Bei der doppelten Staatsbürgerschaft möchte ich noch einmal klarmachen: Mir wäre es lieb, wenn es eine generelle Hinnahme der Mehrstaatigkeit gäbe. Mir ist auch klar, dass mit der CDU in der großen Koalition im Bund nur die Optionspflicht als Kompromiss möglich war. Diese abgeschaffte Optionspflicht jetzt wieder einzführen angesichts junger Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind, hat nichts mehr mit Integration zu tun. Das hat mit Ausgrenzung zu tun, wenn man diesen jungen Leuten sagen will: Entscheide dich zwischen der einen oder der anderen Staatsbürgerschaft.
Hinzu kommt: Die Iraner können die Staatsbürgerschaft behalten, die Marokkaner können sie behalten, die EUStaatsbürger können sie behalten, ein Herr Al-Wazir kann sie behalten, und mein Mann kann sie behalten, weil er eine deutsche Mutter hat; aber bei den türkeistämmigen Menschen – es geht um die türkeistämmigen Menschen, die seit Jahren hier arbeiten, hier ihre Steuern zahlen, deren Kinder hier geboren sind – sagen wir auf einmal: „Stopp, deine doppelte Staatsbürgerschaft betrachte ich als Loyalitätskonflikt“, und das ist einfach – das sage ich noch einmal, diesen Begriff habe ich gestern auch benutzt – pure Willkür.
Es ist eine Ausgrenzung, und dann brauchen Sie sich auch nicht zu wundern, wenn die Menschen sich nicht nach Hessen orientieren, nicht den Ministerpräsidenten Bouffier als ihren Ministerpräsidenten sehen oder die Bundeskanzlerin Angela Merkel als ihre Bundeskanzlerin, sondern wenn sie sich nach Istanbul oder nach Ankara an diesem undemokratischen Erdogan orientieren.
Ich wünsche mir, dass wir so, wie wir die AfD-Wählerinnen und -Wähler gewinnen wollen, auch diese türkeistämmigen Menschen für diese Gesellschaft gewinnen. Dann können wir ihnen nicht sagen: Entscheide dich zwischen der einen oder der andern politischen Identität. – Es geht um Teilhabe, um politische Teilhabe. Es geht nicht nur um Integration.
Deswegen hoffe ich, dass mit der nächsten Bundesregierung – ich höre auf; das ist mein letzter Satz – endlich die
generelle Mehrstaatigkeit eingeführt wird und die Optionspflicht auf gar keinen Fall wieder eingeführt wird. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Titel der Aktuellen Stunde, die die Fraktion der SPD beantragt hat, ist zuallererst einmal grundlegend falsch.
Es gilt festzuhalten: Die schwarz-grüne Landesregierung und insbesondere ihr Ministerpräsident, Volker Bouffier, halten Hessen seit mehr als zweieinhalb Jahren erfolgreich zusammen.
(Beifall bei der CDU – Zurufe der Abg. Florian Rentsch (FDP) und Hermann Schaus (DIE LINKE) – Weitere Zurufe von der SPD)
Lieber Herr Rentsch, wir reden nicht nur, wir handeln. Zur Erinnerung: Schon vor über einem Jahr haben wir in Hessen unser Landesprogramm Aktionsplan zur Integration von Flüchtlingen und Bewahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts beschlossen. So reden wir, und so handeln wir.
Lieber Herr Rudolph, wir brauchen gerade von der SPD keine Belehrungen, wenn es um den Zusammenhalt in der Gesellschaft geht.
Die Mehrheitsentscheidung des Parteitags zur Wiedereinführung der Optionspflicht, für die es durchaus eine Reihe von Gründen gibt, ist ein Stimmungsbild in unserer Partei.
(Zurufe der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) und Nancy Faeser (SPD) – Weitere Zurufe von der SPD – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)
Aber damit das auch einmal klar gesagt ist: Lieber Herr Rudolph, das ist überhaupt kein Grund, sich hier zu empören oder der CDU etwas Übles zu unterstellen. Das ist pure Polemik.
Meine Damen und Herren, zu der Sachfrage. Für uns gilt: Wir stehen dazu, was wir in unserem Koalitionsvertrag zwischen CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Hessen vereinbart haben, und genau so sieht das auch im Bund aus. So ist es, und dabei bleibt es.
Grundsätzlich will ich aber für die CDU schon feststellen, dass wir eine generelle Mehrstaatigkeit für nicht erstrebenswert halten. Wir halten es für besser, dass derjenige, der sich entschieden hat, hier in Deutschland zu leben, und
Eine Partei, die für Angst, Ausgrenzung und Vorurteile steht, ist für uns kein Partner – damit das sehr klar gesagt ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Genossen, ich zitiere hier einmal einen kurzen Brief von Klaus-Peter Willsch von gestern: Für den Kreisverband der CDU Rheingau-Taunus möchte ich klarstellen, dass wir unverändert keine Kooperation oder Koalition mit der AfD eingehen werden. – Das kann ich Ihnen auch gerne herüberlegen. So ist es, und dabei bleibt es.
(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Marius Weiß (SPD): Ei, ei, ei!)
(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr richtig – Zurufe von der SPD: Oh! – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)
Wir haben im Gegensatz zu Ihnen immer gesagt, wie wir es mit der LINKEN halten, weil wir wissen, wo die LINKEN herkommen, und weil wir wissen, wo die LINKEN hin wollen.
Gerade gestern haben wir, als eine Abgeordnete der LINKEN das Wort „Deportationen“ in diesem Haus verwendet hat, eindrucksvoll erlebt, wo die LINKEN stehen. Deswegen müssen wir uns von Ihnen nicht in dieser Sache belehren lassen, sehr geehrter Herr Rudolph, liebe Genossen.
Die CDU regiert dieses Land seit 1999 verantwortungsvoll und erfolgreich. Seit nunmehr fast drei Jahren arbeiten wir vertrauensvoll, respektvoll und erfolgreich mit den GRÜNEN zusammen. So ist es. Dafür arbeiten wir jeden Tag, und so soll es auch bleiben. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Wir haben eine Mischung aus einer, wie ich finde, sehr sinnvollen und immer wieder notwendigen Debatte über die Frage, wie wir mit dem Thema der Staatsbürgerschaft umgehen. Herr Kollege Rudolph, Sie haben das vermengt mit einer Auseinandersetzung mit der CDU, und der Ministerpräsident ist jetzt auch Landesvorsitzender der CDU.
Das bin ich auch gern. Aber hier geht es eigentlich um die Landesregierung, und jetzt bin ich in folgender Situation: Wenn ich als CDU-Mann nicht antworte, dann gehen Sie anschließend hierher und sagen: „Er hat geschwiegen.“
Weil ich das weiß, bitte ich schon jetzt um Nachsicht: Ich werde Ihnen in beiden Funktionen antworten.
Ich rate uns zur Sorgfalt in der Sache und zur Sorgfalt in der Sprache. Worum geht es eigentlich? Wenn Frau Kollegin Öztürk gerade gesagt hat, die Frage der Loyalität zu einem Staat sei eigentlich im Ergebnis unbeachtlich, dann teile ich das nicht.