Protokoll der Sitzung vom 19.09.2002

(Elke Thomas CDU: Richtig!)

Ich appelliere zum Schluss an Sie: Lassen Sie Ihre Wahlkampfrhetorik bei diesem wichtigen Thema. Machen Sie einfach mit für die älteren Menschen, werfen Sie Ihre Ideologie über Bord. Seien Sie aktiv im Parlament. Das wird immer auf fruchtbaren Boden stoßen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Braak.

(Frank-Thorsten Schira CDU)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nicht jeder Mensch, der ein hohes Alter erreicht, ist auf bezahlte Aufsicht angewiesen. Gerade alte Menschen sind stolz darauf, sich selbst zu organisieren.

(Uwe Grund SPD: Natürlich, das stimmt!)

Ich weiß, wovon ich rede, denn ich bin auch über 60 Jahre alt. Jeder kann sich vorstellen, warum sich ältere Menschen gegen die Einweisung in ein Heim wehren. Wenn sie gegen ihren Willen dort landen, sollten wir Koordinationsgruppen ermöglichen, die umfassende Qualitätskontrollen durchführen. Gerade hier lohnt sich der Einsatz von ehrenamtlichen Mitarbeitern mit entsprechender Lebenserfahrung.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Alte Menschen können dank der liberalen Politik dieses und auch – das gebe ich zu – des vorangegangenen Senats die Vielzahl der Wohnformen und alternativen Wohnideen in Anspruch nehmen.

(Vizepräsidentin Rose-Felicitas Pauly übernimmt den Vorsitz.)

Alle Initiativen, die durch bezuschusste Leiterinnen und Leiter begleitet werden, haben nachweislich keine höhere Qualität als die Gruppen, die sich selbst organisieren. Das beste Beispiel dafür ist die Altengruppe WilmA in Wilhelmsburg.

(Uwe Grund SPD: Wer hat die aufgebaut?)

Im Moment haben sie aber kein Geld, sie müssen sich selbst organisieren.

Es gibt bereits 70 000 Ehrenamtliche, die über 60 Jahre alt sind, mit deren Hilfe wir die Situation in den Alters- und Pflegeheimen grundlegend verbessern können. Um die restlichen älteren Menschen brauchen wir uns keine Gedanken zu machen, jedenfalls nicht mehr als um die jungen Menschen in dieser Stadt.

(Jens Pramann Partei Rechtsstaatlicher Offensive: So ist das!)

Ich sage Ihnen auch, warum.

Die so genannten Alten – da staunen Sie – studieren an den Universitäten und 5 Prozent der über Sechzigjährigen promovieren sogar. 20 bis 25 Prozent aller Besucher von Museen und anderen kulturellen Stätten sind über 60 Jahre alt. Wenn es aber nach der rotgrünen Bundesregierung geht, soll gerade diesen Menschen durch verlängerte Lebensarbeitszeit diese hohe Lebensqualität genommen werden, obwohl es nicht einmal genug Arbeit für Jüngere gibt.

(Petra Brinkmann SPD: Dann gucken Sie sich mal die Antworten an in der Großen Anfrage!)

Wir kennen Ihre ganzen Pläne und gerade die Älteren kommen aus dem Staunen nicht heraus.

Wer weiß denn schon, dass die Älteren – wenn auch aus anderen Gründen – genauso oft ins Internet gehen wie die Jungen?

(Dr. Verena Lappe GAL: Das werden noch mehr werden!)

Das tun sie zum Beispiel wegen des Kaufs von Medikamenten

(Uwe Grund SPD: Deswegen holen Sie wieder die Lehrer und Polizisten zum Arbeiten!)

und der Reisebuchungen. Und das auch noch hauptsächlich bei ausländischen Anbietern, weil es dort schlicht billiger ist.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Deswegen haben wir die Fragen auch gestellt!)

Es zeigt sich außerdem, dass alte und auch jüngere Behinderte nicht unter sich sein, sondern gleichberechtigt zu den übrigen Bewohnern dieser Stadt am pulsierenden Leben dieser Großstadt teilnehmen wollen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP – Elke Thomas CDU: Rich- tig!)

Dieser Senat wird am Ende des Jahres alle Buslinien in Hamburg mit Niedrigflurbussen versehen. Zurzeit liegt der Bestand bereits bei 95 Prozent.

(Petra Brinkmann SPD: Ja, genau, von uns initiiert!)

Ich weiß, dass Vieles auch von Ihnen stammt, das ist doch normal. Lassen Sie uns doch gute Dinge weiterführen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Die Haltestellen und Bahnhöfe weisen zurzeit allerdings nur eine Behindertenfreundlichkeit von 30 Prozent auf. Dagegen haben sich altengerechte Beförderungsmittel wie Kleinbusse nicht durchsetzen können. Bei Arztbesuchen sollten Fahrkartenzuschüsse allerdings von den jeweiligen Krankenkassen übernommen werden; die Stadt hat nicht für alle Eventualitäten aufzukommen.

Für alte Menschen ist die Bevormundung, Gewalt in der Familie und in der Pflegeeinrichtung, die unterlassene Hilfeleistung, das Wegschließen und die seelische und körperliche Misshandlung am schlimmsten. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort hat Frau Dr. Freudenberg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Schira, was Sie zur Grundsicherung gesagt haben, ist ein bisschen merkwürdig: Sie sei entsolidarisierend und unsozial.

Die Grundsicherung soll Altersarmut verhindern. Das ist ihr Wesen und das ist auch sehr wichtig.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Es ist eine Entsolidarisierung, wenn Sie Menschen, die sich nicht trauen, Sozialhilfe zu beantragen, weil sie Angst haben, dass ihre Kinder zahlen müssen, in der Altersarmut belassen. Die Länder und Kommunen müssen für die Grundsicherung nur dann aufkommen, wenn Menschen, die bisher keinen Anspruch hatten, diese beantragen. Das ist auch völlig richtig. Denn die Stadt als Sozialhilfeträger hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Menschen, die Anspruch auf Sozialhilfe haben, diese auch beantragen. Dazu müssen wir sie gut aufklären. Die von Ihnen genannte Entsolidarisierung ist völlig falsch.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Es ist von der Senatorin sehr gewagt, dass sie sich bisher mit der Finanzierung der Grundsicherung nicht beschäftigt hat. Im Juni, als wir über die Pflege diskutiert haben, waren Sie noch der Meinung, dass Sie ab Montag nach der Bundestagswahl dieses Gesetz wieder abschaffen können. Jetzt werden wir überlegen müssen, wie wir es finanzieren. Ich denke, das wird uns auch gemeinsam gelingen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Nun zu den Großen Anfragen und zu den Diskussionen im Ausschuss. Im Gegensatz zu Herrn Scheurell bin ich der Meinung, dass wir dort sehr interessante Debatten geführt haben. Es fand irgendwie ein Rundumschlag über die Pflege- und Altenpolitik statt. Wir haben sehr viele Informationen abgefragt und einiges zu Protokoll bekommen, aber vieles steht noch aus. Wir warten noch auf einige Protokollerklärungen und ich hoffe, dass uns der Senat bald schlau macht, was er alles weiß und vorhat.

(Jürgen Klimke CDU: Warten wir erst einmal ab!)

Ich möchte hier einen Punkt besonders hervorheben.

Wir haben auch über die Situation in der Pflege und die Notwendigkeit diskutiert, hier zu einer besseren Qualität zu kommen. Ich kann nicht verstehen, warum Sie, Frau Senatorin, so betont haben, dass die absolut unzureichenden Personalschlüssel in der stationären Pflege für Sie kein Thema sind.

Wir wissen, dass die Personalschlüssel in der stationären Pflege immer noch wie zu Zeiten vor Einführung der Pflegeversicherung berechnet sind. Inzwischen hat sich die Situation in den Heimen dadurch massiv geändert, dass die Menschen – wenn es irgendwie geht – zu Hause gepflegt werden können und in den Heimen nur Schwerstpflegebedürftige und überwiegend demenzkranke Menschen untergebracht sind. Hier müssen wir etwas tun zur Personalaufstockung.

(Petra Brinkmann SPD: Richtig!)