Ich hätte nur noch gerne ein Wort an die Vertreter der Medien gesagt. Es sind aber kaum noch welche da.
Man liest immer soviel davon, daß von den 10 Milliarden DM 5 Milliarden DM vom Bund und 5 Milliarden DM von den Firmen aufgebracht werden.Ich lese in der Hamburger Presse bislang nicht – in anderer schon –, daß von den Geldern, die die Firmen aufbringen, in Wirklichkeit nur etwa 3 Milliarden DM aufgebracht werden. Der Rest kommt über Steuerabschreibungen wieder herein. Das sollte man der Ehrlichkeit halber dazu schreiben, denn dann sieht man, daß wir alle auch an dieser Zahlung beteiligt sind. Das nur am Rande.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn ich es richtig gelesen habe, so ist es tatsächlich so gewesen, daß die Gruppe REGENBOGEN bei einigen Firmen, über die sie sich Kenntnis verschafft hat, daß sie Zwangsarbeiter beschäftigt haben, das öffentlich gemacht hat. Davon haben zwei gesagt, dann zahlen wir. Wenn ich es richtig gelesen habe, hat wenigstens eine dieser beiden Firmen erst durch die Öffentlichmachung erfahren, daß sie Zwangsarbeiter beschäftigt hat, und daraufhin als Antwort gesagt, ja, dann zahlen wir auch. Was wäre denn gewesen, wenn Sie dieses dieser Firma nicht öffentlich mitgeteilt hätten? Den Test haben Sie nicht gemacht.Deswegen ist die Forderung nach politischem Druck eine schwierige Frage.
Ein anderer Punkt – die Zahlen sind heute mehrfach genannt worden – ist, daß die deutsche Industrie sich verpflichtet hat, diese 5 Milliarden DM aufzubringen. Sie wird – das konnten wir gestern in den überregionalen Zeitungen lesen – jetzt mit großen Anzeigenkampagnen darum werben, daß möglichst viele ihrer Mitglieder das endlich auch tun. Sie hat sich aber in der Tat verpflichtet, und deswegen gehe ich davon aus, daß diese 5 Milliarden DM – wie auch immer – zustande kommen. Ich gebe zu, daß ich es nicht für meine Aufgabe halte, dafür zu sorgen, auf welche Weise die Industrie ihre 5 Milliarden DM zustande bringt.Ich hielte es als Abgeordneter für meine Aufgabe, dafür zu sorgen, daß der Senat von Hamburg seine Pflicht tut – die hat er jetzt getan –, und das war es dann. Den Rest macht die Industrie. Wenn sie am 31. Dezember versagt haben wird, dann wird vielleicht die Geschichte neu aufgerollt, aber es
gibt zur Zeit keine Indizien dafür, daß die deutsche Industrie plant, von dieser Verpflichtung abzugehen. Deswegen ist das mit dem berühmten politischen Druck möglicherweise komplementär nützlich zu dem, was andere tun, aber bestenfalls so.
Zwei Punkte. Der eine Punkt ist die Gesamtverantwortung der Wirtschaft. Wir finden es natürlich richtig und gut, daß sie diese Aufgabe und Funktion für sich wahrgenommen haben.Wir finden es richtig und gut, daß sie versuchen, dieses Geld zusammenzubekommen. Das ist der eine Teil.
Der andere Teil davon ist natürlich die Art und Weise, wie schleppend das Geld gezahlt wird und wie notwendig die öffentliche Diskussion darüber ist. Diese öffentliche Diskussion ist notwendig, damit man auch über bestimmte schöne Briefe hinweg, die vielleicht ein gutes Klima machen, die Beispiele dafür anspricht. Das, was wir genannt haben, ist nicht die Frage der Gesamtverantwortung der Wirtschaft. Das finden wir selbstverständlich richtig. Aber wir finden, daß es eine Provokation ist, wenn es Unternehmen gibt, in denen einige sich sicherlich noch daran erinnern können, wie es in ihrer Geschichte war, und andere, die von ihrer Geschichte gar nichts wissen und sich damit nicht beschäftigen. Wir finden es notwendig, daß sich alle Hamburger Unternehmen aufgrund solcher Outingdinge einmal überlegen, wie es denn mit der Geschichte ihrer Firmen damals war. Kann es nicht gewesen sein, daß damals doch Zwangsarbeiterinnen beschäftigt waren? Muß ich nicht vielleicht einmal mein Firmenarchiv angucken? Das ist eine wichtige Funktion, daß wir in dieser Stadt darüber diskutieren.
Wie sollen wir sie anders erreichen? Dementsprechend ist es auch wichtig, daß genau diese Unternehmen das im Zusammenhang mit ihrer Geschichte überlegen, und das muß man von außen anstoßen. Das weißt du doch, Martin Schmidt, das war die ganze Zeit über so, in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren.Wenn man nicht von außen gekniffen hat, dann ist nichts passiert, und diese schönen gemeinsamen Klimageschichten haben da nicht beruhigt, sondern haben die Leute weiterschlafen lassen.
Deswegen ist mir dieser schöne Beschluß vom Senat, der mir natürlich gut gefällt, auch noch wichtig. Ich finde ihn richtig, und wir haben ihn auch unterstützt. Ich möchte das noch einmal unterstreichen, aber es ist wichtig zu sagen, daß der natürlich auch nicht ausreicht. Ich finde es merkwürdig festzustellen, wenn wir über die Zwangsarbeiter und über unsere historische Verantwortung reden, daß sehr viele Zwangsarbeiter im Hamburger Hafen gearbeitet haben und keiner über die Geschichte dieser Zwangsarbeiter etwas weiß. Das ist öffentlicher Bereich. Das sind öffentliche Unternehmen. Das ist Strom- und Hafenbau. Warum kümmert sich in diesem Unternehmen keiner darum, was damals geschah? Wie ist das mit den Hamburger Wasserwerken? 250 Zwangsarbeiter. Das wissen wir mittlerweile. Diese Firmen kümmern sich aber nicht darum.Ich finde, es ist die Verantwortung des Senats, auch zu der eigenen Ge
schichte zu stehen, uns diese zu erzählen, auch den Menschen zu erzählen, weil sie nur dadurch lebendig wird, und nicht nur Geld zu sammeln.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 35 auf: Drucksache 16/4701: Senatsmitteilung zum autofreien Tag am 22. September 2000.
[Senatsmitteilung: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 2./3. Februar 2000 (Drucksache 16/3713) – Europaweiter autofreier Tag am 22. September 2000 – – Drucksache 16/4701 –]
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben am 22. Februar 2000 über dieses Thema schon einmal debattiert und beschlossen, uns am autofreien Tag zu beteiligen.
Kurz zur Erinnerung: Es geht ja zurück auf einen Beschluß der Europäischen Union, des Präsidenten Prodi. 1998 wurde erstmals in Frankreich – vom Umweltministerium initiiert – ein landesweiter Aktionstag durchgeführt unter dem Motto: „In die Stadt ohne mein Auto“. Man sieht, Frankreich ist das Land mit Vorbildcharakter für verkehrsberuhigende Maßnahmen. Das haben wir auch in letzter Zeit gesehen.
Auffällig in dieser Debatte war der unernste Umgang der CDU mit diesem Thema.Wenn Sie einmal nachlesen, was hier gesagt wurde, dann haben Sie die Büttenrede des Abgeordneten Engels vor Augen, der das Bild von der Hausfrau malte, die jetzt die schweren Einkäufe, den Sekt mit dem Fahrrad nach Hause bringen muß. Als ich die wichtigsten der 200 europäischen Städte aufzählte, die sich auch im Jahr 2000 an diesem autofreien Tag beteiligen – Paris, Rom, Athen, Barcelona, Kopenhagen, Florenz, Turin –, da registriert das Protokoll den Zwischenruf des Abgeordneten Harlinghausen, der ergänzte, Entenhausen. Meine Damen und Herren, so kann man mit einem solch ernsten Thema nicht umgehen. Das ist vielleicht das kulturelle Niveau, auf das sich der jugendpolitische Sprecher einer Oppositionspartei bringen muß, aber wir müssen etwas ernsthafter mit diesem Thema umgehen.
(Rolf Harlinghausen CDU: Da muß etwas mit Ihrem Ohr nicht in Ordnung gewesen sein! – Karl-Heinz Ehlers CDU: Dafür haben wir ja Sie mit Krista Sa- ger auf dem Fahrrad!)
Herr Ehlers, ich versuche, das Niveau ein bißchen zu heben durch ein paar Informationen und Argumente.
Am Tag der Bürgerschaftsdebatte – das war vielleicht ein bißchen betrüblich für die CDU – hat das „Hamburger Abendblatt“ eine repräsentative Umfrage durchgeführt.Das Ergebnis war bei der Frage nach der Meinung zur Einführung des autofreien Tages im Jahr 2000, daß 70 Prozent der Meinung waren, daß es gut sei, so etwas durchzuführen. 65 Prozent der Männer fanden es gut, 31 Prozent
der Männer schlecht. Bei den Frauen waren es sogar 73 Prozent, die es gut fanden, und nur 19 Prozent, die es schlecht fanden.
Das zeigt, daß Frauen immer schon einen etwas ungetrübteren Blick für Realitäten und gute Dinge haben.
Bei der Frage 2 nach der Bereitschaft, sich an diesem autofreien Tag zu beteiligen, waren 62 Prozent der Männer und Frauen gleichermaßen sicher, sich daran zu beteiligen. „Vielleicht“ sagten immerhin noch 8 Prozent. Wenn man sich die Umfrage genau anguckt, ist es interessant, daß die größte Zustimmung – auch zu meiner Überraschung – bei beiden Fragen bei den Fünfundzwanzig- bis Vierunddreißigjährigen gewesen ist, also bei denen, die durchaus schon ein Auto haben, aber auch wenn sie ein Auto haben, trotzdem noch den Kopf zum Denken benutzen.
Was ist seitdem passiert? – Es hat sich ein Koordinationskreis gebildet, der seit April regelmäßig gearbeitet hat. Ich will die ganzen Organisationen nicht aufzählen. Es ist ein relativ breites Bündnis, das daran gearbeitet hat. Sie können das in den Materialien nachlesen. Das Ergebnis sind 54 angemeldete Veranstaltungen in allen Hamburger Stadtteilen, bei denen die jeweiligen Straßen an dem Tag alternativ genutzt werden. 54 Veranstaltungen mit all dem, was dazugehört.Dieses zu initiieren und durchzuführen, ist eine stolze Leistung.Es könnten im nächsten Jahr mehr werden, aber ich denke, es ist ein guter Anfang.
Ich will es im einzelnen nicht aufzählen. Irgendwo habe ich gesehen, daß die Beilage der „taz“ ausgelegt ist, wo die einzelnen Veranstaltungen genannt werden.Wichtig ist beispielsweise der Jungfernstieg. Am Jungfernstieg wird es eine Umsteigermeile geben, Informationen und konkrete Beispiele, sich von der OPEC und den Benzinpreisen unabhängig zu machen. Es wird eine solarbetriebene Straßenbahn zu sehen sein. Es gibt eine Bühne mit Informationen, Kultur und Musik. Schwerpunkt werden Informationen zur geplanten Stadtbahn sein, aber auch zu alternativen Fortbewegungsmitteln. Es gibt eine Reihe kreativer Initiativen über die ganze Stadt. Zu nennen sind vielleicht die Fahrradtour entlang der geplanten Stadtbahntrasse vom Rübenkamp zur Langen Reihe von 10 bis 13 Uhr oder die Fahrt mit der musealen Hummelbahn von Farmsen zur City Nord auch ab 10 Uhr.
Höhepunkt dann natürlich die gemeinsame Abschlußdemonstration für Radfahrer, Skater und Kickboarder, und es freut mich besonders, eine Demonstration für den Koordinationskreis angemeldet zu haben, die dann auch genehmigt wurde.Sie findet um 20 Uhr vom Jungfernstieg aus statt, 15 Kilometer durch Hamburgs schönste große Straßen in der Innenstadt.
Meine Damen und Herren! Worum geht es an diesem Freitag? Es ist ein Tag, an dem sich die Hamburgerinnen und Hamburger im wahrsten Sinne automobil verhalten, sich selbst bewegen. Es ist ein Anlaß, darüber nachzudenken, was wir eigentlich mit unserer Stadt machen, denn, meine Damen und Herren von der CDU, alle wesentlichen europäischen Großstädte sind am 22. September dabei, weil sie gleichermaßen unter den Blech- und Auspuffkarawanen leiden.
88 Prozent der Bevölkerung in Frankreich und 92 Prozent in Italien machen sich Sorgen über die Folgen des Auto
verkehrs in den Innenstädten. Rom veranstaltet den autofreien Tag mittlerweile viermal im Jahr. Herr Kollege Reinert, nicht der schlechte Straßenbelag oder der verlangsamte Verkehr in den Straßen bereiten die Probleme, sondern zu viele Autos, die häufig nur mit einer Person besetzt sind. Die Konsequenz daraus kann nicht sein, noch mehr Stadtautobahnen zu bauen, sondern über den sinnvollen Gebrauch des Autos nachzudenken und auf andere Verkehrsmittel umzusteigen.
Die Autofahrer nutzen ihre Wagen zu 70 Prozent für kurze Wege. Ein Drittel aller Fahrten sind kürzer als fünf Kilometer. Hier muß ein Umdenken stattfinden. Ich könnte viele Beispiele nennen.Man könnte damit anfangen, daß Grundschüler von ihren Müttern und Vätern nicht mehr in die naheliegende Schule kutschiert werden. Damit könnte ein gutes Beispiel gegeben werden, wenn man dieses reduzieren würde. Schüler müssen von klein auf lernen, sich selbst zu bewegen; sie müssen nicht von ihren Eltern in die Schule gefahren werden.
Am autofreien Tag des letzten Jahres reduzierte sich in Paris der CO2-Ausstoß um 30 Prozent, der Lärm ging um 50 Prozent zurück. In Hamburg sind 115000 Menschen gesundheitsgefährdendem Verkehrslärm ausgesetzt, das heißt, sie müssen mehr als 65 Dezibel verkraften.