Protokoll der Sitzung vom 07.05.2003

Es muss eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein und dies kann uns nur mit den Privaten gelingen. Wir wollen die Privaten dabeihaben.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Sie stehen an dieser Stelle alleine, Frau Fiedler! Sie gucken sonst immer mit Ihrer Fraktion gerne nach Finnland, in Finnland ist das Erlernen eines Musikinstrumentes fest in den Schulalltag eingebettet. Vielleicht blicken Sie so wie sonst von PISA verwöhnt auch einmal nach Finnland. So etwas wollen wir auch für Hamburg mit auf den Weg bringen. Wir wollen es genauso breit anlegen wie die Sportförderung. Wir machen in der Sportförderung auf breiter Basis und mit Weitsicht etwas Ähnliches. Wir haben das auch im Hinblick auf die Olympia-Bewerbung gemacht, aber wir halten daran fest und erweitern es um die musikalische Bildung. Und zwar nicht nur deshalb, weil Sie bei der Olympia-Bewerbung und der letztendlichen Entscheidung vielleicht genau wie ich auf dem Rathausmarkt oder vor dem Fernseher mitgezittert und gesehen haben, dass ein Oberbürgermeister, wenn er zum Cello, zur Musik greift, auch ein sprachloses Argument vorbringen kann, was vielleicht den Ausschlag gegeben hat.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Herr Hardenberg.

(Elke Thomas CDU)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte hier eines nicht im Raum stehen lassen, nämlich das, was Frau Fiedler gesagt hat. Ich möchte betonen, dass unsere Fraktion, die an diesem Antrag gearbeitet hat, keine Provision bekommt. Wir wollen es auch nicht. Wir wollen etwas für die Schüler und die Bürger in Hamburg tun. Darum setzen wir uns dafür ein. Wenn Sie uns – ich meine, das sind Ausnahmen in Ihrer Fraktion inzwischen – Lernen, Kultur und so weiter nicht zutrauen, dann finde ich das sehr traurig und möchte mich dagegen verwahren.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Weitere Wortmeldungen sehe ich zurzeit nicht. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer möchte den Antrag aus der Drucksache 17/2610 annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Somit ist der Antrag einstimmig beschlossen.

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 37, Antrag der GAL-Fraktion: Keine Umsetzung des Senats-Lehrerarbeitszeitmodells.

[Antrag der Fraktion der GAL: Keine Umsetzung des Senats-Lehrerarbeitszeitmodells – Drucksache 17/2603 –]

Die GAL-Fraktion beantragt, diese Drucksache in den Schulausschuss zu überweisen. Wer wünscht das Wort? – Frau Goetsch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Je später der Abend, desto schöner die Themen und dann auch noch ein Thema, bei dem alle mitreden können.

Eines möchte ich vorwegnehmen: Die GAL will und wollte immer schon ein Lehrerarbeitszeitmodell. Wir haben als erste Fraktion 1998 die Initiative zu dieser Veränderung ergriffen und damals die Klemm-Kommission mitinitiiert.

Allerdings wird jetzt die Idee des Jahresarbeitszeitmodells, das in Dänemark, in den Niederlanden, in Österreich schon längst Usus ist, ad absurdum geführt – und das ist das Traurige daran. So führt es zu einer Fehlkonstruktion: Obwohl Lehrerinnen und Lehrer mehr arbeiten sollen, werden Schülerinnen und Schüler weniger Förderung erhalten. Obwohl das Senatsmodell die Schulen und den Unterricht so gravierend verändert, wird die Bürgerschaft umgangen. Es scheint, als habe es der Senat so eilig, dass es noch nicht einmal eine Drucksache für die Bürgerschaft wert ist. Wer so handelt, der möchte die Diskussion umgehen und dem scheint auch das Wasser bis zum Hals zu stehen.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Bernd Reinert CDU: Ach!)

Statt nämlich die Arbeitszeitgestaltung wirklich zu modernisieren, benutzen Sie das Modell, um die Sparquote zu erwirtschaften. Sie müssen mit diesem Modell 1000 Lehrerstellen erwirtschaften. Sie werden das immer wieder gerne widerlegen wollen, können Sie aber nicht, ich zitiere aus dem Kommissionsbericht, Seite 31:

„Nach der im Sommer 2002 vorgenommenen Absenkung, bei den Gesamtschulen 10 Prozent, den Gymnasien 3 Prozent, der Sekundarstufe 3,2 Prozent, werden

nun bei den allgemein bildenden Schulen mit dem Arbeitszeitmodell (ausschließlich der Sonderschulen) proportional zu den bestehenden Bedarfsgrundlagen die Schulen versorgt, nämlich um 3,2 Prozent abgesenkt.“

Da kann ich nur fragen, was das mit dem Schwerpunkt Bildung zu tun hat.

(Wilfried Buss SPD: Nichts!)

Dann noch einmal ein Wort zur Transparenz. Senator Lange wiederholt gebetsmühlenartig, dass mit dem Modell endlich sichtbar gemacht werden solle, was die Lehrerinnen und Lehrer alles arbeiten. Genau das wollen wir auch. Transparenz nach außen gegenüber der Öffentlichkeit, den Eltern – das ist klar –, aber dann müssen Sie auch gegenüber der Öffentlichkeit, den Eltern, den Schülerinnen und Schülern, den Lehrerinnen und Lehrern sagen, wie viele Stunden wegfallen, welche Förderung wegfällt und um wie viel die Klassen größer werden. Sie müssen zum Beispiel genau sagen, dass bei diesem Modell eine bestimmte Integrationsform, nämlich die integrierte Haupt- und Realschule, total weggespart wird. Das heißt, ab diesem Sommer werden in den Klassen 7 bis 10 jede Woche 3,5 Stunden Förderung für jede Klasse wegfallen, nämlich die Teilung. Sie müssen auch sagen – das kann ja vielleicht sinnvoll sein –, warum die Oberstufen größer werden sollen. Aber Sie vernebeln das systematisch, es gibt keine Aufklärung.

Es ist interessant, wenn man nach Antworten fragt.

(Heiterkeit bei Wilfried Buss SPD)

Ich habe Kleine Anfragen gestellt und da bekomme ich dann die Antwort oder auch in den Ausschüssen zu hören, das Statistikprogramm gehe gerade nicht, von daher könne nicht gesagt werden, wie groß die Klassen momentan oder wie sie nach Einführung des Modells seien oder sie sagen, das alte und das neue Modell seien nicht vergleichbar, also könne man gar nicht genau sagen, welche Kürzungen es geben werde. Dann wird einem auch noch gesagt, dass man abwarten solle, wie sich das in den Schulen entwickele. Meine Damen und Herren: Nein! Wir wollen, dass Sie uns hier in der Bürgerschaft deutlich machen, was das Modell bedeutet. Sie sollen den Eltern und Schülern erklären, was Sie genau vorhaben. Von Transparenz ist hier keine Spur. Sie tragen auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler dieses Sparmodell aus und das geht so nicht.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Die GAL fordert – wie gesagt – seit langem ein neues Arbeitszeitmodell. Wir haben 1998 einen Slogan kreiert: Wer sich reformiert, gibt sich neue Arbeitszeiten! Danach muss gehandelt werden. Sie haben ein Sparmodell daraus gemacht, das vor allen Dingen – und das ist genau das Gegenteil von dem, was PISA will – die individuelle Förderung zurückfährt und zurücknimmt. Im Klartext: Es wird immer weniger in kleinen Gruppen gelernt und es werden immer größere Klassenverbände gebildet. Das ist eben die ganz vigeliensche Geschichte und da muss ich wieder aus der Kommission zitieren, und zwar auf Seite 30:

„Fachunterricht, der eine Teilung der Klasse erfordert, ist nur möglich, wenn diese Teilungsstunden durch Überschreiten der Basisfrequenz gewonnen werden.“

Das heißt, Sie müssen erst die Klassen groß machen, um überhaupt eine Teilung hinzubekommen. Das heißt konkret

im Chemieunterricht, der normalerweise geteilt wird, damit wirklich zwischen zwölf und 16 Schülerinnen und Schüler Versuche machen können, müssen sich jetzt 25 Schülerinnen und Schüler um das Reagenzglas kloppen. Ist das der Sinn und Zweck eines solchen Arbeitszeitmodells? Die 1000 Stellen müssen ja irgendwo herkommen, entweder mit großen Klassen, um die Teilung hinzubekommen, oder es wird nicht geteilt und keinen handlungsorientierten Unterricht mehr geben. Also wieder auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler. Das wollen wir nicht.

Dieses Senats-Arbeitszeitmodell ist eine absolute Fehlkonstruktion und wir als GAL-Fraktion beantragen daher, das Modell in der Bürgerschaft zu beraten und auch darüber zu beschließen – das ist jetzt ein weiteres Beispiel, um zu zeigen, wo es an diesem Modell krankt –, wenn es zu Schulschließungen kommt. Das ist Sache der Bürgerschaft.

(Katrin Freund Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Was haben denn die Anmeldezahlen mit dem Leh- rerarbeitszeitmodell zu tun? Es müssen zum Teil Schulen geschlossen werden, das ist gar nicht die Frage, aber das können Sie nicht durch eine Rechtsverordnung, einfach durch ein Modell hintenherum machen, ohne dass das Parlament etwas davon erfährt. So geht es nicht. (Beifall bei der GAL und der SPD)

Zweiter Punkt: Das Senats-Arbeitszeitmodell wird die Ausstattung der Integrationsklassen, der Verlässlichen Halbtagsgrundschule, das Programm Lesen und Schreiben – PLUS – und den Förderunterricht Deutsch als Zweitsprache deutlich reduzieren. Es werden allein 10 Prozent der Stellen für die Deutschförderung gestrichen und insgesamt 8 Prozent der Förderstunden. Ich zitiere auch wieder, nicht dass Sie denken, ich habe das irgendwie frei erfunden, da kommt nämlich das schöne Wort Auskömmlichkeit drin vor:

„Durch die für die Erreichung der Auskömmlichkeit nötigen Bedarfsabsenkungen im quantitativen Bereich um circa 3,6 Prozent und im Bereich der unterrichtlichen Fördermaßnahmen um insgesamt circa 8 Prozent erschwert sich für kleine Grundschulen auch die Gewährleistung der Verlässlichkeit im Krankheitsfall.“

Also, das ist eine schöne Sache, die da auf uns zukommt. Die Bürgerschaft hat zuzeiten diese Förderstunden für die Schülerinnen und Schüler, sowohl für die Verlässliche Halbtagsgrundschule als auch für DaZ und so weiter, beschlossen. Es kann nicht angehen, dass Sie das jetzt einfach hintenherum verändern wollen.

Ich hätte im Übrigen auf eine Debatte verzichtet, wenn wir den Antrag an den Ausschuss hätten überweisen können, aber das wollen die Koalitionsfraktionen nicht.

Ich möchte noch zwei Kritikpunkte anführen. Es ist sehr bezeichnend, dass dieses Thema erst am 5. Juni 2003 im Schulausschuss auf Antrag der Opposition überhaupt debattiert wird und da ist das Kind dann schon in den Brunnen gefallen. Dann gibt es noch einen weiteren Punkt, der besonders sträflich ist und gegen den Sie sich sträflicherweise entgegen den Empfehlungen der Kommission verhalten. Dazu das letzte Zitat, das Sie sich jetzt noch einmal anhören müssen:

„Von einer flächendeckenden Umsetzung der Vorschläge ohne Erprobungsverfahren rät die Kommission

aus fachlichen Gründen mehrheitlich ab. Alle Experten halten eine Teilerprobung für erforderlich, weil eine flächendeckende Umsetzung nur schwer lösbare Implementationsprobleme erzeugt, die dann fälschlicherweise dem Arbeitszeitmodell zur Last gelegt werden können.“

Genau aber das machen Sie. An dieser Stelle wird die sinnvolle Idee eines Jahresarbeitszeitmodells, um endlich einmal dieses Thema Gerechtigkeit und Transparenz hineinzubekommen, durch dieses Sparmodell kaputtgemacht. Ich hoffe, nicht für alle Zeiten. Aber es ist eine Fehlkonstruktion, weil Sie auf dem Rücken der Kinder die individuelle Förderung zurücknehmen,

(Wolfgang Drews CDU: Das ist doch Quatsch!)

und das ist nach den Ergebnissen von PISA und IGLU ein Drama. Ich fordere Sie auf, stoppen Sie das Modell, legen Sie der Bürgerschaft eine Drucksache vor und dann können wir ordentlich darüber diskutieren. Aber nicht so. So ist es eine Katastrophe für unsere Kinder hier in Hamburg. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Frau Ernst.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben ja bereits im September 2002 über das Thema der Lehrerarbeitszeit hier sehr kontrovers diskutiert.

(Martin Woestmeyer FDP: Frau Goetsch hat gerade gesagt, wir seien nie befasst gewesen!)

Der Kern der Kontroverse zwischen Regierung und Opposition war damals, ob es der Regierung gelingt, eine wirkliche Reform der Lehrerarbeitszeit auf den Weg zu bringen, oder ob Sie nur eine weitere Sparrunde im Bildungsbereich durchsetzen wollen. Wir haben Ihnen damals grundsätzliche Unterstützung für den begonnenen Weg, die Arbeitszeit von Lehrerinnen und Lehrern zu gestalten, zugesagt. Wir stehen zu den Ergebnissen der ersten Lehrerarbeitszeitkommission. Arbeitszeit von Lehrerinnen und Lehrern ist mehr als Unterricht und nicht jede Unterrichtsstunde macht gleich viel Arbeit. Wir haben Sie aufgefordert, dieses Konzept nicht mit Einsparungen zu verbinden, um dieses Projekt nicht gegen die Wand zu fahren. Das ist leider nicht geschehen. Obwohl der Schulsenator nach Protesten damals den Lehrerinnen und Lehrern schriftlich versprochen hat, dass es nicht zu einer Erhöhung der Pflichtstunden komme, hat die Arbeitszeitkommission den Auftrag erhalten, einen signifikanten Beitrag an ersparten Lehrerstellen zu erarbeiten. Hamburgs Lehrerinnen und Lehrer müssen künftig mehr arbeiten, weil dieser Senat den Stellenplan unter Bedarf gedeckelt hat. Das sind Einschnitte zulasten der Schulausbildung in dieser Stadt. Sie haben beim Einsetzen der Kommission versucht, die Öffentlichkeit zu täuschen, und Sie versuchen es immer noch. In diesen Tagen wird aber in allen Schulen nachgerechnet und jede Lehrerin und jeder Lehrer bekommt eine Übersicht darüber, wie sich die Arbeitszeit künftig gestalten wird. Von daher ist jetzt endgültig der Zeitpunkt, an dem Sie mit Ihrem Vorwurf der Stimmungsmache an die Opposition nicht mehr durchkommen. An jeder Schule Hamburgs gibt es Proteste gegen die Pläne, weil die Fakten jetzt auf dem Tisch liegen.

(Katrin Freund Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Wie sieht es aus mit den Krankschreibungen?)

(Christa Goetsch GAL)