Protokoll der Sitzung vom 17.07.2014

Mir ist signalisiert worden, dass beide Anträge an den Innenausschuss überwiesen werden sollen. – Dann machen wir das so. Der Antrag, Drucks. 19/630, und der Dringliche Entschließungsantrag, Drucks. 19/698, werden dem Innenausschuss überwiesen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 78 auf:

Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung – Drucks. 19/682 zu Drucks. 19/584 zu Drucks. 19/250 –

Berichterstatter ist Herr Bauer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Innenausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen von

FDP und DIE LINKE bei Enthaltung der SPD, den Gesetzentwurf in der Fassung der zweiten Lesung – geändert durch den Änderungsantrag Drucks. 19/679 – in dritter Lesung unverändert anzunehmen.

Danke schön, Herr Bauer. – Sie haben als Erster das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin recht optimistisch, dass es uns heute in dritter Lesung gelingen wird, diesen Gesetzentwurf zu beschließen. Ich bin darüber sehr froh, denn das künftige Gesetz stärkt die Kommunen für die Energiewende und hilft beim Ausbau der Breitbandinfrastruktur in unserem Land. Das ist ein wichtiges Signal.

Für uns ist das keine Bagatelle. Wir haben nämlich erkannt, dass die Kommunen im Rahmen der Energiewende ein stärkerer Akteur, ein stärkerer Investor sein müssen, um die Energiewende auch flächendeckend voranzubringen. Gerade in dem zweiten genannten Bereich, beim Breitbandausbau, ist es notwendig, dass die Kommunen mehr Handlungsspielräume bekommen, damit die Breitbandinitiative des Landes Hessen erfolgreich umgesetzt werden kann.

Mittlerweile gehört der Breitbandausbau zur Daseinsfürsorge. Er ist auch ein Zeichen einer Infrastrukturpolitik, die den ländlichen Raum nicht abhängt. Wir investieren sinnvoll, und wir ermöglichen, dass die Kommunen zu wichtigen Akteuren werden, damit wir in Hessen einen flächendeckenden Breitbandausbau sicherstellen können.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, in einer digitalisierten Welt und in einer digitalisierten Zeit ist es dringend notwendig, dass Schüler, Studenten, Handwerksbetriebe und Unternehmen, die große Datenmengen transportieren, einen auskömmlichen Breitbandausbau haben. Die Zeit der Schneckenpost ist vorbei. Deshalb ist es notwendig, dass wir verhindern, dass sich die Privatwirtschaft wie bisher die Rosinen aus dem Kuchen pickt und der ländliche Raum und unattraktive Regionen abgehängt werden. Wir haben jetzt die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass auch die Kommunen den Breitbandausbau erfolgreich umsetzen können. Dazu gehört eben auch, dass man eine Gewinnerzielungsabsicht unterstellen darf. Das ist ein wichtiges Signal, das wir von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Kommunen geben wollen. Der Breitbandausbau kann jetzt verstärkt vorangetrieben werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich bin überzeugt, dass diese Vorlage ein gutes Gesetz ist. Wenn die FDP auf der einen Seite Staatswirtschaft befürchtet und der LINKEN auf der anderen Seite die Öffnung nicht weit genug geht, dann ist das ein ausgewogener Kompromiss, der die unterschiedlichen Akteure berücksichtigt; denn es gibt in der Tat berechtigte Interessen der Wirtschaft und des Handwerks. Wir haben klargestellt, dass wir nicht wollen, dass der Staat der bessere private Akteur, der bessere private Investor ist. Wir halten uns nach wie vor an Grundsätze, wobei „privat vor Staat“ eine wichtige Grundregel ist. Die Zuständigkeit der Kommunen

endet ja bei den Hausanschlüssen, damit hier das Handwerk nach wie vor wirtschaftlich tätig werden kann.

Es ist uns wichtig, dass die Interessen der Kommunen berücksichtigt werden. Es ist uns wichtig, dass wirtschaftliche Interessen berücksichtigt werden, aber auch die gesellschaftliche Relevanz darf man nicht vergessen. Bei aller Kritik an der Geschwindigkeit der Energiewende ist doch deutlich geworden: Die Akzeptanz der Energiewende wird steigen, wenn sich für die Menschen vor Ort aus den Belastungen, die auf sie zukommen, ein Mehrwert ergibt. Da sind wir sicher. Deshalb ist es wichtig, dass wir Modelle haben, an denen die Büger, die Betroffenen, beteiligt werden können, z. B. Genossenschaftsmodelle. Wenn sich in der Region das Windrad dreht, sollen die Bürger davon einen direkten Profit haben.

(Günter Rudolph (SPD): Auch z. B. auf dem Taunuskamm?)

Dann wird nach unserer Auffassung die Akzeptanz der Energiewende steigen. Deshalb ist es wichtig, dass die Kommunen Investoren bei der Energiewende sein können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

All das ermöglicht die vorgelegte Änderung der Hessischen Gemeindeordnung, die von dem zu starren Korsett wegführt, in das wir die Kommunen gezwängt haben, aber einen Gürtel bereithält, damit sich die Kommunen nicht übernehmen. Wir haben Grenzen eingezogen, damit sich die Kommunen nicht spekulativ überheben. Wir haben die wirtschaftliche Betätigung an klare Grenzen gekoppelt: an regionale Grenzen, an Formen interkommunaler und interregionaler Zusammenarbeit und an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kommunen. So wird verhindert, dass irgendwer Millionen- oder Milliardeninvestitionen in den Sand setzt. Deshalb ist es ein ausgewogener Gesetzentwurf, der mehr Dynamik in diese beiden Bereiche bringt.

Ich bin sehr davon überzeugt, dass auch der Änderungsantrag einen kleinen Beitrag zur Verbesserung leistet. Wir haben schließlich erkannt, dass es angesichts der in Berlin veranlassten Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes einfach notwendig ist, klarzustellen, dass es nicht nur um die Erzeugung oder um den Vertrieb von regenerativem Strom geht, sondern auch um die Einspeisung.

Ich will das einmal an folgendem Beispiel deutlich machen: Wenn eine Kommune ein Blockheizkraftwerk baut, um einen Stadtteil oder ein Neubaugebiet zu bewirtschaften, kann nicht nur der Strom, sondern auch die Abwärme verteilt werden, und man kann Fernwärmenetze bauen.

Wir haben auch erkannt, dass das Gas von Biogasanlagen nicht unbedingt immer verstromt werden muss, sondern dass es auch technische Möglichkeiten gibt, es direkt in ein Gasnetz einzuspeisen. All das wird kommunalen Unternehmen ermöglicht.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Das ist ein gutes Signal, das vom Hessischen Landtag ausgeht. Ich freue mich, wenn wir diesen Entwurf heute als Gesetz beschließen. – Besten Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Bauer. – Für DIE LINKE hat sich Herr Schaus zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben den Gesetzentwurf am Montag in der zweiten Lesung behandelt und die dritte Lesung beantragt, weil sehr kurzfristig ein Änderungsantrag dazu eingereicht wurde, der zwar im Innenausschuss schon Wochen vorher avisiert wurde, dessen Text aber noch nicht klar war. In der Zwischenzeit ist klar, dass der Änderungsantrag aus der Sicht der Koalitionsfraktionen eine wichtige redaktionelle Konkretisierung darstellt – das will ich von unserer Seite gar nicht bestreiten – und eine Unklarheit beseitigt, die sich aus der Anhörung ergeben hat und die reklamiert wurde.

Dennoch, unsere Forderungen gingen und gehen, was die Öffnung des § 121 der Hessischen Gemeindeordnung betrifft, über den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen hinaus. Wir LINKE treten nach wie vor dafür ein, eine weiter gefasste Öffnung hinsichtlich der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen vorzunehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine wirtschaftliche Betätigung der Kommunen ist im jetzigen Gesetz mit der Begrenzung auf den öffentlichen Zweck, mit der Angemessenheit der Leistungsfähigkeit der Gemeinden und mit dem voraussichtlichen Bedarf bereits stark genug eingeschränkt, sodass nicht, wie immer beschworen, die Gefahr besteht – –

(Manfred Pentz (CDU): Da klatscht nur einer aus der ganzen Fraktion! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD): Es ist ja auch nur einer da! – Lachen des Abg Manfred Pentz (CDU))

Herr Pentz, zwei sitzen da, und zwei sitzen im Präsidium. Das ist bei einer kleinen Fraktion immer ein bisschen schwierig. Vielleicht gibt es ja eine Assistenz beim Klatschen von der anderen Seite des Hauses, wenn wir schon zwei von unseren sechs Leuten im Präsidium sitzen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Die von mir angesprochene Regelung reicht also völlig aus, um die wirtschaftliche Betätigung auf den gesamten Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge auszuweiten, wie wir das seinerzeit in dem von Ihnen abgelehnten Änderungsantrag gefordert haben. Wir sehen nach wie vor, dass dies möglich wäre und im Übrigen von der viel beschriebenen kommunalen Familie – ja, die machen auch Sozialpolitik – gewünscht wird. Herr Präsident, ich darf aus der Zeitschrift „Informationen Hessischer Städtetag“, Ausgabe 3-4/2014, zitieren:

Die Städte hätten sich mehr gewünscht, etwas mehr Freiheit bei der städtebaulichen Entwicklung oder den Wegfall einer räumlichen Begrenzung für die energiewirtschaftliche Betätigung.

So weit die Forderung des Hessischen Städtetags hinsichtlich einer weiteren Öffnung des § 121 in der Richtung, in der auch wir sie gefordert haben.

Wir haben nach wie vor die Position, dass es sinnvoll wäre, eine Rekommunalisierungsregelung in die Hessische

Gemeindeordnung aufzunehmen und damit die in den letzten Jahrzehnten vorgenommenen Privatisierungen zu überprüfen sowie zu klären, inwieweit die Kommunen dies wieder in eigener Verantwortung wahrnehmen wollen.

Wir hätten es gern gesehen, wenn Sie sich bei diesem Gesetzentwurf mehr getraut hätten. Sie wollen das nicht. Das ist bedauerlich. Wir bleiben allerdings bei unserer Position, dass eine Ausweitung der Regelung in § 121 nötig, möglich und sinnvoll wäre. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Herr Schaus. – Herr Rudolph für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Vier-Sterne-Gesetz ist das nicht. Das müssen wir an dieser Stelle festhalten.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Es ist besser als ein Stern. – Ich will auch zugeben: Es ist eine Verbesserung der Situation dahin gehend, dass sich Kommunen bei der Nutzung erneuerbarer Energien und bei der Breitbandversorgung wirtschaftlich betätigen können. Das ist eine Forderung der SPD, die schon länger erhoben wird und die sachlich geboten ist.

Ein wichtiger Punkt in Ihrem Gesetzentwurf ist aber nicht verbessert worden: dass Sie den Kommunen nicht zutrauen, wirtschaftlich tätig werden zu können. Sie haben immer noch ein Grundmisstrauen gegen die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen im Rahmen der Daseinsvorsorge. Das ist ein völlig falscher Ansatz, und es ist auch ein völlig falsches Staatsverständnis.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Die Finanzsituation der Kommunen in Hessen ist – wie wir das gerade von den GRÜNEN gehört haben – ganz toll. Das entspricht aber nicht der Realität, und falsche Behauptungen werden nicht allein dadurch besser und wahrer, dass man sie oft wiederholt.

Die Kommunen sind dringend auf die Akquisition von Einnahmen angewiesen. Wenn man mit erneuerbaren Energien vor Ort Wertschöpfung erzielen kann und dadurch Geld zur Verfügung steht, muss dieses Geld von den Kommunen genutzt werden können, um etwa Aufgaben der Bereitstellung der Kinderbetreuung sach- und fachgerecht zu erledigen. Wie kann man dagegen sein, dass sich Kommunen im Rahmen der Daseinsvorsorge für ihre Bürgerinnen und Bürger betätigen können?

(Beifall bei der SPD und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Da wir das eben so schön gehört haben – Herr Bauer, auch Sie singen ja das Hohelied der Nutzung der Windenergie –: Herr Innenminister, Sie haben heute eine gute Gelegenheit, zu sagen: Es war ein Fehler, dass ich im letzten Wahlkampf als Generalsekretär gegen „Windmonster“ an den Taunushängen gearbeitet habe. – Sie sind ja in der Lage, sich zu entschuldigen. Das haben wir heute Vormittag gehört.