Protokoll der Sitzung vom 12.07.2000

Der entscheidende Punkt für eine erfolgreiche Therapie dieser Krankheit ist die Früherkennung. Das ist häufig nur den Fachleuten möglich, weil sich rheumatische Erkrankungen bei Kindern anders zeigen als bei Erwachsenen. Der Verlauf ist schleichend und untypisch im Erscheinungsbild. Kinderrheuma ist ein ungenauer Sammelbegriff für verschiedene, oft schmerzhafte Erkrankungen der Gelenke und des Bindegewebes.

Nach einer Umfrage im Jahre 1996 wurde deutlich, daß bis zu acht verschiedene Ärzte aufgesucht werden mußten, bevor es zu einer Diagnosestellung kam. Zwischen dem Auftreten der Beschwerden bis zur Stellung der Diagnose lag ein Zeitraum von bis zu vier Monaten, zum Teil sogar bis zu zwei Jahren. Dieses macht deutlich, wie wichtig und notwendig eine Versorgung speziell ausgebildeter Ärzte ist.

Wie sieht die Situation in Hamburg aus? In Hamburg werden Kinder nahezu ausschließlich ambulant versorgt; das ist aus unserer Sicht auch gut, zumal eine der bekanntesten Rheumakliniken, die auch von den Hamburgern stark frequentiert wird, in Bad Bramstedt ist. Was diese Entfernung für Eltern und Kinder bedeutet, brauche ich nicht weiter auszuführen.

Die rheumatologische Versorgung der Kinder und Jugendlichen in Hamburg ist insbesondere eine Aufgabe für den ambulanten Versorgungsbereich und unterliegt damit dem Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburgs.

In der Vergangenheit hat der Zulassungsausschuß, in dem Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen sitzen, eine persönliche Ermächtigung für eine Ambulanz am Universitäts-Krankenhaus ermöglicht. Diese Ambulanz wurde stark genutzt; die Anzahl der Erkrankten ist im Zeitraum von zwei Jahren von 250 auf 500 Fälle angestiegen, was für die Ambulanz einen Neuzugang von etwa 20 Patientinnen und Patienten monatlich bedeutete. Etwa 90 Prozent von ihnen litten an einer rheumatischen Erkrankung.Bei allen Patienten konnte eine frühzeitige Behandlung begonnen werden, die für eine positive Prognose sehr wichtig war. Gerade bei Kindern bedeutet die rechtzeitige Diagnostik einen außerordentlich positiven Behandlungsverlauf.

Die Einrichtung dieser Ambulanz hat die stationäre Behandlung häufig vermeiden können und stellt somit auch finanziell ein wichtiges Argument dar. Die Patienten werden in Kooperation mit niedergelassenen Ärzten betreut.In dem Kooperationsrahmen konnte ein Versorgungsnetz entwickelt und ausgebaut werden, das für die Betreuung chronisch kranker Kinder beispielhaft ist.

Die Ermächtigung läuft in wenigen Wochen – zum 1. September 2000 – aus. Es besteht bei den Koalitionspartnern die Befürchtung und auch die Sorge, daß die Weiterführung der Ambulanz nicht genehmigt wird. Aus unserer Sicht besteht aber der berechtigte Anspruch, die Ambulanz in ihrer

Funktion aufrechtzuerhalten. Deshalb haben wir heute diesen Antrag gestellt.

Die SPD-Fraktion sieht unter den gegebenen Umständen die präzise und fachlich qualifizierte Versorgung rheumakranker Kinder in Hamburg in Frage gestellt. Der Zulassungsausschuß sollte eine Zulassung im Rahmen des Sonderbedarfs für einen Kinderarzt mit dem Schwerpunkt Kinderrheumatologie beschließen. Ob diese Ambulanz weiterhin am Universitäts-Krankenhaus bleiben muß, ist für uns völlig unwichtig. Sie kann auch an irgendeinem anderen Hamburger Krankenhaus, zum Beispiel beim neu gegründeten Zentrum für Rheumakranke, angesiedelt sein; das ist für uns nicht so von Bedeutung.

Allerdings sollte die zukünftige Ambulanz grundsätzlich eng mit einem Krankenhaus verbunden sein. Hierin sehen wir Vorteile, denn nach Paragraph 140 des neuen Gesundheitsstrukturgesetzes, des SGB V, das die rotgrüne Koalition in Berlin zum 1. Januar dieses Jahres in Kraft gesetzt hat,

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Aha!)

soll die integrierte Versorgungsform besonders gefördert werden. Die Betreuung chronisch Erkrankter im Zusammenspiel der klinischen und ambulantfachärztlichen Kompetenzen und unter Einbindung weiterer Leistungserbringer erfüllt gute Voraussetzungen für eine integrierte Versorgung. Auch das sollte vom Zulassungsausschuß mit berücksichtigt werden und ebenso in unserem gesunden Interesse liegen, da es auch unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten an Bedeutung gewinnt.

Ich bitte Sie, aus den dargelegten Gründen unserem Antrag zuzustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Ich gebe das Wort der Abgeordneten Jürs.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Antrag der SPD- und der GAL-Fraktion zur Versorgung rheumakranker Kinder in Hamburg kann nur unsere volle Unterstützung finden.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wenn man bedenkt, daß rheumakranke Kinder früher nur geringe Lebenserwartung hatten und unter großen Schmerzen verkrüppelt gestorben sind, so müssen wir heute die Möglichkeit der modernen Medizin und ihrer Erkenntnis nutzen, um rheumakranke Kinder einer angemessenen Therapie zuzuführen.

Dabei wirkte die Sprechstunde im UKE bisher sehr segensreich. Es darf nicht dazu kommen, daß dieses Angebot in der Großstadt Hamburg nicht mehr vorhanden ist und mehr als 500 Kinder ohne spezielle Versorgung ihrem Schicksal überlassen bleiben.Ihnen, die große Schmerzen leiden, zuzumuten, die Rheumaklinik in Bad Bramstedt aufzusuchen, halte ich für einen unzumutbaren Zustand.

Wir müssen im Gegenteil dafür sorgen, daß eine Ausweitung des Angebots in Hamburg erfolgt. Ich meine damit, daß zunächst einmal ein langfristig gesicherter Standort in einem Hamburger Krankenhaus eingerichtet wird und darüber hinaus verlängerte Sprechzeiten – ganztägig – an fünf Tagen in der Woche angeboten werden, so daß kein Kind mehr wie bisher bis abends 20 Uhr auf sein Bera

(Petra Brinkmann SPD)

tungsgespräch warten muß. Das ist eine politische Verpflichtung. Deshalb muß sich der Senat bei der KVH für die Umsetzung dieses Antrags einsetzen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Zamory.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Wesentliche haben meine Vorrednerinnen gesagt; ich möchte ein paar Aspekte ergänzen. Die frühe Diagnostik ist wichtig.Vor allem die Ausbildung der Kinderärzte ist wichtig, um diese Krankheit früher zu erkennen, denn es gibt Krankheiten, die nicht so häufig vorkommen oder häufig fehlinterpretiert werden, so daß die ersten Anlaufstellen – das sind häufig die Kinderärzte – überfordert sind, falsche oder verspätete Diagnosen stellen und dadurch ein Zeitverlust für die Behandlung entsteht. Die Fort- und Weiterbildung halte ich für sehr wichtig, damit die Kinderärzte zur richtigen Diagnose kommen und die Kinder entsprechend weiterleiten, und dafür muß es kompetente Ärzte geben, die in Hamburg gehalten beziehungsweise eingeworben werden müssen.

(Beifall bei Elke Thomas CDU)

Ein weiterer Aspekt ist, daß die Kassenärztliche Vereinigung auch in diesem Punkt wie in vielen anderen deutlich unter Druck gesetzt werden muß, ihren Sicherstellungsauftrag zu erfüllen. Deshalb sind wir selbstverständlich dafür, das bestehende Angebot aufrechtzuerhalten, die Frage ist nur, wo. Es könnte sinnvoll sein, diese Ambulanz eher an einem Kinderkrankenhaus als in einem Zentrum für Rheumakranke anzusiedeln, wo Erwachsene mit anderen Erscheinungsformen und Krankheitsbildern dominieren; das kann man diskutieren und prüfen.

Vom Senat erwarten wir, daß er mit der Kassenärztlichen Vereinigung diesbezügliche Gespräche führt und uns über den Erfolg berichtet.

(Beifall bei der GAL, der SPD und bei Elke Thomas CDU)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann lasse ich über den Antrag, Drucksache 16/4467, abstimmen. Wer möchte denselben annehmen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Der Antrag ist einstimmig angenommen.

Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 59 auf, Drucksache 16/4452: Antrag der CDU zur Sanierung von Straßenschäden.

[Antrag der Fraktion der CDU: Sanierung von Straßenschäden – Drucksache 16/4452 –]

Das Wort wird hierzu gewünscht. – Der Abgeordnete Reinert hat es.

(Michael Dose SPD: Neues Schlagloch entdeckt?)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Solange die Schlaglöcher vorhanden sind, muß hier auch weiter darüber geredet werden. Als wir vor wenigen Wochen gemeinsam feststellten, daß das Hamburger Straßennetz nach den Angaben des Senats einen Sanierungsbedarf von insgesamt 406 Millionen DM aufweist,

wurde von Frau Duden die Frage gestellt, woher die CDU denn das Geld nehmen wolle.

(Barbara Duden SPD: Ganz genau!)

Heute haben Sie in Form unseres Antrags die erste Antwort auf dem Tisch, denn wir können noch im laufenden Jahr umsteuern.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Ja?)

Wir können absehbare Haushaltsreste bei der Baubehörde in den entsprechenden Kapiteln Tiefbau umwidmen zugunsten der Sanierung von Straßenschäden.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Sehr interessant!)

Und der eine Schwerpunkt dabei, Herr Dr. Schmidt, ist der Bereich der Erschließungstitel. Da sind im Jahre 1999 10,8 Millionen DM übriggeblieben, im Jahr davor waren es 11,6 Millionen DM, und 1997 waren es sogar 15,5 Millionen DM.Das heißt, der Bausenator schleppt hier von einem Jahr ins nächste Traditionsreste, die er nicht für den Zweck benötigt, für den die Bürgerschaft ihm das Geld zur Verfügung stellt. Im gesamten Bereich Tiefbau hat die Baubehörde im vergangenen Jahr Haushaltsreste in Höhe von 78,7 Millionen DM produziert, das ist etwa die Hälfte des Gesamtvolumens der Investitionstitel.Und wenn das so ist, dann ist zum einen der Senator unfähig, zum zweiten ist aber die Möglichkeit zum Umsteuern vorhanden, und dafür haben wir die Vorschläge gemacht.Das Geld ist vorhanden, jetzt lassen Sie uns sehen, ob der politische Wille auch da ist.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Polle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Verehrter Herr Reinert, Sie wissen auch, daß die Baubehörde 10 Millionen DM für notwendige Straßenreparaturen umgeschichtet hat.Dieses Geld haben die Bezirke jetzt zur Verfügung, und ich bin sicher, daß sie damit schnellstens anfangen zu arbeiten.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Damit können die dringendsten Schäden auf den Hamburger Straßen repariert werden. Herr Reinert, Sie müssen sich einen Hauseigentümer vorstellen, der ein altes Haus hat und sich fragt: Abriß oder Reparatur. Er wird sich meistens entscheiden, daß die Reparatur preiswerter ist, das Haus trotzdem noch hält und es weitergehen kann wie bisher und er auch in dem Haus gerne wohnt. So ähnlich ist es mit den Straßen. Sie verlangen eine Grundinstandsetzung. Aber die Straßen, die Sie in der Tabelle Ihrer Kleinen Anfrage aufgelistet haben:Grundinstandsetzung nein.Dort ist sie auch wirklich nicht nötig, und wenn Sie die da fordern, ist es, als ob Sie einen Hauseigentümer aufforderten, endlich den alten Schiet abzureißen.

Wir können reparieren, das ist in Zeiten finanzieller Enge auch sinnvoll. Wenn Sie die 78 Millionen DM Haushaltsreste zitieren, so ist das demagogisch und völlig verzerrend. Davon sind große Teile, zum Beispiel 13 Millionen DM, für die Flughafen-S-Bahn vorgesehen.

(Bernd Reinert CDU: Hatte ich denn gefordert, die hier einzusetzen?)

Die werden demnächst verbaut, die können Sie doch jetzt nicht anderswo verwenden.

(Vera Jürs CDU)