Zum Antrag der GAL. Das Anliegen des GAL-Antrags ist in Ordnung, wir halten aber den Ansatz eines Pilotprojekts für falsch. Wenn die empirischen Fakten auf dem Tisch liegen – und das tun sie – und sich die beteiligten Instanzen auf ein gemeinsames Verfahren einigen, sollte man das insgesamt anwenden und nicht mit einer Vergleichsgruppe pilotieren, bei der dann nichts stattfindet. Das ist modellhaft auch in Reinkultur nicht durchzuhalten, denn man müsste eventuell Schulen davon abhalten, aktiv zu werden, was nicht Sinn und Zweck der Veranstaltung sein kann.
Insofern ist es gut, wenn wir den Antrag einvernehmlich an den Ausschuss überweisen, um die Hamburger Erfahrungen mit der Zweitausenderrichtlinie, die empirischen Befunde und Vorgehensweisen aus anderen Bundes
(Wilfried Buss SPD: Hat der auch mal den Unter- richt geschwänzt? Wolfgang Drews CDU: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Grundsätzlich stellt sich das Schul- schwänzen – oder wissenschaftlich ausgedrückt von Frau Dr. Hilgers: Absentismus – als Fehlverhalten und in schweren Fällen sogar als ein Problem dar, welches natürlich unserer besonderen Aufmerksamkeit bedarf. (Dr. Willfried Maier GAL: Absentismus erleben wir hier bei den Abgeordneten bei Reden!)
Insbesondere bei den Wiederholungsfällen muss frühzeitig interveniert werden, um dem im Antrag dargestellten bestehenden Zusammenhang zwischen häufigem Schulschwänzen und dem erhöhten Risiko des Beginns einer kriminellen Karriere wirkungsvoll begegnen zu können. Allerdings, Frau Goetsch, können wir das, was Sie in Ihrem Antrag formuliert haben, den Bezug zur kriminellen Karriere oder zu Risiken – das Kriminalistische Forschungsinstitut Niedersachsen, KFN, sprach vom drohenden Risiko – in der dargestellten Form nicht teilen. Wir sollten schon genauer hingucken, was vom KFN kommt. Wir werden der Thematik nicht gerecht, wenn wir in der Diskussion im Zusammenhang mit Absentismus generell versuchen zu verhindern, dass kriminelle Karrieren oder Ähnliches entstehen. Das Thema zu diskutieren, ist in Ordnung, aber wir müssen verhindern, dass damit möglicherweise eine Stigmatisierung erreicht wird. Ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie das wollten, aber diese Problematik sollten wir uns hier nicht zu eigen machen.
Frau Dr. Hilgers hat völlig zu Recht gesagt, dass hinter Schulschwänzen auch Probleme stehen könnten und dass sie in der Diskussion häufig ernsthaft unter den Tisch fallen.
Aber lassen Sie uns den Umfang dieser Schulpflichtverletzung in Hamburg genauer betrachten, um zu sehen, ob ein Bedarf für das, was Sie im Antrag fordern, besteht.
Während in den Jahren 1997 und 1998 jährlich über 1000 Schulpflichtverletzungen registriert wurden – das können wir der Drs. 16/2685 entnehmen –, betrug die Zahl bereits für einen Jahreszeitraum 2001 und 2002 nur noch konkret 722 Fälle. Auch diese Zahl, da sind wir uns einig, ist selbstverständlich zu hoch, aber die Entwicklung zeigt einen deutlichen Rückgang von über 30 Prozent. Sie zeigt auch auf, dass der neue Senat das Problem erkannt hat, mit wirksamen Maßnahmen interveniert
und das bestehende Instrumentarium auch anwendet. REBUS ist ein Instrumentarium, aber es kommen noch weitere. Insofern, Herr Buss, warten Sie. Zumindest in diesem Punkt ist es hier wie im Schlussverkauf: Das Beste kommt zum Schluss.
Bereits im Jahre 2000, also auch zu Zeiten von Rotgrün, ist die Richtlinie für den Umgang mit Schulpflicht
verletzungen in Kraft getreten. Danach gibt es die Möglichkeit, Bußgelder zu verhängen. Von der damaligen BSJB wurde in solchen Fällen nur sehr selten davon Gebrauch gemacht; konkret geschah dies nur in zwei Fällen. Jetzt stieg die Zahl bereits in den ersten drei Quartalen des Jahres 2002 auf 79, zu entnehmen der Drs. 17/1635. Dieses ist ein deutlicher und eindrucksvoller Beweis dafür, dass der Senat sich dieses Problems bewusst ist. Er handelt und wendet ganz konkret Maßnahmen an, die greifen, wie wir eben den Zahlen entnommen haben.
Sie haben allerdings, Frau Goetsch, diese Tatsache in Ihrem Antrag nicht berücksichtigt. Das bedauern wir. Sie erwecken den Eindruck, als wenn sich die Situation in Hamburg in den letzten Jahren nicht geändert hätte. Geändert hat sie sich.
Was fordern Sie? Sie fordern, dass sich mehr oder minder flächendeckend 100 Schulen – also über 20 Prozent der Schulen in Hamburg – an einem mehrjährigen Pilotprojekt beteiligen sollen, um dieses unentschuldigte Fehlen zu vermeiden, ohne sich allerdings mit einem Gedanken über Ressourcen, über Gestaltung, über finanzielle Auswirkungen in diesem Ausmaß zu äußern. Für ein Pilotprojekt sind 100 Schulen sehr, sehr weitgehend. Da sollte man sich über eine ganz konkrete Struktur Gedanken machen.
Lassen Sie mich aber bitte noch einen weiteren Aspekt nennen, den Sie im Antrag nicht berücksichtigen. Ein derart großes Pilotprojekt, an dem sich alle Schulformen beteiligen sollen, ist unserer Meinung nach nicht zielgerichtet. Ohne das Problem des Absentismus klein reden zu wollen, sollten Sie berücksichtigen, dass die Häufung der Fälle in Hamburg von Schulform zu Schulform so stark variiert, dass wir dieses in einem Pilotprojekt selbstverständlich berücksichtigen würden. Aber das kommt unseres Erachtens im Antrag nicht klar zum Ausdruck. Auf die Grundschulen entfallen zwar 18 Prozent der registrierten Schulpflichtverletzungen, aber auf die Gesamtzahl der Hamburger Schülerinnen und Schüler an Grundschulen bezogen, sind dieses nur 0,2 Prozent aller Schülerinnen und Schüler. Das Problem des Absentismus ist an dieser Schulform, wie im Übrigen auch an der Schulform Gymnasium, mit einem Anteil von nur 0,04 Prozent so gering, dass es bei den Gymnasien kaum noch messbar ist. Dass Sie auch diese Schulform in das Pilotprojekt einbeziehen wollen, erscheint daher zumindest auf den ersten Blick nicht plausibel. Wichtig wäre bei einem derartigen Pilotprojekt, die Schulen einzubeziehen, die im Bereich der prozentualen Fehlzahlen führend sind. Zum Beispiel haben die Haupt- und Realschulen die höchste Anzahl der registrierten Schulpflichtverletzungen. Hier sind 1,8 Prozent der Schülerinnen und Schüler direkt betroffen. Auf diese Schulformen, auf diese Schülerinnen und Schüler sollte sich das Hauptaugenmerk richten, anstatt wahllos mit der Gießkanne ein Pilotprojekt zu betreiben.
Die Bilanz zeigt zudem auch, dass es nunmehr in 82 Prozent der Fälle – also umgekehrt – gelingt, wieder einen regelhaften Schulbesuch zu erreichen. Die übrigen 18 Prozent, Herr Buss – jetzt kommen wir zu dem, was Sie sagten –, werden unter anderem durch REBUS umfassend betreut.
Das Problem ist zu vielschichtig, als es mit dem Pilotprojekt, wie Sie es, Frau Goetsch, im Antrag dargestellt haben, auch nur ansatzweise zu erfassen. Wenn uns die
Debatte ernst ist, sollten wir abwarten – das Schulgesetz haben Sie im Antrag aufgeführt, wir kommen später in der vierten Debatte dazu, ich nenne hier beispielhaft den neuen Paragraph 49 des Schulgesetzes –, ob sich aus dieser Tatsache heraus das neue Schulgesetz bewährt, über das sich die Bürgerkoalition natürlich Gedanken gemacht hat, auch diesen Punkt mit zu erfassen. Wir meinen ja, anstatt das niedersächsische Pilotprojekt 1 : 1 abzuschreiben, ohne die hamburgspezifischen Besonderheiten zu berücksichtigen. Sie versuchen den Eindruck zu erwecken, dass Ihnen das Thema wichtig ist, stellen sich aber nicht kritisch genug die Frage, ob Sie zu den Zahlen, die ich genannt habe, nicht möglicherweise sehr wertvolle Erfahrungen, Frau Goetsch, aus Ihrer noch nicht lange zurückliegenden Zeit, als Sie selber an der Regierung waren und dieses Problem kannten, mit einfließen lassen. Ein bisschen Selbstkritik wäre sicherlich angebracht.
Meine Damen und Herren! Abschließend lassen Sie mich deswegen sagen, das Problem ist wichtig. Wir können und sollten im Schulausschuss darüber reden. Aber den Antrag werden wir ablehnen, weil er in der dargelegten Form, in der Beschränktheit und Fokussierung und dem Umfang, wie dieses Pilotprojekt von Ihnen geplant ist, der fehlenden Strukturierung und des fehlenden Konzeptes, nicht geeignet ist, das Thema so zu erfassen, dass es der Problematik gerecht wird. Deswegen werden wir diesen Antrag nicht überweisen und ihn heute ablehnen. Aber wir werden dieses Thema, wenn Sie es möchten, im Ausschuss mit dem notwendigen Ernst gerne diskutieren. – Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Dr. Andrea Hilgers SPD: Sie wollen doch ablehnen! – Christian Maaß GAL: Echt albern, echt lächerlich!)
Schulabstinenz ist in der Tat ein großes Problem, da die dem Unterricht fernbleibenden Kinder und Jugendlichen sich selber die Chance auf einen guten Schulabschluss erschweren und, wie dies statistisch erwiesen wurde, in dieser Zeit überdurchschnittlich viele Straftaten begehen.
Das Thema hatten wir jetzt ausführlich. Ich werde das auch nicht weiter erwähnen, denn ich halte allein die fehlende Unterrichtszeit für ein Problem, da die Schüler schnell den Anschluss an den Unterricht verpassen. Insofern ist dieses Thema in jedem Fall sehr wichtig und muss angepackt werden.
Hamburg ist sich dessen seit längerem bewusst, was bekanntlich 2000 zum Erlass der Richtlinie für den Umgang mit Schulpflichtverletzungen und zur flächendeckenden Einrichtung der Beratungsstellen REBUS geführt hat. Ich halte diese beiden Werkzeuge für eine gute Grundlage gegen Schulschwänzen, welche jetzt jedoch noch um weitere sinnvolle Maßnahmen ergänzt und in Zukunft vervollkommnet werden muss.
Ich spreche zunächst die Änderung in Paragraph 49 an, der, wie Ihnen bekannt ist, hauptsächlich unsere Handschrift trägt. Die hier eingearbeiteten Verbesserungen sind nicht, wie Sie vielleicht glauben mögen und uns fehlerhafterweise in Ihrem Antrag unterstellen, von uns lediglich im Sinne verschärfender Strafverfolgungsmaßnahmen bösartig zusammengestellt worden. Ich würde sagen, Sie haben den Paragraphen noch nicht einmal verstanden, unterstellen Sie uns doch einen zehntägigen Ausschluss vom Unterricht, sollte der Schüler an mehreren Unterrichtstagen fernbleiben. Sie haben das, was wir hier erreichen wollen, wirklich nicht verstanden.
Wir wollen den Lehrern mehr Maßnahmen an die Hand geben, den Unterricht besser führen zu können. Die hier eingearbeiteten Änderungen sind in mühevoller Kleinarbeit entstanden, und zwar nach einer unter Lehrkräften erfolgten Abfrage, wie die Sanktionierungsmaßnahmen verbessert werden könnten. Wir haben diejenigen nach praktikablen Lösungen gefragt, die täglich mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, und zwar auch im Hinblick darauf, wie man das Schulschwänzen verhindern kann. Paragraph 49, den wir nachher in der Schulgesetznovelle verabschieden werden, ist das erste Ergebnis dieser Abfrage und wird dazu beitragen, das Schulschwänzen zu reduzieren.
Des Weiteren haben wir in unserem Wahlprogramm bereits angekündigt, dass wir eine engere Zusammenarbeit zwischen Schule und der Polizei erreichen wollen. Die Einrichtung des Cop4U haben wir an jeder Schule in Hamburg installiert. Das ist ein wesentlicher Fortschritt. Die Polizisten sollen sich bei ihrer Arbeit im Rahmen des Konzepts zur Bekämpfung von Jugendkriminalität auch mit der Problematik der Schulschwänzer befassen. Aus vielen Schulen höre ich, dass das flächendeckende Projekt bereits zu großen Erfolgen geführt hat, wofür ich mich hiermit ausdrücklich bei den Polizisten und ihrem Einsatz bedanken möchte.
In Ihrem Antrag, Frau Goetsch, fordern Sie, soweit ich Sie richtig verstanden habe, lediglich die schnöde Kopie eines noch in Niedersachsen laufenden Projekts. Wie das in Ihrem Antrag geforderte Projekt eigentlich aussehen soll, ließen Sie offen, aber ich dachte es mir fast.
Ich bin durchaus der Meinung, dass wir uns im Ausschuss über dieses schwierige Thema unbedingt noch einmal Gedanken machen sollten, aber ich möchte zunächst das Ergebnis aus Niedersachsen abwarten und die Erkenntnisse hieraus verwerten. In der Zwischenzeit würde ich anregen, dass eventuell einige Schulen Auswertungen von Schulabstinenz anfertigen, beispielsweise mit genauen Zahlen der Schulformen, der Altersgruppen, sozialem Hintergrund, Gründen für das Schulschwänzen, damit wir über die bisher lediglich vorhandenen Angaben von REBUS hinaus weitere Kenntnisse erlangen. Des Weiteren sollten die Eltern mehr darüber sensibilisiert werden, dass die Anwesenheit ihrer Kinder in der Schule dringend vonnöten für einen guten Schulabschluss ist.
Als den allerwichtigsten Punkt erachte ich im Moment die Notwendigkeit, dass die Lehrkräfte stärker mobilisiert werden müssen. Ich zitiere einmal aus dem Programm
der niedersächsischen Landesregierung zur Vermeidung von unentschuldigter Abwesenheit vom Unterricht.
"Im schulischen Bereich fällt auf, dass ein großer Anteil der Jugendlichen berichtet, dass auf ihr Schwänzverhalten keine Reaktion beziehungsweise Maßnahmen durch Lehrkräfte erfolgt sind."
Diese Tatsache hat mich am meisten schockiert. Wenn ein Kind beziehungsweise Jugendlicher einen Verstoß begeht und dieser nicht sanktioniert wird oder überhaupt eine Reaktion hervorruft, ist es doch wirklich selbstverständlich, dass das ganz schnell zu Wiederholungen führt. Hier muss dringend die Sensibilisierung der Lehrkräfte erfolgen mit dem Ergebnis, dass das Schulschwänzen bereits im Keim erstickt wird.
Zusammenfassend haben wir die Richtlinien im Umgang mit der Schulpflichtverletzung, das Projekt REBUS mit über achtzigprozentiger Erfolgsquote, den neu eingeführten Cop4U und den neuen Paragraphen 49 im Hamburger Schulgesetz. Als weitere Verbesserungsmaßnahme gegen die Schulabstinenz wird sich die Einrichtung von mehr Ganztagsschulen erweisen. Durch die positive Beeinflussung der Gemeinschaft der Schüler auch am Nachmittag wird auch ein Ausgleich zum sozialen Umfeld der Kinder und Jugendlichen geschaffen, welches auch bekanntlich Ursache für erhöhtes Schulschwänzen ist. Wenn in Hamburg in vier Jahren fast jede dritte Schule zur Ganztagsschule umgestaltet ist, wird es einen ausgleichen Effekt haben.
Wir sollten das Problem Schulabstinenz in jedem Falle im Schulausschuss weiterverfolgen und nach neuen Lösungen suchen, aber nicht in Form dieses Antrags. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Während die ganze Republik das Thema "Bildung" auf die Tagesordnung gesetzt hat, lohnt in der Tat ein Blick in die Randbereiche dieses Themas. Wir können hier über die besten schulpolitischen Konzepte streiten, beim Thema Schulschwänzen haben wir es eben nicht mit Bildung, sondern mit Nicht-Bildung zu tun.
Schule befindet sich für viele jeden Morgen in der direkten Konkurrenz zu Karstadt. Da ist die X-Box einfach interessanter als Mathe. Schule befindet sich für viele jeden Morgen in der direkten Konkurrenz zu den Problemen des Alltags. Wenn der Vater den Bruder schlägt, dann ist der Bruder auch wichtiger als Mathe. Und Schule bedeutet für viele jeden Morgen die Angst vor Ausgrenzung, vor dem Abgezogenwerden, vor den schlechten Noten für schlechte Leistungen.
Schule wird also immer öfter zur sozialen Einrichtung und das ist an vielen Stellen auch gut so. Die Lehrerinnen und Lehrer in Hamburg leisten hier jenseits von Unterricht oft Unglaubliches und wir versuchen, sie gerade – auch mit der Schulgesetznovellierung – an dieser Stelle zu unterstützen. Wir haben in der Schulgesetznovelle gerade das