Protokoll der Sitzung vom 19.04.2000

Wir als Politikerinnen und Politiker müssen dankbar sein, daß es Verbände gibt, die den Staat beim Naturschutz so engagiert unterstützen und das zu einem Teil auch ehrenamtlich.Vieles wäre ohne sie nicht zu leisten, wie zum Beispiel die Betreuung der vielen Gäste. Jährlich kommen 100 000 Besucher in den Nationalpark als Urlauber oder auch als Tagesgäste. Stadtmenschen können heute Natur meist nur noch im Urlaub erleben, und darum ist die Vermittlung von Erlebnissen, Kenntnissen und Verständnis der Natur im Nationalpark so wichtig, denn nur was man erlebt und kennt, lernt man schätzen und schützen.

Der intensiven Informations- und Bildungsarbeit ist es auch zu verdanken, daß der Schutzzweck des Nationalparks weitgehend erreicht wird. So kann Naturschutz auch mit den Menschen erfolgreich umgesetzt werden; dafür ist unser Nationalpark ein Beispiel. Allerdings sind für das Miteinander von Mensch und Natur feste Regeln notwendig. Sie werden vom Gesetz vorgegeben. Dabei hat sich bewährt, daß bestimmte Schutzzonen von den Menschen nicht genutzt und auch nicht betreten werden dürfen. So kann sich die Natur entwickeln, und die Vögel finden Platz zum Brüten, zum Rasten, zur Mauser, zum Fressen. Auch andere Lebensgemeinschaften finden dort Schutz.

Tatsächlich ist der Hamburger Nationalpark der am konsequentesten geschützte Nationalpark des gesamten Wattenmeeres.Er ist zur Aufnahme in das europäische Schutzsystem „Natura 2000“ angemeldet.

Meine Damen und Herren! Sie haben in der Drucksache gelesen, daß im Flächennutzungsplan das Nationalparkgebiet noch als Hafenfläche ausgewiesen ist.Doch das gefährdet unseren Nationalpark nicht. Die Schutzwirkung der internationalen Konventionen ist stark genug, um hier jede andere Nutzung auszuschließen. Ohnehin wird die Ausweisung im alten Flächennutzungsplan sachlich wahrscheinlich überflüssig, wenn der Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven oder Cuxhaven gebaut ist.

Die eigentliche Gefahr für unseren Nationalpark und die gesamte Nordseeküste sind Ölhavarien à la „Pallas“ und „Erika“, wie wir es gerade erlebt haben, und die allgegenwärtigen Schweinereien wie das illegale Ölablassen auf hoher See. Das müssen wir in den Griff bekommen und härtere internationale Vorschriften und Kontrollen fordern, auch in Richtung Green-shipping. Von der Nationalparkverwaltung wurde ein Konsens über die Befahrensregelung für den Freizeitkapitän erreicht, den die Segler jetzt auch einhalten. Ähnliches wünsche ich mir auch für den Konflikt um die Krabbenfischerei.

Der Senat hat zum Jubiläum einige Päckchen gepackt. Erstens will er das Nationalparkgesetz novellieren, um die

Schutzflächen auszuweiten und den Schutz zu verstärken sowie die Umweltbildung im Gesetz zu verankern. Das zweite Geschenk könnte dann der Bau eines neuen Informationszentrums sein;im Haushaltsplan 2001 sind die entsprechenden Mittel schon eingestellt. Ich hoffe, daß auf Neuwerk dann künftig mehr Platz für Ausstellungen, für Veranstaltungen, für Besucher und vor allen Dingen auch für die Unterbringung der Helferinnen von Jordsand sein wird.Weiter freuen wir uns natürlich über den Nationalparkatlas, den gemeinsamen Internetauftritt der drei Nationalparks Wattenmeer und das aktuelle Bio-Monitoring.

Unser Nationalpark wird ein Maskottchen haben, wie wir seit Freitag wissen, das für die Naturschutzziele werben soll. Es soll Freddi heißen. Dieser Name wurde in einem Quiz im Sommer 1999 ermittelt. Freddi gehört zur Gattung der Austernfischer, sie werden 28 Jahre alt, gehen lebenslange partnerschaftliche Koalitionen ein und sind wählerische Freßspezialisten. Bei denen, die Würmer mögen, ist der Schnabel lang und spitz und bei denen, die lieber Herzmuscheln knacken, ist er stumpf wie ein Meißel. Was frißt eigentlich Freddi am liebsten? Diese Frage könnte doch die Quiz-Frage des Sommers 2000 sein. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Engels.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Präsidentin! Vor allem in einem Punkt kann ich Frau Dr. Schaal nur zustimmen, nämlich die Hamburger aufzufordern, dieses Kleinod in hamburgischer Verantwortung – ein kleiner Teil zwar nur – eines auf der Welt einzigartigen Lebensraums selbst kennenzulernen und stolz zu sein, daß ein so kleiner Stadtstaat über ein solches Gebiet so naturnah und eindrucksvoll verfügt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU, der SPD und der GAL)

Vielleicht bis auf Ihre letzten Sätze bin ich auch dankbar dafür, Frau Dr. Schaal, daß Sie es unterlassen haben, diesen berechtigten Stolz der Hamburger, die bereits den Nationalpark kennen, in einen Stolz auf ihren Senat umzumünzen,

(Dr.Hans-Peter de Lorent GAL:Das wollen Sie jetzt machen!)

denn dies wäre nur bedingt richtig. Der Grund ist natürlich klar, denn das Erwerben dieses Gebiets durch unsere Hamburger Stadtväter und früheren Senate geschah natürlich nicht aus ökologischen Gründen, sondern aus zielstrebigen ökonomischen Gründen, nämlich in der Absicht, dort je nach Entwicklung der Seeschiffahrt einen Tiefwasserhafen einzurichten. Allerdings ist die Entwicklung anders gelaufen. Insofern waren unsere Väter, die dieses Gebiet erworben haben, ökologisch betrachtet ein Teil jener Kraft, die zwar das Böse will, doch letzten Endes ökologisch das Gute geschafft hat; dies muß deutlich gesagt werden.

Wenn man allerdings über die Frage der Geburt des Nationalparks redet – das meine ich ohne Häme –, sollte man die Verdienste meines Abgeordneten-Kollegen Professor Salchow durchaus würdigen. Ich kann Ihnen eine ganze Mappe geben, in der zahlreiche Initiativen Mitte und Ende der achtziger Jahre gerade von seiten unserer Fraktion dazu beigetragen haben, daß dieses Vorhaben in die Wirklichkeit umgesetzt wurde.

(Dr. Monika Schaal SPD)

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und der GAL)

Der Nationalpark hat insbesondere die großartige Chance ermöglicht, gerade vor dem Hintergrund eines ansonsten relativ kleinen Flächenstaates Hamburg in eine vordere Position in der Ausweisung naturnaher Gebiete, Nationalparks und so weiter zu bringen und die verschiedenen Abkommen auf internationaler und nationaler Ebene, was den Umweltschutz angeht, voranzubringen. Allerdings muß man ein wenig in Rechnung stellen, daß das Gebiet der Hansestadt Hamburg in Relation dazu vergleichsweise klein ist.Wenn ich mir an der Stelle eine Bemerkung erlauben darf: Der Bezirk Hamburg-Mitte, zu dem das Gebiet gehört, wäre demnach ökologisch betrachtet einer der wertvollsten Hamburger Bezirke.

(Antje Möller GAL: Das hätten Sie wohl gerne!)

Aber auf ein Verdienst – Frau Dr. Schaal hat bereits darauf hingewiesen – möchte ich noch einmal besonders hinweisen.Es handelt sich um einen Verein, der nunmehr stramm auf seinen hundertsten Geburtstag zumarschiert, nämlich den Verein Jordsand, der mit einer nicht nur langjährigen, sondern auch mit einer unglaublichen Kontinuität, Zähigkeit und ohne großartige spektakuläre Maßnahmen Arbeit vor Ort geleistet hat, um den Touristen, aber auch den ökologisch interessierten jungen Menschen – aber nicht nur den jungen Menschen – den Zugang zu diesem Gebiet zu ermöglichen und dabei gleichzeitig die Umweltbedürfnisse einzuhalten. Dafür möchte ich diesem Verein an dieser Stelle ausdrücklich danken.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU, der SPD und der GAL)

In der Drucksache ist von zahlreichen ökologischen Effekten des Nationalparks und seiner Einrichtungen – möglicherweise seiner Einrichtungen von vor zehn Jahren – die Rede. Er ist gewiß ein wertvoller Beitrag, aber einige Entwicklungen wären natürlich auch so eingetreten, etwa die Entwicklung der Artenvielfalt; nur hat zumindest der Nationalpark seinen Beitrag geliefert.Was die Seehunde betrifft – die spielen in der sehr langen und ausführlichen Antwort eine sehr große Rolle –, gebietet es die Ehrlichkeit zu sagen, daß es ganz normal ist, wenn eine Population vor etwas über zehn Jahren so dezimiert wurde wie hier, daß danach eine Art Erholung eintritt. Und es gebietet die ökologische Ehrlichkeit zu sagen, daß es zum Teil – das muß in Zukunft noch weiter untersucht werden – wegen des Fehlens natürlicher Feinde auch problematische Überpopulationen gibt, obwohl meine Sympathie gerade dieser Tierart besonders gehört; aber ein ernsthaftes Durchdenken dieser Frage ist angebracht.

Auf die weiterhin bestehende Belastung insbesondere durch die Einträge durch die Seeschiffahrt wie Öl, Havarien und so weiter sind Sie bereits eingegangen. Natürlich muß auch die Belastung, die aus dem Binnenland kommt, mit beachtet werden, also die Elbeinträge und die Einträge durch die Landwirtschaft, die weiterhin eine intensive Beobachtung notwendig machen; es gibt ja die entsprechenden Monitoring-Programme. Ich kann nur dazu ermutigen, dieses weiterhin sorgfältig zu beachten.

Einige Probleme müssen wir allerdings ökologisch auch noch genauer betrachten, beispielsweise die Extensivierung der Landwirtschaft, was die Salzwiesen betrifft;das ist schon eine zweischneidige Geschichte. Natürlich möchte man naturbelassene Flächen haben, nur hat dies mittlerweile dazu geführt, daß einige der Salzwiesen im Prinzip versteppt, also fast verwüstet, sind, und das hat wiederum

zum Rückzug einiger bodenbrütender Vogelarten geführt. Man muß hier ähnlich wie bei der Lüneburger Heide schauen, was im Zusammenleben mit Mensch und Natur möglich ist.

Eine Kleinigkeit noch am Rande. Mehrfach wird in der Drucksache darauf verwiesen, daß die verbotene Krabbenfischerei Gott sei Dank erstens nur selten und wenn überhaupt, dann von Schleswig-Holsteinern und Niedersachsen betrieben wird. Allerdings ist dieser Stolz auf die verantwortungsvolle hamburgische Krabbenfischerei nicht ganz so berechtigt, denn es gibt keinen einzigen Hamburger Krabbenfischer;das wollte ich nur an dieser Stelle noch einmal gesagt haben.

Was schließlich die Einrichtung des Nationalparkhauses angeht, muß angesichts der zahlreichen Institutionen, die sich an der Nordsee wie eine Perlenkette längs der gesamten Küste aneinanderreihen, überlegt werden, wie rentabel ein solches Unternehmen sein wird. Im übrigen möchte ich dazu raten – der Naturpark ist Bestandteil des Bezirks Hamburg-Mitte –, auf einen intelligenteren Namen als gerade Nationalparkhaus zu kommen. Ich könnte mir vorstellen, daß unkundige auswärtige Hamburger Besucher angesichts von Parkplatzsuche im Bezirk HamburgMitte auf die falsche Idee kommen könnten.

Alles in allem haben wir eine Entwicklung in diesem einmaligen Gebiet, die durchaus optimistisch stimmt, aber natürlich auch nicht ganz ohne Probleme ist. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Frau Möller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe schon gedacht, es gibt wirklich eine DiaSchau, aber die bleibt uns ja erspart.

Über die Qualitäten des Nationalparks und das, was dort erhaltenswert ist, ist schon viel gesagt worden, und das kann man im Detail in der Antwort auf die Große Anfrage nachlesen.Ich möchte nur zwei Aspekte herausgreifen, die eine weit größere Bedeutung haben, als ihnen in der Behandlung in der Drucksache zukommt.

Der eine ist die Tatsache, daß es sich hier um europäisch geschützte Flächen handelt. Es stimmt nicht, was Frau Dr. Schaal gesagt hat, daß der Schutz stark genug sei, um andere Nutzungen auszuschließen. Aber der Schutz ist stark genug, um bei möglicherweise anderen Nutzungen einen entsprechenden Ausgleich einzufordern, und das ist der große Vorteil. Wenn man auf aktuelle Ereignisse eingehen darf, dann wissen wir seit heute, daß die EU-Kommission sich tatsächlich bei solchen Vorhaben das Recht nimmt, über den nötigen Ausgleich zu reden. Diesen Weg muß man gehen, und ich hoffe, daß das Projekt „Natura 2000“ in der Bundesrepublik insgesamt bald umgesetzt wird; das steht nämlich leider noch aus.

Ein Aspekt, den ich fast am interessantesten in dieser Drucksache finde und der neben der naturschutzfachlichen Qualität eigentlich sehr erstaunlich ist, drückt sich in einem denkenswerten Satz aus, der lautet:

„... und den Neuwerker Bürgerinnen und Bürgern finden die Verbote hohe Akzeptanz.“

Ich finde es ungewöhnlich, daß sich solche Sätze tatsächlich niederschreiben lassen. Die Bevölkerung – das ist das

(Hartmut Engels CDU)

Besondere an diesem Hamburgischen Nationalpark – lebt nicht am Rande eines Nationalparks, sondern mittendrin. Auch wenn es nur 33 Personen sind, die man sozusagen persönlich betreuen kann, hat es doch das Signal, daß man tatsächlich innerhalb eines Nationalparks leben kann, ohne in seiner Lebensqualität eingeschränkt zu werden, vielleicht sogar – andersherum – eine ganz besondere Lebensqualität genießen kann.Vielleicht ist das aber auch vor allem dem Verhalten der Behörden, der betreuenden Verbände, Wattführer und Bürgermeister der umliegenden Gemeinden zu verdanken, daß sie nämlich genau auf das Schaffen von Akzeptanz für so einen Nationalpark, auf das Verstehen für die Wichtigkeit des Schutzes der Natur so viel Wert legen. Das kommt in den Antworten dieser Drucksache zum Ausdruck.

Ich verstehe die Aussage des Senats, daß die Konflikte, die sich in Schleswig-Holstein, aber auch in Niedersachsen im Rahmen der Erweiterung des Nationalparks oder auch nur der Festsetzung der Verbote des Nationalparks niederschlagen, nicht vergleichbar sind mit den hamburgischen. Ich kann das akzeptieren, aber das Grundprinzip, die Natur auch zu Lasten der Bevölkerung zu schützen, zu Lasten ihrer Entfaltung in all die Richtungen, die sie sich wünschen, ist richtig, und es wird hier klar, daß das geht. Wir haben ein erfolgreiches Nationalparkkonzept, und ich hoffe, daß sich dieser Erfolg fortsetzt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält Herr Jobs.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In der Tat hat sich in diesem Bereich für die Natur viel Schönes, viel Positives entwickelt. Insofern ist es auch angemessen, sich an dieser Stelle für einen Moment gemeinsam – und das haben wir ja auch alle gemacht – darüber zu freuen.

Die Hamburger Nationalparkverhältnisse sind kaum vergleichbar mit anderen Küstenländern, wo eine Vielzahl von gegensätzlichen Bedürfnissen aufeinander einbrechen.

(Hartmut Engels CDU: So ist es!)

33 Bewohner sind eben auch nur 33 Anwohnerinnen, und die können anders eingebunden werden. Das ist in Neuwerk ganz gut gelungen, das sehe ich auch so. Aber auch was das hamburgische Wattenmeer angeht, sind nicht die Anwohner die Akteure, die am Ast des Fortschritts für die Natur sägen, sondern die Gefahr für das Wohl der Natur droht hier von einer ganz anderen Seite.

Deshalb stellt sich für mich die Frage, was den Senat eigentlich treibt, dieses so hochgelobte Kleinod bis heute damit zu bedrohen, es einfach plattzumachen, wenn es aus Sicht des Standorts Hamburg für nötig erscheint. Wie schnell so etwas geht, erleben wir ganz aktuell beim Mühlenberger Loch. Das hat auch eine hohe Schutzwürdigkeit, aber wenn der Standort Hamburg es so will, wird es einfach plattgemacht, und das ist ein warnendes Zeichen dafür, daß Hamburg auch vor anderen schutzwürdigen Gegenden nicht haltmachen wird.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Stichwort heißt Tiefseehafen, der richtig schön mittendrin gebaut werden soll, wenn die wirtschaftliche Entwicklung es für erforderlich hält. Sie müssen sich das einmal vorstellen: Seitenweise wird hier berichtet, welche hervorragende ökologische Bedeutung das Gebiet zwischen We