Protokoll der Sitzung vom 19.09.2002

Der bisherige Supergau des internationalen Terrorismus ist in Amerika geschehen. Steht uns noch mehr bevor? Was in Amerika geschehen ist, hat uns auch gezeigt, wie verwundbar wir sind. Es hat unsere Hilflosigkeit gegenüber solchen mörderischen Attentaten mehr als deutlich gemacht. Es gibt Dinge, vor denen man sich nicht wirklich schützen kann. Terrorismus, gepaart mit religiösem Fanatismus, war schon immer unberechenbar.

Trotzdem muss der internationale Terrorismus mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft werden. Unter Beachtung der grundgesetzlich geschützten Freiheits- und Bürgerrechte sind Einschränkungen bei schwerwiegenden Änderungen der Sicherheitslage unumgänglich. Dazu sind auch die Bürgerinnen und Bürger mehrheitlich bereit. So bitter es ist: Der Zweck, die Bekämpfung des Terrorismus, heiligt die Mittel, nämlich mehr und neue Befugnisse für den Hamburger Verfassungsschutz vorzusehen.

Der 11. September 2001 ist Mahnung und ein historisches Nachkriegsdatum. Nichts ist mehr so, wie es war! – Vielen Dank.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort hat Herr Neumann.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen, meine Herren! Herr Bauer, Ihre Aussagen und Beschuldigungen, dass der rotgrüne Senat die Verantwortung für den Terror in New York getragen habe, sind an Dummheit und Schlichtheit nicht zu überbieten. Das ist eine schlichte Frechheit.

(Zuruf von der Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Trifft zu! Ist genau die Wahrheit, die er gesagt hat! – Beifall bei der SPD und der GAL – Vizepräsident Farid Müller übernimmt den Vorsitz.)

Wenn Sie das geflügelte Wort „Der Zweck heiligt die Mittel“ in den Mund nehmen, dann macht dies genau deutlich, was Sie, Ihre Partei und auch Ihre Vertreter im Senat in Wirklichkeit betreiben: Sie kochen Ihr politisches Süppchen, Sie missbrauchen jede Möglichkeit, um das, was in Hamburg geschaffen worden ist, zu diffamieren und in den Schmutz zu ziehen. Sie schaden damit nachhaltig Hamburgs Ruf.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wenn ich mir anschaue, dass der Senat pünktlich zum 11. September dann doch den Dringlichen Senatsantrag beschlossen hat, bisher der Senator und auch der Bürgermeister es nicht für nötig befunden haben, diesen Antrag, der dringlich sein soll, auch inhaltlich zu begründen – der Bürgermeister weilt ja zurzeit bei einem Cocktailempfang, auch dort sieht man, wo die Schwerpunkte liegen –,

(Beifall bei der SPD und der GAL – Frank-Thorsten Schira CDU: Was soll das denn heißen?)

muss ich deutlich sagen, dass Sicherheit offensichtlich nicht den Stellenwert in Ihrem Senat und Ihrer Regie

(Frank-Michael Bauer Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

rungspolitik spielt, den Sie uns hier gerne glauben machen wollen.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle!)

Der Senator und insbesondere vielleicht auch sein Büroleiter, der hier gerade dazwischen quakt, der Präses der Innenbehörde, will die günstige Gelegenheit nutzen, mit dieser Änderung des Verfassungsschutzgesetzes gleich noch weit hinausgehende Kompetenzerweiterungen des Verfassungsschutzes durch die Hintertür mitbeschließen zu lassen.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Purer Unsinn!)

So werden, abweichend von den bundesgesetzlichen Rahmenbestimmungen – und das müssten Sie eigentlich mitbekommen haben, wenn Sie den Gesetzentwurf gelesen haben, sonst müssen Sie sich den von dem Büroleiter von Herrn Schill einmal vorlesen lassen,

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Offenbar ist qua- ken jetzt parlamentarisch!)

der ihn wahrscheinlich selbst mitgeschrieben hat –, die Mitwirkungsrechte dieser Bürgerschaft gerade im Bereich der G10-Kommission erheblich eingeschränkt.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Sie sind eingeschränkt!)

Da weichen Sie in Ihrem Gesetzentwurf von den Vorgaben des Bundesgesetzes ab. Da frage ich, warum? Welchen Hintergrund hat es, dass dieser Senat im Bereich des Verfassungsschutzes weniger parlamentarisch kontrolliert werden will.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Glocke)

Herr Nockemann, ich muss Ihnen einen Ordnungsruf erteilen.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Er hat „quakt“ gesagt! Das war meine Erwi- derung!)

Auch in dem Bereich des so genannten Lauschangriffes, den Herr Bauer hier angesprochen hat, werden die Tatbestandsvoraussetzungen erheblich erweitert. Weit über das, was im Bundesgesetz von Rotgrün in Berlin beschlossen worden ist. Auch das, denke ich, muss erklärt werden. Auch das muss einen Grund haben, warum man in Hamburg darüber hinausgehen will.

Außerdem – und das muss man auch sagen – stritt die Koalition in der letzten Zeit offensichtlich darüber, ob der Verfassungsschutz auch zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität eingesetzt wird. Da hat man keine Lösung gefunden, obwohl die Lösung relativ einfach ist. Gucken Sie in den Koalitionsvertrag, es schadet nicht. Erinnern Sie sich daran, was Sie dort vereinbart haben.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Seit wann kennen Sie den denn?)

Dort steht nämlich, dass Sie die Polizei, die für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität zuständig ist, erheblich stärken wollen und dann auch wirksam gegen organisierte Kriminalität einsetzen wollen. Nun verstehe ich nicht, warum Sie die Polizei im Bereich der organisier

ten Kriminalitätsbekämpfung nicht stärken und statt dessen versuchen wollen – gegen den Willen der FDP –, den Verfassungsschutz dort einzusetzen.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Das stimmt doch gar nicht!)

Einigen Sie sich in Ihrem Senat und machen Sie das, was im Koalitionsvertrag steht, und spielen Sie keine Spielchen, denn die Sicherheit der Menschen ist viel zu wichtig, als dass Sie machtpolitische Spielchen zwischen FDP auf der einen Seite und Schill-Partei auf der anderen Seite spielen können.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Es ist beruhigend, dass Sie unseren Koalitionsvertrag mal lesen!)

Ich habe hier – das wird auch bei den Zwischenrufen von Herrn Nockemann deutlich – einige Nachfragen zum Gesetzesentwurf und wir werden das im Innenausschuss und im Rechtsausschuss zügig und schnell klären müssen.

(Zuruf von Joachim Lenders CDU)

Der Personalratsvertreter der Deutschen Polizeigewerkschaft äußert sich auch. Herzlich willkommen, Herr Lenders.

(Beifall bei der SPD)

Von daher werden wir das im Rechtsausschuss und im Innenausschuss beraten. Wir haben uns darauf verständigt – und das finde ich auch gut, da wir gemeinsam das Interesse haben, das Gesetz möglichst zügig zu beraten und zu beschließen –, dass wir bereits in der nächsten Woche in der Sitzung des Innenausschusses darüber sprechen werden und im Rechtsausschuss am 22. Oktober mit einer Anhörung zu diesem Thema dann abschließend beraten, damit wir bereits in der nächsten Bürgerschaftssitzung am 30. Oktober dieses Gesetz beschließen können. Ich will nun deutlich machen, dass wir das in sechs Wochen schaffen zu beraten, wofür der Senat offensichtlich mehr als neun Monate gebraucht hat.

(Beifall bei der SPD – Dr. Andrea Hilgers SPD: Genau!)

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen – auch bei diesen Zwischenrufen –, dass wir Sozialdemokraten unseren Sicherheitsbehörden, dem Verfassungsschutz und unserer Polizei, die Kompetenzen geben wollen, die sie benötigen, um die Sicherheit der Bürger in Hamburg zu gewährleisten.

(Karl-Heinz Winkler Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Die haben Sie geschwächt!)

Aber – und das möchte ich Ihnen auch zu bedenken geben –, dass in diesem Kampf gegen den Terrorismus nicht all das, für was wir stehen

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Sie sind eine Sicherheitslücke, Herr Neu- mann!)

ja, rufen Sie dazwischen, Sie können doch gleich Ihren Redetext vorlesen –, dass all diese Dinge, die wir für richtig halten und die uns von diesen Terroristen unterscheiden, eben für Rechte und Werte, für die wir stehen, in diesem Kampf nicht verloren gehen. Es gilt deshalb, immer wieder diesen Spannungsbogen zwischen Freiheit auf der einen Seite, aber auch Sicherheit auf der anderen Seite neu auszutarieren,

(Michael Neumann SPD)

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Abwägen können Sie sowieso nicht!)

denn – das hat Herr Freytag auch immer richtig gesagt – ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit, aber ohne Freiheit auch keine Sicherheit.

(Dr. Michael Freytag CDU: Das ist gut, dass Sie das zitieren!)

Deshalb ist es wichtig, dass wir dieses Gesetz in diesem Parlament ausführlich beraten und dann auch zügig beschließen.