Protokoll der Sitzung vom 19.09.2002

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste! Vor vier Wochen konnte ich die ersten Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrkräfte und Mitglieder der Jüdischen Gemeinde bei der Eröffnung der jüdischen Schule begrüßen. Wer, wie ich, am Grindel seine Kindheit verbracht hat, der kann sich vorstellen, wie wichtig mir persönlich dieses Projekt ist.

Die Jüdische Gemeinde konnte an dieser historischen Stelle einen Neubeginn unternehmen und eine eigene Grundschule gründen. Die Behörde für Bildung und Sport hat diese Schule als Ersatzschule selbstverständlich genehmigt und stellt zunächst zwei Lehrkräfte zur Verfügung. Die ersten zwölf Kinder, die ich bei der Einschulung erlebt habe, haben den Unterricht aufgenommen und, wie ich gehört habe, entfaltet sich schon ein sehr reges Leben, denn es geht dort nicht nur um die Unterrichtsvermittlung, sondern auch um die Vermittlung der jüdischen Kultur und Bräuche.

(Dr. Willfried Maier GAL)

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Als einziger Standort für diese Schule kommt – nicht nur für die Jüdische Gemeinde, sondern für uns alle – nur das heute noch im Eigentum der Stadt befindliche Grundstück am Grindelhof 30 in Betracht, denn wir wissen, dass dort die Schule bestanden hat, bevor sie geschlossen wurde. Es war früher das Eigentum der Talmud-Tora-Realschule. Aus diesem Grunde möchte die Jüdische Gemeinde das Eigentum wieder erlangen, um dort nicht nur die Schule, sondern ein Bildungs- und Kulturzentrum zu errichten.

Die Gespräche haben zu dem Ergebnis geführt, dass dem Anliegen der Jüdischen Gemeinde Genüge getan werden kann. Der Senat hat beschlossen, das Grundstück der Jüdischen Gemeinde im Wege der Schenkung zu übereignen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Auch wenn es vielleicht nicht üblich ist, erspare ich mir bei dieser Gelegenheit die weiteren Ausführungen, denn ich habe die feste Überzeugung, dass Sie alle die Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft gelesen haben. Deswegen beantrage ich lediglich Ihre Zustimmung und Bewilligung zu diesem Antrag, damit die jüdische Schule als Ausdruck eines lebendigen jüdischen Lebens wieder einen festen Platz in der Stadt erhält und diese zarte Pflanze, von der hier die Rede war, in Zukunft kräftig blühen, wachsen und gedeihen kann.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung.

Wer stimmt dem Senatsantrag zu? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist einstimmig von der Bürgerschaft beschlossen.

Es bedarf einer zweiten Lesung. Stimmt der Senat der sofortigen zweiten Lesung zu? –

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erkennen.)

Das ist der Fall. Gibt es Widerspruch aus dem Hause? – Das ist nicht der Fall.

Wer den soeben in erster Lesung gefassten Beschluss in zweiter Lesung fassen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann stelle ich fest, dass dieser Beschluss auch in zweiter Lesung und damit endgültig getroffen worden ist.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 54 auf. Es ist der Antrag der Fraktion der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive zur Veränderung der Pflichtstundenregelung differenziert nach Unterrichtsfächern, Drucksache 17/1379.

[Antrag der Fraktionen der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Veränderung der Pflichtstundenregelung differenziert nach Unterrichtsfächern – Drucksache 17/1379 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 17/1428 ein Antrag der Fraktion der SPD vor.

[Antrag der Fraktion der SPD: Veränderung der Pflichtstundenregelung differenziert nach Unterrichtsfächern – Drucksache 17/1428 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Woestmeyer, bitte.

Verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bei aller Getragenheit hat die Debatte eben auch Spaß gemacht und es macht mir auch jetzt Spaß, wieder hier zu stehen,

(Christian Maaß GAL: Sie sind ja auch eine Spaß- partei! – Uwe Grund SPD: Sie sind ja Mitglied der Spaßpartei!)

auch wenn wir uns jetzt, zu vorgerückter Stunde, mit zwei scheinbar trockenen Anträgen zu beschäftigen haben.

Zunächst zum Antrag der Bürgerkoalition zur Veränderung der Pflichtstundenregelung. Ich sage es Ihnen lieber gleich, bevor Sie sich hier gegen Ende des Tages noch einmal reflex-oppositionell erregen müssen. Diesen Antrag habe ich bereits eingebracht, bevor die Lehrerarbeitszeitkommission ihre Arbeit wieder aufgenommen hat. Wir werden also das Rad hier nicht neu erfinden. Der Antrag hat also schon ein paar Wochen auf dem Buckel im Gegensatz zu Ihrem Antrag, den Sie hier sehr kurzfristig – mit anderen Worten: gestern – als Zusatzantrag eingereicht haben. Dem hätten Sie auch ein paar Wochen der Reife antun können, das hätte ihm vielleicht ganz gut getan. Ich will Ihnen aber zugute halten, dass Sie sich auf unsere Anregung hin auch mit diesem Thema beschäftigt haben.

Zur Lehrerarbeitszeit. Was verbirgt sich eigentlich hinter dem Wort Lehrerarbeitszeit? Jeder denkt dabei fast ausschließlich an den reinen Unterricht. Aber Hamburgs Lehrerinnen und Lehrer leisten deutlich mehr.

Da ist zunächst die unterrichtsbezogene Arbeitszeit, Vorund Nachbereitung, Kontrolle von Schulheften, Prüfungen, Korrekturen von Klassenarbeiten und so weiter. Hinzu kommen die außerunterrichtlichen Tätigkeiten. Die Tätigkeit als Klassenlehrer, Beratungsgespräche mit Schülern und mit Eltern, Konferenzen, das Erstellen von Gutachten und so weiter. Ein Weiteres kommt hinzu: Der Zeitaufwand für Fortbildungen, für Organisation, für Verwaltung, für die Betreuung von Sammlungen und so weiter und so weiter.

Rechnet man diese Tätigkeiten einmal differenziert auf, kommt man auf ein Verhältnis von circa 40:60; 40 Prozent Unterricht zu 60 Prozent „Restarbeitszeit“. Da diese Restarbeitszeit von jedem flexibel gehandhabt werden kann, wird in der Öffentlichkeit oft der Eindruck erweckt, dies sei Freizeit. Vielleicht liegt auch hier der Grund, warum es gerade Lehrern möglich ist, sich überproportional in allen anderen Berufsgruppen, auch als Mitglieder von Parlamenten einzubringen.

Zum Kern der Angelegenheit. Wenn man ehrlich aufrechnet, erkennt man, dass Lehrer gegenüber dem öffentlichen Dienst eine überdurchschnittliche Arbeitszeit haben. Das habe nicht etwa ich errechnet, das ergibt sich beispielsweise aus den unverdächtigen Untersuchungen von Mummert und Partner in Nordrhein-Westfalen, aber auch aus den Untersuchungen von Professor Klemm in Hamburg. Wir wollen der Behörde dies mit auf den Weg geben, wenn sie sich jetzt mit der Lehrerarbeitszeitkommission daran macht, neue Modelle zu erarbeiten. Die sollen ja als Lehrerarbeitszeitkommission nicht wild zusammensparen, die sollen auch am Ende keine Lehrerstellen zusammenkehren und sie dann dem Finanzsenator abliefern, sie sollen Potenziale ermitteln, um die Lehrerarbeitskraft, die uns in Hamburg zur Verfügung steht, bestmöglich einzusetzen.

Wir brauchen also ein System, das den unterschiedlichen Anforderungen des Lehrerberufs besser gerecht wird. Ein Sportlehrer hat weniger Aufwand mit Klassenarbeiten als

(Senator Rudolf Lange)

seine Kollegin im Fach Deutsch, aber sie haben die gleichen Pflichtstunden.

Deshalb fordern wir in unserem Antrag den Senat dazu auf, alle Vorschriften und Erlasse so zu ändern, dass sie sich mehr an dem tatsächlichen Aufwand orientieren. Wir fordern den Senat dazu auf, auf den Ergebnissen der bisherigen Kommission aufzubauen, und wir fordern den Senat auf, die Lehrerverbände mit ins Boot zu holen und der Bürgerschaft regelmäßig Bericht zu erstatten.

Meine Damen und Herren! Das sind doch Ziele, die wir hier gemeinsam beschließen können. Am Ende könnten wir Lehrer in den aufwendigen Kernfächern, wie Deutsch oder Mathematik, entlasten und neue Ressourcen in Fächern wie Musik und Sport schaffen, die dringend gebraucht werden. Ich bin mir sicher, von diesen Effekten wird die Schulbildung insgesamt profitieren. Wir müssen dieses und vieles andere tun, um 2012 wieder einen Platz auf dem Treppchen zu ergattern. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das Wort hat Frau Ernst.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Woestmeyer, in der Tat ist vielem, was Sie hier formuliert haben, zuzustimmen. Im Übrigen greift Ihr Beitrag durchaus auf die Ergebnisse der Lehrerarbeitszeitkommission aus der letzten Legislaturperiode zurück.

Ihr Antrag, auch wenn er durch die Mitteilung des Senats ein wenig überholt ist, kommt deshalb etwas unscheinbar und harmlos daher, verkennt aus meiner Sicht aber einen entscheidenden Punkt, der natürlich in der Debatte eine sehr wichtige Rolle spielt und der auch an den Schulen von großem Interesse ist. Es ist die Frage, ob Hamburgs Lehrerinnen und Lehrer künftig mehr arbeiten sollen, um das Defizit, das durch die schulpolitischen Vorstellungen dieses Senats entsteht, wie beispielsweise das Abitur nach zwölf Jahren oder die dritte Sportstunde, die bisher nicht finanziert sind, im Hamburger Bildungssystem auszugleichen. Dieser Punkt ist nicht geklärt, auch nicht durch Ihren Beitrag, und berührt ganz wesentlich die Glaubwürdigkeit des Senats und der Hamburger Schulpolitik.

Noch im März hat Senator Lange den Hamburger Lehrerinnen und Lehrern schriftlich bestätigt, dass es keine Erhöhung ihrer Arbeitszeit geben soll. In Jesteburg im Mai setzte sich dann aber Senator Peiner mit seiner immer sehr profillosen Sparpolitik durch. Daraufhin stimmte der Schulsenator einer Anhebung der Pflichtstunden für die Lehrerinnen und Lehrer zu.

Zehn Tage später gab es nach erbitterten öffentlichen Debatten einen Rückzieher. Der Senator sagte in einem Interview, es bleibe bei seiner Zusage, es gebe keine Pflichtstundenzahlerhöhung, er werde aber eine Arbeitszeitkommission einsetzen.

Jetzt wurde die Kommission eingesetzt. Sie hat den klaren Auftrag – ich denke, Herr Woestmeyer, Sie kennen den auch –, künftig dafür zu sorgen, dass in Hamburg weniger Lehrerinnen und Lehrer benötigt werden. Ich zitiere den Auftrag:

„Die Lehrerarbeitszeitkommission soll im Rahmen einer Effizienzsteigerung und zur Bedarfsdeckung einen signifikanten Beitrag an ersparten Lehrerstellen erarbeiten.“

Ich denke, das ist unmissverständlich, auch wenn der Senator im September versucht hat, diese Aussage zu widerrufen. Herr Senator, Sie verheddern sich in Ihren Dementis und Sie haben heute Gelegenheit, zu einer Klarstellung zu kommen.

Daher möchte ich Ihnen aufgrund der Erfahrung der letzten Legislaturperiode einen Rat geben: Wenn Sie dieses schwierige Thema der Lehrerarbeitszeit – Sie haben die Punkte benannt – erfolgreich bewältigen wollen, dann dürfen Sie nicht diese Reform mit einer Sparpolitik verbinden. Das ist das Falscheste, was Sie machen können, und das würde bedeuten, dass dieser Reformversuch kläglich scheitern würde. Sie sind nicht die Ersten, die versuchen, die Lehrerarbeitszeitreform voranzubringen, Sie sind auch nicht die Einzigen in diesem Lande. Wir wissen, dass dieser Versuch in vielen europäischen Ländern gestartet wird und dass er nicht häufig von Erfolg gekrönt ist. Daher sind wir uns einig in dem Ziel, die Arbeitszeit besser zu gestalten. Es ist richtig, die nicht unterrichtsbezogene Arbeitszeit zu gewichten und Lehrerinnen und Lehrern, die sich für die Schule engagieren, einen Anreiz über Zeit zu geben. Im Kern dreht es sich aber heute vor dem Hintergrund der Debatte darum, ob damit ein Einsparbeitrag erbracht werden kann. Deshalb ist meine Aufforderung: Stimmen Sie unserem Zusatzantrag zu, machen Sie die Klarstellung, dann werden wir uns auch Ihrem Anliegen anschließen. Wenn nicht, ist Ihr Antrag heiße Luft, nichts wert und kann nur abgelehnt werden.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Verena Lappe GAL)

Das Wort hat Herr Engels.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch die CDU-Fraktion stimmt selbstverständlich dem gemeinsamen Antrag aus den von Herrn Woestmeyer erwähnten Gründen zu, wenn auch mit einer gewissen Selbstkritik gesagt werden muss, dass die Überschrift nicht ganz dem Inhalt entspricht. Gerade der Bezug auf die bisherige Lehrerarbeitszeitkommission aus der letzten Legislaturperiode bedeutet, dass die Lehrerarbeitszeit nicht nur an den Belastungen durch die Fächer gemessen werden darf, sondern ebenfalls eine Berücksichtigung der neueren, auch pädagogischen Aufgaben der Lehrer mit erfolgen muss.

Zu Frau Ernsts Bemerkungen, was die Lehrerarbeitszeit betrifft. Die Lehrerarbeitszeit ist damals bei Ihnen in der Lehrerarbeitszeitkommission ebenfalls eine ganz wichtige Vorgabe gewesen. Sie haben damals ausdrücklich gesagt, dass die Lehrerarbeitszeitkommission so zu arbeiten hat, dass mindestens kein Mehrbedarf ausgelöst wird. Dies ist natürlich eine erhebliche Einschränkung des Versuchs der damaligen Kommission, einen objektiven Befund der Belastung der Lehrerschaft zu machen oder nicht. Dass Sie jetzt in Ihrem Antrag umgekehrt formulieren, dass es zu keiner Einsparung kommen muss, ist letzten Endes die gleiche Formulierung, nur auf einer anderen logischen Basis und völlig uninteressant. Mit anderen Worten: Sie ändern die politische Darstellung Ihrer Auffassung, was die Lehrerarbeitszeit betrifft, sozusagen nach populistischen Bedürfnissen. Das ist nicht richtig.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Im Übrigen wird Ihr Zusatzantrag von uns auch noch aus anderen Gründen abgelehnt. Sie haben zahlreiche Formu