Protokoll der Sitzung vom 03.02.2000

Von Ihnen ist fälschlicherweise im Antrag dargestellt worden, daß nur die Förderfälle finanziert würden. Hätten Sie bei den Haushaltsberatungen ein wenig aufgepaßt, Herr Drews – die Kollegin Frau Goetsch hatte genau danach gefragt –, dann wüßten Sie, daß auch die Beratungsfälle unabhängig von den Förderfällen gefördert werden. Da wird also schon mehr Geld als eigentlich vom Gesetz vorgesehen ausgegeben.

Vor diesem Hintergrund stelle ich mir die Frage, wenn wir ein Meisterproblem haben und der Kollege Mehlfeldt eben sagte, diese Ausnahmegenehmigungen wollen wir nicht – das hängt immer an Qualifizierungsfragen –, ob das alles ernstgemeint ist. Es gibt durchaus viele Stimmen, die sagen, die Zahl der Meisterprüfungen ist gelenkt, damit der Wettbewerb in einigen Bereichen nicht allzu hart wird. Wenn wir dann aber klagen, in einigen Betrieben gebe es keine Nachfolger mehr und die gingen deswegen vielleicht pleite, dann weiß ich nicht mehr, worüber wir im Handwerk eigentlich reden. Wir verzetteln uns in Förderfragen, und das Handwerk will sich offensichtlich – möglicherweise – den Wettbewerb vom Hals halten. Das ist eine ganz gefährliche Entwicklung, die wir schon lange kritisieren.

Wir wollen in Berlin ein Gesetz auf den Weg bringen, wonach es endlich ermöglicht wird, daß Gesellen ihre Meisterprüfung nicht nur über zwei Jahre, sondern über zehn Jahre lang neben ihrer beruflichen Tätigkeit machen können. Wenn man das schon ein bißchen früher gemacht hätte, dann hätten viele Gesellen in den Betrieben, in denen ein Nachfolger fehlt, jetzt schon den Meister und wären vorbereitet, den Betrieb demnächst zu übernehmen. Momentan sieht es eher so aus, daß man einen neuen Unternehmer sucht und dann noch einen Meister, weil man das Unternehmen sonst nicht führen kann.

Vor dem Hintergrund sollte man auch ein bißchen ehrlich sein und bei der Frage der Meisterprüfung nicht nur die Förderung im Blick haben, sondern auch die Frage, inwieweit wir Meisterprüfungen überhaupt zulassen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

(Horst Schmidt SPD)

Das Wort hat Herr Hackbusch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Drews hat einen wichtigen Punkt angesprochen, der vieles von dem, um was es hier geht, nämlich die Meisterprüfung, am Nerv trifft. Es fällt auf, daß Ausländer kaum gefördert werden und auch ausländische Mitbürgerinnen kaum bei den Meisterprüfungen zu finden sind.

(Antje Möller GAL: Du hast früher auch Migrantin- nen gesagt!)

Stimmt, Migrantinnen.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Das ist der schlechte Einfluß!)

Dieses weist in gewisser Weise deutlich auf die Schwächen bei der Meisterprüfung hin. Wir haben im Handwerksbereich einen geschützten Bereich – Herr Müller hat das eben angesprochen –, der in gewisser Weise migrantinnenfrei ist und wo kaum ein Migrant in der Lage ist, irgendwelche Existenzgründungen zu machen. Dort müßte auch die Handwerkskammer überlegen, wie man diesen Umstand ändern kann. Er paßt nicht mehr in die gegenwärtige Zeit und in die Art und Weise, wie diese Stadt existiert. Dieses Meister-BAföG zeigt deutlich, daß es kein zeitadäquates Instrument mehr ist und sich einiges zu verändern hat, was die Meisterprüfungen betrifft. Ich halte in diesem Punkt auch eine gewisse Selbstkritik der Handwerkskammer für wichtig.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Der zweite Aspekt ist die Tatsache, daß das von der alten Bundesregierung geschaffene Instrument im wesentlichen fehlgeplant worden ist, weil es viel zuwenig im Zusammenhang mit dem zur Verfügung gestellten Geld genutzt wird. Dies muß verändert werden, und es wäre vernünftig, eine Diskussion darüber in den Ausschüssen zu führen. Ich habe eigentlich damit gerechnet, daß es eine Überweisung an den entsprechenden Ausschuß gibt und nicht nur eine Behandlung in der Bürgerschaft. Ich wäre froh gewesen, wenn das gelungen wäre, aber die Mehrheit in diesem Parlament wollte das wohl nicht.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat Herr Drews.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich sage einmal ganz offen, Herr Schmidt, Ihre Begründung war insofern dürftig, als Sie einige Zielgruppen in Ihrer Rede gar nicht genannt haben. Die Frauenförderung tauchte zum Beispiel überhaupt nicht auf, und man muß sich fragen, ob Ihnen das so unwichtig ist, daß Sie das gar nicht erwähnt haben.

Bei Herrn Müller tauchten die mittelständischen Betriebe in der Per-saldo-Bilanz für Hamburg einfach nicht auf. Es ist mir zu wenig, wenn Sie, die Sie die Regierungsverantwortung übernommen haben, sagen, wir werden das im Bund schon richten, und damit ist Hamburg abgegolten. Ich habe mit den Zahlen deutlich gemacht, daß uns als Hamburger Parlamentarier an mehreren Dingen gelegen sein müßte: erstens die Förderung zu verbessern, zweitens die Bilanz per saldo, was die Betriebsabwanderungen anbelangt, zu verbessern und drittens die Förderung der benachteiligten Gruppen zu verstärken.

Dieses sind Aufgaben für die Partner, die in dieser Stadt Regierungsverantwortung übernommen haben. Sich damit aus der Affäre zu ziehen und zu sagen, das ist eine Berliner Geschichte, die schon geregelt werden wird, ist mir zu wenig. Sie sind hier in der Verantwortung, Sie sind gefragt. In dem Ihnen vorliegenden Antrag sind viele gute Punkte enthalten, die im Gesetzentwurf sind. Ich fordere Sie auf, zumindest zuzulassen, daß wir über dieses wichtige Thema, das Ihren Fraktionen, Herr Müller und Herr Schmidt, am Herzen liegt, wie ich Ihren Beiträgen entnommen habe, inhaltlich und sachlich reden, um zu sehen, wie wir für Hamburg eine bessere Lösung erreichen können, denn daß die Fördermittel, Herr Schmidt, in Hamburg nur zu 14 Prozent genutzt werden, kann Sie doch nicht zufriedenstellen. Wenn Sie dann noch grinsen und auf Berlin vertrauen, dann tut es mir leid, aber das ist mir zu wenig. Ich bitte zumindest darum, daß wir im Ausschuß darüber diskutieren, um zu sehen, was wir für Hamburg besser machen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer will den Antrag so beschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit wurde der Antrag mit Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 18: Bericht des Gesundheitsausschusses zum Aktionsplan Alkohol.

[Bericht des Gesundheitsausschusses über die Drucksache 16/212: Hamburger Initiativen zum „Aktionsplan Alkohol“ (SPD-Antrag) – Drucksache 16/3658 –]

Wer wünscht hierzu das Wort? – Das Wort hat Herr Dr. Petersen.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie gut man eine Kampagne zur Prävention gegen Alkoholsucht machen kann, zeigt der Senat in seiner neuesten Kampagne „Alkohol. Irgendwann ist der Spaß vorbei“.

Dies ist eine tolle Kampagne, aber nützt Prävention, wenn die gesellschaftliche Akzeptanz von Alkohol ungebrochen ist? Wie reagieren wir, wenn unsere Kinder oder Enkel bei einer Geburtstagsfeier ein Glas Sekt angeboten bekommen und darauf verzichten und lieber einen Joint rauchen wollen?

(Antje Möller GAL: Das ist eine echt gute Frage!)

Erlauben Sie mir, ein wenig Statistik zu betreiben. 30 Prozent der gefährlichen Körperverletzungen und der schweren Körperverletzungen werden unter Alkoholeinfluß verübt – auch die Alkoholiker dürfen zuhören –, 42Prozent der Totschlagsdelikte werden unter Alkoholeinfluß verübt, 50 Prozent der Sexualmorde werden unter Alkoholeinfluß verübt, nahezu 2000 Verkehrstote sind auf Alkoholkonsum zurückzuführen, jährlich kommen über 2000 Kinder zur Welt mit schweren Alkoholschäden. Der Pro-Kopf-Verbrauch von reinem Alkohol beträgt 12 Liter im Jahr.

(Zuruf von Walter Zuckerer SPD und Dr. Ulrich Karpen CDU: Wieviel ist das in Bier?)

Ich habe das nicht verstanden, Herr Zuckerer. Könnten Sie Ihren Verbrauch noch mal genau darlegen?

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der GAL, der CDU und bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Walter Zuckerer SPD: Ich wollte Ihnen nur mittei- len, daß mein Kopf nichts verbraucht, sondern die Leber!)

Gut, bleiben wir beim Ernst der Lage. – Den Hamburger Betrieben entstehen Jahr für Jahr Schäden von 600 Millionen DM, die die nahezu 100 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch ihre Alkoholprobleme verursachen.

Solange wir das Problem Alkohol nur bei den anderen sehen und in unseren Familien nicht offen diskutieren, werden sich diese Zahlen nicht verbessern. Solange wir Politiker den Arbeitgeber Alkoholindustrie und die Einnahmequelle Alkoholsteuer in unser wirtschaftliches und finanzpolitisches Kalkül miteinbeziehen, wird jede Art von Prävention einen schweren Stand haben.

(Beifall bei Elke Thomas CDU)

Ich gehe davon aus, daß wir die Probleme, die die circa 10 Prozent Hamburgerinnen und Hamburger mit dem Alkohol haben, kennen. Ich würde mir wünschen, daß wir offen mit diesen Menschen umgehen. Ein Alkoholiker – jeder von uns kennt mindestens einen – braucht Ansprache und nicht peinliche Ignoranz.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich fordere Sie auf, die Präventionskampagne des Senats zum Thema Alkohol tatkräftig zu unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält nunmehr Frau Jürs.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Der längst überfällige Antrag der SPD-Fraktion zum „Aktionsplan Alkohol“ der Gesundheitsministerkonferenz vom 22.Dezember – man höre – 1997 findet nach wie vor unsere ungeteilte Zustimmung.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Leider sind jedoch seit dem Beschluß der Drucksache 16/212 mehr als zwei Jahre ins Land gegangen, und außer Absichtserklärungen ist nichts erfolgt. Zwar gibt es zur Zeit eine Werbung in der Hamburger U-Bahn,

(Petra Brinkmann SPD: Nicht nur in der U-Bahn!)

die gegen den Alkoholkonsum gerichtet ist. Gleichzeitig gibt es aber eine recht aggressive Pro-Alkohol-Bier-Werbeaktion auf Hamburger Straßen – nur als Beispiel.

So etwas entspricht natürlich nicht dem Wollen und dem Abstimmungsergebnis des „Aktionsplans Alkohol“ und liegt nicht im Interesse der CDU. Es kommt jetzt wirklich darauf an, die Inhalte des „Aktionsplans Alkohol“ schrittweise und zügig umzusetzen, an die Frau und an den Mann zu bringen, so daß auch die im Gesundheitsausschuß von den Senatsvertretern angesprochene Akzeptanz in der Gesellschaft erzielt wird.

Unsere Schwerpunkte liegen nach wie vor auf gesetzlichen Maßnahmen zur Reduzierung des Angebots von Alkohol, sei es in der Werbung oder in Beschränkungen beispielsweise beim Verkauf in Kantinen und Tankstellen, Verstärkung der Prävention und Intensivierung der Aufklärung über Suchtformen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der GAL)

Das Wort hat Frau Dr. Freudenberg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bei dem Problem Alkohol kann man verschieden ansetzen und verschiedene Gefährdungsgruppen definieren. Nach dem Suchtbericht betreiben über 20 Prozent der Hamburger Bevölkerung, das sind über 250 000 Menschen – in anderen Großstädten ist es ähnlich –, einen sehr riskanten Alkoholkonsum. Der Großteil der relevanten Probleme, die mit dem Alkohol zusammenhängen, besteht bei der sogenannten normal trinkenden Bevölkerung. Das Problem ist also: „normal“ ist einfach zu viel.

Darum setzt auch der Suchtbericht so an, daß er sagt, die Prävention muß sich vor allem mit diesem Problemkreis befassen, also mit dem Erreichen der Leute, die für sich denken „ich trinke normal, das ist nicht weiter schlimm“. Wir müssen dazu kommen, uns klarer mit dem sozial akzeptierten Alkoholkonsum auseinanderzusetzen, der bei uns einfach zu hoch ist, und überlegen, was wir tun können, um die Trinkmenge insgesamt zu verringern. Ganz wichtig ist dabei, die Zugriffsnähe zu erschweren und die persönliche Einstellung zu verändern.