Protokoll der Sitzung vom 27.11.2002

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Es ist in dieser Anhörung auf die Frage, ob den Jugendlichen Chancen im Bereich der beruflichen Zukunft verwehrt werden würden, deutlich geworden, dass dieses nicht der Fall ist, weil es auch für schwächere Jugendliche in dieser Stadt sechs weitere Möglichkeiten gibt, soviel wie in kaum einem anderen Bundesland der Bundesrepublik Deutschland. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Freund.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich falle heute mal mit der Tür ins Haus. Wir sind am 21. September letzten Jahres gewählt worden, um in Hamburg einen längst überfälligen Richtungswechsel, und zwar in der Bildungspolitik, wie wir durch PISA und auch durch die Wirtschaft wissen, herbeizuführen und vorzunehmen.

Wir haben in unseren Wahlprogrammen verkündet, dass wir mehr Leistung statt Gleichmacherei wollen, dass wir die Stärkung des dreigliedrigen Schulsystems wollen, Abitur nach zwölf Jahren, Standards, einheitliche Prüfungen, Sprachförderung, nur um einige Beispiele zu nennen, dass wir dieses alles wollen und auch angepackt haben.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Nun liegt es in der Natur der Menschen, bei allen Neuerungen erst einmal skeptisch und ängstlich zu sein und

daher lieber viel länger als nötig an einem alten Trott festzuhalten.

(Thomas Böwer SPD: Ach!)

Ohne diese Eigenschaft und die gelungene Wahltäuschung Ihres Kanzlers würden jetzt viele nicht bereuen, dass sie im vorletzten Monat ihr Kreuz an der falschen Stelle gemacht haben.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Hier ist es aber im letzten Jahr zum Wechsel gekommen. Da dieses leider erst nach sehr langer Zeit geschehen ist, gibt es im Moment 1000 Baustellen zur gleichen Zeit,

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ruinen!)

wenn wir nicht unnötig viel Zeit ins Land verstreichen lassen wollen.

Ich kann das Sicherheitsdenken der Menschen teilweise verstehen. Es ist sicherlich einfacher, erst Konzepte vorgelegt zu bekommen und dann zu entscheiden. Aber es schadet doch wohl niemandem und schon gar nicht in Hamburg, wenn er zwei Stunden mehr Unterricht pro Woche hat, denn das Defizit ist riesig und das wissen wir.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Andere Bundesländer haben zum Beispiel das Abitur nach zwölf Jahren ab der achten Klasse eingeführt. Die haben das von fünf Jahren auf vier gestrafft. Dann werden wir es doch wohl in diesen acht Jahren schaffen, dieses eine Jahr aufzufangen.

(Thomas Böwer SPD: Das habe ich nicht verstan- den!)

Es ist auch richtig, dass manche Dinge in Hamburg zu schnell angepackt und wieder korrigiert werden mussten. Daraus mache ich keinen Hehl. Aber wer viel arbeitet, der macht auch mal einen Fehler und muss dann etwas ändern.

(Erhard Pumm SPD: Wir haben 44 Jahre gearbei- tet!)

Ich möchte nur an die Proteste, die 1998 in Hamburg gelaufen sind, erinnern. Da sind 80 000 Leute auf die Straße gegangen, und zwar gegen Ihre Politik und nicht gegen unsere.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Diese 80 000 hätten auch eine Petition unterschrieben, wenn sich damals jemand die Mühe gemacht hätte, und das sind doppelt so viele wie jetzt.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Die waren noch nicht mal gewerkschaftlich organisiert!)

Ein wichtiger, und zwar der wichtigste Punkt überhaupt in diesem Zusammenhang ist, was Sie mit den Initiatoren der Petition ständig wiederholen, was dadurch aber nicht besser und eine Falschaussage ist, das sind die Kürzungen im Bildungsbereich. Ich fordere Sie jetzt hier auf, mit diesen Hetzereien in Zukunft aufzuhören und nicht unentwegt solche Unwahrheiten weiter fortzusetzen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP – Glocke)

(Wolfgang Drews CDU)

Frau Abgeordnete, ich rufe Sie zur Ordnung.

Danke.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Die SPD läuft ihrer Basis hinterher, aber die Wahrheit ist schneller!)

Sie schüren die Ängste der Bevölkerung, anstatt redliche Oppositionsarbeit zu betreiben und endlich konstruktiv nach Ihrem Sinneswandel mitzuarbeiten.

Fakt ist, dass der Bildungsetat steigt und das ist Ihnen bekannt. Nun hören Sie auf, das Gegenteil zu behaupten.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Wir steigern ihn trotz der desolaten Haushaltslage. Wir wurden für den Richtungswechsel gewählt und da sind Umschichtungen ganz normal und gewollt.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Richtig!)

Selbst nach diesen Umschichtungen sind die Aufwendungen noch immer führend in Deutschland. Ich würde auch gerne noch mehr für Bildung ausgeben, aber Sie haben uns 22 Milliarden Euro Schulden hinterlassen. Vielen Dank.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Nun noch ein letzter Satz zu Ihnen, Herr Grund, und Ihren Arbeitgebern, mit denen Sie sich verbünden, um gegen eine vernünftige Schulpolitik zu protestieren: Sie sollten diese Doppelfunktion nicht ständig ausnutzen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Goetsch für noch vier Minuten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann natürlich gut verstehen, dass es manchen hier im Hause sicherlich am liebsten wäre, wenn die Angelegenheit Petition möglichst schnell und geräuschlos erledigt würde. Aber wer meint, man könne militärisch von oben die bessere Schule befehlen,

(Stephan Müller Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Das tun Sie doch!)

wird natürlich in die Sackgasse geraten. Genau das ist Ihre Schulpolitik, genau da sind Sie angekommen, meine Damen und Herren von der Regierungsfraktion.

Es sind wirklich sehr viele Bürgerinnen und Bürger, die sich das Recht genommen haben, ihr Anliegen als Petition an die Bürgerschaft heranzutragen. Ein schöner demokratischer Vorgang in Zeiten, wo Menschen nicht wählen können. Da könnte man als Lehrerin gar keinen besseren Unterricht in puncto Demokratie machen. Frau Ernst hat das schon deutlich gesagt – die Umfragen des „Hamburger Abendblattes“ haben es bewiesen –, dass auf den Sünderbänkchen zwei Senatoren in Konkurrenz sitzen. Deshalb ist die Volkspetition eine klare Abstimmung gegen Ihre Stümperei und unpädagogischen Entscheidungen gegen die Kinder in unserer Stadt im letzten Jahr.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Meine Damen und Herren! Die Enttäuschung, vielleicht besser die Täuschung, der Eltern und Schülerinnen und Schüler ist riesengroß. Sie haben die Nase voll und Bildung

wird nicht zum Schwerpunkt, wenn man das ständig behauptet. Es wird schon in der Bibel geschrieben, dass man etwas an den Taten messen soll.

Meine Damen und Herren! Frau Freund, Sie sollten sich vielleicht auch einmal dem PISA-Test unterziehen. Das ist nun wirklich nicht der Wahrheit entsprechend, dass für Bildung mehr ausgegeben wird. 350 Lehrerinnen aus dem Bestand sprechen da eine deutliche Sprache und in Sachen Ausbildung führen sie zum Desaster. Ich kann mich erinnern, dass mal ein ehemaliger GAL-Kollege zu mir sagte, Frau Raab hätte ihn einmal gewarnt, dass er vorsichtig mit dem Wort Katastrophe umgehen solle, es könne nämlich noch schlimmer kommen. Sie hatte leider Recht.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Burkhardt Mül- ler-Sönksen FDP: Wer kam nach Frau Pape?)

Wenn Sie schon so weit gekommen sind, dass Sie Eltern für Unterricht missbrauchen und Ihrem Senator Pensionäre zur Unterstützung geben wollen, Herr Müller-Sönksen, da sind wir weit gekommen.

Aber lassen Sie mich noch einen Punkt nicht nur zum Haushalt sagen, sondern zu den Inhalten. Das macht mir noch viel größere Sorgen. Die Unterstützerinnen haben in die Petition geschrieben: Chancen für jedes Kind. Sie machen genau das Gegenteil, nämlich trennen statt integrieren ist Ihr Motto. Was für ein Menschenbild leitet Sie überhaupt bei dieser Schulgesetznovelle? Professor Jantzen sagte bei der Novemberakademie am letzten Wochenende in der Universität Hamburg zum Thema „Heterogenität macht Schule“, die neue Regierung grenze durch Wohltätigkeit aus. Genau das ist der Punkt, durch Wohltätigkeit ausgrenzen, eine ganz subtile Angelegenheit. Hauptschüler wieder nur in die Hauptschule statt integrieren. Kinder mit Behinderungen segregieren statt integrieren. Migrantinnen testen und dann wieder ausgrenzen. Genau das ist Ihre Philosophie: Ausgrenzung durch Wohltätigkeit, jeder in sein Extratöpfchen. Sie machen genau das, was diametral zu den Ergebnissen angelegt ist, die uns PISA lehren sollte.