Protokoll der Sitzung vom 30.10.2002

Das Wort hat Herr Dr. Maier.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Herr Senator Peiner beklagt, dass bei den Wirtschaftsunternehmen große Enttäuschung herrsche.

(Michael Fuchs CDU: Zu Recht!)

Das verstehe ich. Die CDU hat einen Wahlkampf geführt, in dem sie den Wirtschaftsunternehmen erhebliche Steuersenkungen versprochen hat. Es sah lange so aus, als würde die CDU die Wahl gewinnen und könnte das dann realisieren. Gleichzeitig hat die CDU den Wählerinnen und Wählern aber zusätzliche soziale Leistungen versprochen. Da haben die Wirtschaftsverbände gedacht: So schlimm wird das mit den sozialen Verbesserungen schon nicht kommen, aber die Steuersenkung wird kommen. Nun ist die Wahl für die CDU verloren gegangen, weshalb die Verbände natürlich tief enttäuscht sind. Das kann man gut verstehen. Sie sahen alles schon in anderer Entwicklung. Die CDU und mit ihr die Verbände führten einfach das fort, was sie vor der Wahl getan hat: den Wahlkampf, und zwar auf der Grundlage, dass eine andere Regierung als die von ihr gewünschte dran ist.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Erster Vizeprä- sident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

Das wird dann von der Hamburger CDU mit direkter Demagogie unmittelbar weitergetragen. Herr Tants beklagt, dass die armen Menschen in Steilshoop 200 Euro monatlich mehr zahlen müssten. Das „Hamburger Abendblatt“ rechnet heute vor, wer monatlich 95 Euro mehr an Abgaben zahlen muss. Es ist jemand, der ein Monatseinkommen von 5100 Euro hat – die sind ja in Steilshoop reich gesät –,

(Beifall bei der GAL und der SPD)

während ein Mensch mit 3000 Euro Monatseinkommen laut „Hamburger Abendblatt“ bei zusätzlich 10 oder 15 Euro Steuerbelastung liegt. Das ist

(Dr. Michael Freytag CDU: Klassenkampf!)

also ein pures Demagogenargument, das geeignet ist, die Interessen der reicheren Klassen zu vertreten.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich möchte auf Hamburg zurückkommen. Was bringt es eigentlich für Hamburg, die Eigenheimzulage nur noch für Familien mit Kindern zu gewähren? Die Eigenheimzulage in ihrer jetzigen Form ist eine Zersiedlungsprämie,

(Klaus-Peter Hesse CDU: So ein Quatsch!)

die dazu beiträgt, dass Hamburg nie eine wachsende Stadt wird, sondern dass man sich Eigenheime auf die billigeren Grundstücke außerhalb Hamburgs setzt. Wenn man Menschen in der Stadt halten will, darf man keine Eigenheimprämie vergeben.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Die Kraftfahrzeugsteuer soll künftig auf CO2-Basis berechnet werden. Wenn man eine Stadt haben will, die nicht durch den Gestank zugrunde geht, ist das genau das Richtige und eine stadthilfreiche Sache.

(Henning Tants CDU)

Wenn künftig das Verbot gewerbesteuerlicher Organschaften betrieben werden soll, damit das Gewerbesteueraufkommen dort gezahlt wird, wo es erwirtschaftet wird, dann ist das für eine Stadt wie Hamburg gut, weil sie hohe Hebesätze hat. Dann muss auch hier die Gewerbesteuer gezahlt und kann nicht in andere Städte mit niedrigeren Hebesätzen transferiert werden.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Dr. Michael Freytag CDU: Es sei denn, die Unternehmen ver- lassen die Stadt!)

Wenn im Programm steht, es werde erstmals die Lärmsanierung an bestehenden Bundesautobahnen gefördert, dann ist das gut für Hamburg. Wir haben somit eine Chance – die wir sonst nie gehabt hätten – den Deckel auf die A7 zu bekommen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wenn im Koalitionsvertrag steht: Stärkung des maritimen Standorts Deutschland durch Verbesserung der Hinterlandverkehre, dann ist das gut für den Hafen Hamburg, weil er ein Eisenbahnhafen ist. Wenn zusätzlich in Gütereisenbahnverkehre investiert werden soll, ist das für Hamburg ausgezeichnet.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Zu den Hartz-Vorschlägen. Ich erinnere mich noch gut an die Wirtschaftspresse, die das niederländische Modell gelobt hatte, weil dort schlauerweise die Verkrustungen auf dem Arbeitsmarkt mit einem sehr massiven Kündigungsschutz dadurch aufgebrochen wurde, auf dem Umweg über Zeitarbeitsfirmen Beschäftigungsflexibilisierungen zu ermöglichen. Das ist der Kerngedanke der Hartz-Reform, einfach das niederländische Modell umzusetzen, weil es funktioniert hat.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Schließlich noch ein Wort zur Beitragsbemessungsgrenze. Ich habe nie verstanden, warum Menschen, die mehr als 4500 Euro verdienen, eine weniger hohe prozentuale Belastung ihres Einkommens für die Rentenversicherung haben als die, die weniger verdienen. Das ist bisher so gewesen. Ich bin für das Prinzip Volksversicherung à la Schweiz. Dort wird jedes Einkommen ohne irgendeine Grenze mit einem festen Satz belegt. Daraus wird die Grundsicherung der Bevölkerung gemacht. Dahin müssen wir marschieren. Die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze ist ein Weg dahin.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Bevor ich dem Abgeordneten Schinnenburg das Wort gebe, ein Hinweis: Ich möchte gern einen Kollegen des Hauses wieder sehend machen, denn hier vorne liegt noch eine Brille. Nunmehr bekommt der Abgeordnete Dr. Schinnenburg das Wort.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Sie sind sowieso blind, da nützt Ihnen auch die Brille nichts! – Glocke)

Ich erteile dem Abgeordneten Ehlers zunächst einen Ordnungsruf. Nunmehr hat Herr Dr. Schinnenburg das Wort.

Wir sind gar nicht so streng. Es kann einem auch einmal etwas schief gehen.

(Uwe Grund SPD: Zum Beispiel bei der Wahl!)

Man kann nicht alles können. Dass Rotgrün von Wirtschafts- und Finanzpolitik nichts versteht, ist allgemein bekannt; das wussten wir schon. Insofern sehen wir Ihnen nach, wenn dieses nicht so gut klappt. Sie haben das im Grunde genommen auch selbst eingesehen, denn Bundeskanzler Schröder hat schon in der letzten Legislaturperiode nicht etwa selbst oder durch seine Minister versucht, die Arbeitsmarktlage zu verbessern, sondern lieber outgesourct unter dem Motto: Wir wissen es nicht, also brauchen wir fremden Sachverstand und setzen die HartzKommission ein. Das sehen wir Ihnen ein bisschen nach, Sie können nun einmal das mit der Wirtschaft, Finanzen und Steuern nicht so gut.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Michael Neu- mann SPD: Sie können keine Gesetze lesen, das haben Sie bewiesen!)

Viele Menschen trösten sich damit, dass Sie etwas für die Familien tun; das wurde hier schon erwähnt. Wir Hamburger waren von vornherein sehr skeptisch, ob Sie wirklich etwas für Familien mit Kindern tun. Wir haben erlebt, wie Sie den Kitas Jahr für Jahr Millionen Euro entzogen haben. Von daher waren wir schon ein wenig skeptisch. Schauen wir uns einmal an, was Sie gemacht haben.

Sie haben den Familien zahllose neue Kosten aufgebürdet: Die Ökosteuer auf das Benzin, höhere Mehrwertsteuer und die Reduzierung der Eigenheimzulage. Sie zahlen mehr, und zwar völlig unabhängig davon, ob die Menschen in Hamburg wohnen oder woanders. Sie müssen steigende Sozialabgaben zahlen und auch die Steuerreform wurde verschoben. Auch das sind zusätzliche Kosten. Das trifft Familien und alle anderen auch.

Man kann denken, Sie würden dafür auch ein bisschen Geld für die Familien – zum Beispiel für Kitas und Ganztagsschulen – herausgeben. Es ist Herrn Schröder nicht peinlich genug zu sagen: Wir geben 4 Milliarden Euro für neue Ganztagsschulen und 1,5 Milliarden Euro für Krippen aus. Beides sind Mogelpackungen.

Herr Senator Peiner wies schon darauf hin, dass hier mit Geld gehandelt wird, das der Bund gar nicht hat.

Erstens: Die 4 Milliarden Euro gehören eigentlich den Ländern.

Zweitens: Hier werden nur Investitionsmittel gewährt. Die entscheidenden Kosten – Personal- und Betriebskosten – werden aber gerade nicht vom Bund übernommen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Die rotgrüne Bundesregierung möchte selbst also wenig Geld aufwenden – am besten gar keines – und die Länder und Gemeinden sollen das bezahlen.

Genauso ist es mit den Krippen. Hier muss man sich wirklich einmal durchlesen, was in der Koalitionsvereinbarung steht: Wir geben 1,5 Milliarden Euro für Krippen aus. Man wartet förmlich darauf, dass es demnächst einen Haushaltstitel über 1,5 Milliarden Euro für die Bezuschussung von Krippenplätzen bei Ländern und Gemeinden gibt. Den werden Sie vergeblich suchen. Die Länder und Gemeinden werden verpflichtet – obwohl es ihr eigener Haushalt ist –, das Geld, das sie durch die Hartz-Kommission sparen können, für Krippen auszugeben. Das ist der erste Fehler. Die 1,5 Milliarden Euro wird es gar nicht geben, sie sind eine Luftnummer.

(Dr. Willfried Maier GAL)

Der zweite Punkt: Es ist eine Unverschämtheit, die Rechnung auf Kosten Dritter zu machen,

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

selbst wenn es stimmt, dass 1,5 Milliarden Euro ausgegeben werden. Das sind im Monat gerade einmal 25 Euro pro Kind, also eine minimale Summe. Da groß zu erzählen: Wir sind die kinderfreundliche Bundesregierung, ist völlig aus der Luft gegriffen. Sie schaffen es nicht, Geld heranzukriegen und es den Familien zu geben.

Unter dem Strich haben die Hamburger Familien mit Sicherheit weniger Geld in der Kasse als vorher.

Ein weiterer Bereich, den ich aufgreifen möchte, ist die Gesundheitspolitik. Es ist ganz typisch, wie Rotgrün hier agiert oder besser nicht agiert. Das läuft nach dem Standardmuster.