Zudem dürfen sie für den Betroffenen nicht mit Belastungen verbunden sein, die außer Verhältnis zum Nutzen der Maßnahme stehen. Gleichzeitig muss eine Zwangsbehandlung dem Patienten angekündigt werden. Sie darf nur
Bevor eine solche Behandlung durchgeführt werden darf, muss eine von der Unterbringungseinrichtung unabhängige Instanz den Fall individuell geprüft haben. Das Bundesverfassungsgericht sieht daher in einer Zwangsbehandlung nur das letzte Mittel. So wird es auch in diesem Änderungsantrag behandelt.
Auf eine letzte Anpassung möchte ich auch noch eingehen. Im Gesetz werden weiterhin Vorschriften zur Befristung von Fixierungen und Sitzwachen im Falle von Fixierungen aufgenommen. Damit verbunden ist eine Dokumentationspflicht der besonderen Sicherheitsmaßnahmen, um Schutz und Rechte der untergebrachten Personen sicherzustellen.
Insgesamt bieten der Änderungsantrag der Koalition und der Gesetzentwurf der Landesregierung die rechtliche Grundlage, die Ärzten und Pflegern Rechts- und Behandlungssicherheit gibt. Für den überaus sensiblen Bereich des Maßregelvollzugs ist diese Transparenz außerordentlich wichtig.
Das hessische Modell hat sich in den letzten Jahren bei dieser schwierigen und verantwortungsvollen Aufgabe mehr als bewährt. Die Sicherheit der Bevölkerung muss im Vordergrund stehen, und das wird mit dem Maßregelvollzugsgesetz gewährleistet. Selbstverständlich bedeutet das nicht, dass die im Maßregelvollzug untergebrachten Patienten weniger Rechte erhalten.
Danke schön, das mache ich. – Frühzeitige Hilfen, Prävention und Angebote vor Ort für seelische Notlagen und Ausnahmesituationen müssen ebenso einen besonderen Stellenwert einnehmen. Der Schutz der Betroffenen vor Eigengefährdung ist äußerst wichtig.
Dieses Maßregelvollzugsgesetz wird ein Höchstmaß an Sicherheit für die Bevölkerung und eine sinnvolle Therapie für die Patienten gewährleisten. Die Anliegen, Rechte und vor allem die Würde der Betroffenen werden dabei sensibel berücksichtigt und geschützt. – Herzlichen Dank.
Es muss ein anderer Stil her in der Auseinandersetzung mit dem, was heute noch oder wieder zu erheblichen Teilen die Psychiatrie bestimmt: Wenn im Übermaß Tabletten verabreicht werden, wenn die Zeit für einfühlende Gespräche und Therapien fehlt, wenn die Behandlungsstruktur in psychiatrischen Kliniken unter dem herrschenden Kostendruck Pati
enten schädigt und womöglich kränker macht, als sie vorher waren, dann ist die Gesellschaft zur Korrektur aufgefordert. Die Psychiatriereform ist nicht zu Ende. Sie braucht einen neuen Anlauf.
(Beifall der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Vizepräsident Wolfgang Greilich übernimmt den Vorsitz.)
Das ist das Schlusswort eines Aufsatzes von Günter Wallraff im „Zeit-Magazin“ mit dem Titel: „Psychiatrie – die gequälte Seele“. Diese Sätze sollten eigentlich die Überschrift über die Beratung des Entwurfs des Maßregelvollzugsgesetzes wie des noch anstehenden Entwurfs des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes sein. Das haben wir erwartet. Wir fordern ein, dass es um eine prinzipielle Neubestimmung geht.
Wir hätten noch verstanden, wenn eine schnelle Regelung nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2011 zur Zwangsbehandlung erfolgt wäre, um Zeit zu haben, eine Neuorientierung zu finden. Aber jetzt, vier Jahre später, nur einen Aufguss der Regelungen machen zu wollen, die andere Bundesländer bereits erlassen haben, und das auch nur rudimentär, das ist eine schlechte Leistung.
Man könnte es sich leicht machen und sagen, dass es sich nur um ein paar Hundert Menschen handelt, die im Maßregelvollzug untergebracht sind. Allerdings haben auch diese Familie. Auch muss das Personal in den Kliniken mit der Situation zurechtkommen. Sie wurden vier Jahre lang hängen gelassen. Sie mussten mit unklaren und schwierigen Rechtspositionen auskommen, die für keinen zufriedenstellend waren.
Zudem sind die Untergebrachten völlig entrechtet und dem Rechtsstaat ausgeliefert. Sie haben nicht einmal Wahlrecht.
Der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat Ende März dieses Jahres den deutschen Staatenbericht zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland geprüft. Mit ungewöhnlich scharfen Worten hat die Monitoringstelle zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention die Bundesrepublik Deutschland zu Art. 14 der Konvention und da zu den Rechten der Menschen in psychiatrischer Versorgung gerügt. Wenn ich darf, gönne ich Ihnen einen Teil des Urteils als Originalzitat:
erkennt bislang nicht, dass das System der psychiatrischen Versorgung vor großen Herausforderungen steht, gleichwohl das von der Monitoringstelle angezeigt wurde. Stark zu beklagen ist, dass im Lichte der UN-Konvention die Gesetzesnovellierungen den Eingriffsbefugnissen staatlicher und privater Akteure mehr Raum und Gewicht geben als dem Ausbau des individuellen Rechtsschutzes. Der Perspektivwechsel zugunsten der Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber steht hier gänzlich aus.
Derzeit entwickelt weder die Politik noch die in der psychiatrischen Versorgung beteiligten Berufsgrup
pen, etwa die Ärzteschaft, Alternativen, um von Zwangsunterbringung und Zwangsbehandlung wegzukommen. Im Vertragsstaat fehlt es an einer nachhaltigen und systematischen Entwicklung, die zu Strukturveränderungen, neuen Strategien, Gesetzen und Programmen führt, mit denen Zwang verhindert werden kann.
Die Monitoringstelle regt an, dass der Conventionon-the-Rights-of-Persons-with-Disabilities-Ausschuss dem Vertragsstaat, Bund und Ländern, empfiehlt, Maßnahmen zur grundlegenden Fortentwicklung der psychiatrischen Versorgung von Menschen mit Behinderungen einzuleiten. Das System muss in allen Teilen praktisch befähigt werden, Zwang im Zusammenhang mit der Unterbringung und Behandlung zu vermeiden und stattdessen die freie und selbstbestimmte Entscheidung der Person durch geeignete Unterstützung zu fördern. Der Vertragsstaat, die Legislative, sollte eine vom Bundestag veranlasste und getragene Initiative durchführen, etwa in Form einer Enquete mit Empfehlungen, mit dem Ziel, den erforderlichen Strukturwandel einzuleiten.
Das ist ganz aktuell. Diesen klaren Handlungsempfehlungen können wir uns nur anschließen. Dazu gehört erstens der individuelle Rechtsschutz. Es ist schön, dass die GRÜNEN die Besuchskommission aus dem Gesetz in BadenWürttemberg abgeschrieben haben und hier einführen wollen. Allerdings ist das nicht ausreichend. Selbst die Regelung Baden-Württembergs mit dem Bericht der Besuchskommission an die Ombudsstelle und an den Landtag sind in Hessen als zu progressiv erachtet und gestrichen worden.
Zweitens. Der Perspektivwechsel zugunsten der Betroffenen ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. In Hessen darf aber ein im Maßregelvollzug untergebrachter Mensch nicht einmal als Sachverständiger im Landtag gehört werden.
Drittens. Es geht um die Vermeidung von Zwang und der Zwangsbehandlung. Es hat mich erschreckt, wie eindimensional das in den psychiatrischen Kliniken in Hessen diskutiert wird. Da kann man sich schon gar nicht mehr andere Lösungen als medikamentöse Behandlung und als Zwangsmaßnahmen vorstellen.
Vor 40 Jahren wurde die Psychiatriereform in die Wege geleitet. Jetzt scheint alles wieder vergessen zu sein. Die fehlende Auseinandersetzung mit der Thematik, die fehlenden Forschungen und die mangelnde Bereitschaft zu Alternativen sind umso problematischer, als immer mehr Menschen den Zwangsmaßnahmen im Maßregelvollzug konkret unterworfen sind. Innerhalb von zehn Jahren ist die Anzahl bundesweit um 50 % gestiegen. Es ist kein Wunder, dass immer mehr Menschen, die an einer psychischen Erkrankung leiden, straffällig werden. Denn die Vorsorge und die frühzeitige Behandlung der Erkrankung erfolgen nicht adäquat, und es gibt zu wenige Angebote im ambulanten Sektor.
Frau Kollegin, einen kleinen Moment bitte. – Ich bitte doch, die Gespräche auf der Regierungsbank einzustellen, damit man hier ungestört beraten kann.
Herr Präsident, herzlichen Dank. – Die Behandlungen erfolgen nicht adäquat. Es gibt zu wenige Angebote im ambulanten Sektor. Wir hätten es eben genau andersherum machen müssen. Wir hätten das Psychisch-Kranken-HilfeGesetz zuerst beraten müssen. Wir hätten einen ganz anderen Bereich des ambulanten Sektors stärken müssen, nämlich um zu verhindern, dass die Menschen, die frühzeitig keine Hilfe bekommen, deswegen in ihrer Krankheit so verharren, dass sie straffällig werden.
Es gibt in Deutschland Ärzte, die die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes genutzt haben, um von den Zwangsmedikamentierungen wegzukommen. Der Chefarzt der Heidenheimer psychiatrischen Klinik schreibt – ich zitiere –:
… haben sich … in der Behandlung neue Möglichkeiten zur vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Patienten und Behandlungsteam ergeben. Denn wir sagen unseren Patienten jetzt, dass eine medikamentöse Zwangsbehandlung nicht stattfinden wird, gerade auch solchen Patienten, die in der Vergangenheit zwangsbehandelt wurden. Das schafft Vertrauen und hat … nicht zu einer Zunahme der Zwangsmaßnahmen oder Übergriffen auf Personal und Mitpatienten geführt.
Ich frage mich, warum das da gelingen kann und bei uns nicht gelingen soll. Denn genau diese vertrauensvolle Zusammenarbeit ist insbesondere im Maßregelvollzug nicht möglich. Auch ohne die Zwangsbehandlung sind viele Möglichkeiten der Sanktionierung vorgesehen, sodass man als untergebrachte Person schnell merkt, dass man sich das Leben sehr schwer macht, wenn man auf der eigenen Vorstellung von Heilung und Behandlung besteht. Versuchen Sie sich doch nur einmal vorzustellen, dass Sie festgebunden werden und sich über Tage nicht mehr bewegen können.
Ich hätte noch einiges zu sagen. – Ich möchte wiedergeben, wie sich ein Betroffener fühlt. Er ist ohne Privatsphäre und hat das Gefühl völliger Entmachtung. Ob es Telefonate oder Briefe sind, alles wird da drinnen kontrolliert. Es gab nicht mehr als eine Stunde Hofgang.
Im Prozess konnte er seine Interessen darstellen. Er hatte es abgelehnt, sich medikamentieren zu lassen.
Das ist mein letzter Satz. – Die Richterin sagte schließlich nach dem Freispruch: Was man Ihnen angetan hat, ist nicht wiedergutzumachen. – Das sollten wir hier vermeiden. – Herzlichen Dank.
Frau Kollegin Schott, vielen Dank. – Als Nächster erhält Herr Kollege Bocklet für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.