Protokoll der Sitzung vom 30.05.2002

Das kann in bestimmten Bereichen dazu führen, dass man dazu gezwungen wird. Natürlich nicht durch das Gesetz, sondern beispielsweise durch die Situation in einem Einkaufszentrum, in dem bestimmte Verträge so etwas vorschreiben.

(Uwe Grund SPD: Es gibt Zwangsverträge!)

Vielleicht sollten Sie sich bei einigen Kollegen in der CDU-Fraktion erkundigen, was Zwangsverträge für ein Unternehmen bedeuten können.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Lächerlich!)

Wenn Sie wollen, dass so etwas auf Bezirksebene – egal ob am Samstag oder am Sonntag – entschieden wird, haben Sie das Ziel, den Umsatz für ganz Hamburg zu steigern, komplett aus den Augen verloren. Wir möchten als Hamburger Parlament durch mehr Einkauf aus dem Umland und überregionalen Tourismus, der nach Hamburg kommt, für ganz Hamburg einen erhöhten Umsatz erreichen. Wir wollen keine Umverteilung zwischen den Bezirken. Es macht überhaupt keinen Sinn, regionale Einkaufszentren gegeneinander auszuspielen.

(Beifall bei der SPD)

Warum das ein Holzweg ist, haben wir in der Anhörung sehr ausführlich gehört. In Berlin vermarktet man beispielsweise solche Ereignisse durch verlängerte Öffnungszeiten und nicht als Klein-Klein vor Ort, sondern als ein überregionales Ereignis, kombiniert mit Ereignissen aus Sport und Kultur. Dann kann man etwas für die Stadt erreichen. Das wird kaum möglich sein, wenn beispielsweise in Hamburg-Nord oder Harburg ein paar Geschäfte geöffnet haben. Ich glaube nicht, dass die Menschen 50 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt unterscheiden können, welcher Bezirke wozu gehört.

Wenn Sie für ganz Hamburg einen Effekt wollen, müssen Sie ganz Hamburg im Blick haben. Ich hoffe, dass der Senat den vorgelegten Entwurf der Regierungskoalition so nicht umsetzt. Ich fordere Herrn Uldall auf, gemeinsam mit seinen Senatskollegen Frau Dr. Horáková für die Kultur und Herrn Lange – solange er das noch ist – für den Bereich Sport zu überlegen, durch welche Großereignisse und attraktiven Angebote man diese Stadt so gestalten kann, dass die Menschen herkommen. Dann wird die Steigerung des Umsatzes – zum Beispiel an einem langen Samstag – ein Nebeneffekt sein. Wir werden sehen, ob Sie in der Lage sind, das zu erreichen – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort wünscht der Abgeordnete Herr Ehlers und er bekommt es.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bürgerkoalition macht Ernst mit ihren Beschlüssen, Hamburg in allen Bereichen attraktiver zu machen. Die heutige Debatte über die moderate Liberalisierung der Ladenschlusszeiten ist dafür ein weiterer Beleg. Deswegen vorab die drei wichtigsten Ziele der heute zu beschließenden Reform.

Erstens: Diese Koalition will eine attraktivere Stadt Hamburg, eine wachsende Metropole und damit auch mehr Attraktivität für Kunden.

Zweitens: Für dieses Ziel wird jetzt gehandelt, indem mehr Freiheit für Handel gewährt wird.

Drittens: Diese Freiheit bezieht sich nicht auf den Sonntag. Deswegen gehen Ihre ganzen Befürchtungen – wenn es

denn welche sind – ins Leere. Da bleibt es nämlich beim Alten, und zwar bei den wenigen Ausnahmen vor allem, weil sich auch der Handel auf den Samstag kapriziert. Es wird nicht mehr als vier Sonntage im Jahr die Öffnungen geben. Ich komme gleich darauf zurück.

Die CDU und diese Koalition stehen für eine wachsende City Hamburg. Wir wollen, dass diese Stadt eine Metropole wird, auch eine Einkaufsmetropole. Dazu gehört, dass nicht samstags ab 16 Uhr bis zum Montagmorgen die Bürgersteige hochgeklappt werden und man auf die Schaufenster verweist. Wir wollen das schneller betreiben als Sie, denn Sie haben 20 Jahre gebraucht, um 20 Cafétische in der Mönckebergstraße zu genehmigen. Sie haben es immer verstanden, sich mit den einfachsten Mitteln und mit der restriktiven Anwendung aller unsinnigsten Vorschriften als Verhinderer für Initiativen zu profilieren. Wir wollen eine Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten für den Einzelhandel, vor allen Dingen am Samstag, und damit ein Signal für die offensive Ausgestaltung dieser neuen Möglichkeiten für die Einzelhändler setzen. Initiative ist ab sofort gefragt und erwünscht und nicht, wie bei Ihnen, fast verboten.

Die von Ihnen initiierte Sachverständigenanhörung hat unsere Argumente nachdrücklich bestätigt. Sechs von acht Sachverständigen – im Übrigen auch der von Ihnen, Sozialdemokraten, benannte Sachverständige – haben gesagt, das, was wir vorhaben, ist ausgesprochen vernünftig. Berlin hat dieses Beispiel ausdrücklich bestätigt. Gegen die vorgeschlagene Regelung haben sich die Vertreter der Kirche und der Gewerkschaften ausgesprochen.

Die Sorgen der Kirche verstehe ich, aber ich finde sie unbegründet. Den Damen und Herren von der SPD, die im Grunde ja auch die Argumentation teilen, empfehle ich, die Nummer 3 unseres Antrags etwas gründlicher zu lesen. Dort steht ausdrücklich, dass Sonntagsöffnungen auf Einzelfälle beschränkt werden sollen. Was das heißt, haben wir Ihnen mehrfach gesagt. Inzwischen hat der Senat beschlossen, dass es bei dem bisherigen Verfahren bleibt: maximal an vier Sonntagen im Jahr für ganz Hamburg Öffnungszeiten. Das heißt, der Teufel, den Sie an die Wand malen, jeder Bezirk könne viermal beschließen und damit wären 28 und somit die Hälfte aller Sonntage im Jahr für solche Festivitäten und Veranstaltungen verkaufsoffen gemacht, ist völliger Unsinn. Es wird dabei bleiben.

(Beifall bei der CDU und der Partei Rechtsstaat- licher Offensive)

Im Übrigen, meine Damen und Herren, das sage ich als eine sehr persönliche Bemerkung an meine Kirche und damit auch an meine Bischöfin: Ich kann mir eine Fülle von Maßnahmen vorstellen, die die echte Sorge um das Seelenheil der Gläubigen überzeugender durch meine Kirche dokumentieren würde als durch den Widerstand gegen Ladenöffnungszeiten am Sonntag, viermal im Jahr.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Ich sage das mit ganz großer Deutlichkeit als Angehöriger dieser Kirche, mit der ich mich sehr verbunden fühle. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen – jetzt weiß ich auch, woher zum Beispiel 20 000 Unterschriften kommen, von denen Sie gesprochen haben –, dass sich diese Bischöfin in der Kirche im Gottesdienst dazu hinreißen lässt, zur Unterschrift für diese Unterschriftensammlung aufzurufen.

(Glocke)

(Gesine Dräger SPD)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Egloff?

(Der Abgeordnete gibt seine Zustimmung zu er- kennen.)

Herr Kollege Ehlers! Ich habe die Drucksache 16/3164 vom 13. Oktober 1999 hier, auf der Sie als erster Antragsteller stehen. Unter anderem heißt es da:

„Der Senat wird aufgefordert,... das Schließungsgebot an Sonn- und Feiertagen beizubehalten.“

Was bewegt Sie dazu, Ihre Position an dieser Stelle jetzt zu verändern?

Wenn Sie ein bisschen abwarten, werde ich noch ein, zwei Argumente dazu sagen, was mich bewogen hat zu sagen, ich bin dafür, dass es für vier Sonntage im Jahr gelten soll.

Die Volksinitiative von gestern ist damit aus meiner Sicht eigentlich gegenstandslos. Die Forderung, die Sonntagsöffnungszeiten nicht über das auszuweiten, was bisher auch schon möglich und üblich war, ist erfüllt. Insofern hätten Sie sich die Mühe sparen können.

Dass sich die Vertreter der Gewerkschaften – die zweite Gruppe, die dagegen ist – bei einer Sachverständigenanhörung für das vermeintliche Wohl ihrer Mitglieder einsetzt, verstehe ich. Das ist ihre Aufgabe. Für mich ist es problematisch, wenn führende Gewerkschaftsvertreter, wie Herr Grund und Herr Pumm, der auch Mitinitiator dieser Initiative ist, die Interessen der Arbeitnehmer als Aufgabe der Gewerkschaft zur völligen Maxime ihrer Gesamtpolitik machen. Neben den berechtigten Interessen von Belegschaften gibt es nämlich auch noch andere berechtigte Interessen, zum Beispiel die des Handels, aber auch der Stadt als Ganzes. Ich halte es für problematisch, dass die SPD unter Ihrer Führung ihren Blickwinkel so sehr verengt.

Von Ihnen ist behauptet worden, insbesondere der mittelständische Einzelhandel würde der Verlierer dieser Reform sein. Dieser Vorwurf ist falsch. Unsere Regelung sieht gerade da zusätzliche Öffnungszeiten vor, wo die kleinen Einzelhändler vor Ort in den Bezirken Nutzen aus dieser Regelung ziehen wollen, etwa in Bergedorf oder in Harburg. Wir wollen nicht das Grüne-Wiese-Leben fördern. Deshalb erweitert die Koalition – wenn auch nur in einem ganz bescheidenen Rahmen – die Möglichkeiten für den Einzelhandel in Hamburg. Aber Anträge auf Veränderung der Ladenöffnungszeiten müssen auch aus dem Einzelhandel kommen. Das, Herr Pumm und Herr Grund, ist die Stunde der Gewerkschaften, die Ausgestaltung der konkreten Vereinbarung, wie man das an solchen Tagen macht. Aber die Festlegung der Rahmenbedingungen, der gesetzlichen Vorgaben, macht dieses Parlament; und ich sage: Endlich tut dieses Parlament das.

Diese Bürgerkoalition und der Senat nehmen den Konkurrenzkampf um die Hamburgerinnen und Hamburger mit dem Umland auf. Sie nehmen diesen Konkurrenzkampf auf, was die Arbeitsplätze angeht, mit attraktiven Angeboten in dieser Stadt an Arbeitsplätzen. Sie nehmen den Konkurrenzkampf auf, was die Wohnorte angeht, mit innovativen neuen Bebauungsmöglichkeiten – darüber haben wir gestern gesprochen –, und sie nehmen den Konkurrenzkampf mit dem Umland auf, was die Kaufkraft angeht, und zwar durch kundenfreundliche Ladenöffnungszeiten.

Es kann nicht sein, dass rund um Hamburg alle Gemeinden regelmäßig so genannte Feste veranstalten. Da reicht es schon, wenn man eine Hüpfburg oder ein altes Feuerwehrauto hinstellt und damit die Öffnung der gesamten Stadt an den Wochenenden ermöglicht, vor allem am Samstag, und damit große Mengen von Kaufkraft aus Hamburg abzieht. Wir sind nicht länger bereit, dieses hinzunehmen. Wir nehmen die Herausforderung an. Wir wollen nämlich die Hamburgerinnen und Hamburger in ihrer schönen Stadt halten. Wir wollen möglichst viele neue Bürger nach Hamburg holen, wir wollen ihnen die Lebensqualität, die diese Stadt hat, auch zugänglich machen. Wir wollen, dass sie die Möglichkeiten dieser schönen Stadt nutzen, denn sie ist die schönste in Deutschland und Gott sei Dank wird sie jetzt auch gut regiert.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Hardenberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gesetze gelten, solange sie nicht geändert werden. Das sagte kürzlich Bundespräsident Johannes Rau. Genau dieser Meinung ist die Koalition in Bezug auf die Anwendung des Ladenschlussgesetzes in Hamburg. Das Gesetz sieht vor, dass nach Paragraph 14 Ladenschlussgesetz aus Anlass von Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen an jährlich höchstens vier Sonn- und Feiertagen Öffnungen des Handels zugelassen werden können. Aus denselben Gründen können nach Paragraph 16 jährlich an höchstens sechs Sonnabenden Öffnungen bis 21 Uhr zugelassen werden.

Andere Großstädte, wie Berlin, schöpfen diese gesetzliche Regelung aus. Dies, meine Damen und Herren, sind Fakten und auch die gesetzlichen Voraussetzungen.

Jetzt zu den Wünschen und der Realität: Wunsch aller Fraktionen ist es – das haben die letzte Debatte an dieser Stelle und die Anhörung im Wirtschaftsausschuss ergeben –, dass die Sonntagsöffnungen nach eventueller Änderung des Ladenschlussgesetzes bundesweit unterbleiben. Dafür sollte das Bundesgesetz eine einheitliche Ladenöffnungszeit für Montag bis Samstag bis 22 Uhr jeweils oder komplett frei vorsehen. Solange dies aber nicht der Fall ist, plädieren wir dafür, erstens die Berliner Regelungen, die genau die gesetzlichen Vorgaben beinhalten, auch in Hamburg zu realisieren, und zweitens die Durchführung und Terminkoordinierung auf die Bezirke, jeweils in Absprache mit der Wirtschaftsbehörde, zu übertragen. Das heißt natürlich nicht, dass in jedem Bezirk an einem anderen Samstag oder Sonntag geöffnet werden soll, also nicht 28 Tage im Jahr. Dies war nie die Absicht der Koalition. Gewerkschaft und Kirche hätten ihre Ressourcen sinnvoller einsetzen und sich die Unterschriftenaktion sparen können.

Mit diesen Öffnungszeiten können wir nicht nur den Wirtschaftsstandort Hamburg attraktiver machen, sondern auch Kaufkraft aus dem Umland nach Hamburg holen und die Kaufkraft, die hier erwirtschaftet wird, auch hier behalten. Eine Bestätigung dieser Punkte ergab sich auch aus der Anhörung von Fachleuten im Wirtschaftsausschuss.

Aus diesem Grunde werden wir der beschlossenen Empfehlung des Wirtschaftsausschusses folgen und den Antrag 17/310 der Koalition annehmen und den Antrag 17/380 der GAL ablehnen. – Danke.

(Karl-Heinz Ehlers CDU)

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Bevor ich dem Abgeordneten Porschke das Wort erteile, möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass Handys im Plenarsaal ausgeschaltet zu bleiben haben.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Porschke.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sonntag ist nicht alle Tage. Diese uralte Erkenntnis wollen Sie mit Ihrem Antrag auf den Altären der Konsumtempel opfern. Das schadet den einzelnen Menschen in dieser Stadt und unserer gesellschaftlichen Gemeinschaft und ich möchte Ihnen auch sagen, warum das so ist.

Ich bestreite überhaupt nicht, dass es ökonomische Gründe gibt, die immer wieder einen Druck in die 24-Stunden-Gesellschaft – alle Tage offen, alle Tage arbeiten – auslösen. Die Investitionskosten für Kapital werden immer höher und natürlich ist es ökonomisch sinnvoll, rund um die Uhr dieses investierte Kapital, die Anlagen, die Maschinen und so weiter zu nutzen. Aber gerade weil das so ist, ist es Aufgabe der Bürgerschaft, die nicht nur ökonomische Motive zu berücksichtigen hat, sondern das gesellschaftliche Zusammenleben in einer Stadt zu regeln hat, diesem ökonomischen Druck einen klaren Riegel vorzuschieben, einen klaren Rahmen zu setzen, und diesen Rahmen wollen Sie gerade aufbrechen.

(Beifall bei der GAL)