Protokoll der Sitzung vom 13.06.2001

[Antrag der Fraktion der GAL: Haushalt 2001 Troncabgabe – Drucksache 16/6118 –]

Von wem wird das Wort gewünscht? – Von der Abgeordneten Möller. Sie bekommt es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zum zweiten Mal ist die Bürgerschaft in dieser Legislaturperiode in der Lage, Troncmittel vergeben zu können. Wir haben uns, ähnlich wie im letzten Jahr, aus der Vielzahl der Projekte, die in Frage gekommen wären, für zwei Projekte entschieden, die mit der Überschrift „Erinnerungskultur“ oder auch „Erinnern an das Erinnern“ bezeichnet werden können. Nicht zum ersten Mal, sondern in Fortführung einer ganzen Reihe von Projekten, die in der Oppositionszeit schon durch die GAL-Fraktion vehement vorangebracht wurden, die das Erinnern wachhalten, beschließen wir heute die finanzielle Unterstützung von zwei Ausstellungen, die für uns alle, die wir die Nazi-Diktatur nicht mehr erlebt oder wenig Erinnerungen daran haben, die wir nicht unter Ausgrenzung und Verfolgung leiden mußten, darstellen, was diese Generationen erlebt haben oder auch noch erleben. Auch für die jüngere Generation, die Generation unserer Kinder, wird Geschichte nachvollziehbar werden und bildlich erlebbar bleiben.

In der letzten Legislatur wurde durch unsere Initiative die Rolle des Hamburger Polizeibataillons 101 mit einer Aus

(Günter Frank SPD)

stellung und Lesung dokumentiert. In dieser Legislaturperiode haben wir die Wiederherstellung der Gedenkstätte am Bullenhuser Damm und auch die Ausstellung über die Kinder am Bullenhuser Damm realisieren können. Es gab eine erstmalige Aufarbeitung der Geschichte der Opfer der NS-Euthanasie in Hamburg. Es gibt eine Bundesratsinitiative zur Aufhebung der NS-Unrechtsurteile gegenüber Homosexuellen, und es gab im letzten Jahr durch die Troncmittel die Realisierung eines Besuchsprogramms für Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen.

Nun erfolgt also die Unterstützung einer Ausstellung, einer Dokumentation über das Leben von vier hamburgischen Fotografen, die in der Nazizeit aufgrund der Rassegesetze verfolgt wurden. Mit Hilfe der schon lange bewährten Kontakte der Senatskanzlei zu den ehemaligen Hamburgern und Hamburgerinnen wurde ein riesiger Schatz an Fotos und Dokumentationen zusammengestellt und durch einen Historiker und einen Fotografen Ort und Zeit den entsprechenden Personen zugeordnet. Hieraus wird nun mit Hilfe des Vereins für Hamburgische Geschichte eine einmalige Ausstellung des politischen, gesellschaftlichen und privaten Lebens der jüdischen Gemeinde in Hamburg bis in die Nazizeit hinein entstehen.

Das zweite Projekt, die Ausstellung „Von Klappen und Nestern“, ist im Grunde die Historie des schwulen und lesbischen Lebens von 1919 bis 2000 in Hamburg, also von der liberalen Weimarer Zeit über die Verfolgung in der Nazizeit, die spießige Verklemmtheit der Wirtschaftswunderjahre hin bis zum Erstarken der Bewegung im Rahmen der Politisierung im Zuge der 68er Emanzipationsbewegung. Auch der Muff und Mief der sechziger und siebziger Jahre ist im übrigen der Erinnerung wert. Es war eben ein weiter Weg bis zur Hamburger Ehe.

Das Museum für Hamburgische Geschichte wird diese Ausstellung realisieren, für die ein Verein Material sammelt und erarbeitet. Es hat viele Wünsche an die Vergabe der Troncmittel gegeben, es gab viele Projekte, die Unterstützung brauchten und bräuchten und die zu fördern gewesen wären. Wir haben uns für diese beiden Ausstellungen entschieden, die hoffentlich viele Menschen in dieser Stadt bewegen werden. Viele Menschen werden ihr Interesse neu entdecken, und vielleicht, aber auch gerade deshalb, werden diese sehr kleinen, aber eben besonderen Bereiche der hamburgischen Geschichte dadurch erhalten werden können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Kretschmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die abzustimmenden Anträge zum Tronc haben alle eines gemeinsam, sie finanzieren Vorhaben und Projekte, die im Rahmen des Haushalts sonst nicht zu finanzieren wären. Ich finde es gut, daß hiervon auch immer wieder gleichstellungspolitische Maßnahmen profitieren. Mit dem Antrag 16/6118 soll, das wurde schon erwähnt, eine Ausstellung zur Geschichte lesbischschwulen Lebens in Hamburg unterstützt werden. Im SPDAntrag 16/6119 werden dem heutigen Magnus-Hirschfeld-Centrum, dem Lesben- und Schwulenzentrum in Hamburg, 50 000 DM zugedacht. Insoweit sind dies wohl zwei Seiten einer Geschichte.

Die historische Aufarbeitung ist wichtig. Auch viele Lesben und Schwule wüßten gerne etwas über das Leben zum

Beispiel in den zwanziger Jahren in Hamburg, wie sich der Kampf des Berliner wissenschaftlich-humanitären Komitees von Magnus Hirschfeld gegen den Paragraphen 175 in Hamburg gestaltete. Über Publikationen und Druckerzeugnisse jener Zeit bis zu lokalen und gesellschaftlichen Ereignissen ist hier sicherlich Interessantes nicht nur für Schwule und Lesben zu entdecken.

(Präsidentin Dr. Dorothee Stapelfeldt übernimmt den Vorsitz.)

Darüber hinaus bleibt es unsere Aufgabe, der heutigen Generation genügend Raum zur Entwicklung im MagnusHirschfeld-Centrum und in anderen Einrichtungen anzubieten. Die Ausstellungsmacher und das Museum für Hamburgische Geschichte haben bereits angefangen, die Lesben und Schwulen zur Mitarbeit aufzufordern, denn bisher gibt es keine Institution, bei der Material für die Ausstellung zentral gesammelt wurde. Die Ausstellung wird also erstmals eine derartige Zusammenstellung anbieten. Sicherlich werde ich auch meinen Teil dazu beitragen, es geht ja bis 2000.

Ich persönlich freue mich auf diese Ausstellung. Ich freue mich auch, daß das Magnus-Hirschfeld-Centrum zu seinem 18. Geburtstag mit den 50 000 DM Renovierungsund Instandsetzungsmaßnahmen vornehmen kann, die wir hier bewilligt haben. Hamburg tut immer wieder etwas für gleichstellungspolitische Maßnahmen, für Einrichtungen für Schwule und Lesben. Das ist ein ganz klares Zeichen für die Schwulen und Lesben, und das werden sie auch wahrnehmen, darüber können wir uns alle sehr freuen. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Herr Waldhelm.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! SPD und GAL haben uns hier einige Anträge vorgelegt. Sie haben die Spendierhosen an, und daß wir in Kürze in Hamburg wählen werden, ist wahrscheinlich in dem Zusammenhang reiner Zufall. Aber Sie bedienen sich zum zweiten Mal eines Verfahrens, das ich schon im letzten Jahr bei den Haushaltsberatungen für bedenklich gehalten habe, denn was wir im Moment machen, erinnert mich sehr stark an meine Zeit in der Bezirksversammlung, wenn jährlich die Sondermittel verteilt wurden; das war vom Verfahren her genauso.

Wenn es haushaltsrechtlich zulässig wäre, sich einfach zwischendurch einmal einen einzelnen Einnahmeposten des Haushalts herauszupicken und daraus Wohltaten nach Gutsherrenart zu verteilen, dann sollte man doch auch überlegen, ob man nicht den ganzen Bereich auf die Bezirksämter verteilt und sagt, macht ihr das im Rahmen eurer Sondermittelverteilung. Die Leute vor Ort haben den Sachverstand und wissen auch, wo es kneift und wo es wirklich notwendig ist. Aber so, wie das im Moment hier läuft, dieses Sammelsurium, hier ein bißchen, da ein bißchen und das in einem Antrag zusammengepackt, geht das wirklich nicht.

Natürlich wären wir auch dafür, daß zum Beispiel das Museum der Arbeit für TRUDE zusätzliche Unterstützung bekommt, aber dies hier ist nicht der richtige Weg. Manchen Maßnahmen können wir folgen, anderen aber ganz bestimmt nicht. Aber da unsere Bedenken am Verfahren größer sind als die Bewertung der einzelnen Antragsposi

(Antje Möller GAL)

tionen, haben wir uns entschlossen, diesem Verfahren nicht zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Uhl.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe zu, daß es mir etwas wie Herrn Waldhelm geht. Man könnte dies auch den Regierungs-Tronc oder so ähnlich nennen.

(Petra Brinkmann SPD: Ja, so ist das manchmal!)

Die Projekte sind mit Sicherheit gar nicht schlecht. Die Frage ist nur, wo eigentlich der Ort ist, darüber zu diskutieren, was man mit diesem Geld macht,

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

denn es ist im Parlament nur noch sehr schwer möglich, wenn es Vorlagen gibt, die man in dieser Konkretion gar nicht ablehnen kann, weil es gegen die Projekte nichts einzuwenden gibt. Die Frage ist nur, was man vielleicht noch gerne fördern würde.

Eine Sache beispielsweise, die im Bereich schwul-lesbischer Politik liegt, die heute auch noch auf der Tagesordnung steht, werden Sie ablehnen, die aber auch etwas von diesem Geld hätte gebrauchen können, das ist die Einrichtung eines Mahnmals für lesbische und schwule Opfer des Nationalsozialismus. Diesen Antrag werden Sie nach dem, was wir bisher erfahren haben, heute ablehnen. Wie gesagt, auch dies hätte gut in den Regierungs-Tronc gepaßt; vielleicht beachten Sie nächstes Mal ein anderes Verfahren.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat Herr Kretschmann.

Nur zur Klarstellung: Vielleicht hat der REGENBOGEN das noch nicht mitbekommen, aber es gibt ein Mahnmal in Neuengamme, das an die Schwulen und Lesben erinnert.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Das darf es auch in der Innenstadt geben!)

Das muß nur belebt werden. Ich gehe seit einigen Jahren mit Freunden, mit Regierungsvertretern dieser Stadt dorthin, um das Gedenken an die Schwulen und Lesben in Erinnerung zu halten. Vielleicht sollten Sie einmal mitkommen, dann können wir das gemeinsam machen, und dann kommen vielleicht mehr Leute dorthin, das wäre doch ganz gut.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Sudmann.

Herr Kretschmann, so gerne ich es auch sehen würde, daß wesentlich mehr Leute nach Neuengamme fahren, ist dies aber leider nicht der Fall. Gerade auch Hamburgerinnen und Hamburger finden nicht sehr oft den Weg nach Neuengamme. Deswegen wollen wir ein zentral gelegenes Mahnmal haben, das Sie ja auch selbst mit den Tronc-Anträgen unterstützen, um ein besseres Bewußtsein in der

Öffentlichkeit zu schaffen, wie früher mit Schwulen und Lesben umgegangen wurde und wie schlecht teilweise auch heute noch der Umgang ist.

(Dr. Mathias Petersen SPD: Damit man euch nicht vergißt!)

Deswegen darf man das nicht gegeneinander ausspielen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat Frau Möller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Daß der Weg zum Mahnmal manchmal weiter und insgesamt mühsam ist, ist kein Grund, das eine Mahnmal gegen das andere aufzuwerten. Der Weg nach Neuengamme ist weit, aber man sollte ihn trotzdem gehen.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Da hätte ich nix dagegen!)

Ich wollte noch zwei Sätze zur CDU-Kritik loswerden. Ich habe angedeutet, daß die Auseinandersetzung darüber, ob und wie Troncmittel – das ist in dieser Legislaturperiode ja beschlossen worden – von der Bürgerschaft verteilt werden können, eine Auswahl im wahrsten Sinne des Wortes bedeutet. Je nach Interesse, je nach politischer Couleur kann gesagt werden, das ist willkürlich, das war eine Entscheidung, die wir hier und da nicht nachvollziehen können, aber nichtsdestotrotz werden diese Mittel über die Bürgerschaft vergeben. Daß das Geld niemals für alle Projekte und Wünsche reichen wird, ist klar, aber es ist richtig, die Mittel zu vergeben und damit Projekte zu fördern, so wie wir es in diesem Jahr auch gemacht haben, die schlicht und einfach außerhalb der Tagespolitik sind; das ist die Idee dabei.

(Beifall bei der GAL und der SPD)