Protokoll der Sitzung vom 14.02.2001

Der zweite Punkt, warum wir diesen Antrag einbringen, ist, daß es beim Verfahren zur Erstellung einer Vorsorgevollmacht Unklarheiten gibt, wenn eine private Daseinsvorsorge nicht vorliegt.

Durch plötzliche Ereignisse kann jeder von uns ganz schnell in die Situation kommen, zeitweilig oder auf Dauer keine eigenständigen Entscheidungen mehr treffen zu können. Das trifft nicht nur Ältere; einen Autounfall oder einen Herzinfarkt können auch gerade jüngere Menschen erleiden. Damit ist ein selbständiges Handeln häufig ausgeschlossen.

Selbst Ehepartner oder Kinder sind in solchen Situationen nicht automatisch befugt, Entscheidungen für den Erkrankten zu treffen. Vielen – ich glaube, auch vielen von uns Anwesenden – ist das nicht deutlich, weil doch jahrelang

geglaubt wurde, daß gerade der eine den anderen Ehepartner bei Entscheidungen vertreten oder Entscheidungen treffen kann. Das ist eben nicht der Fall. Deshalb ist es sinnvoll, auch schon in jungen Jahren eine private Daseinsvorsorge vorzunehmen.

Das einfachste und sicherste Verfahren ist natürlich immer noch, beim Notar eine Urkunde als Vollmacht zu unterzeichnen. Diese Vollmacht kann sich sowohl auf die Vermögens- als auch auf die Gesundheitsvorsorge beziehen. Wer eine solche Generalvollmacht in Händen hält, kann in jeder Lebenssituation für den Vollmachtgeber uneingeschränkt nach außen handeln. Er darf dies jedoch nur dann, wenn ihm der Auftraggeber dazu im Binnenverhältnis einen konkreten Auftrag erteilt hat. Die Vollmacht oder einen Vermerk, daß es die Vollmacht gibt und wo diese zu finden ist, sollte der Vollmachtgeber stets bei sich tragen.

Jährlich kommen circa 700 000 Menschen in Deutschland in die Situation, unerwartet von der Hilfe Dritter abhängig zu sein. Kaum jemand hat vorgesorgt und einen Vertrag zur privaten Daseinsvorsorge abgeschlossen. Vielen Menschen ist es zu aufwendig, zum Notar zu gehen. Sie scheuen vor allem die Kosten. Vor allem, wenn kein Vermögen vorhanden ist, halten sie diesen für überflüssig.

Es ist aber auch möglich, ohne rechtlichen Beistand eine Vorsorgevollmacht zu erteilen. Das sollte jeder von uns tun, wenn er möchte, daß in seinem Sinne entschieden wird und er nicht mehr selbst dazu in der Lage ist.

Um zu wissen, was beim Abschluß oder Umgang mit einer Vorsorgevollmacht alles zu beachten ist, hat die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales die Broschüre „Ich sorge vor“ herausgegeben – ich habe sie einmal mitgebracht, damit sie jeder einmal sieht –, in der eine Menge hilfreicher Tips und Klarstellungen enthalten sind. Aus der Broschüre wird deutlich, daß man nur einer Person seines Vertrauens eine Vorsorgevollmacht erteilen sollte, die nur nach dem Auftrag des Erteilenden handeln darf. Es werden verschiedene Möglichkeiten der Vorsorgevollmacht aufgezeigt und Patientenverfügungen beschrieben, die an Ärzte gerichtet sind.

Aus der Broschüre geht nicht klar hervor, wie und wo eine Vorsorgevollmacht hinterlegt werden soll. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die wir in unserem Antrag auch beispielhaft aufzeigen. Aber welche die beste ist, darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen. Das Hinterlegen beim Ortsamt oder beim Amtsgericht empfinde ich persönlich als sehr aufwendig und technokratisch. Wer kommt schon auf die Idee, im gegebenen Fall im Ortsamt nachzufragen?

In der Broschüre fehlt weiterhin die konkrete Darstellung, für welche Fälle eine solche Vorsorgevollmacht ohne notarielle Beglaubigung Anerkennung findet. Auch das muß im konkreten Einzelfall noch einmal überprüft werden.

Da die Vollmacht nur im Original gültig ist, kommt dem Aufbewahrungsort eine große Bedeutung zu. Die bevollmächtigte Person sollte stets einen Hinweis auf das Vorhandensein einer Vollmacht und den Lagerungsort bei sich führen. Das ist wohl die sinnvollste Lösung.

Um die Bevölkerung über diese Schwierigkeiten besser zu informieren, müßten wenigstens die handelnden Personen, wie zum Beispiel der Arzt oder der Notar, über diese Dinge gut informiert sein, um ihre Erkenntnisse weitergeben zu können. Deshalb wird in dem zweiten Punkt unseres Antrages die Aufnahme dieses Themas in die Ausbildung der entsprechenden Berufe gefordert.

(Dr. Dorothee Freudenberg GAL)

Es gibt beim Abschluß einer Vorsorgevollmacht also viel zu beachten. Wer sich nicht notariell beraten lassen will, kann auch zu einem Betreuungsverein in seinem Bezirk gehen. In jedem Hamburger Bezirk gibt es diese Einrichtungen, die mit Rat und Tat zur Seite stehen.

(Beifall bei der SPD, der GAL und bei Eleonore Ru- dolph CDU)

Das Wort erhält die Abgeordnete Jürs.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte Sie jetzt nicht mit einer dritten Variante quälen,

(Beifall bei Andrea Franken GAL)

möchte aber doch das ansprechen, was ich bezüglich der Vorsorgevollmacht mit meinem Antrag bereits in der Bürgerschaftssitzung vom 30. November zur Abstimmung gebracht habe. Dieser wurde von der SPD und der GAL abgelehnt.

Wir beobachten leider nicht das erste Mal, daß es bei den anderen Fraktionen eines langen Prozesses bedarf, bis die von der CDU problematisierten Themen verstanden werden. In diesem Fall hat es immerhin nach mehr als zwei Monaten geklappt.

Im Hinblick auf dieses Thema ist es sehr erfreulich, daß auch der GAL und der SPD die Wichtigkeit der Vorsorgevollmacht und der Betreuungs- und der Patientenverfügung bewußt geworden ist und sie mit dem vorliegenden Antrag dafür sorgen wollen, daß mit diesen wichtigen Instrumenten verantwortungsvoll gearbeitet werden kann.

Bei genauer Durchsicht der Broschüre der BAGS „Ich sorge vor“ fällt mir aber auf, daß dort alle Fragen, die Sie hier ansprechen, ausführlich erläutert und erklärt sind; eine bessere Auskunft kann man eigentlich nicht geben.

In der Broschüre gibt es – das sagten Sie bereits – einen Ausweis zum Heraustrennen, den jeder mit seinen Daten ausfüllen und bei sich tragen kann. Er enthält zum Beispiel darüber Daten, ob eine Vorsorgevollmacht oder eine Patientenverfügung besteht und wo sie hinterlegt ist.

So gesehen erlangt Punkt 2 Ihres Antrages eine besondere Wichtigkeit im Hinblick auf die Aus- und Weiterbildung von Ärzten und Pflegepersonal; er findet daher unsere volle Zustimmung.

Das Wissen und die Möglichkeiten für den Verbraucher sind als erster Schritt das Wichtigste. Da spielen die Betreuungsvereine bei der Bekanntmachung der Vorsorgevollmacht eine hervorgehobene Rolle. Ich möchte Ihren Antrag an dieser Stelle erweitern, und zwar um die besondere finanzielle Förderung der Betreuungsvereine und ihrer Arbeit.

Soweit ich informiert bin, müssen die Betreuungsvereine zunehmend um Inserenten betteln, damit sie ihr Presseorgan „Hamburger Betreuungsjournal“ in einer jährlichen einmaligen Auflage von 4000 Exemplaren herausbringen können. Nur auf diesem Wege kann man die Bevölkerung überhaupt mit den notwendigen Informationen erreichen und fördern, so daß immer mehr Menschen versorgt werden.

Ich bin froh, daß sich hier endlich etwas bewegt. Ich betone noch einmal die Wichtigkeit des Themas, denn es betrifft alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen und bedeutet für mich Verbraucherschutz.

Ich ersuche den Senat, den erweiterten Antrag durch entsprechende finanzielle Ausstattung zu unterstützen und schnellstens umzusetzen. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Jobs.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die individuelle Autonomie des letzten Lebensabschnittes zu fördern, ist ein richtiges Anliegen und ein wichtiges Ziel. Die entscheidenden Argumente hat Frau Freudenberg genannt. Ich werde darauf verzichten, sie noch einmal vorzutragen.

Der Antrag der GAL geht ohne Frage in die richtige Richtung. Wir stimmen ihm zu. – Einen schönen Abend.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke, der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort erhält die Abgeordnete Dr. Freudenberg.

Frau Jürs, bei allem Wohlwollen: Ihr Antrag hatte die Tendenz, den Senat aufzufordern, für die Verbreitung dieser Broschüre zu sorgen.

Es war kein Antrag, der in die gleiche Richtung zielte wie unser Antrag, nämlich bestimmte Dinge zu klären und zu bearbeiten. Ich habe mich damals über Ihren Antrag ziemlich geärgert, weil ich dachte, wenn man einen solchen Antrag schreibt, schaut man doch zunächst einmal nach, was schon gemacht wurde.

(Antje Blumenthal CDU: Warum haben Sie denn nicht überwiesen?)

Ich hatte im Mai eine Schriftliche Kleine Anfrage gestellt – ich stelle nicht immer gleich eine Große Anfrage –, mit der ich genau das abgefragt hatte, was Sie in Ihrem Antrag widersprüchlich dargestellt haben. Das ist ziemlich töricht. – Danke.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann lasse ich über den Antrag abstimmen. Wer möchte demselben seine Zustimmung geben? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Der Antrag ist einstimmig angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 8: Drucksache 16/5084: Große Anfrage der CDU-Fraktion zur ambulanten Sterbebegleitung in Hamburg.

[Große Anfrage der Fraktion der CDU: Ambulante Sterbebegleitung in Hamburg – Drucksache 16/5084 –]

Das Wort wird hierzu gewünscht. Die Abgeordnete Rudolph bekommt es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der letzten Zeit wird in der Öffentlichkeit und in den Medien häufiger über Sterbehilfe als über ambulante Sterbebegleitung gesprochen.

Nach meiner langjährigen Beschäftigung mit diesem Thema neige ich zu der Meinung, die erfahrene Sterbebegleiter bei dieser Problematik vertreten. Sie sind nämlich

(Petra Brinkmann SPD)

der Meinung, daß der Wunsch nach Sterbehilfe in dem Maße schwinden wird, wie sich eine gute Sterbebegleitung durchsetzt. Darüber ist viel zuwenig bekannt. Was gehört dazu?

Zunächst gehört die Aufklärung des Patienten über seinen Zustand dazu. Es gehört dazu, die Apparatemedizin und lebenserhaltenden Maßnahmen auf Wunsch des Patienten abzustellen und lindernde, schmerzstillende Maßnahmen vor allem bei den unerträglichen Schmerzen, bei Atemnot und Übelkeit der Krebskranken zu ergreifen. Es geht auch oft darum, Hilfe zu leisten gegen die Angst vor dem Erstickungstod, vor der Einsamkeit des Sterbens, vor zuviel Nähe und die Angst – das wurde mir gesagt –, anderen zur Last zu fallen.

Alle Umfragen der letzten Jahre haben im wesentlichen ein Ergebnis: Die meisten Menschen wünschen sich, zu Hause in der gewohnten Umgebung zu sterben. Sie wollen nicht allein gelassen werden und nicht unter Schmerzen leiden. Der Wunsch, noch letzte Dinge regeln zu können, wurde auch geäußert.