Wir haben damals bei dem aussichtslosen Kampf, diese Spielhalle zu verhindern, ein Sprichwort gefunden, das lautete: Es haut uns schier vom Hocker, die SPD ist für die Zocker. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es tut mir leid, aber mit dem Niveau dieser Reimerei kann ich leider nicht mithalten.
Das Problem ist vielschichtiger. Ich kann einigen Äußerungen von vornherein erst einmal nicht unbedingt zustimmen. Der Krankheitsbegriff bei nichtstoffgebundenen Süchten ist noch nicht eindeutig geklärt. Ich bin darauf gespannt, wenn wir es am 6. Februar 2001 im Gesundheitsausschuß mit den Suchtwissenschaftlern diskutieren, wie sie Sucht definieren und in welcher Form sie die Spielsucht dazurechnen. Die Frage ist auch, ob man nicht die süchtigen Börsenspekulanten ebenfalls hinzurechnen muß.
Ferner stellt sich auch die Frage, ob jede Spielsucht gleich in Banküberfällen endet beziehungsweise ob es wirklich die teuerste Sucht ist. Ich würde das bestreiten. Ein Kokain- oder Heroinsüchtiger wird möglicherweise auch sein Vermögen, wenn er denn eine Existenz hat, aufgeben; ich habe das bei meinen Patienten erlebt. Der Geldaufwand zur Befriedigung dieser Süchte ist mindestens ebenso groß wie bei der möglichen Spielsucht. Der Punkt ist, daß der Staat an bestimmten Süchten mitverdient – das ist sicher bei der Spielsucht so –, aber auch bei Nikotin und Alkohol.
Diesen Widerspruch aufzulösen, wird mit der gesellschaftlichen Verankerung und Akzeptanz dieser Süchte so nicht gelingen. Die Frage ist auch, ob das ein sinnvolles Ziel ist.
Die Behauptung der REGENBOGEN-Gruppe, daß es keinerlei Hilfsangebote in der Stadt gibt, ist schlicht falsch. Es gibt bei der „Boje“ im Laufgraben, bei „Kodrobs“ in Bergedorf, in der verhaltenstherapeutischen Ambulanz im UKE und natürlich bei den Anonymen Spielern sehr wohl Hilfsangebote, die allerdings – da stimme ich der REGENBOGEN-Gruppe zu – durchaus koordinierungsbedürftig sind. Ein Handlungskonzept steht noch aus, muß aber auch wissenschaftlich abgesichert sein.
Es wurde bereits gesagt, daß dem Antrag zum jetzigen Zeitpunkt aus haushaltspolitischen Gründen nicht zuzustimmen ist. Ich sage aber auch deutlich, daß ich der Meinung bin, daß wichtige Anregungen in diesem Antrag
stecken, die wir am 6. Februar in der Ausschußdiskussion mit den Suchtwissenschaftlern überprüfen und dann neu aufgreifen können.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte noch ein paar Worte vorweg sagen. Frau Brinkmann, es ist bei Menschen, die abhängig geworden sind, in der Tat nicht normal, daß Banken mit Spielzeugpistolen überfallen werden. Aber ich denke, Sie haben es so sicher auch nicht gemeint.
Alles andere, was Sie gesagt haben, glaube ich Ihnen schon. Sie haben dargestellt, daß Ihnen klar ist, daß dieses Problem auch Ihnen bekannt ist und Sie den Eindruck haben, daß vielen Menschen in dieser Stadt besser und anders geholfen werden kann und sollte. Sie haben leider noch einmal den Vergleich mit einer ähnlichen Problematik, nämlich bei Menschen mit einer Alkoholabhängigkeit, gemacht. Dazu werden wir am 6. Februar tatsächlich etwas mehr hören, weil alle Erfahrungen zeigen, daß stoffgebundene Sucht und stoffunabhängige Sucht wichtige Unterschiede haben. Diese wichtigen Unterschiede brauchen auch unterschiedliche Angebote zur Hilfe. An diesem Punkt, denke ich, sind wir unterschiedlicher Meinung, genauso wie über den Grund, warum Sie unseren Antrag ablehnen wollen.
Sie sagen, es ist ein Haushaltsantrag. Wir fordern, daß ein Konzept entwickelt wird. Eine Konzeptentwicklung hat erst einmal keine Haushaltsrelevanz, und wir wollen, daß mit Betreibern von Spielbanken und „Daddelhallen“ verhandelt wird; auch das besitzt keine Haushaltsrelevanz. Sie haben eigentlich keinen vernünftigen Grund mehr, warum Sie unserem Antrag nicht zustimmen wollen, außer, daß es ein Antrag der Opposition ist, dem Sie grundsätzlich nicht zustimmen wollen. Wenn das Ihr einziger Grund ist, ist das doch ein Armutszeugnis.
Sie haben dargestellt, daß es andere Länder gibt, die weiter sind als Hamburg. Wir haben aber das Bedürfnis, Hamburg eine Chance zu geben, an diese Länder anzuschließen und deutlich zu machen, daß wir uns um Menschen mit einer Glücksspielsucht besonders kümmern. Schleswig-Holstein hat dieses Konzept entwickelt. In Hamburg muß nicht von vorn begonnen werden, sondern es gibt die Möglichkeit, an die Erfahrungen anderer Länder anzuknüpfen. Genau das wollen wir erreichen, und Sie finden das auch richtig. Daher meine ich, daß es an der Zeit ist, daß Sie über Ihren eigenen Schatten springen und nicht aus pauschalen, unwichtigen und fachlich disqualifizierenden Gründen einen Antrag ablehnen. Sie finden das Anliegen gut und richtig, das haben Sie deutlich gemacht. Demgemäß bitte ich Sie, dem Antrag zuzustimmen.
(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Wer keinen Schatten wirft, kann auch nicht über denselben springen!)
Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann lasse ich über den Überweisungsantrag abstimmen. Wer möchte dem Überweisungsantrag
Ich lasse über den Antrag in der Sache abstimmen. Wer möchte dem Antrag seine Zustimmung geben? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.
Ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte 51 und 53 auf, Drucksachen 16/5435 in der Neufassung und 16/5437, Anträge der GAL-Fraktion zur Arzneimittelsicherheit von Blutprodukten im Bereich BSE – Creutzfeldt-Jakob sowie zur Übertragung der Rinderseuche durch Lebensmittel und Rahmenbedingungen der Massentierhaltung.
[Antrag der Fraktion der GAL: Arzneimittelsicherheit von Blutprodukten und Medikamenten, Forschung im Bereich BSE/Creutzfeldt-Jakob – Drucksache 16/5435 (Neufassung) –]
[Antrag der Fraktion der GAL: Übertragung der Rinderseuche durch Lebensmittel und Rahmenbedingungen der Massentierhaltung – Drucksache 16/5437 –]
Die CDU-Fraktion beantragt, alle drei Drucksachen an den Gesundheitsausschuß zu überweisen. Die GAL-Fraktion möchte nur den CDU-Antrag, Drucksache 16/5481, an den Gesundheitsausschuß überweisen. Wird das Wort gewünscht? – Der Abgeordnete Zamory bekommt es.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte anders als in der Debatte vorhin, den Schwerpunkt jetzt auf die medizinischen Auswirkungen der BSE-Erkrankung für unseren Alltag und auf die Arzneimittelsicherheit setzen. Grundsätzlich ist zu sagen, wir wissen, daß wir zur Zeit sehr wenig wissen und vieles, was sicher geglaubt schien, sich inzwischen als falsch und verharmlosend erwiesen hat.
Der britische BSE-Spezialist, Professor Collinge, hat in einem „Zeit“-Interview dargestellt, daß es einen Stamm in Papua-Neuguinea gibt, der Fore heißt und der aus rituellen Gründen noch bis in die fünfziger Jahre hinein menschliche Gehirne verspeist hat. Bei diesem Stamm tritt eine Krankheit auf, die dort Kuru-Kuru genannt wird, die genau den Symptomen von BSE bei Rindern als auch der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung beim Menschen entspricht. Das heißt, er stellt die Hypothese auf, daß, wenn eine Art ihre eigene Art verspeist, ein erhöhtes Risiko für das Auftreten solcher Krankheitssymptome existiert. Er geht davon aus, daß von Scrapie bei den Schafen, über BSE bei den Rindern, bis hin zu der neuen Variante von Creutzfeldt-JakobErkrankung beim Menschen die Übertragbarkeit auch da, wo die Arten übersprungen werden, möglich ist.
Dies alles vorausgeschickt, stellt es uns jetzt vor bedeutende Probleme, deren Lösung im Moment in keiner Weise absehbar erscheint, weil die Tests, mit denen die Rinder zur Zeit getestet werden – wie wir heute in der Zeitung lesen können –, nicht sicher sind. Es sind Tiere falsch positiv und auch falsch negativ getestet worden. Das heißt, die Sicherheit der Tests ist nicht gegeben. Es kann letztlich
nicht die Behauptung aufgestellt werden, daß Lebensmittel von getesteten Tieren, deren Fleisch in der berühmten Wurst weiterverarbeitet wird, sicher seien. Wenn die Gesundheitsbehörde heute verbietet, Rinderdarm weiter als Nahtmaterial bei chirurgischen Operationen einzusetzen, fürchte ich, daß das der Beginn einer Rückholaktion, eines Widerrufs ist, der bei Nahtmaterial beginnt und möglicherweise bei einer Reihe von Arzneimitteln noch kommen kann. Bei 25 000 bis 26 000 Arzneimitteln, die in der Bundesrepublik im Handel sind, sind auf ganz unterschiedliche Art und Weise Rinderbestandteile enthalten, häufig als Gelatine, als Hülle um den eigentlichen Wirkstoff.
Der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie hat in einer Erklärung deutlich gemacht, warum diese Gelatine unbedenklich ist. Er stellt dar: Kein Rohstoffbezug aus BSE-Hochrisikoländern, keine Knochen von britischen Rindern. Schädel und Rückenmark werden entfernt, außerdem sollen Wirbelknochen von der Verwendung ausgeschlossen werden. Anhängende Reste von Gehirn oder Rückenmark werden durch intensive Waschprozesse entfernt. Die bevorzugte Herstellungsmethode ist das alkalische Verfahren, unter anderem die Behandlung mit Kalziumhydroxyd, über 45 Tage anschließende Sterilisation bei 138 Grad bis 140 Grad. Damit soll die Sicherheit von Gelatine gewährleistet werden. Die Frage ist: Überzeugt Sie das? Mich überzeugt das so erst einmal nicht.
Deswegen ist es so wichtig, daß die Forschung intensiviert wird. Wir möchten mit unserem Antrag klären, was Hamburg tut und was auf Bundesebene in der BSE-Forschung getan wird, um Arzneimittelsicherheit zu garantieren.
Bei den Bluttransfusionen wissen wir schlicht nicht, was wir uns damit einhandeln, wenn die Inkubationszeit 0 bis 50 Jahre beträgt. Erinnern wir uns an die Anfangszeiten von Aids, als es noch keine sicheren HIV-Tests gab und die Bluter, eine Patientengruppe, die auf Bluttransfusionen und Blutprodukte angewiesen ist, massenhaft an HIV erkrankten. Einzelne Bundesländer mußten Schadensersatz leisten und, was schlimmer war, viele Bluter sind an Aids gestorben. Das Makabre ist, daß möglicherweise diese Patientengruppe wieder Seismograph für die Entwicklung von Creutzfeldt-Jakob sein wird.
Die Epidemie von BSE ist in keiner Weise unter Kontrolle. Sie hat elf bis zwölf von 15 europäischen Ländern in unterschiedlicher Intensität erreicht. Bestimmte Thesen, die man bisher aufgestellt hat, sind einfach nicht mehr haltbar. Es ist leider so, daß in England zwölf- und dreizehnjährige Kinder an Creutzfeldt-Jakob erkrankt sind. Eine junge Mutter, die an Creutzfeldt-Jakob erkrankt ist, hat ein einjähriges Kind, bei dem erste Krankheitssymptome aufgetreten sind. Umgekehrt sind viele Demenzerkrankungen in Deutschland und auch anderswo möglicherweise falsch diagnostiziert worden, weil natürlich auch bei älteren Menschen Creutzfeldt-Jakob-Erkrankungen auftreten können. So ist bei einem vierundsiebzigjährigen Patienten in England, bei dem man zunächst eine Demenz annahm, post mortem Creutzfeldt-Jakob diagnostiziert worden.
All das ist höchst beunruhigend, und deswegen ist es nötig, sich soweit wie möglich Klarheit zu verschaffen oder zumindest auf dem aktuellen, wissenschaftlich abgesicherten Stand zu sagen, was man weiß und was nicht. Dazu soll unser Antrag einen bescheidenen Beitrag leisten. Aber Sicherheit, wie sie vorgegaukelt wurde, gibt es nicht, weder bei den Nahrungsmitteln noch bei den Arzneimitteln. Das ist leider so.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit 1987 BSE als sogenannte spongioforme Hirnerkrankung erkannt wurde, mußte mit der Übertragung auf den Menschen gerechnet werden. Wir wissen, daß die Übertragung durch chirurgische Instrumente möglich ist. Bei Patienten, die operiert werden und eine Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung haben, besteht die Möglichkeit, daß andere Patienten diese Erkrankung bekommen, weil der Erreger überhaupt nicht wegzubekommen ist.
Gibt es nun Lebewesen, die den Erreger in sich tragen und andere anstecken, ohne selbst erkrankt zu sein? Ausschließen können Wissenschaftler dieses Szenario nicht. Diese sogenannten subklinischen Fälle müssen berücksichtigt werden. Die Folge müßte eigentlich sein, daß wir nicht nur Rinder testen, sondern auch andere Tiere, wobei es meines Wissens überhaupt keine Tests für andere Tiere gibt.
Ist die BSE-Folgeerkrankung, diese neue Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung beim Menschen, eine seltene Erkrankung? Bei uns ist sie offiziell in keinem einzigen Fall aufgetreten. In Großbritannien erkrankten 88 Patienten, 80 davon starben. Bei einer möglichen Inkubationszeit – Herr Zamory hat es dargelegt – von 50 Jahren stehen wir vielleicht erst am Beginn einer Tragödie. Die prognostizierten Todesfälle liegen zwischen 65 und 136 000. Diese Riesenschwankung – das sind ungefähr 20 000 Prozent Schwankung – zeigt, welche Probleme wir haben. Ist die Relativierung dieser Zahlen ethisch vertretbar? Natürlich sterben jedes Jahr Tausende an den Folgen von Nikotin, Alkohol oder Fehlernährung. Wir gehen davon aus, daß die Konsumenten das Risiko kennen. Auf jeder Zigarettenschachtel steht, daß Rauchen die Gesundheit gefährdet, und das ist der wesentliche Unterschied. Die BSE-Erkrankten sind davon ausgegangen, daß sie gesundes Fleisch gegessen haben. Deshalb verbietet sich ein Vergleich beziehungsweise eine Relativierung.
Was ist zu tun? Herr Zamory hat es schon angesprochen. Wir sind uns alle einig, daß die Forschung intensiviert werden muß. Wir müssen die Aufklärung der Konsumenten noch weiter intensivieren. Beim Kauf von Fleisch muß für den Verbraucher zweifelsfrei ersichtlich sein, ob bei der Mast Medikamente eingesetzt worden sind, zum Beispiel Antibiotika. BSE-Risikomaterialien dürfen nicht in die Nahrungskette. Es gibt schon heute einen Test, der nicht nur feststellt, ob Rindfleisch in der Schweinewurst ist, sondern ob Hirn und Rückenmarksgewebe vom Rind oder Schwein in der Wurst sind. Wir müssen darüber diskutieren, ob wir nicht auch diesen Test anwenden.
Herr Zamory hat die Gelatine angesprochen. Heutzutage kann man schon Gelatine aus Kartoffelstärke machen; auch das müßte umgesetzt werden. Produkte, die Gelatine aus Tiermaterialien enthalten, müßten entsprechend gekennzeichnet werden.