Protokoll der Sitzung vom 15.11.2000

Das Wort hat Herr Hesse.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Können Sie noch lauter als Herr Tants?)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich muß gar nicht laut werden, denn die Zahlen und die Fakten, die uns vorgelegt wurden, sprechen für sich.Ich habe den Eindruck, daß viele, die heute erzählt haben, was sie alles tun können und was sie alles tun wollen, diesen Bericht gar nicht gelesen haben. Sie täuschen hier nur Aktivitäten vor, die Sie schon lange hätten begehen können. Aber nichts ist geschehen.

(Antje Möller GAL: Das hat Herr Tants auch schon alles gesagt!)

Ich möchte Ihnen nur einen Punkt aus dem Konzept „Beweggründe für den Umzug“ vorlesen, Frau Möller, weil Sie gesagt haben, wir sind uns alle einig.

„Die Übernachfrage nach Grundstücken für Eigenheime in Hamburg zeigt sich auch in der Anzahl an Interessenten für ein Grundstück der Liegenschaftsverwaltung. So waren rund 16 000 Bewerber für solche Grundstücke Ende 1999 in der Kartei der Liegenschaftsverwaltung als Interessenten registriert. Das ist bei einer Vergabe von rund 300 Grundstücken pro anno ein Verhältnis von 53 zu 1. Selbst wenn man nur die 2500 Bewerber berücksichtigt, die laut Liegenschaftsverwaltung als konkrete Interessenten eingestuft werden können, ergibt sich noch eine Übernachfrage im Verhältnis von 8 zu 1.“

Mehr muß man nicht zu dieser Studie sagen, um zu sehen, wie groß der Druck und wie groß der Wunsch ist, in Hamburg Eigentum zu erwerben.

(Glocke)

Herr Hesse, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein, momentan nicht.

Es ist schon merkwürdig festzustellen, daß ein GAL-Senator eine Studie in Auftrag gibt, die eigentlich nur als schallende Ohrfeige für Bausenator Wagner zu verstehen ist, der nämlich für die Bau- und Wohnungspolitik der letzten zehn, 15 Jahre in Hamburg zuständig ist. Es ist eine verkehrte Welt, die wir momentan erleben. Die GAL ist es, die eine

(Dr. Stefan Schulz CDU)

Studie in Auftrag gibt, in der gesagt wird, hier muß jetzt endlich Eigentum gefördert werden. In Mecklenburg-Vorpommern ist es sogar der PDS-Bauminister, der eigene Wohnungen aus dem Bestand verkauft. Nur in Hamburg wird getan, als ob gar nichts passiert, als ob gar nichts wäre, als ob gar nichts passieren würde. Wir machen so weiter wie bisher, und kein Eigentum wird gefördert.

(Dr.Andrea Hilgers SPD:Das wird auch bei der drit- ten Wiederholung nicht besser!)

Herr Senator Wagner wird für seine Politik des Leerstands, der baulichen und sozialen Erosion, oft auch mit den katastrophalen Zuständen bei den städtischen Wohnungen gern als Mietensenator dargestellt, und er verkauft sich auch als solcher.

Wenn man sich in der Studie auf Seite 11 anschaut, warum Menschen aus dem Bestand wegziehen, wird man sehr schnell feststellen, daß dieser Senator mit seiner Politik hauptsächlich dafür verantwortlich ist. Es gibt viele Beispiele. Eines hatten wir in der letzten Fragestunde kurz andiskutiert, Herr Senator, die Altenwohnanlage Sülldorf-Iserbrook. 1995 wurde für teures Geld ein Gutachten erstellt, und der Senator ließ sich für ein vorbildliches Projekt abfeiern. Schon 1998 war alles vorbei, und man sagte, das wollen wir doch nicht, das rechnet sich nicht.Das ist Finanzund Rechenpolitik dieses Senators.

Ein weiteres Beispiel haben wir in diesem Hause lange diskutiert, die Fehlbelegungsabgabe. Es wurde viel zu lange gezögert, und Besserverdienende wurden aus Wohnungen vertrieben. Nur dank dem Druck der CDU-Fraktion und der Mieterinnen und der Mieter vor Ort wurde die Fehlbelegungsabgabe sukzessive wieder abgeschafft.

Frau Möller, Herr Maier, Sie haben das Beispiel Klein Borstel angesprochen, die Friedhofsgärtnerei. Herr Maier hat gesagt, da wollen wir verdichten. Wir wollten dort 450 Wohneinheiten bauen, als der Kleingarten noch im Gespräch war. Frau Möller hat in ihrer Rede aber gesagt, das ist wunderbar, das ist der richtige Weg, den wir in Klein Borstel eingeschlagen haben. Es ist nicht der richtige Weg, denn Sie machen eine Verdichtung an falscher Stelle. Hier wird gebaut wider die Charakteristik eines Stadtteils. Anstatt dort 180 Wohneinheiten zu schaffen und zu sagen, es ist eine Investition in die Zukunft, denn die zukünftigen Bewohner werden Steuern in dieser Stadt bezahlen und nicht ins Umland abwandern, feilschen Sie immer noch über den Geschoßwohnungsbau.Sie sagen sich, lieber das schnelle Geld einkassieren, lieber den schnellen Reibach, als in die Zukunft zu investieren und dort vielleicht weniger Wohnungsbau zu betreiben.

Die CDU-Fraktion ist nicht gegen eine Verdichtung im Bestand. Sie muß nur intelligent gemacht werden. Eine intelligente Verdichtung wäre zum Beispiel eine Aufstockung im Bestand und Privatisierung von städtischen Wohnungen. Das gehört alles mit zu dem Punkt Verdichtung. Verdichtung heißt für uns nicht, daß auf jeden Fall jede freie Konversionsfläche, die wir in Hamburg haben, bebaut werden soll und das möglichst mit Geschoßwohnungsbau.Das hilft uns langfristig nicht.Wir fordern die verstärkte Ausweisung der innerstädtischen Flächen für den Bau von Einzel-, Doppel- und Reihenhäusern.Wir fordern auch, daß endlich die Richtlinien der Liegenschaftsbehörde für die Vergabe von städtischen Grundstücken, aber auch die Förderung des Erwerbs von Wohnungseigentum überarbeitet werden. Da reicht es nicht, Herr Dobritz, wenn Sie sagen, sollten wir Restmittel haben, die wir nicht für den öffentlich geförder

ten Wohnungsbau brauchen, fließen die dahin. Das reicht nicht.

(Glocke)

Ich komme zum Schluß, Frau Präsidentin. Ich befürchte, daß die Diskussion, die wir heute hatten, ein Sturm im Wasserglas war und Änderungen erst eintreten werden, wenn die CDU im nächsten September den Wahlsieg erlangt hat hier in Hamburg.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Uhl.

Ich gebe zu, ich habe in der heutigen Debatte einiges gelernt: Erstens, daß Hamburgs Stadtgrenze bis an die Nordsee geht, und zweitens, daß es in dieser Stadt massenhaft leerstehende Mietwohnungen für Menschen gibt, die nicht viel Geld haben. Das ist beides grober Unfug, wie Sie selbst auch wissen.

Herr Dobritz und auch die CDU sind nach wie vor der Auffassung, daß es in dieser Stadt eine Bevorzugung des sozialen Mietwohnungsbaus gebe. Alle Beteiligten hier wissen, daß das nicht stimmt. Der soziale Mietwohnungsbestand nimmt seit Jahren rapide ab, und wir können mit dem Bauen gar nicht so schnell hinterherkommen, das ist eine ganz bekannte Tatsache. Wenn jetzt gesagt wird, die Mietwohnungsbauförderung solle zugunsten des Eigentums gekürzt werden, weil es genug Mietwohnungsbau gebe, dann ist das falsch.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Im Gegenteil, es gibt eine massive Bevorzugung dieses Eigentumswohnungsbaus, sowohl bei der Wohnungsbaukreditanstalt selbst als auch durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau über irgendwelche eigentumsrechtlichen Paragraphen im Steuergesetz. All das steht der Eigentumsförderung zur Verfügung.

(Vizepräsident Berndt Röder übernimmt den Vor- sitz.)

Das Problem, mit dem wir konfrontiert sind, ist ein anderes. Es liegt darin, daß wir viel zuwenig preiswerten Mietwohnungsbau haben. Das ist das, womit Sie sich auseinanderzusetzen hätten. Sie sollten kein Drama daraus machen, wenn Menschen finden, daß Pinneberg schöner ist. Das glauben wir doch alle sowieso nicht.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Möller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal auf die CDU eingehen. Den Sturm im Wasserglas, Herr Hesse, haben Sie inszeniert, aber es war noch nicht einmal Wasser darin. Sie sind um ein Thema herumgeeiert, das Sie scheinbar noch genau so wie vor zehn, 15 Jahren bewegen. Die Situation in dieser Stadt hat sich bezüglich des Zusammenlebens von Menschen so weit verändert, daß Sie von diesem alten Klischeebild der sozialen Schicht, die der Normalfamilie entspricht und die abwandert, längst abgekommen sein müßten.

(Klaus-Peter Hesse CDU)

(Klaus-Peter Hesse CDU: Nehmen Sie doch die Studie!)

Die Studie sagt etwas ganz anderes. Sie sagt beispielsweise, daß die besserverdienenden Familien, die auf der Liste der Liegenschaft aus finanziellen Gründen keine Chance haben, die Stadt verlassen. Das entspricht nicht dem Szenario, das Sie eben aufgefächert haben.

(Dr. Stefan Schulz CDU: Zu Herrn Maier haben Sie nichts gesagt!)

Die Liste ist zu lang, und deswegen hat keiner eine Chance. Daß die Liegenschaft ihre Politik verändern muß, ist überhaupt nicht strittig, sondern längst im Gespräch, aber doch nicht so, wie Sie es hier skizzieren.

(Dietrich Wersich CDU: Das ist nicht sehr überzeu- gend!)

Das ist sehr wohl überzeugend, lesen Sie es doch einfach noch einmal nach. Wenn Sie mit Ihren Vorschlägen kommen, die so alt sind, daß sie die paar Minuten Redezeit nicht mehr lohnen, wird das Problem doch auch nicht gelöst. Das ist doch albern.

Wir müssen doch einmal darüber reden, welche Projekte in dieser Stadt genau den richtigen Weg gehen; da ist der Kornweg in Klein Borstel der einzig richtige Weg. Sie können doch nicht ernsthaft sagen, weil Ihre Bezirkskolleginnen und Bezirkskollegen kein Interesse daran haben, sich mit der dortigen Bevölkerung auseinanderzusetzen und zu akzeptieren, daß in einer Siedlung, die in den zwanziger oder fünfziger Jahren auf 800 Quadratmeter großen Grundstücken gebaut wurde, andere Menschen miteinander leben als in einer Neubauwohnungssiedlung, die zum großen Teil Eigentum beinhaltet und nebenan liegt. Da kann man doch nicht sagen, die passen hier nicht her.Das ist eine unanständige Begründung.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wir bestehen aus einer Stadt, die von ihrer Heterogenität lebt, und die wollen wir uns erhalten.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Dann bekommt das Wort Senator Wagner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich mir den Verlauf der Debatte ansehe, habe ich doch mehr den Eindruck, daß die CDU, nachdem der Senat diese Studie in Auftrag gegeben hat, um sich Ratschläge einzuholen, in Panik geraten ist und glaubt, ein wichtiges Thema geht an ihr vorbei.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Wie so manches!)

Das muß man so deuten, denn sonst wären Herrn von Beust die politischen „Flapsigkeiten“ in den Walddörfern oder woanders nicht passiert. Eigentlich hatte ich erwartet, daß er hier jetzt mannhaft nach vorn kommt, aber mit der Mannhaftigkeit, Herr von Beust, ist das ja so eine Sache.

(Ole von Beust CDU: Ich komme nach Ihnen!)