Protokoll der Sitzung vom 29.10.2003

und er würde es machen, dann hätte Herr Schröder ein kleines Jubiläum, es wäre in seiner Ära der fünfte Bundesverkehrsminister, den er dann ernennen lassen müsste.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Christian Maaß GAL: Stolpe ist der Letzte, der etwas dafür kann!)

Aber ich möchte für Herrn Stolpe hier auch eine Lanze brechen. Ich gehe davon aus und möchte der Hoffnung auch noch einmal Ausdruck verleihen, dass das Wort eines Bundesministers etwas gilt. Bundesminister Stolpe hat am 14. Oktober 2003 in Hamburg den Fachministern der Länder zugesagt, dass alle Infrastrukturmaßnahmen trotz der Einnahmeausfälle wie geplant durchgeführt werden. Das bedeutet für Hamburg, dass wir damit rechnen können, dass auch wirklich alle Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen angegangen werden. Herr Stolpe, Hamburg nimmt Sie beim Wort.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Duden für maximal fünf Minuten.

Ja, ich rede immer ganz schnell. Keine Angst.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als Erstes möchte ich zwei Vorbemerkungen machen. Wenn denn die Lkw-Maut der Reinfall dieses Jahrzehnts ist, dann muss man doch deutlich machen, dass auch die schwarze Bundesregierung einen Reinfall des Jahrzehnts zu verkraften und zu verkaufen hatte. Das nannte man damals Transrapid. Das ist das eine.

(Unmutsäußerungen bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Martin Woestmeyer FDP: Aber Schröder nach China schicken und denen den Transrapid verkaufen!)

Das andere ist die Tatsache, dass man nicht davon ausgehen kann, dass die zurzeit funktionierenden On-Board

Units nicht diejenigen sind, die von Minister Stolpe abends in Heimarbeit zu Hause fabriziert werden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und der GAL)

Tatsache ist, dass wir bei der Lkw-Maut auf ein Happy End warten und vermutlich bis zum Sommer 2004 warten müssen. Uns allen wird sicher die Schlussfolgerung gemeinsam einfallen, ja, das ist gründlich in den Sand gesetzt worden, da sind wir einer Meinung. Doch, welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen?

(Dr. Andreas Mattner CDU: Rücktritt!)

Toll Collect, eine Tochter von Telekom und DaimlerChrysler – das muss man hier noch einmal sagen –, hat den Auftrag bekommen, das Lkw-Maut-System sollte eine Vorreiterrolle in diesem Technologiebereich nicht nur in Europa werden, sondern in der ganzen Welt.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Pauly?

Nein, ich habe fünf Minuten Redezeit. Sie können hinterher noch einmal reden. Dass dieses Vorhaben bei einer Vorlaufzeit von elf Monaten klappen könnte, war ein ambitioniertes Vorhaben. Doch man muss sich vor Augen führen, dass Telekom und DaimlerChrysler zwei Riesen der Industrieszene in Deutschland sind. Hier setzen Sie Deutschlands Ansehen als Hochtechnologiestandort in den Sand. Manfred Stolpe sagte in einem Interview:

"Der 2. November ist eine Frage der Ehre für unsere industriellen Partner."

Das entbehrt natürlich jeden Kommentars, denn wir brauchen hier weder über die Ehre noch über den 2. November im Zusammenhang mit der Lkw-Maut zu diskutieren.

Diskutieren müssen wir über die Frage, was der Vertrag zwischen Toll Collect und dem Ministerium beinhaltet. 17 000 Seiten, wenn auch die meisten technischer Natur, liegen den Parlamentariern vor. Am gleichen Tag fordert Herr Fischer von der CDU, der vermutlich diese 17 000 Seiten schon gelesen hatte, den Rücktritt von Herrn Stolpe oder einen Untersuchungsausschuss oder vielleicht auch beides. Ich habe keinen Grund, von hier aus Herrn Stolpe besonders in Schutz zu nehmen, aber wenn jemand für die Probleme mit der Lkw-Maut nichts kann, dann ist es er.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir sollten uns vorrangig mit Hamburger Themen befassen. Auf Hamburg bezogen würde das dann bedeuten, dass wir vielleicht demnächst bei der Auslösung der Höhenkontrolle im Elbtunnel den Rücktritt von Senator Mettbach fordern könnten. Wir können es ja mal versuchen. Da muss man doch sagen, das sind doch in Berlin politische Mitnahmeeffekte der Opposition, bei denen Sie wissen, dass sie in Wirklichkeit viel zu kurz gesprungen sind. Der Schaden, den die deutsche Wirtschaft erleidet, ist der Ansehensverlust. Doch das eigentliche Übel ist, wie Toll Collect in Zukunft diese bahnbrechende Technologie in aller Welt verkaufen will, wenn der Patient in Deutschland noch in den Wehen liegt? Interessant sind vor allem die Teile des Vertrages, die die Haftung und Konventionalstrafen beinhalten.

(Ekkehard Rumpf FDP: In der Tat!)

Die Anwälte des Ministeriums – man kann ja froh sein, dass es die Anwälte des Ministeriums sind und nicht die Rechtsabteilung – sehen gute Chancen dafür, dass Toll Collect für den verspäteten Start nicht nur eine Vertragsstrafe bekommt, sondern letztendlich auch die 156 Millionen Euro im Monat, die dem Staat entgehen, zahlen wird.

Wie ist die Situation zurzeit? Wenn man den Äußerungen der Betroffenen nach all dem glauben mag, ist es so: Toll Collect wartet auf eine Genehmigung des Bundesamtes für den Güterverkehr. Das Bundesamt für Güterverkehr wartet auf das Bundesministerium. Das Bundesministerium wartet auf eine Mitteilung von Toll Collect über die Installierung der Software. Aber, Sie wissen, Toll Collect wartet in Wahrheit auf das Bundesamt für Güterverkehr, und das könnte ich jetzt bis zum Ende meiner fünf Minuten Redezeit so weitermachen. Das ist in Wirklichkeit eine Realsatire, bei der aber die deutsche Industrie ihren gewaltigen Teil dazu beiträgt. Da mag es natürlich nur sehr am Rande trösten, dass aus dem Ministerium verlautet, dass die Investitionsmaßnahmen in Hamburg davon nicht betroffen sind. – Danke.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Winkler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Werte Frau Duden, Ihre flauen Verteidigungsbemühungen

(Barbara Duden SPD: Das war nicht flau!)

des Bundesverkehrsministeriums in allen Ehren, aber es führt letzten Endes kein Weg daran vorbei, dass die Bundesregierung hier unter dem Titel "Maut" eine absurde und traurige Posse uraufführt. Oder sollte man von einem Drama mit wechselnder Rollenbesetzung sprechen? Immerhin hat die Maut schon vier sozialdemokratische Verkehrsminister verschlissen. Wie viele werden es noch werden?

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Wie viel Scha- denersatz kriegen die Bürger dafür?)

Mit Hinblick auf das Vergabeverfahren scheint auch noch ein bisschen Erpressung dabei, was die Großen der Branche natürlich nicht zugeben. Doch das alles macht die jetzt anstehenden Vertragsnachbesserungen mit dem so namhaften Konsortium auch nicht einfacher. Es geht schließlich um 156 Millionen Euro monatlich. So sind die negativen Auswirkungen der finanziellen Verluste für den Bundesverkehrshaushalt noch gar nicht abzuschätzen.

Vielleicht bringt nun der treue, nichts ahnende Osterhase im Jahre 2004 noch alles auf den Weg, denn Ostern wenigstens wird es nach Expertenmeinung werden, bis die Maut überhaupt nach dem ganzen Hickhack und dem katastrophalen Missmanagement an den Start gehen kann.

Meine Damen und Herren! Es sollte ein Exportschlager deutschen Technik-Know-hows werden. Stattdessen ist es die größte Pleite von Public-private-partnership, ein Scheitern an den Tücken der Technik und an ministerieller Inkompetenz.

(Michael Neumann SPD: Sie sprechen jetzt über den Jungfernstieg oder die Uniformen!)

Nicht nur 30 000 fehlende On-Board-Units mussten zurückgerufen werden, sondern auch die manuelle, differenzierte Einbuchung für Wenigfahrer an den Automaten an Tankstellen und Raststätten war ein reines Chaos. Fachleute sind davon überzeugt, dass es schließlich nur noch eine Frage der Zeit ist, bis auf den osteuropäischen Schwarzmärkten manipulierte On-Board-Units auftauchen, die dann das System endgültig lahm legen.

Auch für Hamburg hat das Maut-Chaos nachteilige Folgen. Insbesondere die kleineren Betriebe der Transport- und Verladebranche sind wegen einer geringeren Finanzkraft davon stärker betroffen als größere Unternehmen. Gerade die Schaffung von klaren Rahmenbedingungen wäre zwingend notwendig gewesen, denn schließlich muss der Preis...

(Glocke)

Herr Abgeordneter, darf ich Sie nach Ablauf der Hälfte Ihrer Redezeit einmal darauf hinweisen, dass das Thema auch lautet "und die Folgen für Hamburg"?

Ja, darüber habe ich gerade gesprochen, Herr Präsident, und ich bin immer noch dabei, denn schließlich muss der Preis – und ich spreche hier über die Hamburger Verladebranche und die Speditionsbranche –, der die Maut beinhaltet, stimmen, damit entsprechend vorfinanziert werden kann; vom Gerangel bei der mautreduzierten Routenplanung und der Frage der Leerkilometer einmal abgesehen.

Meine Damen und Herren! Nicht zuletzt teilt die Maut das politische Pleiten-Pech-und-Pannen-Schicksal des Transrapids. Der Ruf als internationales Vorzeigeprojekt ist ein für allemal dahin und das Ganze läuft nur noch mit hohen Subventionen und Vorleistungen. So warten eben beide auf bessere Zeiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann ist die Aktuelle Stunde beendet. Der Abgeordnete Lühmann hatte sich noch gemeldet? Es ist schon wichtig, dass man dies erkennen kann. Geheime Wortmeldungen kann ich nicht berücksichtigen. Der Abgeordnete Lühmann, bitte.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Winkler, es war hochinteressant, wie Sie Ihre Rede beendet haben. Es ist viel Wahres an dem dran, was Sie gesagt haben.

Die Einführung der Lkw-Maut hätte für das Betreiberkonsortium eigentlich ein Riesengeschäft werden sollen. Dass sich eine Bundesregierung – wie ich zugeben muss – in einem Vertrag, der offensichtlich Schärfe vermissen lässt, darauf verlassen hat, dass die deutsche Großindustrie in der Lage ist, ein solches System tatsächlich in der zugesagten Zeit marktreif einzuführen, war ein Fehler des Ministeriums. Das sehe ich auch so. Aber es wirft auch ein bezeichnendes Licht auf den momentanen Zustand der deutschen Industrie. Hier liegt das große Problem, dass wir uns weder beim Transrapid noch bei

der Lkw-Maut ernsthaft auf solche Zusagen verlassen können.

(Beifall bei der GAL – Dr. Willfried Maier GAL: Da- für steigen die Managergehälter! – Bernd Reinert CDU: Der Transrapid funktioniert, den wollen Sie nur nicht bauen!)

Das Zweite ist: Ich stelle fest, dass die CDU zu Anfang immer gesagt hat, dass eine Lkw-Maut im Prinzip abzulehnen sei, weil sie das Speditionsgewerbe beeinträchtigen würde. Tatsächlich wird das Gewerbe im Moment von der Straßenbenutzungsgebühr komplett befreit. Ich stelle weiterhin fest, dass hier alle Redner gemeinsam der Meinung sind, dass die Einführung der Lkw-Maut für den Bund und für Hamburg notwendig ist und ein echter Erfolg wäre.

Das bedeutet, dass Sie – in die Rolle der Bundesopposition schlüpfend – der Regierung vorwerfen, dass sie ihre eigenen Vorgaben nicht schnell genug erreicht. Darüber kann sich eine Regierung tatsächlich nur freuen, wenn das die inhaltliche Kritik der Opposition ist.