Protokoll der Sitzung vom 30.12.2003

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kerstan, zunächst kurz ein Wort an Sie: Es ist nach wie vor lächerlich, dass Sie ständig das Gespenst aufbauen, dass nur staatliche Krankenhäuser eine vernünftige gesundheitliche Versorgung gewährleisten könnten.

(Jens Kerstan GAL: Da haben Sie nicht zugehört! Das habe ich nicht gesagt!)

Vor einigen Tagen habe ich in einem Interview der "Welt am Sonntag" wörtlich gesagt, dass auch ich gerne den Verkauf des LBK abgeschlossen hätte und wenn das kurz vor zwölf gestoppt werden müsse, dann ärgere das sehr. Ich gebe zu, dass es mich sehr ärgert, dass die Verträge für den LBK nicht abschließend gezeichnet werden konnten, denn mit dem vorläufigen Verzicht auf diese wichtige Beschlusslage tragen wir ausschließlich übergeordneten Erwägungen am vorzeitigen Ende der Legislaturperiode Rechnung.

In der Sache selbst bedeutet dies keinerlei Relativierung der Verkaufsnotwendigkeit und der überfälligen Restrukturierung und Sanierung des LBK Hamburg. Dieser Tribut an die gegenwärtige parlamentarische und politische Situation hat einen hohen Preis und es ist vor allem ein verdammt hoher Preis, den das Unternehmen und seine Beschäftigten aufgrund der jetzt eingetretenen Situation in Zukunft noch zahlen werden. Voraussichtlich wird nun ein weiteres Jahr – davon ist auszugehen – ohne konkrete Umsetzung politischer Beschlüsse vergehen. Die Schulden des Unternehmens – wir haben es heute mehrfach gehört – wachsen weiter ins Unermessliche und werden bis zum Ende des kommenden Jahres, also in zwölf Monaten, sogar die Grenze von 600 Millionen Euro Kreditmittelbedarf bei der Landeshauptkasse übersteigen.

Die Volksinitiative wird unterdessen die Hamburgerinnen und Hamburger darüber abstimmen lassen, dass dem Liquiditätsbedarf des Unternehmens weiterhin ungezügelt durch die Landeshauptkasse nachgegangen werden soll. Dies ist nichts anderes als ein Blankoscheck, aber man sagt den Leuten nicht, dass dies faktisch ein Blankoscheck ist. Man führt die Wählerinnen und Wähler am 29. Februar an der Nase herum, anstatt ihnen die Wahrheit zu sagen.

Meine Damen und Herren! Der Senat hat hingegen die Karten von vornherein offen auf den Tisch gelegt. Ich darf noch einmal daran erinnern, dass bereits vier Monate nach Amtsantritt, Anfang März 2002, die Grundsatzentscheidung zum LBK-Verkauf getroffen wurde. Sie wurde in einem höchst aufwendigen und sorgfältigen Verfahren in den darauf folgenden anderthalb Jahren hoch engagiert betrieben und einer Umsetzung zugeführt. Minutiös wurden alle vielschichtigen Details der Vertragsgestaltung mit der Asklepios GmbH parlamentarisch offen gelegt. Der Senat hat sich damit in außerordentlich engagierter Weise seiner Regierungsverantwortung gestellt, nachdem Rotgrün über viele Jahre in der Sache nur weggeschaut hat.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU, der FDP und bei Bodo Theodor Adolphi Ronald-Schill-Fraktion)

Aber wegschauen kann und darf im vorliegenden Fall nicht sein. Wir können und dürfen deshalb auch in den kommenden Wochen und Monaten nicht völlig untätig bleiben. Die unternehmensinterne Restrukturierung muss im Sinne des Unternehmens, seiner Beschäftigten und des Medizinstandorts Hamburg weitergehen. Mit dem designierten Mehrheitsgesellschafter Asklepios werden wir weiter engen Kontakt halten und uns über Maßnahmen der Feinsteuerung verständigen müssen, damit wir das dort erworbene Know-how schrittweise an das Unternehmen heranführen können.

Wie auch immer die künftigen politischen Verhältnisse in Hamburg aussehen werden, kein künftiger Senat wird den von der Volksinitiative aufgezeigten Weg ernsthaft verantworten können.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU, der FDP und bei Friedrich Adolphi Ronald-Schill-Fraktion)

In Wahrheit, das wissen auch Sie nur allzu gut, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, und das erklärt auch die Verbissenheit, mit der Sie jede konstruktive Restrukturierung des LBK bisher konterkariert haben, sitzen Sie ganz gewaltig zwischen den Stühlen; das möchte ich hier einmal ganz klar sagen. Getrieben von gewerkschaftlichen Forderungen und dem vom jetzigen Senat aufgezeigten Konzept suchen Sie einen vermeintlich dritten Weg.

(Michael Fuchs CDU: Sehr richtig!)

Aber diesen Weg haben Sie bislang nicht gefunden und Sie werden ihn auch nicht finden. Es gibt schlicht keine Alternative zur verantwortlichen Senatspolitik.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU, der FDP und der Ronald-Schill-Fraktion)

Denn das, was die Volksinitiative argumentativ vorträgt, hat nach wie vor mit der Realität des Unternehmens nichts, aber auch gar nichts zu tun, sondern ist interessengeleitete Augenwischerei. Was die Volksinitiative rechtlich vorgetragen hat, ist vor Gericht wie ein Kartenhaus kläglich in sich zusammengefallen. Und was die Volksinitiative an Alternative anbietet, nämlich den Verkauf von Minderheitsanteilen, das haben wir heute wieder hier gehört, dieser Wahnsinn, um nicht zu sagen Schwachsinn, ist pure Theorie. Ich habe an dieser Stelle im letzten Jahr mehrfach gesagt, dass die Realitäten und

Gesetze des Marktes völlig anders aussehen und hier verkannt werden.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich an dieser Stelle nochmals verdeutlichen, dass auf jeden Fall verkauft werden muss; das wurde heute teilweise zugegeben. Eine Minderheitsbeteiligung wird in jeder Hinsicht ins Leere laufen und bei weiterer Überschuldung des LBK droht dessen Zerschlagung; auch das muss einmal gesagt werden. Wenn die Schulden weiter so auflaufen, wird es für das Unternehmen in Zukunft sehr, sehr schwer werden.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Mit Ihnen ja!)

Die einzig gesichtswahrende Option für die heutige Oppositionsfraktion wäre demnach ein Verkauf, bei dem zuvor ein Überleitungstarifvertrag durch die Stadt und die Mitgliedschaft im öffentlichen Arbeitgeberverband zugesichert würden; das wurde uns immer vorgehalten. Das Einzige, was in den Diskussionen interessierte, war ein Überleitungstarifvertrag. Mit diesem Ballast versehen verzögern Sie allerdings nur den Verkaufsprozess und treiben den Anteil des Fremdkapitals für das Unternehmen jeden Tag weiter dramatisch nach unten, egal, ob zu spät oder zu billig. In jedem Fall würde der LBK bei Ihnen entgegen aller anders lautenden Bekundungen dann am Ende doch zum Schnäppchen und das haben die Beschäftigten, aber auch der Standort Hamburg nicht verdient.

Zum Abschluss noch eine persönliche Bemerkung an Herrn Kerstan, der bei diesen Dingen, insbesondere gesundheitspolitisch, immer kräftig mitdiskutiert. Dass Sie dem Senat und insbesondere dem Finanzsenator Dr. Peiner und mir vorwerfen, hier sei unprofessionell gehandelt worden, ist schon erstaunlich. Dieser Vertrag ist in eineinhalb Jahren auch durch die überzeugende Leistung der Mitarbeiter in der Behörde für Umwelt und Gesundheit und der Finanzbehörde zum Ergebnis gekommen. Das Ergebnis ist absolut okay und zielführend und Herr Dr. Peiner und ich müssen uns das von jemandem wie Ihnen – Herr Kerstan, ich weiß nicht, wie viele Verträge Sie in Ihrem Leben schon verhandelt haben – nicht bieten lassen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU, der FDP und bei der Ronald-Schill- Fraktion)

Gibt es weitere Wortmeldungen zu diesem Punkt? – Herr Barth-Völkel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sicherlich bedauern wir alle, dass es nicht zum Verkauf des LBK gekommen ist. Wir haben auch eine Verpflichtung gegenüber den Mitarbeitern; das wurde hier schon zutreffend von unserem Senator gesagt. Ich möchte aber meinem ehemaligen Kollegen Richard Braak widersprechen.

(Beifall bei Ingrid Cords SPD)

Ich glaube nicht, dass die Abstimmung hier glatt durchgegangen wäre. Ich möchte auch nicht wissen, wer sich noch alles an dem LBK bereichert hätte. Auf jeden Fall wären die 339 Millionen Euro, die hier geflossen wären, in Ordnung gewesen für das, was entgegengebracht wer

den würde, auch bei einem Marktwert von 1,2 Millionen Euro.

(Werner Dobritz SPD: Das gibt's doch nicht! Das darf doch nicht wahr sein! – Ingo Egloff SPD: Was haben Sie denn im Gesundheitsausschuss ge- macht?)

Auf der anderen Seite sollte man nichts übers Knie brechen und so eine wichtige Sache wie den LBK-Verkauf erst recht nicht. – Danke.

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Die sehe ich nicht.

Bevor wir zur Abstimmung kommen, möchte ich Ihnen mitteilen, dass der Abgeordnete Klooß der Präsidentin mitgeteilt hat, dass er an dieser Abstimmung nicht teilnehmen wird.

Wir kommen nun zur Abstimmung. Wer möchte den Antrag der Koalitionsfraktionen, Drucksache 17/3970, annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das erste war die Mehrheit. Damit ist der Inhalt dieser Drucksache auch Teil der Stellungnahme der Bürgerschaft.

Wir kommen jetzt zur Drucksache 17/3974. Diese Stellungnahme aus der Drucksache 17/3974 ist von einem Fünftel der Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft vorgelegt worden. Ich stelle hiermit fest, dass das als Minderheitenvotum der Bürgerschaft im Sinne von Paragraph 19 Absatz 2 des Hamburgischen Gesetzes über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid angesehen wird. Eine Abstimmung erfolgt nicht. Auch diese Drucksache wird der Stellungnahme beigefügt.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 100, Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP: Vorzeitige Beendigung der Wahlperiode.

[Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP: Vorzeitige Beendigung der Wahlperiode – Drucksache 17/3908 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Zuckerer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir beschließen heute das Ende der abgewirtschafteten Regierungskoalition aus CDU, Schill-Partei und FDP.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Nach knapp zwei Jahren ist die erste und einzige Regierung in der Bundesrepublik Deutschland mit Beteiligung einer rechtspopulistischen Partei zerfallen.

(Vizepräsident Peter Paul Müller übernimmt den Vorsitz.)

Die peinlichste aller Landesregierungen unter Führung eines Christdemokraten ist politisch und moralisch gescheitert und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Was bleibt, ist ein politischer Scherbenhaufen und ein unübersehbarer und von niemandem mehr bestrittener Niedergang des Ansehens der Freien und Hansestadt Hamburg. Die Hamburger Politik hat im letzten Jahr zwischen grotesk und bizarr geschwankt. Sie müssen sich

die Frage gefallen lassen, Herr Bürgermeister von Beust, wer dafür die Verantwortung übernimmt; die Verantwortung dafür tragen Sie.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wenn man die Geschichte dieses Senats vor zwei Jahren irgendeinem Fernsehsender als Drehbuch angeboten hätte, wäre man in jeder Redaktion ausgelacht worden. Sie wäre als Seifenoper für kein Abendprogramm angenommen worden, weil sie für unglaubwürdig befunden worden wäre.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ihre Regierungszeit, Herr Bürgermeister von Beust, begann mit Ronald Barnabas Schill und Sie wären ohne ihn nie Bürgermeister geworden. Er hätte allerdings ohne Ihre Duldung auch nicht die Bühne für seine Provokationen bekommen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)