Protokoll der Sitzung vom 14.07.2016

Hier vertraue ich auf unsere Strafjustiz und die mit dem Thema befassten Personen. Es ist in der Tat so, dass diese Reform von dem energischen Eintreten vieler Politiker und insbesondere Politikerinnen über alle Fraktionsgrenzen hinweg, der Frauen selbst, den Verbänden, Initiativen und den Frauenrechtlerinnen in einem langen, zähen Prozess erstritten und erkämpft worden ist. Ihnen gilt der Dank für das, was wir jetzt erreicht haben, und niemandem anderen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen finde ich es auch unwürdig, dass hier im Parlament im Klein-Klein – das kennen wir von dieser Justizministerin leider – geschaut wird, wer sozusagen Mutter oder Vater dieses Projekts ist; in diesem Falle ist es die Mutter. Hessen hat hieran, wenn überhaupt – Frau Erfurth, das haben Sie selbst deutlich gemacht –, leider nur einen kleinen Anteil, weil Sie, Frau Kühne-Hörmann, entgegen Ihrer Darstellung in der Bundespolitik eben keine Rolle spielen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Günter Ru- dolph (SPD))

Neben der Tatsache, dass es viele Mütter und Väter dieser Reform gibt, war es eben die CDU, die diese Reform über das Bundeskanzleramt über ein Dreivierteljahr lang besonders blockiert hat. Darauf muss ich an dieser Stelle zumindest hinweisen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Frau Kollegin Hofmann, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich möchte zum Schluss noch auf zwei wichtige Ausblicke hinweisen:

Erstens. Es ist deutlich geworden, dass wir hierbei nicht stehen bleiben dürfen. Wir müssen Opfern die Möglichkeit geben, anonym Straftaten dokumentieren zu lassen, damit sie sich in Ruhe überlegen können, ob sie die Straftat anzeigen oder nicht.

Zweitens. Wir müssen die Vernehmung von Opfern einer schweren Straftat bei der Polizei auf Video aufzeichnen

können, damit der Schutz der Opfer strafprozessual abgesichert werden kann.

Meine Damen und Herren, diese beiden Punkte sind wichtig, so wie viele weitere, die noch über diese Reform hinausgehen müssen. Das müssen wir auf jeden Fall künftig absichern, damit der Schutz der Opfer noch weiter verbessert wird. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat die Justizministerin, Frau Staatsministerin Kühne-Hörmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin zunächst dankbar für die Aktuelle Stunde, weil wir nämlich heute in dieser Aktuellen Stunde einen Erfolg feiern können – einen Erfolg, der riesig ist, eine Verschärfung des Sexualstrafrechts sowie eine Schließung der Strafbarkeitslücken. Das hört sich so theoretisch an, ist für die Opfer aber von entscheidender Bedeutung. Mit dieser Initiative gelingt es uns, die Opfer zu schützen und die Täter endlich zu bestrafen, und das ist wichtig.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

„Nein heißt nein“, kann man nicht oft genug sagen; das versteht jeder. Wenn jemand nicht einverstanden ist, eine sexuelle Handlung über sich ergehen zu lassen, reicht es heute aus, Nein zu sagen. Wer heute Nein sagt – das ist jetzt möglich; der Straftatbestand ist so gefasst –, dessen Nein wird akzeptiert. Derjenige, der es nicht akzeptiert, muss dafür dann bestraft werden.

Dieser Schritt, um dorthin zu kommen, hat jahrzehntelang gedauert; Jahrzehnte wurde inzwischen hierüber diskutiert. Die Initiativen zur Änderung und Verschärfung kommen aus der Praxis. Sie kommen von den Staatsanwaltschaften und Richtern, die sehen, was bei den Verurteilungen vor Gericht nicht möglich ist. Diese haben aus der Praxis heraus gesagt: „Wir müssen eine Verschärfung haben“; und das sagen sie seit Jahren. Das heißt, wir beschäftigen uns damit nicht nur seit den letzten beiden Jahren.

Herr Kollege Rentsch, unter der Führung der FDP-Bundesjustizministerin ist nicht einmal die Istanbul-Konvention umgesetzt worden, was eine Initiative hätte sein müssen, auf die man längst hätte kommen müssen. Das will ich an dieser Stelle auch einmal feststellen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Wir haben also Voraussetzungen geschaffen. Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass der ursprüngliche Gesetzentwurf, der Ende 2015 vorlag – Frau Kollegin Hofmann, Sie haben gesagt, Sie wollten heute nicht von Klein-Klein reden, haben dann aber mit Klein-Klein geendet –,

(Florian Rentsch (FDP): Ich weiß, das ist Ihnen ja fremd! Sie meinen ja eher Groß-Groß!)

„Nein heißt nein“ nicht enthielt. Es ist der Initiative der Bundesländer zu verdanken, die mit vielseitiger Unterstützung, auch der Unterstützung Hessens, Entschließungsan

träge gefasst haben, um „Nein heißt nein“ in den Gesetzentwurf hineinzubringen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Eckpunkte im Bundesrat waren am Ende für die Bundestagsfraktionen entscheidend, noch einmal neu darüber nachzudenken und nach der Silvesternacht in Köln darauf zu achten, dass „Nein heißt nein“ endlich in diesen Gesetzentwurf aufgenommen und nicht der ursprüngliche Gesetzentwurf beschlossen wurde. Der Kollege Maas hat sehr schnell gesagt, dass er damit einverstanden sei, und hat diesen Prozess positiv begleitet. Das ist unstreitig.

Am Ende haben wir es den Frauen und Männern in der Koalition von CDU und SPD, den GRÜNEN sowie den anderen Parteien zu verdanken, die sich parteiübergreifend über Änderungsanträge unterhalten haben, die jetzt beschlossen worden sind, sodass das jetzige Ergebnis vorliegt. Es gab eine breite Zustimmung, die ohne die Bundestagsabgeordneten, ohne den Druck vieler Verbände und vieler Frauen und Männer in den Ländern nicht möglich gewesen wäre, und diesen Konsens sollten wir heute positiv feiern.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man kann es nicht oft genug erwähnen, dass es ein Schutz für die Opfer ist. Wir wollen auch dokumentieren, dass diese Werte, die uns unser Grundgesetz gibt, gelten: die Rechte der Frauen; die Freiheit zu entscheiden, wie man am Ende leben will; dass man frei entscheiden kann, ob man zu sexuellen Handlungen Ja oder Nein sagt; dass man das nicht erdulden muss, wie das in vielen anderen Ländern ist. Ich erinnere nur einmal daran, dass es 25 Jahre lang gedauert hat, bis die Vergewaltigung in der Ehe strafrechtlich relevant war. Heute redet darüber keiner mehr. Aber 25 Jahre lang haben hierfür all jene gekämpft; und an dieser Stelle war es nicht viel besser. Deshalb finde ich: Der Schutz der Opfer steht im Vordergrund, und das ist das Wichtigste.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will noch etwas zu den Verhältnissen in der Silvesternacht in Köln sagen. Manchmal ist es so, dass solche Ereignisse auch der Debatte über die strafrechtliche Relevanz einen anderen Weg geben und sie in ein anders Licht setzen, natürlich. Die Ereignisse in Köln haben gezeigt, dass sich Gruppen gebildet haben, die Frauen eingeschlossen haben, und dass aus diesen Gruppen heraus am Ende zufällig sexuelle Übergriffe erfolgt sind. Das ist das eine.

Zum anderen ist deutlich geworden, dass viele Handlungen, die in der Silvesternacht passiert sind und rein das Grabschen betrafen, eine Strafbarkeitslücke darstellten. Ich sage Ihnen: Als dies auf der Justizministerkonferenz 2014 viele Kolleginnen der SPD sowie ich angesprochen haben, gab es damals keine Bereitschaft, darüber zu diskutieren, weil es als Lappalie abgetan wurde.

Erst nach den Verhältnissen in Köln war plötzlich klar, dass das relevant ist. Am Ende hat auch Herr Maas gesagt: Solche Verhältnisse wie in Köln können wir nicht zulassen. Wir müssen uns auch darüber Gedanken machen, ob wir das im Gesetz eigenständig unter Strafe stellen. – Deshalb gibt es jetzt einen eigenen Straftatbestand, der das bloße Grabschen unter Strafe stellt, das eben von Übergriffen, die tatsächlich schon eine sexuelle Belästigung sind, zu unterscheiden ist. Dieses Grabschen und diese Anmache

wie aktuell in den Schwimmbändern sind keine Kavaliersdelikte, sondern werden mit einer bis zu zweijährigen Freiheitsstrafe bestraft. Das finde ich richtig, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ministerin, Sie denken an die Redezeit?

Ich will noch kurz etwas zu den sexuellen Übergriffen von Gruppen sagen. Wir reden nicht davon, dass eine Gruppe einfach so existiert, sondern wir reden von Gruppen, die sich verabreden. Das ist kein neues Phänomen im deutschen Strafrecht. Bei der Massenschlägerei steht das auch schon unter Strafe. Deswegen bin ich sehr dankbar, dass CDU, SPD und die GRÜNEN dieses Projekt am Ende so einvernehmlich durchgebracht haben und dass wir am Ende eine gute Regelung haben.

Lassen Sie mich zum Schluss sagen: „Nein heißt nein“ ist auch in das Aufenthaltsrecht implementiert worden. Auch das halten wir für richtig. Wer in dieses Land kommt, muss am Ende akzeptieren, dass derjenige, der so etwas tut, auch abgeschoben werden kann. Deshalb finde ich auch diese Regelung wichtig. Zum Schluss: „Nein heißt nein“ ist ein Erfolg. Lassen Sie uns im Sinne der Opfer weiterhin dafür kämpfen, dass das Sexualstrafrecht und der Opferschutz in diesem Sinne weiterentwickelt werden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Damit ist Tagesordnungspunkt 42 erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 43 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend eine Aktuelle Stunde (Regierung Bouffier erklärt die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie faktisch für gescheitert – Klimaschutzplan führt zu „Klima-Planwirtschaft“ und verschlechtert die wirtschaftlichen Rahmenbedingun- gen dramatisch) – Drucks. 19/3586 –

Kollege Florian Rentsch, der Fraktionsvorsitzende der FDP, beginnt.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesrepublik Deutschland freut sich zurzeit über Rekordsteuereinnahmen. Die öffentlichen Kassen sind so voll wie noch nie. Trotzdem sehen Experten – nicht nur die in der gestrigen Debatte im Hessischen Landtag genannten, Kollege Schäfer-Gümbel und andere haben darauf hingewiesen – ein bisschen mit Sorge auf das, was wir für so gut halten, nämlich die tolle Konjunktur, mit 1,7 % Wachstum aufgrund des niedrigen Ölpreises und der niedrigen Zinsen und des für Deutschland und Europa sehr günstigen Tauschwerts des Euros zu den anderen Währungen, der natürlich auch eine extreme Nachfrage produziert. Wenn wir

ehrlich sind: Der Staat macht zurzeit nichts, um wirklich zu konsolidieren. Die niedrigen Zinsen ersetzen ein ernsthaftes Einsparungs- und Konsolidierungsprogramm.

(Beifall bei der FDP)

Wenn der Internationale Währungsfonds der Bundesrepublik Deutschland vor zwei Wochen ins Stammbuch schreibt, dass Deutschland eigentlich eine neue Agenda 2010, eine Agenda 2030, bräuchte und dass Deutschland, nachdem es Lehrmeister in Europa gewesen ist, darüber nachdenken sollte, welche Reformen das Land braucht,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Warum 2030?)

und man dringend dafür sorgen sollte, dass die Lohnstückkosten in Deutschland nicht weiter steigen, weil damit in Deutschland Arbeitsplätze und damit wiederum Wohlstand vernichtet werden, dann sollte dringend auf jeder politischen Ebene darüber nachgedacht werden, was wir tun können, um Wirtschaftswachstum zu stimulieren und nicht abzuwürgen.

(Beifall bei der FDP)

Achtung, Überraschung: Das Gegenteil ist der Fall. Das Gegenteil ist in Berlin der Fall, das Gegenteil ist auch in Hessen der Fall. Wer sich anschaut, mit welcher Wünschdir-was-Veranstaltung sich vor allem Umweltverbände und – Frau Ministerin Hinz, ich sage das offen, Sie haben ja ein paar Feigenblätter in die Erarbeitung des Klimaschutzplans eingebaut, die Wirtschaftsverbände machen gar nicht so einen glücklichen Eindruck über die Beteiligung – –