Protokoll der Sitzung vom 28.04.2015

Hessen ist hier ein bisschen spät, aber irgendwann müssen wir diese Regelung offensichtlich umsetzen. Ja, auf den ersten Blick, sage ich einmal, erscheinen die Änderungen eher unproblematisch, eher etwas für Feinschmecker im Verwaltungsrecht und Verfahrensrecht.

Was nicht geändert wurde – das will ich an der Stelle schon sagen –, das ist § 28 Abs. 1 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes:

Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, das erschließt sich für den Laien – das meine ich jetzt nicht negativ – durchaus nicht auf den ersten Blick. Aber wir reden z. B. von der Untersagungsverfügung für Biblis. Eine unterlassene Anhörung kann gravierende Folgen haben, bis hin zu einer Klage auf Schadenersatz in einer möglichen Höhe von 235 Millionen €. Deswegen sind wir froh, dass die Landesregierung weiß, dass man bei belastenden Verwaltungsakten normalerweise eine Anhörung macht, und möglicherweise aus Fehlern der Vergangenheit gelernt hat. Aber das will ich sehr im Konjunktiv lassen, weil ich es nicht abschließend belegen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Da Herr Kollege Frömmrich es eben ansprach: Ja, es hat diesmal ein vernünftiges Verfahren gegeben. Die Landesregierung hat den Gesetzentwurf erarbeitet und eingebracht. Es gab eine regierungsinterne Anhörung. Über das Verfahren, dass wir die Unterlagen schon bekommen haben, müssen wir noch einmal reden. Ich glaube, die Regierung stellt allen Fraktionen gerne diese regierungsinterne Anhörung zur Verfügung. Dann reden wir nachher im Innenausschuss über das Verfahren, wie umfangreich wir das machen. Ob wir das machen, müssen wir uns noch einmal anschauen. Aber der zeitliche Rahmen erscheint überschaubar. Deswegen werden wir uns mit großem Sachverstand der Änderung des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes zuwenden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Rudolph. – Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Greilich zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat ist dieses Gesetz auf den ersten Blick nichts, was Aufregung ins Parlament bringen könnte. Anscheinend ist das auch die Meinung, die weitgehend in den Reihen der Abgeordneten herrscht.

Trotzdem will ich sagen: Dieses Gesetz hat durchaus Gehalt. Es ist nicht so, wie hier vorgetragen worden ist, dass dieses Gesetz ausschließlich der Umsetzung des Bundesrechts in Landesrecht dient. Das hat Kollege Rudolph angesprochen: Natürlich müssen wir das machen. Wir müssen das nachvollziehen, wo es sinnvoll ist, bei rein verfahrensrechtlichen, bei technokratischen Regeln, die wir in das hessische Landesrecht übernehmen müssen und sollten. Das macht durchaus Sinn, um einen gewissen einheitlichen Verwaltungsvollzug zu realisieren. Da werden wir uns schnell verständigen können.

Aber dieses Gesetz enthält mehr. Ich will deutlich darauf hinweisen: Die Einführung der früheren Öffentlichkeitsbeteiligung, die in dem Gesetz vorgesehen ist, wirft durchaus Fragen auf, ob es so sinnvoll ist, wie es im Bundesgesetz geregelt ist, oder ob man vielleicht andere Wege finden sollte. Ich darf nur darauf hinweisen: Die Bundesregelung sieht vor, dass möglichst alle relevanten Auswirkungen eines Vorhabens vollständig und frühzeitig für die Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit erfasst werden. Das ist sicherlich sinnvoll. Die Frage ist nur, wann man das macht und wie man das macht. Da sollten wir uns schon die Zeit nehmen, die Frage der frühzeitigen Bürgerbeteiligung in aller Ruhe zu erörtern und zu prüfen, ob das, was der Bundestag beschlossen hat, auch für Hessen der Weisheit letzter Schluss ist.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Ich will darauf hinweisen: Man kann darüber diskutieren, ob eine Bürgerbeteiligung nicht sinnvollerweise vor dem eigentlichen Genehmigungsverfahren durchzuführen ist, um festzustellen, wo die Interessen in der Bürgerschaft liegen, wo die öffentlichen Meinungen zu verorten sind, ob eine solche Bürgerbeteiligung, die ihren Namen verdienen und Akzeptanz herstellen soll, nicht vor dem eigentlichen formalisierten Verfahren durchgeführt werden soll. Das kann durchaus rechtlich festgelegt sein. Es kann auch so festgelegt sein, dass bezüglich der Beteiligungsformen, Öffnungsformen von den Antragstellern nachzuweisen ist, dass sie dies gemacht haben und sich mit dem, was an öffentlicher Diskussion entstanden ist, in ihren Antragsunterlagen schon auseinandergesetzt haben.

Ich nehme das Beispiel des berühmten Stuttgarter Hauptbahnhofs und der Auseinandersetzung, die es dazu gegeben hat. Dort ist gerade das Problem deutlich geworden, dass es formalisierte Verfahren gab, die sich endlos hingezogen haben, bei denen aber letztlich keiner mehr in der öffentlichen Diskussion beteiligt war. Das, was anschließend vorgetragen wurde – das haben die Gerichtsverfahren gezeigt wie im Übrigen auch beim Frankfurter Flughafen –, waren eben nicht die Einwendungen, die rechtlich relevant waren, die von tatsächlich Betroffenen vorgetragen wurden, sondern dort ging es um allgemeine politische Einschätzungen, die Frage, ob ein solches Projekt öffentlich akzeptiert wird oder nicht. Das ist eine völlig andere Frage als die, die nach dem Verfahrensgesetz zu beurteilen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Deswegen sind wir der Auffassung, dass man zumindest darüber nachdenken muss, ob man ein vorgelagertes frühzeitiges Beteiligungsverfahren in das Gesetz hineinschreibt. Wenn diese allgemeinpolitische Diskussion über die Frage, ob ein Projekt akzeptiert wird oder nicht, geführt ist und in einem Antragsverfahren vom Antragsteller schon berücksichtigt ist, der gegebenenfalls in einem frühen Stadium die Möglichkeit hat, sein Vorhaben entsprechend anzupassen oder es sogar ganz fallen zu lassen, könnte man im eigentlichen Genehmigungsverfahren in der Tat zu schnelleren Abläufen kommen.

Meine Damen und Herren, wenn man die öffentliche Diskussion vorher geführt hat, dann, sind wir der Auffassung, kann man das eigentliche Genehmigungsverfahren entsprechend straffen, d. h. auch zeitlich beschleunigen. Man kann damit insgesamt mehr Bürgerbeteiligung erreichen, tatsächliche Bürgerbeteiligung und nicht nur über Quoren und Unterschriftensammlungen und was weiß ich, sondern über einen offenen Diskussionsprozess, der uns anschließend Klageverfahren, zumindest in einem gewissen Umfang, ersparen kann.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Kollege Rudolph hat schon darauf hingewiesen. Die Landesregierung hat sich reichlich Zeit gelassen. Ich weiß nicht, was sie in der Zwischenzeit alles zu tun hatte. Das eine oder andere kriegt man mit. Es ist nicht ganz einfach, bestimmte Dinge zusammenzuführen. Aber das kann nicht dazu führen, dass wir uns im Parlament unserer Diskussions- und Gestaltungsmöglichkeiten berauben. Deswegen können wir uns gerne darüber unterhalten, wie wir eine Anhörung ausgestalten, wie wir sie inhaltlich vielleicht ein Stück einschränken; aber wir sollten nicht darauf verzichten, die Fragen der Bürgerbeteiligung auch im Rahmen einer Anhörung zu erörtern. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Greilich. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Damit ist die erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes und anderer Vorschriften, Drucks. 19/1852, abgehalten, und wir überweisen den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung dem Innenausschuss. – Dem widerspricht niemand. Dann machen wir das so.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Zweites Gesetz zur Änderung des Maßregelvollzugsgesetzes – Drucks. 19/1849 zu Drucks. 19/ 1195 –

und erteile zunächst der Abg. Bächle-Scholz als Berichterstatterin das Wort.

Herr Präsident, werte Kollegen! Der Sozial- und Integrationspolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimme der LINKEN bei Enthaltung der

SPD, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung unter Berücksichtigung des Änderungsantrags Drucks. 19/1828 anzunehmen.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Frau Bächle-Scholz. – Wir treten in die zweite Lesung ein. Vereinbarte Redezeit ist 7:30 Minuten. Als Erste hat sich Frau Klaff-Isselmann für die CDU-Fraktion gemeldet.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Heute beraten wir in zweiter Lesung das Gesetz zum Maßregelvollzug. Nach vielen Gesprächen und Beratungen sowie einer Anhörung im Sozialausschuss haben wir verschiedene Anpassungen an diesem Gesetz vorgenommen, um Handhabung und Ausgestaltung des Maßregelvollzugs, dieses überaus wichtigen und sensiblen Themas, noch besser gerecht zu werden.

Die medizinische Behandlung von psychisch kranken oder suchtkranken Straftätern, die entsprechend den Maßregeln der Besserung und Sicherung untergebracht werden, wollen wir klar regeln und damit den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht werden.

Wir wollen, dass die Bestimmungen des Maßregelvollzugs sowohl ein Höchstmaß an Sicherheit für die Bevölkerung als auch eine sinnvolle Therapie für die Patienten gewährleisten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau das sind wir nämlich allen Beteiligten schuldig.

Bei der letzten Lesung ließ unser Vorschlag die SPD-Fraktion angeblich erschaudern, wie Herr Spies es äußerte. Das wiederum war maßlos übertrieben, denn bereits unser damaliger Entwurf zielte darauf ab, dass eine Behandlung sowohl eine möglichst weitgehende psychische Stabilisierung als auch eine Rehabilitation ermöglichen muss.

Wir nehmen Kritik und Vorschläge, wenn es auch die Opposition gerne anders behauptet, wahr und ernst. Wir reflektieren auch selbstverständlich die in der Anhörung benannten Akzentuierungen – eine Anhörung, die übrigens durchgängig mit sehr positivem Tenor verlief. Das möchte ich doch immerhin anmerken.

Daher werden wir neben den Forensikbeiräten nun auch eine sogenannte Besuchskommission einrichten. Damit stärken wir die Rechte der Patienten noch mehr. Mit der Besuchskommission wird aufgrund der besonders belasteten Situation der Untergebrachten im Maßregelvollzug ein weiteres Instrument der Interessenvertretung installiert. Die besteht nunmehr gleichberechtigt neben den Patientenfürsprechern.

Wir wollen die Besuchskommission als zusätzliches Hilfsund Schutzangebot einsetzen. Gerade die Lebensverhältnisse der untergebrachten Personen soll sie kontrollieren und kann, falls sie es für erforderlich hält, öffentlichkeitswirksam tätig werden.

Gleichzeitig legt nun das Gesetz fest, dass einmal im Jahr jede Einrichtung des Maßregelvollzugs von der Kommissi

on besucht und der Fachaufsicht führenden Behörde ein Bericht vorgelegt wird. Der Zugang zu den Einrichtungen muss ungehindert gewährt werden, und die untergebrachten Personen haben das Recht, Wünsche vorzutragen und sich zu beschweren.

Die Mitglieder der Besuchskommission unterliegen keinen Weisungen und sind zudem der Verschwiegenheit verpflichtet. Für ihre Tätigkeit werden sie vom Land entschädigt.

Wir stärken die untergebrachten Patienten auch an einer anderen Stelle. Der Behandlungs- und Eingliederungsplan soll mit ihnen gemeinsam erarbeitet werden. Ich bin der Überzeugung, dass eine solche gemeinsame Erarbeitung für eine Therapie bzw. Behandlung wesentlich erfolgversprechender ist, als den Patienten dabei nicht anzuhören.

Wir brauchen eine bestmögliche Behandlung der Patienten, um ihnen am Ende einer Therapie im günstigsten Fall wieder eine Rückkehr in unsere Gesellschaft zu ermöglichen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir dürfen aber nicht vergessen, dass der Maßregelvollzug gerade dann angewendet wird, wenn von einer positiven Gefährlichkeitsprognose ausgegangen werden muss. Nach dem Strafgesetzbuch werden im Maßregelvollzug psychisch kranke Rechtsbrecher untergebracht, die im Sinne der §§ 20 oder 21 Strafgesetzbuch als schuldunfähig oder vermindert schuldfähig gelten, bei denen zugleich unter Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat eine weitere Gefährlichkeit zu erwarten ist, sofern ein Zusammenhang zwischen Delikt und psychischer Störung besteht.

Für die Landesregierung bedeutet dies, dass wir verschiedenste Anforderungen unter einen Hut bringen müssen. Wir müssen sowohl das Urteil des Bundesverfassungsgerichts als auch die Rechte der Patienten im Maßregelvollzug im Blick haben. Vergessen dürfen wir auch nicht die Sorgen und Ängste unserer Bürger, die ein berechtigtes Interesse daran haben, dass gefährliche psychisch kranke Rechtsbrecher nicht durch eine zu milde Strafe der Gesellschaft wieder Schaden zufügen können.

Das ist ein Drahtseilakt, den wir hier zu vollziehen haben. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass wir mit diesem Gesetz eine gute Antwort auf all diese Erfordernisse geben.

Das belegt auch eine weitere Änderung, die wir heute vornehmen werden. So wird die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung neu geregelt. Neu zulässig sind nach dem Änderungsantrag Zwangsmaßnahmen sowohl gegen einwilligungsfähige als auch gegen einwilligungsunfähige Personen im Falle einer erheblichen Gefahr des Lebens oder einer gegenwärtigen schwerwiegenden Schädigung der Gesundheit anderer Personen.

Auch hier bleiben wir bei den Vorgaben, die uns das Bundesverfassungsgericht macht. In ihrer Entscheidung hatten die Richter deutlich gemacht, dass Maßnahmen der Zwangsbehandlung nur dann angesetzt werden dürfen, wenn sie im Hinblick auf das Behandlungsziel, das ihren Einsatz rechtfertigt, Erfolg versprechen.

Zudem dürfen sie für den Betroffenen nicht mit Belastungen verbunden sein, die außer Verhältnis zum Nutzen der Maßnahme stehen. Gleichzeitig muss eine Zwangsbehandlung dem Patienten angekündigt werden. Sie darf nur