Protokoll der Sitzung vom 21.06.2018

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Dann werden Sie nämlich erfahren, dass Sie sechs, acht und mehr Wochen auf einen Termin warten müssen oder gar nicht mehr behandelt werden. Gehen Sie einmal in ein Altersheim.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, Frau Kollegin Schott hat das Wort und kommt dann auch bitte langsam zum Schluss.

Wenn es unangenehm wird, reagieren Sie mit Niederbrüllen. Das muss ja ganz schön getroffen haben.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos) und Turgut Yüksel (SPD) – Zurufe von der CDU)

Es ist ziemlich schwer auszuhalten, wenn man feststellt, dass es Altersheime gibt, die händeringend nach Ärzten suchen, die bereit sind, zu ihnen zu kommen. Oder wollen Sie die Bewohnerinnen und Bewohner in die Praxis karren, weil die Ärzte, wenn sie mehr als ein Altersheim in ihrem Bezirk haben, nicht mehr in der Lage sind, die Hausbesuche abzurechnen?

Frau Kollegin Schott, Sie müssen zum Schluss kommen.

Das ist das, was Sie nicht wahrhaben wollen.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos) – Manfred Pentz (CDU): Was machen Sie denn sonst so mit dem Abgeordnetenausweis?)

Vielen Dank. – Das Wort hat Kollege Dr. Ralf-Norbert Bartelt, CDU-Fraktion.

(Nancy Faeser (SPD): Das Niveau wird immer besser in dem Haus!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sicherung der ambulanten medizinischen Versorgung im ländlichen Raum ist die wichtigste Herausforderung in der Gesundheitspolitik.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Landesregierung und Regierungsfraktionen setzten und setzen hier einen Schwerpunkt. Wir sind der SPD-Fraktion sehr dankbar, dass sie das zum Thema der Aktuellen Stun

de gemacht hat. Wir können so unsere Aktivitäten in dieser Wahlperiode noch einmal darlegen. Wir können darüber hinaus mit Freude feststellen, dass die Ankündigung unseres Ministerpräsidenten auf dem kürzlich stattgefundenen Landesparteitag, bei der Vergabe der Studienplätze in der Medizin eine Landarztquote einzuführen, offenbar auch von der SPD-Opposition unterstützt wird.

(Beifall des Abg. Hartmut Honka (CDU))

Ich möchte zuerst unsere Maßnahmen für die ärztliche Versorgung auf dem Land zusammenfassen. Sie haben das zwar zum Thema gemacht, haben aber über die spezifischen Probleme und die Lösungsansätze zur Behebung des Mangels der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum eigentlich gar nichts gesagt. Das haben wir gemacht: finanzielle Zuschüsse bis zu 60.000 € bei Neugründung oder Übernahme einer Praxis in einem unterversorgten Gebiet. Frau Schott, das war ein Gemeinschaftswerk vom Land, der KV und den gesetzlichen Krankenkassen.

(Zuruf des Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Es geht weiter: Zahlungen an Studierende, die ihre Pflichtpraktika – Famulaturen – auf dem Land absolvieren; Stärkung der Allgemeinmedizin an den Lehrstühlen der Universitäten in Frankfurt und Marburg; Umsetzung der Verkleinerung der Zulassungsbezirke, um eine Zentralisierung bei Praxisübergaben zu verhindern. Frau Dr. Sommer, alles, was Sie gefordert haben, haben wir schon längst gemacht. Im letzten Doppelhaushalt haben wir Mittel zur Unterstützung von medizinischen Versorgungszentren dort eingesetzt, wo es zu wenige Praxen gibt. Zudem gibt es eine Finanzierung von Gemeindeschwestern, die die Qualität der Versorgung durch Betreuung erhöhen. Außerdem gibt es einen Anschub für die Telemedizin, die besonders den Patienten im ländlichen Raum nutzt.

Meine Damen und Herren, der „Masterplan Medizinstudium 2020“ auf Bundesebene zur Verbesserung der Qualität des Medizinstudiums dient besonders dem ländlichen Raum. Drei Punkte werden verbessert: Im letzten Jahr des Studiums, dem sogenannten praktischen Jahr, wird ein Ausbildungsteil in einer Praxis obligatorisch, sodass eine Bindungswirkung eintreten kann. Die Allgemeinmedizin wird Prüfungsfach. Der wichtigste Punkt ist, dass die Bundesländer, unabhängig vom Numerus clausus, bis zu 10 % der Studienplätze an Bewerber vergeben können, die sich verpflichten, auf dem Land zehn Jahre ärztlich tätig zu werden.

(Beifall bei der CDU)

Hessen wird, wie die meisten Bundesländer, diese Landarztquote auch umsetzen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dass Sie sagen, der Sozial- und Gesundheitsminister stehe dem ablehnend gegenüber, ist schlichtweg falsch. Das Gesetz musste erst einmal vom Bund geschaffen werden, damit wir seriöse Überlegungen anstellen konnten. Der Ministerpräsident hat das Ergebnis des Entscheidungsprozesses bekannt gegeben. Wir gehen jetzt an die Umsetzung dieser Landarztquote. So wird es gemacht.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Marjana Schott (DIE LINKE): Jetzt, wo Sie es müssen!)

Diese Landarztquote ist ein Baustein, um die medizinische Versorgung im ländlichen Raum nachhaltig sicherzustellen. Wir werden geeignete Auswahlkriterien entwickeln und versuchen, die Studierenden schon im Studium an den ländlichen Raum zu binden.

Meine Damen und Herren, die Qualität der ärztlichen Behandlung darf nicht vom Wohnort abhängig sein. Jemand, der auf dem Land wohnt, muss genauso gut behandelt werden wie jemand, der in der Innenstadt einer Großstadt wohnt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Bartelt. – Das Wort hat Herr Abg. Marcus Bocklet, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage mich, warum es bei Diskussionen zu bestimmten empfindlichen Themen eigentlich weder Maß noch Mitte gibt. Wir haben bei der Versorgung eine sehr ernste Situation, da viele Ärzte in Rente gehen. Ich verstehe nicht, wie die Diskussion über das Thema immer wieder in eine totale Polemik abgleiten kann. Es werden Redebeiträge mit Schaum vor dem Mund gehalten. Diese Diskussion – die Argumente, die auf diese Art vorgetragen werden – kann den Menschen draußen nur ein falsches Bild vermitteln. Das finde ich unangemessen und unverantwortlich. Das muss ich ganz ehrlich sagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf der Abg. Dr. Daniela Sommer (SPD))

Frau Dr. Sommer, Ihr Redebeitrag endete im Wesentlichen mit einem Vorschlag: die Erhöhung der Zahl der Studienplätze um 10,5 %.

(Dr. Daniela Sommer (SPD): Das lehnen Sie die ganze Zeit ab!)

Wir lehnen gar nichts ab. Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie sprechen. Wir haben die Diskussion lange geführt. Frau Dr. Sommer, ich kann Ihnen sagen, wie die Diskussion vor fünf Jahren, als ich den Job des gesundheitspolitischen Sprechers übernommen habe, lief. Die lief damals so, dass man gesagt hat: Es gibt eigentlich genug Ärzte, man muss sie nur besser verteilen. – Autor: Kassenärztliche Vereinigung. Sie erklärte: Man muss sie nur besser verteilen. Wir brauchen die Instrumente, damit wir verteilen dürfen. – Sie hatten die Instrumente.

Ich will kein Bashing der Kassenärztlichen Vereinigung vornehmen; aber die Diskussion war lange Zeit so, dass nicht von einem Ausbildungsmangel gesprochen wurde, sondern von einem Verteilungsproblem. Dieses Verteilungsproblem hätten andere längst in den Griff kriegen können. Jetzt kommt on top die Tatsache, dass wir ein Problem haben, dass wir nämlich zu wenige Ärzte haben.

Ich sage Ihnen für uns GRÜNE – wir haben unser Wahlprogramm im Juni beschlossen, und das können Sie nachlesen –: Wir setzen uns sehr stark dafür ein, dass die Zahl der Ausbildungsplätze in Hessen erhöht wird. Aber ich sage Ihnen auch eines: Sie als Sozialdemokraten sollten zur

Kenntnis nehmen: Wir liegen in Hessen auf Platz 4 bei der Ausbildungsquote für Medizinstudenten. Weiter unter dem Schnitt liegen die Bundesländer, in denen Sie die Verantwortung tragen – Rheinland-Pfalz, Thüringen und Nordrhein-Westfalen. Diese Leute kommen zu uns zum Studieren. Deshalb brauchen wir auch einen fairen Ausgleich, wenn wir über eine Anhebung der Anzahl der Ausbildungsplätze in Hessen reden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Diese Ausbildungsplätze sind mit die teuersten. Es kann nicht sein, dass Hessen sozusagen die Ausbildungsstätte für all die Bundesländer wird, in denen die SPD die Verantwortung trägt. So werden wir es ganz sicher nicht machen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Herr Kollege Bocklet, der Fraktionsvorsitzende Boddenberg wollte Ihnen gerne eine Frage stellen.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es wird mir eine große Ehre sein, Herr Boddenberg!)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Ist Ihnen bekannt, dass in Nordrhein-Westfalen mittlerweile die SPD nicht mehr die Landesregierung stellt?

(Heiterkeit bei der CDU)

Herr Kollege Bocklet.

In der Tat, das bestürzt mich zutiefst. Das ist seit einem Jahr so, wenn ich mich recht erinnere. Ich fürchte, dass die Versäumnisse schon bis zu zehn Jahre zurückliegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Aber auch in Nordrhein-Westfalen, so gebe ich zu, haben GRÜNE mitregiert.

(Nancy Faeser (SPD): Wer hat denn da mitregiert? – Zurufe von der SPD)

Ja, das ist ja in Ordnung. Das sage ich doch gerade. Erst einmal tief durchatmen und zuhören hilft insgesamt.