Protokoll der Sitzung vom 21.05.2003

(Frank-Thorsten Schira CDU: Hat keiner bestritten!)

Aber wir befürchten, diese inhaltliche Übereinstimmung heißt noch lange nicht, dass CDU und FDP ihrer Verantwortung, die Sie auch als Opposition haben, nachkommen.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Sie müssen erst mal etwas in den Bundestag einbringen!)

Wir befürchten, dass Sie der Agenda 2010, wenn sie eingebracht ist, nicht zustimmen werden. Wir gehen davon aus, dass Sie weiterhin Ihre staatstragenden Reden halten und Verantwortung predigen. Aber warten wir ab, wenn es zur Abstimmung kommt. Wir erwarten,

dass dann nur noch die Chance gewittert wird, bald an die Macht zu kommen und dass alles nichts mehr gilt. Dazu möchte ich jetzt etwas von Ihnen hören. Stehen Sie dazu, nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr oder nicht? Wenn wir erkannt haben, dass wir keine Alternative haben, müssen wir das gemeinsam machen, und dann müssen Sie sich auch festlegen. Diese Laviererei haben wir bei Ihnen oft genug erlebt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Meine Damen und Herren, die Probleme, die wir haben, sind groß. Die Machtspielchen, die die CDU und die FDP auf allen politischen Bühnen vorführen, können wir uns nicht mehr leisten. Das ist alles nur Theater und allmählich droht auch dieses Parlament zum Schmierentheater zu verkommen, wenn wir so weitermachen.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Das machen Sie! – Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Herr Dr. Schinnenburg.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Endlich mal Substanz!)

– Das ist in dem Vergleich nicht schwer!

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Dr. Freudenberg, ich knüpfe direkt an Sie an. Sie wollten eine Festlegung? – Die können Sie haben. Für die FDP gilt – und ich glaube, die CDU und die Partei Rechtsstaatlicher Offensive werden dem folgen –,

(Ingo Egloff SPD: Da seien Sie mal nicht so sicher!)

wenn es Ihrer Partei und der SPD möglich sein sollte, eine mutige, konsequente und durchdachte Reformpolitik wenigstens zu beginnen und vorzuschlagen, werden wir Sie dabei unterstützen. Das verspreche ich Ihnen, da können Sie sicher sein.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Ingo Egloff SPD: Mit welchen Inhalten, Herr Schinnenburg?)

Das Problem ist nur – ich teile jetzt die Zweifel von Frau Freudenberg –, ob Sie dazu in der Lage sein werden, und zwar insbesondere die SPD.

Bundeskanzler Schröder versucht sich nämlich nur an einem Reförmchen. Auch Frau Freudenberg hat schon zu Beginn ihrer Rede erkannt, dass das, was in der Agenda 2010 drinsteht, nicht einmal ansatzweise reicht. Aber selbst dieses Reförmchen glaubt Bundeskanzler Schröder nur mit wiederholten Rücktrittsforderungen durchsetzen zu können. Die Hamburger SPD hat noch nicht einmal diesen kleinen Schritt geschafft. Sie verharrt in altem Denken und präsentiert laufend Forderungen ohne jeden Deckungsvorschlag.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Bundesfinanzminister Eichel versucht verzweifelt und erfolglos einen ausgeglichenen Haushalt auf Bundesebene hinzubekommen. Die Hamburger SPD

versucht hingegen Hamburgs Haushalt in die Höhe zu treiben.

Meine Damen und Herren! Während die SPD-Fraktion in Hamburg sich über die Kürzungen der Kleidergeldpauschale oder das Ein-Euro-Programm aufregt und das Ende des Sozialstaats heraufbeschwört – auch das klang bei Herrn Kienscherf gerade wieder durch –, geht die SPD-geführte Bundesregierung ganz andere Wege. Zitat:

"Im Zuge der geplanten Reform der Sozialhilfe werden auch die Regelsätze überprüft."

So nachzulesen im letzten Monat vom Bundesministerium. Die Regelsätze werden überprüft und ebenso, ob es Pauschalierungen bei bestimmten Leistungen geben könnte. Genau das, aber nur bei den besonderen Leistungen, macht Senatorin Schnieber-Jastram, die Sie gerade eben so kritisiert haben.

Oder in dem SPD-Bürgerschaftspapier "Stadt der Zukunft – Politik für Familien" lobt die SPD die Erhöhung der Einkommensgrenzen beim Erziehungsgeld. Sie verschweigt aber die kontinuierliche Absenkung des einschlägigen Bundesetats von 1999 bis 2003 um nicht weniger als 350 Millionen Euro; das ist Doppelzüngigkeit.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Im gleichen Papier fordert die SPD-Fraktion den Erhalt und den Ausbau präventiver Jugendarbeit zur Förderung der Entwicklung der Kinder und Jugendlichen. Genau dieser Bereich wurde von der Bundesregierung eingefroren und im Vergleich zu 2001 sogar noch einmal um 2 Millionen Euro gekürzt. Das ist das, was Sie im Bund machen.

Die Hamburger Genossen fordern den vermehrten Bau von Sozialwohnungen. Auf Bundesebene hingegen wurden die Mittel der sozialen Wohnraumförderung seit 1999 kontinuierlich um fast 900 Millionen Euro gekürzt. Das ist Ihre Politik im Bund.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Ingo Egloff SPD: Sie haben um 27 Millionen gekürzt!)

Herr Egloff, Ihr Lieblingsthema, wovon Sie etwas verstehen, kommt jetzt.

Das Gleiche gilt für die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Die Hamburger SPD kritisiert, dass alle einschlägigen Projekte auf den Prüfstand kommen und es zu Kürzungen kommt. Auf Bundesebene wurden die Ausgaben für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen von Rotgrün um fast 2 Milliarden Euro gekürzt. Das ist Ihre Politik im Bund.

Nur am Rande sei bemerkt, wie familienfeindlich die ursprünglichen Pläne der rotgrünen Bundesregierung zur Eigenheimzulage waren.

Auch bei den notwendigen Maßnahmen zur Belebung des Arbeitsmarkts hat die Hamburger SPD noch nicht die Zeichen der Zeit erkannt. In ihrem Leitantrag zur Agenda 2010 hält sie nach wie vor konsequent am bestehenden Kündigungsschutz fest. Die von Schröder in seiner Agenda notwendigen, wenn auch nicht ausreichenden, Maßnahmen zur Belebung des Arbeitsmarkts werden somit von der Hamburger SPD auch noch torpediert. Aber glauben Sie nicht, dass die Hamburger Bevölkerung

dieses offensichtliche Spiel nicht durchschaut. Während der Bundesregierung wenigstens ein kleines Lichtlein aufgegangen ist, steht die Hamburger SPD immer noch im Dunkeln. Sie mögen sich im Dunkeln wohlfühlen, aber Sie wissen ja: Die im Dunkeln stehen, die sieht man nicht. Um mit Bürgermeister Wowereit zu sprechen: Das ist auch gut so.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das Wort hat jetzt Herr Wersich.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir stehen vor zwei Fakten. Der eine ist, dass die öffentlichen Finanzen derzeit in Deutschland durch die Wirtschaftskrise aufgrund des Reformstaus wegbrechen. Zweitens lebt die öffentliche Hand schon seit Jahrzehnten über ihre Verhältnisse und wir leiden bereits heute unter diesem Würgegriff des Lebens über die Verhältnisse durch die Zinsbelastung.

Aus diesen beiden Fakten sind zwei Konsequenzen zu ziehen. Wir müssen die notwendigen Reformen machen, um die Wirtschaft flott zu bekommen. Ich hatte den Eindruck, dass die Grünen das zumindest für Berlin verstanden haben, vermisse allerdings noch ihre Konsequenzen für Hamburg. Die zweite Konsequenz ist, dass unsere heutige Politikergeneration die Pflicht hat, dafür zu sorgen, dass wir mit dem zur Verfügung stehenden Geld auskommen, das heißt, wir dürfen und müssen weniger ausgeben.

Daraus ergeben sich für mich zwei Erwartungen an die Opposition und hier ganz besonders an die SPD. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie diese Notwendigkeit, weniger Geld auszugeben, zumindest einsehen und auch ein Stück weit zum Ausdruck bringen.

(Michael Neumann SPD: Sie geben aber ständig mehr aus!)

Und ich erwarte, dass die Opposition daran mitwirkt, diese Aufgabe für die Stadt und die Menschen in Hamburg zu erfüllen und auch Verantwortung für unpopuläre, aber notwendige Maßnahmen zu übernehmen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Zwei Fakten, zwei Konsequenzen und zwei Erwartungen, die bisher von Ihnen in der Gesundheits- und Sozialpolitik leider in keiner Weise erfüllt werden. Ich habe mir einmal den Spaß gemacht, die 27 Anträge, die Sie seit Beginn der Legislaturperiode im Bereich Gesundheit und Verbraucherschutz eingebracht haben, auszuwerten. Von den 27 Anträgen sind zehn Anträge ohne finanzielle Konsequenzen, vier Anträge haben immerhin Deckungsvorschläge und Umschichtungen, 13 Anträge sind mit Mehrkosten belastet und kein einziger Antrag wurde eingebracht, um der Stadt Kosten zu ersparen. Das ist die Wirklichkeit Ihrer Politik.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Trotz allem Gerede in Berlin und über Berlin haben Sie damit gezeigt, dass Sie in Hamburg die Notwendigkeiten nicht verstanden haben. Sie haben noch keine Antworten

für Hamburg gefunden und in diesem Zustand werden Sie der Verantwortung für die Stadt nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat jetzt Frau Dräger.

Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Wersich, ich habe mir auch die Mühe gemacht und mal geschaut, was Sie in den letzten anderthalb Jahren an sozialpolitischen Initiativen produziert haben.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)