Protokoll der Sitzung vom 27.03.2002

(Beifall von der FDP und vereinzelt von der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Zum anderen ein weiteres Mal die Dankbarkeit an den Wähler. Wären Sie noch in der Regierung, hätten Sie für einen solchen Beitrag gar keine Zeit gehabt. Gott sei Dank konnten wir das jetzt einmal hören.

Im Übrigen noch der Hinweis, dass man in dieser Stadt in einem Standesamt, Herr Kollege, nicht nur als heterosexuelles Ehepaar heiraten darf, sodass wir hier auch einiges für andere heiratswillige Paare tun können.

Einen letzten Wermutstropfen muss ich an dieser Stelle noch loswerden. Das Einzige, was mich an diesem Antrag mit Schmerz erfüllt – so geht es sicher manchem hier im Hause, der seit längerem eine Beziehung führt –, ist das Argument, keine Zeit zum Heiraten zu haben. Das wird dann leider nicht mehr gelten. Aber das kann ich ertragen. – Danke schön.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Wir kommen zur Abstimmung.

Zunächst zum GAL-Zusatzantrag, Drucksache 17/524. Wer ihn annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Es gab keine Enthaltungen. Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.

Wer dem Antrag aus der Drucksache 17/372 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Bei einigen Enthaltungen ist dieser Antrag einstimmig angenommen worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 38 auf, Drucksache 17/427, Antrag der GAL-Fraktion zur Umsetzung des so genannten Gewaltschutzgesetzes.

[Antrag der Fraktion der GAL: Umsetzung des so genannten Gewaltschutzgesetzes – Drucksache 17/427 –]

Diese Drucksache möchte die CDU-Fraktion an den Rechtsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Frau Dr. Lappe, Sie haben es.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe jetzt die schwere Aufgabe, zu dem überzuleiten, was nicht selten auf die fröhlichen Hochzeitsveranstaltungen – ob nun in der Woche oder am Samstag – folgt. Es geht um den hohen Risikofaktor gerade für Frauen, die verheiratet sind. Für sie ist es im Grunde genommen weniger gefährlich, nachts durch dunkle Parks zu laufen, als verheiratet zu sein und Opfer von Gewalt im sozialen Nahbereich zu werden.

(Elke Thomas CDU)

Diesem Problem konnten wir bisher in Deutschland trotz langjähriger Bemühungen nicht wirklich begegnen und an ein Ende dieser Gewalt ist noch lange nicht zu denken. Ich möchte Ihnen ein paar Zahlen nennen, die Ihnen das Problem in seinen Ausmaßen vielleicht noch deutlicher machen.

Fast ausschließlich sind Männer die Gewalttäter und Frauen und Kinder sind als Opfer betroffen. 50000 Frauen und mindestens ebenso viele Kinder suchen jährlich Schutz in den bundesweit 320 Frauenhäusern. Dabei müssen wir davon ausgehen, dass höchstens 20 Prozent aller in der Familie vorkommenden Gewalttaten bekannt werden. Die Schätzungen über die Folgekosten dieser Form der Gewalt belaufen sich auf ungefähr 15 Milliarden Euro jährlich, die für Hilfeeinrichtungen, für medizinische Behandlungen, für Polizeieinsätze und alles, was dazu gehört, aufgewendet werden.

Die jetzige Bundesregierung reagierte mit einem Aktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen. Wichtiger Sinn und Zweck des so genannten Gewaltschutzgesetzes, das ich immer so nenne, weil es einen sehr langen Titel hat, den ich mir nicht merken kann – aber unter Gewaltschutzgesetz verstehen wir uns, glaube ich –, ist die normative Wirkung der Wegweisung. Es ist jetzt möglich, Tätern durch Weisung aus der Wohnung die gesellschaftliche Unerwünschtheit und die Unrechtmäßigkeit ihres Tuns sofort spürbar zu machen. Es sollen nicht mehr nur die Opfer diejenigen sein, die neben den körperlichen und seelischen Belastungen auch die ökonomischen und sozialen Belastungen auf sich nehmen müssen, sozusagen dafür bestraft werden, dass sie Opfer sind. Ich halte dies für einen wichtigen Schritt, um dieser Gewalt effektiver begegnen zu können. Das ist für mich eine Art kleiner Paradigmenwechsel im Zusammenhang mit Opferschutz und Gewalt.

(Erster Vizepräsident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

In Hamburg arbeitet seit 1999 der Runde Tisch gegen häusliche Männergewalt. Im Juni 2001 wurde das Hamburger SOG geändert, damit eine Grundlage für eine effektive Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes in Hamburg geschaffen. Gleichzeitig startete eine innerbehördliche Arbeitsgruppe, die bis zum 1. Januar 2002, dem Datum des Inkrafttretens dieses Gesetzes, ein Handlungskonzept für die Beratung von Opfern und Tätern nach einem Polizeieinsatz entwickeln sollte. Doch bisher liegt kein Ergebnis vor und der Senat unternimmt bisher keine – jedenfalls für eine Oppositionsabgeordnete ersichtlichen – Anstalten, hier Abhilfe zu schaffen.

Das bedauere ich außerordentlich und frage mich, wie dies mit dem erklärten Ziel der Regierung zusammenpasst, die öffentliche Sicherheit zu verbessern und die Opfer zu schützen. Wo, wenn nicht hier, kann der Senat dies unter Beweis stellen. Dennoch und obwohl es keine gezielte Öffentlichkeitsarbeit gab, wurde bereits eine erstaunliche Zahl von Wegweisungen ausgesprochen. Am 7. März war in der Presse von 66 Fällen zu lesen; inzwischen dürften es noch einige mehr sein. Ich würde mich nicht wundern, wenn es 100 oder noch mehr wären – eine erkleckliche Zahl.

Parallel zeichnet sich ab, dass mit keiner Entlastung der Frauenhäuser zu rechnen ist, sie werden wie bisher beansprucht. Das erklärt sich vielleicht daraus, dass die Zielgruppe der Frauenhäuser andere Frauen sind als die, die von einer Wegweisung Gebrauch machen. Die Frauen, die ins Frauenhaus gehen, fühlen sich an Leib und Leben be

droht und sind nicht sicher in ihrer Wohnung, auch wenn der Mann weg ist. Sie gehen nach wie vor ins Frauenhaus. Darüber hinaus gibt es nun eine andere Gruppe von Frauen, die in ihren eigenen Wohnungen bleiben kann. Wir sind dabei, das Dunkelfeld weiter zu erhellen und tiefere Einsichten darüber zu bekommen, wie groß das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen ist.

Offen und unklar bleibt, was nach den Wegweisungen, die auch in Hamburg ausgesprochen worden sind, weiter passiert. Was soll in den zehn Tagen mit den Frauen passieren, was passiert mit den Tätern, wie werden diese Wegweisungen kontrolliert, das heißt, wie verhält sich die Polizei weiter? Ich sehe keine Möglichkeiten für die Betroffenen, sich Informationen über die strafrechtlichen und zivilrechtlichen Möglichkeiten oder andere Beratungseinrichtungen zu holen. Dass dies nötig ist, zeigt das Beispiel in Österreich. Dort gibt es Interventionsstellen, die nach solchen ausgesprochenen Wegweisungen von den Betroffenen in Anspruch genommen werden können, um die weiteren Aktionen zu planen, sei es nun, dass die Täter zum Beispiel Antigewalttrainingsprogramme machen oder die betroffenen Frauen Verfahren gegen die jeweiligen Männer einleiten.

Wir wollen, dass auch Hamburg ein fachgerechtes Angebot bereitstellt. Deshalb fordern wir den Senat auf, zügig ein Handlungskonzept zur Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes vorzunehmen. Wir halten es dabei für wichtig, eine Interventionsstelle in freier Trägerschaft anzubieten. Eine freie Trägerschaft gewährleistet unserer Auffassung nach ein niedrigschwelliges Angebot, was bei diesem Tabu-Thema nach wie vor wichtig ist. Es gewährleistet Datenschutz und eine unabhängige Koordination im Sinne der Betroffenen unter allen Behörden und Einrichtungen, die mit diesen Fällen konfrontiert sind oder in dieser Zeit beansprucht werden müssen.

Ich freue mich, dass Sie diesen Antrag – wenn sie ihm schon nicht zustimmen, das habe ich auch nicht erwartet – an den Ausschuss überweisen wollen, und hoffe, dass wir dort zu einer konstruktiven Zusammenarbeit und Lösung kommen; das ist mein Wunsch. Ich appelliere eindringlich an Sie, dies im Interesse aller betroffenen Menschen und insbesondere der Frauen mit zu unterstützen.

(Beifall bei der GAL)

Dann bekommt das Wort der Abgeordnete Lüdemann.

Herr Präsident, ich dachte, Frau Mandel meldet sich noch, deswegen hatte ich mich noch nicht gemeldet. Aber vielen Dank für die weise Voraussicht.

(Petra Brinkmann SPD: Sie können ihr ja was schenken!)

Entspannen Sie sich, Frau Brinkmann, wir sind am Ende der Sitzung.

Frau Dr. Lappe hat das Problem schon sehr eindringlich dargestellt und ich möchte auch nicht so lange dazu reden. Die Notwendigkeit des Gewaltschutzgesetzes wird von uns auch erkannt und natürlich ist es sehr gut. Die Ergänzungen des Paragraphen 12a SOG mit der Wegweisung für Männer ist auch eine sehr gute Änderung, die wir im letzten Jahr gehabt haben.

Was Sie ansprechen und fordern, ist das notwendige Begleitkonzept. Bislang ist es so, dass die Männer wegge

(Dr. Verena Lappe GAL)

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wiesen werden oder vielleicht in wenigen Einzelfällen auch die Frauen und dass die Polizei nur ein Faltblatt mit Informationen überreichen kann. Das ist immerhin schon etwas, aber es ist wahrscheinlich nicht die optimale Lösung, die man sich vorstellen kann.

Sie sprachen die interbehördliche Arbeitsgruppe an, die ein Konzept erarbeitet hatte. Wir hatten zwischenzeitlich aber einen Regierungswechsel und das dort erarbeitete Konzept entspricht nicht ganz den Vorstellungen der neuen Behördenleitung. Deswegen werden auch noch Änderungen vorgenommen. Sie selbst streben an, diese Beratungen in freier Trägerschaft zu übernehmen; das bisherige Konzept sah das so nicht vor. Vielleicht können wir Ihnen sogar noch auf dem Weg entgegenkommen.

Deswegen ist es sehr wichtig, den Antrag zunächst einmal an den Rechtsausschuss zu überweisen und uns dort vom Senat berichten zu lassen, was konkret geplant ist und wie das umgesetzt werden kann. Soweit ich weiß, ist die nächste Sitzung der interbehördlichen Arbeitsgruppe am 4. April und eventuell können nach dem 4. April auch schon neuere Details bekannt gegeben werden. Ganz wichtig ist es, bevor überhaupt ein Konzept verabschiedet wird, auch einmal auf ein paar Zahlen zurückzugreifen, wie weit überhaupt Bedarf besteht. Man kann nicht, bevor man überhaupt konkrete Zahlen hat, schon sagen, wir wollen dafür eine, zehn oder 15 Stellen bereitstellen, weil es bislang schon konkrete Planungen gab.

Es umfasst nicht nur die Beratungen der Opfer, sondern dazu gehört auch ein ganz weites Feld von Änderungen in der Zivilprozessordnung. Dazu ist es einfach erforderlich, die Staatsanwälte und Richter zu schulen, die in diesem Bereich die Verfügungen aussprechen sollen, und die Fortbildungskurse für die Richter und Staatsanwälte werden im Juni beginnen.

Wie nun die Opfer beraten werden können, darüber soll uns der Senat einmal berichten und das können wir am besten in Ruhe im Ausschuss beraten. Deswegen plädieren wir auch dafür, den Antrag erst einmal an den Ausschuss zu überweisen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der GAL)

Dann bekommt das Wort Herr Müller-Sönksen.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Das Gewaltschutzgesetz wird auch von der FDP-Fraktion außerordentlich begrüßt, ebenso die dafür bereits erfolgte Ergänzung des Paragraphen 12a SOG. Gewalt zu verhindern, Betroffene zu schützen sind ehrenwerte Anliegen. Insofern schließe ich mich meiner Vorrednerin und meinem Vorredner an. Wir hoffen aber auch sehr, dass durch das Gesetz eine substanzielle Verbesserung der Situation stattfindet. Insofern ist es angezeigt, die Folgen zu prüfen und zu evaluieren, wie das Gesetz bisher wirken konnte. Besonders von Interesse ist dabei, wie viele Wegweisungen es gab. Dies sollte vor einer Intensivierung der Umsetzungsmaßnahmen geschehen.

Zu prüfen ist auch, welcher Beratungsbedarf besteht. Sie kennen ja meine Auffassung, erst einmal genau zu prüfen, bevor wir neue Zuwendungsempfänger oder neue staatliche Beratungsstellen schaffen. Im Rechtsausschuss, dem ich selbst vorsitze, wollen wir uns mit den erforder

lichen Maßnahmen zur Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes beschäftigen. Deshalb möchte auch ich Sie bitten, diesen Antrag zu überweisen.

Ich möchte noch eine Ergänzung machen, weil hier immer nur von Gewalt gegen Frauen gesprochen worden ist.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Mandel?

Vielen Dank. – Herr Müller-Sönksen, ich würde Sie gerne fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass es in einigen Bundesländern, zum Beispiel in Hessen oder im Saarland, bereits Landesaktionspläne zur Ausführung des Gewaltschutzgesetzes gibt, und ob sich Ihre Koalition auch dafür einsetzen wird, dass wir einen Landesaktionsplan in Hamburg bekommen.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich kenne die genauen Maßnahmen und Aktionspläne nicht, aber wir werden uns das selbstverständlich im Rechtsausschuss angucken; das habe ich hiermit gerne aufgenommen.

(Doris Mandel SPD: Gut!)