Protokoll der Sitzung vom 25.06.2014

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Selten war eine Aktuelle Stunde so aktuell wie diese, denn wir befinden uns unmittelbar in genau der Woche, in der die Beratungen im Deutschen Bundestag stattfinden. Am Dienstag hat sich der Ausschuss ausgiebig mit dem Thema befasst. Wie Sie alle wissen, steht das Thema morgen in Berlin auf der Plenartagesordnung. Es ist damit zu rechnen, dass das Gesetz verabschiedet wird.

Insoweit ist die erste Kritik an das Verfahren zu richten. Wir haben hier eine Vorgehensweise, die von allen Seiten, selbst von denjenigen, die in Berlin in Regierungsverantwortung stehen, skeptisch, wenn nicht sogar kritisch beurteilt wird. Unsere Aktuelle Stunde soll so etwas wie die Funktion des Nebelhorns übernehmen. Die Berlinerinnen und Berliner im Parlament sind in einem Zustand, in dem sie nicht den Durchblick haben, gleichwohl das Gesetz beschließen werden. Da kann man die Warnung nur möglichst laut aussprechen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, in der Presse ist der schöne Satz, der Bismarck zugeschrieben wird, zitiert. Ich darf ihn auch hier benutzen. Er lautet:

Je weniger die Leute wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden, desto besser schlafen sie.

(Heiterkeit – Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum sage ich das? – Ein Änderungsantrag von 204 Seiten ist durch den Ausschuss gepeitscht worden und steht jetzt zur Verabschiedung an. Das ist nicht das, was uns allen in der Koalitionsvereinbarung in Berlin zum Thema EEG versprochen worden ist, nämlich ein geordnetes Verfahren.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Deshalb wird man wohl davon ausgehen müssen, dass eine Reparaturgesetzgebung sehr bald wird folgen müssen. Das Thema ist im Hessischen Landtag bereits mehrfach behandelt worden. Wir erinnern uns daran, es hat am 1. April eine Sonderministerpräsidentenkonferenz stattgefunden, über die der Ministerpräsident am 02.04. im Plenum ausgiebig berichtet hat. Danach hat in den Gremien eine ganze Menge an Debatten stattgefunden, die nicht so sehr im Fokus der Öffentlichkeit stehen, aber dennoch wichtig sind. Die Einwände und Vorträge aus dem Deutschen Bundesrat wurden von der Bundesregierung überwiegend zurückgewiesen. Da kann man nur sagen: Das ist alles ein sehr hektisches und keineswegs geordnetes Verfahren.

Aus hessischer Sicht ist die Vorlage des Gesetzentwurfs nicht ganz so schlimm, wie zwischenzeitlich zu befürchten war. Sie ist aber keineswegs erfreulich. Insofern lohnt es sich, den Aufruf an den Deutschen Bundestag zu richten: Ihr könnt das noch deutlich besser machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf jeden Fall sollte man nicht versäumen, den Einsatz des Ministerpräsidenten und des stellvertretenden Ministerpräsidenten dafür zu loben, dass wenigstens der gröbste Unfug im Gesetzentwurf gestrichen werden konnte. Besser geworden ist jetzt zum einen das Referenzertragsmodell und zum Zweiten, dass der Nettozubau von 2.500 MW und nicht der Bruttozubau bewertet wird.

Leider nicht besser geworden sind die beiden Punkte, auf die ich noch eingehen werde, der Vertrauensschutz für die Investoren, Stichwort: Stichtagsregelung, und die Frage der Eigenstromerzeugung. Meine Damen und Herren, das könnte man noch ändern. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz soll ja den Ausbau der erneuerbaren Energien fördern und nicht bremsen, wie unser Titel heißt. Der vorliegende Gesetzentwurf macht es genau anders herum: Er fördert weniger und bremst mehr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schon in der der Koalitionsvereinbarung war im Hinblick auf den Vertrauensschutz Böses zu ahnen gewesen. Wir müssen heute konstatieren, dass der sogenannte Stichtag 23. Januar 2014 nach wie vor im Gesetz steht. Man kann Herrn Gabriel nur sagen, er vergisst dabei wohl offensichtlich, dass nicht die formale Genehmigung der Beginn eines solchen Verfahrens ist, sondern der Beginn weit vorher liegt, weil zwingend notwendige technische Planungen und Gutachten erstellt werden müssen. Alle Vorhaben, die in dieser Phase stecken, aber bis zum 23. Januar noch keine Genehmigung hatten, sind die Gelackmeierten, weil sie

jetzt unter anderen Bedingungen abschließen, als sie ursprünglich wollten.

Meine Damen und Herren, die Zeit läuft davon, das Gewürge über die Eigenstromerzeugung würde einen eigenen Setzpunkt erfordern. Dazu kann ich aus Zeitgründen nicht mehr vertieft Stellung nehmen. Ich darf Ihnen aber eines sagen: Man muss schon daran erinnern, dass der Bundeswirtschaftsminister und Parteivorsitzende der SPD offensichtlich aus seinem Korsett nach dem Motto „Kohleförderung an vorderer Stelle“ nicht so ganz herauskommt, weil die erneuerbaren Energien und ihre Fortentwicklung mit diesem Gesetzentwurf nicht besonders gefördert werden. Das kann man nur bedauern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- ruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

In Hessen haben wir in unserer Koalitionsvereinbarung eine klare Linie gezogen. Die werden wir auch weiterziehen. Da werden wir am Ende auch Erfolg haben, so viele Knüppel uns Herr Gabriel und seine SPD auch zwischen die Beine werfen werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Kollege Kaufmann. – Das Wort hat Herr Abg. Gremmels, SPD-Fraktion.

(Clemens Reif (CDU): Ach du liebe Zeit!)

Meine Damen und Herren, bitte keine Kommentare, wenn ein Redner zum Rednerpult geht. Darauf hatten wir uns verständigt. Das gilt für alle, auch für die Veteranen in unseren Reihen. Ich bitte, darauf zu achten.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte die Zwischenrufe alle aus, weil ich auch ein großer Zwischenrufer bin.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, das morgen im Bundestag verabschiedet wird, gibt es in der Tat Licht und auch Schatten. Allerdings muss man sagen, dass die Ausgangslage für diese Reform mit einem Koalitionspartner auf Bundesebene, der zur Energiewende eher ein taktisches Verhältnis hat, und einer schwarz-gelben Vorgängerregierung, die die Energiewende vor die Wand gefahren hat,

(Beifall bei der SPD – Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Es waren immer die anderen!)

sowie einer EU-Kommission, für die die Förderung der erneuerbaren Energien schon immer ein Dorn im Auge war, sich sehr schwierig gestaltete. Es war wirklich eine sehr schwere Ausgangslage. Das muss an dieser Stelle ziemlich deutlich gesagt werden.

(Beifall bei der SPD)

Allerdings kann man aus der Sicht von Hessen, einem Binnenland, sagen, dass die Onshoreförderung und die Solarindustrie mit dem, was morgen im EEG verabschiedet werden wird, nicht zufrieden sein können. Das muss man an dieser Stelle sagen, weil wir im Hessischen Landtag dafür

da sind, die hessischen Interessen zu wahren. Sehr viele der derzeit in Planung befindlichen Windkraftprojekte sind durch die künftig etwas niedrigere Förderung nicht mehr wirtschaftlich zu betätigen.

Sehr geehrter Herr Kollege Kaufmann, zur Wahrheit der Verhandlungen der letzten Tage gehört auch, dass die SPD sehr wohl auf Bundesebene Angebote unterbreitet hat, die Stichtagsregelung zu verschieben. Das ist an der CDU auf Bundesebene gescheitert. Das gehört zur Wahrheit.

(Beifall bei der SPD – Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Es waren immer die anderen!)

Die Arbeitsteilung des Ministerpräsidenten war, hier vor Ort Bundesratsinitiativen zu starten und in Berlin als stellvertretender Bundesparteivorsitzender der CDU diese zu konterkarieren. Mit diesem Zwiespalt muss der Ministerpräsident leben. Dieses Angebot lag auf dem Tisch, ist aber an der CDU gescheitert.

(Beifall bei der SPD)

Gelungen ist, darüber sind wir in der Tat erfreut, dass bei der Frage der PV-Eigenstromnutzung künftig kleine Hausdachanlagen bis 10 kWp ausgenommen sind. Das ist insbesondere auch das Verdienst von Thorsten Schäfer-Gümbel, der in den letzten Tagen sehr viel verhandelt und Einfluss genommen hat. Insofern ist das der richtige Weg.

Bei größeren PV-Eigenstromanlagen haben wir eine Staffelung, dass bis zum Jahr 2017 nur 40 % gezahlt werden müssen. Das ist ein richtiges Signal. Wobei ich auch ziemlich deutlich sage: Eine Zahlung der EEG-Umlage auf selbst produzierten Strom ist insgesamt eher eine Strafzahlung als ein Anreiz für erneuerbare Energien.

(Beifall bei der SPD)

Wir als hessische SPD hätten uns etwas anderes gewünscht. Insbesondere die nordhessische Solarindustrie und den Mittelstand mit Tausenden von Arbeitsplätzen stellt das vor sehr große Herausforderungen. Das muss an dieser Stelle auch gesagt werden.

Was mich aber an dieser Stelle richtig ärgert, Herr Kaufmann, ist die Doppelzüngigkeit der GRÜNEN.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Oh!)

Das muss an dieser Stelle deutlich gesagt werden. Politische Verantwortung trägt natürlich der Minister Sigmar Gabriel; das ist gar keine Frage. Dazu stehen wir, und Gabriel steht ebenfalls dazu. Aber sein Staatssekretär als Vater der Reform ist Rainer Baake.

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aha!)

Der ist in Hessen kein Unbekannter. Er war hier Staatssekretär unter Joschka Fischer.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten)

Anscheinend habe ich die GRÜNEN getroffen, wenn sie jetzt so dazwischenrufen. – Und er war auch der Chefberater von Tarek Al-Wazir beim Hessischen Energiegipfel.

(Beifall bei der SPD – Florian Rentsch (FDP): Na sowas! – Weitere Zurufe)

Er hat hier Konzepte erarbeitet und so viel Verantwortung, dass ich erwarte, dass man auch dazu steht. Eine öffentliche Distanzierung von Ihrem Parteifreund Rainer Baake habe ich aber noch nicht wahrgenommen.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten)

Ich sage Ihnen noch etwas. Auch der Ministerpräsident der GRÜNEN, Herr Kretschmann, hat eine sehr unrühmliche Rolle bei dieser Verhandlung gespielt.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn am 2. April bei der Zusammenkunft der Ministerpräsidenten in Berlin bei der Kanzlerin Herr Kretschmann sozusagen allen Verhandlungen einen Freibrief erteilt,