Protokoll der Sitzung vom 12.11.2003

Meine Damen und Herren! Seitdem sind in der Tat Fortschritte eingetreten. Die Bundesregierung hatte ein Einsehen, die unseligen 325-Euro-Jobs sind nicht nur für Ehrenamtler, sondern generell weg. Wir haben das 400Euro-Programm, das sicher auch noch nicht perfekt ist, aber deutlich besser.

Dann wurde vom Senat die Landesinitiative "Hamburg engagiert sich" eingerichtet. Ich freue mich sehr, dass dem Kuratorium auch Oppositionsabgeordnete angehören. Ich glaube, dieses Thema ist es in der Tat wert, dass alle fünf Fraktionen dafür arbeiten. Offenbar wurden auch die Arbeitsmöglichkeiten im ehrenamtlichen Bereich verbessert. Ich verweise da nur einmal auf die weitere Stärkung der virtuellen Freiwilligenagentur. Es hatten viele Gespräche und Diskussionen zum Thema Ehrenamt und Förderung des Ehrenamtes gegeben und uns schien es an der Zeit, weitere Vorschläge in die Diskussion zu bringen, was wir mit diesem Antrag tun.

Da ist zunächst einmal eine steuerliche Aufwandspauschale von 300 Euro. Wir müssen immer noch mal daran denken, dass Ehrenamt auf den ersten Blick heißt, dass der überhaupt kein Geld bekommt. Das soll im Allgemeinen auch so bleiben, aber man muss wirklich darüber nachdenken, dass ehrenamtliche Tätigkeit nicht nur regelmäßig nichts einbringt, sondern auch noch etwas kostet. Man hat Ausgaben: Telefon, Fahrtkosten, was auch immer es sein sollte. Wir halten es für angemessen, dass hier eine Aufwandspauschale von bis zu 300 Euro im Jahr gewährt werden sollte.

Dann haben wir den Paragraphen 52 der Abgabenordnung. Wenn Sie sich das einmal durchlesen, fast jedes zweite Wort: Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke und so weiter und so fort. Dann werden viele gemeinnützige Zwecke aufgezählt. Das ist sicher zunächst einmal in Ordnung. Das soll ein bisschen reformiert werden, aber es hilft nicht, denn es reicht nicht. Die meisten Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen, sind keine Körperschaften und gehören auch im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit keiner Körperschaft an. Deshalb müsste also auch hier eine Änderung erfolgen. Zum Beispiel müssen Freiwilligenagenturen und Selbsthilfegruppen aufgenommen werden und sich nicht quasi zwangsweise erst einmal als Körperschaft gerieren.

Dann brauchen wir eine Verbesserung des Spendenrechtes. Das Spendenrecht – sofern man den Gemeinnützigkeitsstatus in Anspruch nimmt – enthält eine Gefährdungshaftung, das heißt, derjenige, der die Spendengelder einnimmt, haftet zurzeit ohne eigenes Verschulden bei zweckwidriger Verwendung. Ich hoffe, dass die Betroffenen nicht wissen, dass sie einer Gefährdungshaftung unterliegen. Würden sie es tun, würden sie es wissen, könnte ich mir vorstellen, dass die Bereitschaft, sich mit dem Thema zu beschäftigen, noch deutlich sinkt. Deshalb unser Vorschlag, statt der Gefährdungshaftung eine Verschuldenshaftung einzuführen. Nebenbei bemerkt, die Juristen unter uns wissen, wann man eine Gefährdungshaftung einführt, nämlich dann, wenn das, was man macht, besonders gefährlich ist. Es gibt viele Dinge, die besonders gefährlich sind, zum Beispiel ein Auto zu fahren. Da ist eine Gefährdungshaftung angemessen. Aber ich sage Ihnen, eine ehrenamtliche Tätigkeit ist nicht per se gefährlich, sondern per se eigentlich gut. Deshalb sollte aus meiner Sicht hier eine Verschuldenshaftung kommen.

Die Bürgerschaft hat bereits vor einem Jahr die Bedeutung des Ehrenamtes dargelegt. Es gibt viele Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen. Wir sollten ihnen helfen. Der Bürokratiedschungel und hindernde Vorschriften sind überall schlimm. Ich glaube, in diesem Bereich sind sie ganz besonders schlimm. Deshalb wollen wir eine Abhilfe. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Wird das Wort weiter gewünscht? – Das ist der Fall. Die Abgeordnete Brinkmann hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Schinnenburg, zunächst einmal hat der Präsident freundlicherweise an Ihren heutigen Ehrentag erinnert. Dann möchte ich Ihnen doch sagen, dass es mir ausgesprochen Leid tut, dass ich Sie an Ihrem Ehrentag in der vorangegangenen Debatte immer wieder so beschimpfen musste. Aber, Herr Dr. Schinnenburg, wenn, wie in Ihrer Darstellung, die Tatsachen und Wahrheiten so weit entfernt von der Praxis sind, dann bringen Sie mich dermaßen in Rage, dass auch an Ihrem Ehrentag solch eine Bemerkung erlaubt sein muss. Das vorab.

Sie gehen in Ihrem Wortbeitrag zunächst einmal auf Ihren letzten Antrag ein und erinnern den Senat an den Bericht aus Ihrem Antrag. Wie häufig hat die Opposition bei Ihren Anträgen moniert, dass dort kein Datum eingefügt wird und Sie dann immer in einer ganz großzügigen Art und

Weise sagen: Datum, das brauchen wir nicht, unser Senat berichtet von selbst. Vielen Dank, dass Sie das eben selbst festgestellt haben.

(Beifall bei Wolf-Dieter Scheurell SPD)

Aber nun kommen wir mal zum Thema. Der SPD-Fraktion ist dieses Thema auch sehr wichtig und das habe ich schon in der letzten Diskussion zum Ehrenamt hier an dieser Stelle gesagt. Unsere Demokratie lebt vom bürgerschaftlichen Engagement und vom freiwilligen, gemeinwohlorientierten und unentgeltlichen Einsatz vieler Bürger und Bürgerinnen. Auch der Bundestag weiß auf Betreiben der SPD-Fraktion um den hohen Stellenwert des bürgerschaftlichen Engagements und hat daher in seiner letzten Legislaturperiode eine Enquete-Kommission eingesetzt, deren Aufgabe es war, das Ehrenamt staatlicherseits zu fördern und weiterzuentwickeln.

Der Bericht mit der Analyse, Bewertung und mit Vorschlägen zur Umsetzung ist von allen im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien einstimmig angenommen worden. Doch schon während der Beratung wurden auf Betreiben der SPD-Fraktion vom Bundestag erste entscheidende Verbesserungen in den Rahmenbedingungen für ehrenamtliche Arbeiten vorgenommen. Ich möchte nur einige Punkte in Erinnerung bringen.

Die Übungsleiterpauschale wurde auf 1848 Euro angehoben. Das Stiftungsrecht wurde durch ein neues Stiftungs- und Zivilrecht ersetzt, die Finanzbedingungen für die ehrenamtliche Hospizarbeit verbessert und die Neuregelung der 400-Euro-Minijobs in Kombination mit der Übungsleiterpauschale schafft neuen Gestaltungsspielraum. Aber natürlich gibt es im Bereich des Ehrenamtes noch eine Menge zu tun. Längst sind nicht alle Punkte aus dem 13-Punkte-Programm der SPD-Bundestagsfraktion abgearbeitet. Damit komme ich dann zu Ihrem Antrag.

Alle von Ihnen geforderten Punkte stehen in diesem genannten 13-Punkte-Programm und sind zum Teil auch von der Hamburger SPD-Fraktion in unserem Zusatzantrag im Oktober 2002 angesprochen worden.

(Wilfried Buss SPD: Hört, hört!)

Ich erinnere nur an die Versicherungsfrage. Dieser Antrag wurde damals von Ihnen abgelehnt und nicht einmal zu einer intensiveren Debatte in den Sozialausschuss überwiesen.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Hört, hört!)

Umso mehr hoffen wir heute, dass Sie klüger geworden sind und den Antrag in den Ausschuss überweisen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir begrüßen Ihren Antrag, sehen aber noch einigen Diskussionsbedarf, um dieses Thema voranzubringen.

(Beifall bei der SPD)

Alsdann erhält der Abgeordnete Schira das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bürgersinn und persönliches Engagement sind für die Gemeinschaft unverzichtbare Elemente, die nachdrücklich gefördert und weiterentwickelt werden müssen.

Meine Damen und Herren! Nach vielen Jahren ehrenamtlichen Dornröschenschlafs passiert in dieser Stadt endlich etwas auf dem Feld des bürgerschaftlichen Engagements. In den vergangenen Legislaturperioden hat Rotgrün in schöner Einhelligkeit alle Anträge der Opposition zu diesem Thema abgelehnt und selbst wenig Konkretes getan, um ehrenamtliches Engagement wirklich zu fördern. Über das Nichtstun oder gar die kontraproduktiven Maßnahmen auf Bundesebene will ich jetzt gar nicht sprechen, sondern darüber ist an dieser Stelle bereits ausführlich debattiert worden.

Doch zurück zu dem, um was es hier geht. In Hamburg bewegt sich etwas. Die Zahl der Menschen, die Lust haben, sich ehrenamtlich zu engagieren, wächst. Der Besucheransturm von fast 4000 Personen auf der Hamburger Freiwilligenbörse im Januar dieses Jahres legt ein beredetes Zeugnis davon ab. Diese Entwicklung fällt nicht vom Himmel. Die Förderung des Ehrenamtes bekommt in dieser Legislaturperiode unter dem Bürgersenat trotz leerer Haushaltskassen endlich den Platz, der ihm gebührt: Einen eigenen Haushaltstitel, ein Referat in der Behörde für Soziales und Familie zur Koordination des bürgerschaftlichen Engagements, eine Homepage mit wichtigen Informationen für alle interessierten Bürger und eine behördenübergreifende Arbeitsgruppe erarbeitet konkrete Maßnahmen, wie dem Bürger eine ehrenamtliche Tätigkeit erleichtert werden kann.

Ein weiterer Punkt ist meiner Ansicht nach besonders wichtig. Es ist seit Jahren bekannt, dass öffentliche Anerkennung und Würdigung eine besondere Bedeutung für alle Menschen hat, die sich ehrenamtlich engagieren. Eine einmal im Jahr vorgenommene Ehrung besonders aktiver Bürger ist hier nicht ausreichend. Es ist erforderlich, eine gesellschaftlich etablierte Kultur der Wertschätzung von ehrenamtlicher Arbeit in unserer Gesellschaft zu entwickeln und im Februar hat sich zu diesem Zwecke unter dem Vorsitz unsere Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram die Landesinitiative "Hamburg engagiert sich" konstituiert und das finden wir gut. Insbesondere auch, dass sich die Oppositionspolitiker nicht verweigert haben, sondern aktiv mitmachen.

Aber nicht alles, was in unserem Sinne der Förderung des Ehrenamtes dienen könnte, lässt sich hier auf Landesebene regeln. Da nach unserer Auffassung auf Bundesebene noch genug getan werden muss, stellen wir diesen Antrag, um noch einmal an geeigneter Stelle nachzuhaken. Wie das Geburtstagskind, Herr Dr. Schinnenburg, es in seinem Antrag noch einmal ausdrücklich formuliert hat, wir können nicht warten, bis man sich in Berlin endlich dieses hochwichtigen Themas annimmt und wollen deswegen hier vor Ort die Entscheidung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Sodann bekommt der Abgeordnete Rutter das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In einem Antrag, Drs. 17/689, vom 15. April 2002 hat der Kollege Böwer die Rücknahme der Finanzkürzungen im Bereich Jugend- und Sozialarbeit gefordert. Zu dem Zeitpunkt war gerade unsere Gelddruckpresse ausgefallen und wir

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mussten uns also etwas anderes einfallen lassen. Merke: Wenn der Wind nachlässt, greife zum Ruder.

(Christa Goetsch GAL: Meinen Sie ein Paddel?)

Was dabei herausgekommen ist, ist schlicht und einfach, dass wir eine ganze Menge an Initiativen auf den Weg gebracht haben, um über das Ehrenamt einen Ausgleich zu schaffen. Das hat den Nebeneffekt, dass auch das Miteinandergefühl wieder wächst und das wollen wir, das müssen wir. Das war nämlich langsam verschüttet, weil man glaubte, alles mit Geld zuschieben zu können. Manchmal muss man sich eben auch selbst engagieren und so ist es notwendig und richtig gewesen, diese Maßnahmen einzuleiten.

Wenn man das getan hat, stellt man fest, dass hier und da an den Rahmenbedingungen etwas zu ändern und zu verbessern ist. Nun lassen Sie uns bitte nach Möglichkeit nicht erst lange alles perfektionieren, sondern lassen Sie uns den Weg der kleinen Schritte gehen und eines nach dem anderen abarbeiten. Diese Forderungen, die jetzt in unserem Antrag enthalten sind, sind das Nächstliegende und das Notwendigste und das sollten wir möglichst ohne Zeitverzögerung beschließen und darum bitte ich Sie.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort erhält die Abgeordnete Dr. Freudenberg.

Wofür sie am meisten schwärmt, wenn es wieder aufgewärmt! Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es tut mir Leid, bei diesem Antrag und auch bei dieser Debatte fällt mir zuerst der Sauerkohl von Witwe Bolte ein:

"dass sie von dem Sauerkohle eine Portion sich hole, wovon sie besonders schwärmt, wenn er wieder aufgewärmt."

Etwa alle Halbjahr debattieren wir hier die Förderung des Ehrenamtes. Es gibt reichlich Fensterreden und auch heute war es nicht besonders originell. Ich habe nicht den Eindruck, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, dass Sie sich wirklich so besonders um die Förderung des Ehrenamtes bemühen, denn sonst hätten Sie die Arbeit im Ausschuss bisher nicht behindert.

(Beifall bei der GAL und bei Dirk Kienscherf SPD)

Wir hatten eine wirklich interessante Expertenanhörung. Die ist bisher nicht einmal ausgewertet worden. Der sehr differenzierte Antrag der SPD von vor einem halben Jahr ist abgelehnt worden und jetzt greifen Sie die Hauptforderungen, nämlich danach, dass endlich ein Versicherungsschutz für ehrenamtlich Tätige eingerichtet wird, auf und wir finden das ziemlich schäbig.

Ich denke, wir sollten uns endlich den interessanteren Aspekten der ehrenamtlichen Arbeit zuwenden, nämlich der Frage, welche professionelle Unterstützung ehrenamtlich Tätige brauchen. Ich glaube, das ist für die Leute, die sich so engagieren, wichtiger als irgendwelche Feinheiten des Steuerrechtes. Ich muss auch sagen, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, Herr Schinnenburg, dass ich es schon verwunderlich und auch absurd finde, mit welcher Akribie Sie sich hier um alle Details unseres Steuerrechts kümmern und auch noch die letzten Schmankerl aus einer Gesetzgebung jetzt

wieder ein bisschen ändern wollen, wo doch eigentlich Herr Merz mit seinem Vorstoß, all dieses jetzt mal radikal vom Tisch zu kriegen, ganz erfolgreich ist. Ich kann nur sagen, dass wir ihm dabei viel Erfolg wünschen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drs. 17/3565 an den Sozialausschuss zu?

(Wilfried Buss SPD: Das wird dadurch nicht bes- ser! – Gegenruf von Michael Fuchs CDU: Aber schöner!)