Protocol of the Session on May 10, 2001

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der Deutschlandrundfahrt die Hansestadt bereits über zwei gute Radrennen verfügt.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Stimmt doch! – Petra Brinkmann SPD: Richtig! – Jürgen Schmidt SPD: Na, na, na!)

Deswegen braucht man doch nicht aufzuhören; aller guten Dinge sind drei.

Diese Scheinargumente sind nicht wirklich stichhaltig und werden weder von SPD noch von GAL vorgebracht, wenn es um Sportereignisse oder um die Hansestadt Hamburg geht. Niemand in diesem Hause hat bislang den Wunsch geäußert, der Deutsche Tennisbund möge auch Hamburger Tennisamateure zu den Turnieren am Rothenbaum zulassen, oder gesagt, daß Hamburg zu viele Reitsportveranstaltungen der Spitzenklasse austrägt. Auch der einmalige Event-Charakter spielt doch weniger eine Rolle, die eine Ablehnung begründen könnte; ansonsten müßten Sie sich auch gegen die Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft im Volksparkstadion aussprechen.

Sie lehnen diese einmalige Chance für unsere Heimatstadt ab, weil es nicht ein Antrag der Koalition ist.

(Helga Christel Röder CDU: Jawohl!)

Allein deshalb sind SPD und GAL der Auffassung, es sich leisten zu können, auf eine solche einmalige Imageaufwertung der Hansestadt zu verzichten. Diese Liebe zur Provinzialität kann sich der Wirtschaftsstandort Hamburg nicht länger leisten.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Warum?)

Hier wird nicht nur eine Chance für die Zukunft der Stadt vertan, sondern auch ein jämmerliches Bild nach außen in die Welt getragen. Was Freiburg schafft, kriegt Hamburg nicht geregelt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Eleonore Rudolph CDU (als Vertreterin der Sitzungsprä- sidentin): Das Wort hat Herr Jürgen Schmidt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will zunächst eine Feststellung treffen. Ich finde es schon bezeichnend, was die CDU-Fraktion so zur Debatte in unserem Hause anmeldet. Es liegen, wenn Sie einmal in die Tagesordnung schauen, CDU-Anträge zur Stabilisierung in sozial benachteiligten Gebieten, zur Jugendkriminalität und ein angebliches Sofortprogramm gegen Staus vor. Aber darüber wollen die Christdemokraten kein Wort verlieren. Wahrscheinlich – den Schluß ziehe ich – haben Ihre jetzigen Recherchen bei diesen Anträgen keine lohnende Kritik ergeben.

(Beifall bei Dr. Andrea Hilgers SPD)

Wie auch immer, wichtiger ist es Ihnen, darüber zu diskutieren, wie wir Profi-Radler über die französische Grenze in die Hansestadt locken können. Ich muß schon sagen, meine Damen und Herren von der Opposition, Respekt vor Ihrer Prioritätensetzung im Wahlkampfjahr.

(Beifall bei der SPD)

Aber lassen wir uns von der vermeintlich radsportbegeisterten CDU nichts vormachen. Auch ohne Tour-deFrance-Etappe ist Hamburg jetzt bereits eine Radsporthochburg, nämlich die Nummer eins im Norden. Die besondere Anziehungskraft der Freien und Radlerstadt Hamburg können Sie in wenigen Tagen erleben, wenn am

29. Mai die Deutschlandtour für Profis, Amateure und Hobbyradler – im Schauspielhaus war im vergangenen Monat die entsprechende Präsentation – losgeht.

Die Antworten auf die von Herrn Okun gestellte Kleine Anfrage haben eines ganz deutlich gemacht: Hamburg hat erneut ein großes Sport-Event an Land gezogen, und Ihre Absicht, die Tour-de-France-Etappe gegen den Start der Deutschlandtour auszuspielen, ist gescheitert.

Ein bereits vorhandenes und ganz besonderes Bonbon ist das Hamburger Weltcup-Rennen für Profis und jedermann, der sechsten Auflage der HEW-Cyclassics am 19. August. Auf drei verschiedenen Strecken werden die Teilnehmer durch die Stadt sausen. Das Ziel für jedermann und Profis liegt mitten im Herzen der Stadt, gleich um die Ecke in der Mönckebergstraße. In diesem Jahr wird mit einem neuen Teilnehmerrekord von 12 000 Radsportlern gerechnet.

Die Begeisterung der Hamburger Bevölkerung für dieses Rennen bewegt sich in Marathondimensionen, und dies liegt sicherlich auch an der gelungenen Kombination von Hochleistungs-, Breiten- und Freizeitsport, der hier geboten wird, eine besondere Anziehungskraft des Spektakels, die die Tour de France nicht bieten kann. Diese Tour de France – es ist die 88. – startet am 7. Juli in Dünkirchen und geht fast 3500 Kilometer quer durch Frankreich, denn, wie der Name Tour de France schon sagt, ist dies eine Frankreich-Rundfahrt. Und im Gegensatz zu Ihren Ausführungen, Herr Warnholz, ist es eben nicht so, daß man ohne weiteres eine Tour in Hamburg starten lassen und durch die Niederlande und Belgien weiter nach Frankreich fortführen kann. Darauf legt Herr Leblanc, der Leiter der Tour, ganz großen Wert, und wenn überhaupt – er ist kein Freund dieser ausländischen Tourstarts –, dann nur einen Tag und nicht mehr. Also scheitert es schon deswegen.

Im übrigen haben Sie hier den Eindruck vermittelt, als wenn das Angebot der Tour de France auf dem Tisch des Hauses läge und wir bräuchten nur noch zu unterschreiben; so ist das aber gar nicht. Sie haben hier also einen Eindruck vermittelt, der mit der Realität nicht übereinstimmt.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Das habe ich nicht ge- sagt!)

Die Kosten für das Eintagesereignis Tour de France in Hamburg von vorsichtig geschätzten 5 Millionen DM stehen in keinem gesunden Verhältnis zum Imagegewinn der Stadt. Und daß dieser Aufwand in voller Höhe durch Sponsoren abgedeckt werden könnte, behauptet nicht einmal die CDU-Fraktion.

Wenn Sie also Steuergelder für dieses kommerzielle SportEvent in Anspruch nehmen wollen, dann bekennen Sie, Herr Warnholz, als Opposition doch bitte einmal Farbe und verraten uns, zu wessen Lasten Sie dies im engen Haushalt der Stadt ausgeben wollen.

Eine echte Schnapsidee scheint allerdings die Vorstellung der CDU zu sein, Eintrittsgelder in Höhe von 5 DM verlangen zu können. Wie wollen Sie denn bitte schön entlang einer 100 Kilometer langen Rennstrecke in und um Hamburg dieses bewerkstelligen? Ganz Hamburg für einen Tag als Sperrgebiet erklären? Betreten der Stadt und Verlassen der eigenen Haustür nur gegen Ticket-Kauf, oder wie soll das gehen?

Aber werfen wir doch einen vergleichenden Blick auf die Hauptstadt. Berlin hat sich bereits einmal für den Tour-Start beworben und einschlägige Erfahrungen ge

(Karl-Heinz Warnholz CDU)

macht. Dort wird man sich aufgrund der negativen Erfahrungen sicher nicht ein zweites Mal bemühen. An anderer Stelle wurde von der Opposition gefordert, die Hansestadt solle von der Hauptstadt lernen; dann lassen Sie dieses Argument doch auch heute einmal gelten.

Im übrigen – das scheint mir auch ein ganz wichtiger Gesichtspunkt zu sein – kommen von den Radsportexperten auf nationaler Ebene nur ablehnende Signale zu diesem Antrag, Bedenken, die sicherlich Hand und Fuß beziehungsweise Pedale und Lenker haben.

Zusammengefaßt – einmal abgesehen von der Realisierungschance – bleiben für uns Sozialdemokraten zwei entscheidende Gründe für die Ablehnung, erstens die fehlende Nachhaltigkeit, für eine einzige Veranstaltung viel Geld auszugeben, da halten wir es lieber mit der Deutschlandtour, bei der begründete Hoffnung besteht, daß von Hamburg alljährlich der Start ausgehen wird, und zweitens die begrüßenswerte Verbindung zwischen Profis und Amateuren wie bei den HEW-Cyclassics. Deshalb folgen wir dem Votum des Ausschusses, lehnen den Antrag ab und können nur auf Einsicht der CDU hoffen, daß ihr klar wird, der Bürgerschaft und sich selbst mit diesem Antrag und dieser Debatte zur Tour de Farce keinen Gefallen getan zu haben. Es wäre nicht auszudenken, wenn dieser Vorgang Schule machen würde und wir uns künftig auch noch mit der Austragung der Superbowl des American Football, da das noch mehr Zuschauer bringt als die Tour de France,

(Helga Christel Röder CDU: Ja, und was spricht da- gegen?)

oder einem Formel-1-Rennen auf dem Ring 3 beschäftigen müßten. Wir lehnen diesen Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Helga Christel Röder CDU: Ich verstehe Sie nicht; tiefste Provinz!)

Eleonore Rudolph CDU (als Vertreterin der Sitzungsprä- sidentin): Das Wort hat Herr de Lorent.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wer könnte glaubwürdiger dafür eintreten, daß der Start für die größte Radtour der Welt in Hamburg stattfindet, als der Sohn einer hugenottischen Familie, für den es natürlich eine Freude wäre, wenn in Hamburg, in seiner Heimatstadt, der Startschuß fiele. Aber – Herr Warnholz, Sie sind ja auch nicht gerade ein Mann der Emotionen – man muß doch dabei ein bißchen rechnen.

Sie können natürlich die Hoffnung haben, daß Hamburg 5 Millionen DM zur Verfügung stellt und das Geld wieder hereinbekommt. Aber dafür gibt es Erfahrungen; Herr Schmidt hat darauf hingewiesen. Berlin hat vor ein paar Jahren die Tour de France gestartet und die Erfahrung gemacht, daß sich das nicht amortisiert. Berlin hat auch die Erfahrung gemacht, daß es ganz schön teuer ist, sich für die Olympiade einzusetzen; diese Diskussion hatten wir auch in Hamburg. Natürlich wird jeder erst einmal spontan sagen, warum soll die Tour de France nicht hier starten, warum wollen wir die Olympiade nicht nach Hamburg holen. Aber dann muß man ein bißchen konkreter hingucken und sich fragen, wie können wir das finanzieren. Diese 5 Millionen DM stehen allerdings in keinem Verhältnis zum Ertrag. Für einen Tag kommt Hamburg in alle Medien, aber es ist ein Einmal-Ereignis.

Ich will einmal eine Zahl dagegensetzen. Hamburg bezahlt beispielsweise für den Marathon, der mittlerweile eine eta

blierte Sportveranstaltung ist und auch eine sehr große Resonanz hat, 140 000 DM Sportfördergelder. Das steht in einem Verhältnis, wo man sagen kann, der Großteil wird von privaten Sponsoren und von Teilnehmergeldern bezahlt, und wo man ernsthaft sagen kann, eine solche Veranstaltung ist sinnvoll, hat einen Imagegewinn und ist auch sportlich interessant.

(Beifall bei Elisabeth Schilling SPD)

Ich halte die Argumentation des Kollegen Schmidt für völlig richtig. Es ist schwer genug, im Sport – wir haben gerade gestern im Zusammenhang mit Inline-Skating darüber gesprochen – etwas zu etablieren. Und es ist auch schwer genug, im Profi-Sport etwas zu etablieren. Hamburg macht zwei gute Ansätze, zum einen die HEW-Cyclassics, die zum sechsten Mal stattfinden. Sie haben sich in sechs Jahren zu einer Weltcup-Veranstaltung gemausert, die mit Mailand–San Remo oder der Flandern-Rundfahrt, Paris–Roubaix, zu vergleichen ist. Es gibt ein Teilnehmerfeld, wie es in anderen Ein-Tages-Veranstaltungen kaum zu finden ist, und hat den großen Vorteil, daß auch noch 10 000 Hobbyfahrerinnen und -fahrer angesprochen werden. Dieses zu etablieren und gleichzeitig die Deutschlandrundfahrt in Hamburg stattfinden zu lassen, sind zwei Ziele, für die es sich einzusetzen lohnt. Das belastet den Hamburger Etat nicht, hat einen Imagegewinn, tut etwas für den Sport, und wir müssen nicht krampfhaft versuchen, etwas an Land zu ziehen, was für Hamburg ein großes finanzielles Risiko ist.

Ich weiß nicht, was der Kollege Freytag zu dieser Idee sagt. Betrachten Sie es doch einmal ganz emotionsfrei, gehen Sie doch einmal kaufmännisch vor, wie Sie das sonst so machen. Dann kommen Sie auch zu dem Ergebnis,

(Dr. Michael Freytag CDU: Für den Standort rech- net sich das!)

daß dieser Vorschlag letztlich eine Schnapsidee ist.

(Beifall bei der GAL und der SPD)