnis in einer Klinik.
Es wurde eben auch schon gesagt: Die heutigen Studienabgänger im Bereich Medizin sind überwiegend weiblich. Deswegen muss auch die Ganztagsbetreuung von Kindern von der Krippe bis zum Ende der Grundschulzeit gewährleistet sein. Für junge Ärztinnen ist es eben wichtig, dass sie eine Familiengründung mit dem Beruf vereinbaren können. In Hessen fehlen eben noch 23.000 Plätze für die U-3-Betreuung.
Auch die Digitalisierung im Gesundheitsbereich könnte für Bürokratieabbau und Zeitersparnis in den Praxen sorgen. Doch es hakt beim Breitbandausbau.
Es gibt also wesentlich mehr zu tun, als bisher getan wird. Der Schlüssel für die ärztliche Versorgung auf dem Land ist in erster Linie die Stärkung der ambulanten Versorgung in der Fläche, und sie ist wesentlich schwerer in den Griff zu bekommen als die stationäre Versorgung. Deswegen möchte ich dafür plädieren, den Fokus zu erweitern und neue Wege zu gehen. – Die Zeit rennt mir davon, ich muss überspringen.
Die Landesregierung will mit der Offensive „Land hat Zukunft – Heimat Hessen“ 50 Gemeindeschwestern finanzieren, auch zur Fortführung von Landarztpraxen ohne Nachfolger, und 1 Million € zur Verfügung stellen. Doch auch das greift alles zu kurz. Wenn es uns nicht gelingt, den ländlichen Raum insgesamt wieder attraktiver zu machen, werden solche Maßnahmen nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein.
Insofern hat die KV mit ihrem Aufruf zu einem Aktionsbündnis recht. Auf politischer Ebene muss dann viel getan werden: Das Wirtschaftsministerium müsste mehr in die Infrastruktur, die Straßen und den öffentlichen Nahverkehr investieren. Das Sozialministerium sollte weitere Finanzmittel in den Aufbau und in die Qualität der Kita-Betreuung investieren. Das Kultusministerium sollte die Ganztagsbetreuung flächendeckend organisieren, usw. usf. Alles hängt hier mit allem zusammen. Wenn die Weichen in einem Bereich falsch gestellt werden, zieht das leider einen Dominoeffekt nach sich.
Ich fasse zusammen: Wenn wir wollen, dass der Landarzt in Zukunft nicht nur im Fernsehen zu sehen, sondern auch im Dorf anzutreffen ist, dann muss deutlich mehr getan werden als bisher. – Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie sehen, die Gesundheitspolitik ist ein emotionales Thema, weil davon viele Menschen betroffen sind. Es ist richtig gesagt worden: Wir werden alle älter, und das ist gut; aber wir brauchen dann auch die begleitende Behandlung von unterschiedlichen Fachkräften, die im Gesundheitsbereich tätig sind.
Politiker haben immer den Hang, plakativ zu sprechen und zu arbeiten. „Untätigkeit“ ist das Wort, das uns als Landesregierung häufig vorgeworfen wird. Das heißt im Grunde genommen, wir hätten nichts unternommen. Was Sie hier behaupten, ist schlichtweg falsch. Meine Vorredner haben schon deutlich gemacht, welchen Weg wir bereits insgesamt gegangen sind. Ich zitiere die „Welt“ vom 30.11.2017. Diese titelt: „Deutsche mit Gesundheitssystem zufrieden wie nie“. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage, die erfolgt ist, um quasi in unterschiedlichen Ländern zu hinterfragen, wie es um das Gesundheitssystem insgesamt bestellt ist.
Ich halte es vonseiten der Landesregierung für richtig, noch einmal ganz klar zu betonen – Herr Dr. Bartelt hat es auch gesagt –: Die Landarztquote wird kommen. Herr Minister Grüttner hatte gestern und hat heute die Gelegenheit, bei Herrn Laumann in Nordrhein-Westfalen noch einmal die Details zu bewerten, um das auch in Hessen auf den Weg zu bringen. Ich denke, das ist der richtige Weg, und diesen Weg werden wir gehen. Wir waren nicht untätig. Frau Dr. Sommer und Frau Ravensburg waren ja bei einem Gespräch auf dem Hessentag in Korbach zugegen. Damals ging es um die Schaffung eines Gesundheitszentrums in Waldeck-Frankenberg.
Frau Sommer, Sie können sich wirklich freuen; wir haben das besprochen. Zugegen waren der Vizelandrat und die Bürgermeister von Battenberg, Frankenau sowie Frankenberg.
Es ist ja sehr schön, dass Sie alle Konzepte haben, aber die Landesregierung wird dies sehr wohlwollend begleiten.
Ich habe vor drei Tagen den Bewilligungsbescheid unterschrieben, und wir können dieses Modellprojekt nun angehen.