Protokoll der Sitzung vom 12.11.2003

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der SPD-Fraktion ist zeitlich so unangebracht und überflüssig, dass es sich eigentlich gar nicht lohnt, jetzt und hier darauf einzugehen. Aber da wir nun einmal in der Debatte sind, werde ich das natürlich auch tun.

(Ingo Egloff SPD: Das ist aber schlecht koordi- niert!)

Auffällig daran ist aber, meine Damen und Herren von der Opposition, dass beispielsweise Transparenz oder zentrale Vergleichsarbeiten und zentrale Prüfelemente nicht mehr zu Ihren Feindbildern gehören,

(Luisa Fiedler SPD: Schon lange nicht mehr!)

was in den letzten Jahrzehnten der Fall war. Erstaunlich ist auch, dass Sie jetzt mehr Autonomie für die allgemein bildenden Schulen fordern, die Sie aber in Bezug auf die berufsbildenden Schulen vehement ablehnen. Da widersprechen Sie sich. Vielleicht können Sie sich einigen, was Sie wollen.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Legen Sie doch ein- mal eine andere Platte auf!)

Wenn Sie nicht wissen, was Sie wollen.

Überflüssig ist Ihr Antrag, weil es in Hamburg, wie der Presse im Oktober zu entnehmen war, ohnehin einen Schulversuch in Richtung mehr Eigenständigkeit an Hamburgs Schulen geben wird. Dieser wird sich an das Konzept des Club of Rome anlehnen. Hätten Sie sich hier informiert, wäre sicherlich auch das eine oder andere in Ihrem Antrag überflüssig gewesen.

Sie sehen, dass wir Ihnen jedoch etwas voraus sind und das auch immer bleiben werden.

Die Unausgegorenheit Ihres Antrags möchte ich an einem Beispiel deutlich machen. Sollte ich ausführlich darauf eingehen, würde das die gesamte Redezeit in Anspruch nehmen oder sprengen.

(Wilfried Buss SPD: Das können wir ja im Aus- schuss machen!)

Ich nehme das Beispiel Personalbudget, welches Sie im ersten Schritt zu 20 Prozent der Mittel für eigenständige Einstellungen zur Verfügung stellen wollen oder welches sich sogar kapitalisieren lassen soll. Da frage ich mich, was das für eine Milchmädchenrechnung ist oder wie ich mir das in der Praxis vorstellen soll.

(Britta Ernst SPD: Das kann ja nicht der Maßstab sein, was Sie sich vorstellen können!)

Wenn man zum Beispiel 20 Prozent der bisherigen Lehrkräfte einer Grundschule, die vielleicht drei bis vier Lehrer bedeuten würden, eigenständig einstellt, muss man dafür extra eine Buchhaltungskraft anstelle eines Lehrers einstellen? Oder soll der Direktor vielleicht die Buchhaltung mitmachen? Der Direktor, so stelle ich mir das jetzt vor, macht die Lohnbuchhaltung, er macht die Abgaben für das Finanzamt und meldet auch die Mitarbeiter bei der Krankenkasse an. Vielleicht wollen Sie auch die völlig unausgegorenen 2500 Euro Anschubfinanzierung für die Buchhaltung außer Haus ausgeben? Aus Ihrem Antrag ist überhaupt nicht erkenntlich, was Sie mit diesem Betrag machen wollen. Wie Sie auf diese Größenordnung gekommen sind, wird wahrscheinlich immer Ihr Geheimnis bleiben oder Sie verraten uns das dann im Ausschuss.

In Ihrem Antrag bleiben zu viele Fragen offen. Das ist Fakt. Den Punkt, dass alle Lehrerinnen und Lehrer innerhalb der ersten zehn Jahre einen Schulwechsel vollziehen sollen, finde ich interessant. Ich hatte das selber schon einmal überlegt, da in der Wirtschaft ein Wechsel auch immer etwas Gutes tut. Insofern ist es gar keine schlechte Idee. Aber, ich frage mich, was das mit einer autonomen Schule zu tun hat. Mit der Autonomie und Eigenständigkeit an Hamburgs Schulen hat das meiner Meinung nach gar nichts zu tun.

Bei dem Bereich "Neue Spielräume für die Gestaltung des Schullebens" stelle ich auch fest, das wir Ihnen wieder einiges voraus haben. Zum Beispiel steht schon im Koalitionsvertrag, dass wir unseren Schülern mehr Praxisnähe vermitteln wollen. Deswegen läuft in Hamburg zurzeit an acht Schulen ein Modellprojekt, in dessen Rahmen Hauptschüler an drei Tagen in der Schule lernen und an zwei Tagen in einem Betrieb tätig sind. Sie sehen, das haben wir schon lange in die Tat umgesetzt. Da brauchen wir keine Anträge dieser Form.

Sie fordern mehr Fortbildung für die Lehrkräfte. Im Lehrerarbeitszeitmodell sind 30 Stunden verbindlich festgeschrieben. Fortbildung ist also schon heute für uns

A C

B D

selbstverständlich und ein wichtiger Bestandteil in der Bildung.

Ihr Antrag ist ein Schnellschuss und Sie kopieren im Wesentlichen das nordrhein-westfälische Modell, ohne abzuwarten, wie es sich dort bewährt.

Zusammenfassend bleibt mir hier nur zu sagen, dass wir in Hamburg vor zwei Jahren den Dornröschenschlaf der Bildungspolitik unterbrochen haben. Wir haben grundlegende notwendige Veränderungen herbeigeführt und diese müssen sich erst einmal etablieren.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Sie können nicht mit Geld umgehen!)

Zudem findet der Modellversuch, von dem ich eben sprach, ab 1. August nächsten Jahres statt. Ein weiterer Modellversuch wäre überflüssig und würde Hamburgs Schulen zurzeit überfordern.

Eigentlich wollte ich der Opposition vorschlagen, das Modellvorhaben von Nordrhein-Westfalen noch für den angelegten Zeitraum, nämlich bis 2008, zu beobachten, und dann unter Berücksichtigung der neuesten Erkenntnisse noch einmal einen Antrag zu stellen. Aber nun stimmen wir der Überweisung an den Schulausschuss zu. Dann können wir schauen, was davon sinnvoll ist oder nicht. Wir haben ja keine weiteren Themen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort erhält die Abgeordnete Goetsch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Freund, das hörte sich gerade so an, als wollten Sie Herrn Lange wach küssen.

(Heiterkeit und Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich habe mit Freude den Antrag gelesen und Sie rennen bei den Grünen offene Türen ein. Wir haben 1996 ein Positionspapier geschrieben mit dem Titel "Die Zukunft der Schule ist die autonome Schule". Das wurde dann 1998, 1999 von uns in der rotgrünen Fraktion weiterbetrieben und ist zum Teil bereits in der Schulbehörde umgesetzt worden. Das ist auch gesagt worden. Ich bin froh, dass Herr Drews dieses Mal sehr konstruktiv mit dem Thema Autonomie von Schule umgegangen ist. Frau Freund, bei Ihnen hatte ich fast das Gefühl, dass Sie, wenn Sie etwas von Autonomie hören, das mit Autonomie in der Roten Flora verwechseln und dann reflexartig reagieren. Es gibt gar keinen Grund, diesen Antrag so zu zerreißen. Es gibt sicherlich kritikwürdige Punkte, aber jetzt alles schlechtzureden, da sind Sie auf dem falschen Dampfer.

Gehen wir von den Tatsachen aus. Bis 2001 war auf dem Weg zur autonomen Schule Folgendes umgesetzt:

Erstens die Schulprogrammentwicklung. Eine autonome Schule gibt sich ein Schulprogramm, um dann Rechenschaft ablegen zu können. Das haben zu dem Zeitpunkt alle 450 Schulen in Hamburg gemacht.

Zweitens war den Schulen, wie schon gesagt, die äußere Schulverwaltung gegeben worden. Das war ein außerordentlich wichtiger Schritt, damit eben nicht jede Steckdose beim Bezirksamt bestellt werden musste. Allerdings haben noch nicht alle allgemein bildenden Schulen die

sen Schritt gemacht, weil das natürlich auch Unterstützungsmaßnahmen von Behörde und auch Schulleiterfortbildung bedarf.

Drittens gab es einen Innovationsfonds, um Anregungen zu geben, Schule zu verändern.

Das war alles auf dem Weg, allerdings finde ich im neuen Schulgesetz leider nichts über das Thema Eigenständigkeit von Schule.

Es ist wichtig, dass der Antrag im Schulausschuss diskutiert wird. Einen Punkt finde ich sehr interessant, nämlich die Gründung externer Schulentwicklungsagenturen, an die sich bisher keiner herangewagt hat, übrigens auch nicht in Hessen, Bayern und Nordrhein-Westfalen, und zwar die Frage der Schulaufsicht. Bei aller Debatte über PISA, bei der beispielsweise die Lehrer in den Mittelpunkt gerückt werden, hat sich an die Administration keiner herangewagt. Gute Schule heißt, dass Schulaufsicht nicht Beratung und Kontrolle macht, sondern dass das extern passieren muss. Insofern ist das ein sehr wichtiger Schritt. Andere Punkte des Antrags würde ich weitergehend sehen als die Kollegen von der SPD, beispielsweise was die Personalhoheit anbetrifft. Wenn Herr Drews dieses Mal der Überweisung zustimmt, wäre es schön. Dann hätten wir in der Schulausschusssitzung endlich einmal wieder eine fachliche Debatte. Das würde uns gut tun im Sinne: Die Zukunft der Schule ist die autonome Schule. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Woestmeyer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Diesen Antrag müssen wir sogar im Schulausschuss noch einmal beraten, weil Sie mir erklären müssen, ob das wirklich Ihr Antrag ist oder wo Sie den abgeschrieben haben. Darin stehen Wörter wie "Eigenständigkeit", "Eigenverantwortung", "Leistungen", "Leistungsvereinbarungen", "externe Agenturen", "Transparenz", die sonst nur im Fremdwörterbuch der Hamburger Sozialdemokratie zu finden sind. Diesen Antrag müssen wir noch einmal im Schulausschuss beraten, weil Sie mir erklären müssen, warum Sie gerade jetzt darauf kommen, wo wir mit den Club-of-Rome-Schulen fast genau das machen, was Sie nun scheinbar ganz neu fordern. Haben Sie da einfach einmal ganz aufmerksam die Zeitung gelesen und haben gedacht, prima, die Bildungsbehörde macht etwas, was wir auch wollen, dann können wir auch einen Antrag beschließen, den wir geschrieben haben? Weiterhin müssen Sie mir im Ausschuss erklären, warum Sie einen Antrag schreiben, der in der Begründung viel mehr fordert als im eigentlichen Petitum. Warum fallen Sie hinter das zurück, was Sie vorne so nett ausführen? Ich fürchte fast, meine Damen und Herren, dass Sie beim Antragschreiben oder –abschreiben Probleme mit Ihrer Textverarbeitung hatten. Warum sind auf den ganzen drei Seiten exakt vier Wörter unterstrichen, und zwar "und Vertreter der Wirtschaft"? Das muss eine Art sozialdemokratischer Autokorrekturfunktion gewesen sein, Wörter mit besonderem politischen Gefährdungspotenzial gleich zu unterstreichen. Diese vier Wörter haben Jahre und Jahrzehnte gebraucht, bis sie Eingang in einen sozialdemokratischen Bildungsantrag gefunden haben. Meinen Glückwunsch dazu.

Außerdem können Sie mir im Ausschuss erklären, wen oder was Sie meinen, wenn Sie auf Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen oder Berlin zurückgreifen wollen. Das schreiben Sie ja. Sie sehen, ich will mir Mühe geben mit Ihrem Antrag, deshalb habe ich in Berlin und in Nordrhein-Westfalen nachgefragt. Aber da schlägt man zunächst einmal die Hände über dem Kopf zusammen, wenn man nach der dortigen Bildungspolitik der SPD fragt. Ich habe aber niemanden gefunden, der mir hätte bestätigen können, dass die dortigen Schulen besonders eigenständig arbeiten würden. Im Gegenteil. Die würden sich freuen, wenn sie eine SPD hätten, die einen solchen Antrag, wie Sie ihn hier stellen, auch in Düsseldorf oder in Berlin gescheit verfolgen könnten.

Liebe Leute von der SPD! Ich will mit Ihrem Antrag gar nicht böse sein. Das Anliegen ist ja gut. Es ist nur schade, dass es von Ihnen so halbherzig umgesetzt wird und Sie den Antrag zur Abendessenszeit zur Debatte anmelden. Wir wollen mehr Eigenständigkeit, wir wollen Eigenverantwortung. Wir wollen Erfahrung mit dem Club of Rome machen, wir wollen Wirtschaft und Sozialpartner der Schulen einbinden, wir wollen neue Ideen wie bei der "Stiftung Berufliche Schulen Hamburg", wir wollen externe Evaluierung, wir wollen neue Ideen, wie Schulaufsicht, wie Ranking, wie Wettbewerb, wir wollen Vorbilder wie Niederlande und Großbritannien. Wir sollten noch einmal im Ausschuss darüber reden. Wenn aus Ihrem Anliegen etwas werden soll, dann müssen wir das sogar.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann lasse ich abstimmen.

Wer stimmt einer Überweisung der Drs. 17/3558 an den Schulausschuss zu? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 29, Drs. 17/3303, Mitteilung des Senats: Patenschaften der Generationen.

[Senatsmitteilung: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 20./21. Februar 2002 (Drs. 17/323) – Patenschaften der Generationen – – Drs. 17/3303 –]

Die angemeldete Debatte findet einvernehmlich nicht statt.

Diese Drucksache möchte die GAL-Fraktion an den Sozialausschuss überweisen. Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache an den Sozialausschuss zu? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 63, Drs. 17/3570 in der Neufassung, Antrag der Koalitionsfraktionen: Mehr Sicherheit im Straßenverkehr – Initiative gegen das "Nichtblinken".

[Antrag der Fraktionen der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP: Mehr Sicherheit im Straßenverkehr – Initiative gegen das "Nichtblinken" – Drs. 17/3570 (Neufassung) –]