Wie wollen Sie eigentlich den berufstätigen Eltern von Kindern noch unter die Augen treten? Gestern haben Sie bei der frauenpolitischen Debatte versucht, sich mit Büttenreden irgendwie davonzuretten, Herr Frühauf ist vor Schreck nach hinten gelaufen. Aber heute geht es um konkrete Politik, wo Sie zeigen können, ob Sie etwas dafür tun, Beruf und Familie zu vereinbaren, oder ob Sie in Hamburg das Rad zurückdrehen wollen, und Letzteres passiert.
Ich verrate Ihnen auch gleich das nächste Problem, das auf der Tagesordnung steht. Es fehlen Ganztagsplätze für Kinder mit Sprachförderbedarf. Die haben Sie überhaupt nicht auf der Rechnung, weil Sie im Zuge der Einführung des Kita-Gutscheinsystems Ganztagsplätze in sozialen Brennpunkten abgebaut haben. Inzwischen haben Sie aber eine Sprachstandserhebung für Viereinhalbjährige eingeführt. Wenn bei Kindern jetzt der Sprachförderbedarf festgestellt wird, bekommen aber nur die Kinder einen Ganztagsplatz, die bisher gar nicht im System sind. Das ist aber nicht die übergroße Mehrheit, da wir einen Versorgungsgrad von 95 Prozent haben. Das heißt, erst haben Sie den Kindern die Ganztagsplätze weggenommen, dann machen Sie eine Sprachstandserhebung, es wird Förderbedarf festgestellt und dann passiert gar nichts. Können Sie sich klarmachen, was das eigentlich für betroffene Eltern bedeutet, denen gesagt wird, ihr Kind hat jetzt eben weniger Zeit in der Kita, wir haben zwar festgestellt, dass dringend Sprachförderbedarf besteht, aber wir können leider nichts für Sie tun. Das ist zurzeit die Praxis in vielen sozialen Brennpunkten in Hamburg und das ist skandalös.
Dieses Problem ist nicht gelöst und wird Ihnen als Nächstes um die Ohren fliegen, Herr Soltau. Und was Sie eben zur vorläufigen Haushaltsführung gesagt haben, wo man keine Beschlüsse mehr fassen könne, wenn diese Maßstäbe gelten würden, dann hätten Sie hier eine andere Drucksache vorlegen sollen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Die Alternative zu dieser Politik steht heute auch auf der Tagesordnung. 170 000 Hamburgerinnen und Hamburger haben sich im Rahmen eines Volksbegehrens für mehr Kita-Plätze in Hamburg eingesetzt. Diese Forderung steht heute zur Abstimmung. Stimmen Sie zu, gewähren Sie endlich die Hamburger Garantie und beenden Sie das Chaos, indem Sie den Platz frei machen für mehr Kita-Plätze in Hamburg. Anders wird es keinen Ausweg aus dieser Krise geben.
Wenn Sie heute nicht zustimmen, dann werden die Hamburgerinnen und Hamburger am 29. Februar entscheiden, ob sie einen Bürgermeister wollen, der einen Aufbruch in Familien- und Bildungspolitik will oder einen Bürgermeister, dem das gleichgültig ist. 170 000 haben bereits unterschrieben und ich bin sicher, am 29. Februar werden mehr Menschen für eine familienfreundliche Politik in Hamburg stimmen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Ernst, Sie haben in Ihrer Rede von Wahllügen gesprochen. Den Begriff „Wahllügen“ werde ich noch einmal aufnehmen und nehme ganz am Anfang Ihre Formulierung auf – in Anführungszeichen –: und wieder 40 Millionen Euro, die im Kita-Chaos versenkt werden. Dann haben Sie die Drucksache nicht richtig
verstanden, Sie können mit diesen 40 Millionen Euro heute Folgendes leisten. Sie können den Familien, den berufstätigen Eltern, die Kinder haben, im Hort und Elementarbereich eine Kindertagesbetreuung ab 1. August oder ab 1. April garantieren; das ist Inhalt dieser Drucksache.
Die Übergangszeiten für Arbeitslose, für Familien oder für Eltern, die arbeitslos geworden sind, werden von vier auf zwölf Monate verlängert; auch das steht in dieser Drucksache. Insoweit ist es keine Wahllüge, sondern – Sie haben die Drucksache gelesen – es ist tatsächlich ein Riesenschritt für den Kita-Bereich, den wir jetzt leisten.
Wir haben, vorsichtig formuliert, das heißt, alle Vertreter der Regierungsfraktionen haben immer wieder gesagt, dass es nicht einfach ist, dass es viele Probleme gab, die man sicherlich im Vorwege hätte besser lösen können; da stimme ich auch den Kritikpunkten zu.
Was wir heute aber haben, ist tatsächlich der erste und weitestgehende Schritt in eine neue Richtung der Kindertagesbetreuung in Hamburg. Dass die berufstätigen Eltern in dieser Stadt, die Kinder ab drei Jahren haben, ab 1. April beziehungsweise 1. August tatsächlich eine Kindertagesbetreuung haben, hat es in Hamburg noch nicht gegeben und gibt es nicht in der Bundesrepublik Deutschland. Das ist neu und das wird mit dieser Drucksache geschaffen.
Das Problem war im Übrigen bei der Einführung des KitaGutscheinsystems in erster Linie, dass wir natürlich ein sehr steiniges und sehr sandiges Fundament übernommen haben, das Sie uns hinterlassen haben. Dass vieles von dem, was jetzt im Kita-Gutscheinsystem und im KitaBereich investiert wurde, Lücken schließen musste, ist richtig. Wir hätten uns auch gewünscht, dass sich die ersten positiven Prozesse früher entwickelt hätten. Aber leider mussten wir erst einmal das übernehmen und ausgleichen, was Sie uns hinterlassen haben.
Ich möchte noch zwei, drei deutliche Sätze zur Debatte und zu dem Vorwurf sagen, dass wir im Krippenbereich abbauen. Nach wie vor ist es CDU-Position, dass das Angebot im Krippenbereich für die jungen Familien in dieser Stadt mit Kindern bis zum Alter von drei Jahren wichtig ist. Viele Mütter und Väter entscheiden sich für eine Tagesmutter, das ist deren Entscheidung. Viele Mütter und Väter entscheiden sich auch für die Erziehung in den ersten drei Jahren zu Hause. Es gibt viele Mütter und Väter, die sich für einen Krippenplatz entscheiden. Da hat jede Familie ihr Recht und wir als CDU sagen ganz klar: Mit uns wird es im Krippenbereich keinen Abbau der Plätze geben. Das sei an dieser Stelle noch einmal deutlich gesagt.
Wir haben durchaus zur Kenntnis genommen, dass in den letzten sieben Monaten kein Gutschein im Bereich Priorität 5 – Berufstätigkeit im Krippenbereich – herausgegangen ist. Wir sagen ganz ehrlich und offen, das ist ein Manko und das ist ein Fehler. Wir wollen einen Standard im Krippenbereich halten, wir bauen heute den
Hortbereich und den Elementarbereich aus und dann werden wir den Standard im Krippenbereich auch halten.
(Erhard Pumm SPD: Nun hauen Sie mal Ihren Ko- alitionspartner nicht so in die Pfanne! Schulter- schluss!)
Jetzt zur Alternative der SPD, die Sie hier so schön dargestellt haben, doch zwischen dem und dem zu wählen. Was steht denn im Volksbegehren drin? Was kann ich als potenzieller Berufstätiger mit Kindern mir denn bei Ihrer Alternative vorstellen? Da steht drin, dass Sie zum 1. Januar 2006 schrittweise einen Rechtsanspruch auf eine Kindertagesbetreuung für Berufstätige einführen wollen. Wir beschließen heute die Einführung zum 1. April 2004 beziehungsweise zum 1. August 2004 für Berufstätige im Elementar- und Hortbereich und Sie stellen Ihre Alternative vor und sagen, ab dem 1. Januar 2006. Das sind zwei Jahre später, das ist keine Planungssicherheit für Familien. Was heute von uns beschlossen wird, gibt Planungssicherheit, aber nicht Ihre Alternative.
In Ihrer Initiative steht, dass Sie Sprachförderung unterstützen und ausbauen wollen. Was haben wir denn in den letzten zwei Jahren gemacht? Wir haben die Sprachstandserhebung eingeführt, wir haben zwei Millionen Euro in die Sprachförderung gesteckt, wir haben bei der Erzieherinnenausbildung dafür gesorgt, dass der Anteil der Sprachförderung oder der Ausbildungselemente Sprachförderung erhöht wird. Wir haben die Kooperation zwischen Kitas und den Grundschulen entwickelt und mittlerweile nehmen über 100 Grundschulen an dieser Kooperation teil. Das ist Sprachförderung, die es bereits in dieser Form gibt, dafür brauchen wir Ihre Alternative nicht.
Sie haben in Ihrer Alternative geschrieben, dass Sie die Erzieherinnenausbildung verbessern wollen. Das haben wir doch schon gemacht, wir sind doch schon schrittweise auf diesem Weg. Wir können uns für die Zukunft vieles vorstellen, das muss besser werden, das ist klar, aber insoweit sehe ich da keinen großen Unterschied.
Und dann ist bei Ihnen nicht ganz deutlich geworden, was Sie denn jetzt eigentlich wollen. Sie haben die Initiative als Riesenkampagne aufgebaut. Dann kam ein Plakat heraus mit dem Slogan: Wir schaffen 18 000 Kita-Plätze. Dann war zu lesen, dass der Krippenbereich auf einmal auf 35 Prozent ausgebaut werden soll. Das ist, um die Debatte von gestern noch einmal aufzugreifen, der Katalog der Wünsche. Allerdings frage ich mich ernsthaft, wie Sie das finanzieren wollen.
Ich komme zu Ihren Finanzierungsvorschlägen. Was haben wir denn da in der Vergangenheit gehört? Wir haben immer wieder insistiert, Herr Böwer, Frau Ernst, und gefragt, woher das Geld komme; Sie haben es jetzt gesagt. Als Erstes stehen da 45 Millionen Euro von der Bundesregierung. Schauen Sie einmal im Bundeshaushalt der Finanzen nach und zeigen mir, wo diese 45 Millionen Euro im Haushalt eingestellt sind. Sie finden diese 45 Millionen Euro nicht, weil sie nicht existieren, und Sie werden auch nicht 2004 existieren. Diese 45 Millionen Euro – Klammer auf: Investitionen – sind gekoppelt an die Einsparungen von Hartz IV. Da frage ich mich,
welche Einsparungen von Hartz IV Sie denn meinen. Das heißt, wenn überhaupt Geld von der Bundesregierung kommt, dann zum April 2005. Aber da Sie eh schon die Perspektive 2005/2006 haben, liegt das ja in Ihrer Terminleiste, die Sie einhalten wollen. Diese 45 Millionen Euro sind nicht im Haushalt eingestellt und es ist mehr als zweifelhaft, ob sie jemals kommen. Wahrscheinlich wird kein Cent kommen, jedenfalls nicht, solange diese Bundesregierung weiter daran arbeitet; also Mogelpackung Nummer eins.
Zweiter Punkt. Ich habe von vielen gehört, es gäbe Möglichkeiten im Bereich Hilfen zur Erziehung, da müsse man herangehen, da könne man etwas schaffen. Das ist ja höchst interessant, Professor Bernzen kommt aus dem Gebiet, der kennt die Hilfen zur Erziehung und weiß, dass es einen Rechtsanspruch gibt. Er weiß, wie schwierig die Finanzierung der Hilfen zur Erziehung ist. Wir selber haben im Bereich Hilfen zur Erziehung umgeschichtet und es war schon mühselig und sensibel genug, 4 Millionen Euro aus diesem Bereich in den Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit umzuschichten. Sie wollen Millionen Euro aus dem Bereich Hilfen zur Erziehung nehmen. Da würde ich Ihnen empfehlen, einmal mit Professor Bernzen zu sprechen. Der wird Sie davor warnen, dieses zu tun. Das heißt, auch dieses ist gar nicht finanzierbar; zweite Mogelpackung.
Dann habe ich ganz aktuell von Personalabbau gehört, Pensionierungswelle, es werde Personal abgebaut, da ließen sich neue Kapazitäten entwickeln. Ich versuche einmal, das leicht verständlich zu rechnen. Wenn man von der viel zu gering veranschlagten Summe – Herr Dr. Maier wird das bestätigen können, er hat seine Fraktion finanztechnisch im Griff – nur einmal 30 Millionen Euro nimmt, dann sind das umgerechnet 600 Ganzzeitstellen im Personalbereich. Dann kann man natürlich lange spekulieren, welchen Kostenansatz Sie für eine Kindertagesbetreuung nehmen, ist er zu tief angesetzt, will man ihn noch erhöhen? Nimmt man dann noch das Programm der Ganztagsschulen von Frau Ernst dazu, kommen wir möglicherweise auf einen Höchstbetrag von 108 Millionen Euro und die wollen Sie über Personalreduzierung ausgleichen. Das sind ungefähr knapp 2000 Stellen. Die Behörde für Wirtschaft und Arbeit hat 2193 Stellen. Wollen Sie die Behörde für Wirtschaft und Arbeit abschaffen? Dann sagen Sie das, stellen Sie sich hierhin, Frau Ernst, sagen Sie, sie wollen diese 2000 Stellen so schaffen. Also dieses Konzept kann überhaupt nicht aufgehen; nächste Mogelpackung.
Dann war zu lesen – ich habe Herrn Böwer heute dafür gelobt, dass er ein Fass aufgemacht hat, das wir uns nie getraut hätten –, die Behörde habe mit den Trägern verhandelt und ein Ergebnis erzielt. Die Träger haben damals gesagt, sie brauchen mehr Geld, um die Standards zu halten, um die Risiken abzusichern und, und, und. Das Ergebnis war schriftlich festgehalten. Wir hätten dies also niemals wagen können, weil wir sagen, wenn die Träger uns garantieren, dass sie das Geld brauchen, dann ist das wichtig für die Kindertagesbetreuung in Hamburg.
Ich danke Herrn Böwer, dass er anscheinend die Diskussion mit den Trägern geführt hat, wie heute zu lesen war. Dann scheint wohl auch bei den Trägern eine gewisse Bereitschaft vorhanden zu sein, unter Umständen auf 25 Millionen Euro zu verzichten. Herr Böwer, ich weiß nicht, ob sich die Träger darauf einlassen werden, und ich
weiß nicht, ob es etwas früh war, das bereits in die Öffentlichkeit zu tragen, und wenn überhaupt, dann sind es 25 Millionen Euro. Das würde bei weitem nicht reichen, Ihr Programm zu finanzieren.
Kommen wir zum letzten Punkt – auch das war permanent zu hören –, was denn mit den Umschichtungen sei. Übrigens steht auch im Papier der Initiative, dass wir 50 Millionen Euro brauchen. Bei einer guten Haushaltsführung ist das durchaus machbar. Dieser Deckungsvorschlag hat schon etwas.
Bleiben wir bei diesen Umschichtungen aus dem Haushalt. Bis heute haben Sie nicht gesagt, woher Sie das Geld nehmen wollen. Ich habe Beispiele genannt, Hilfen zur Erziehung und, und, und. Diese Finanzierungsbereiche sind alle nicht möglich, nicht in dieser Größenordnung. Das heißt, Sie haben bis heute kein gesichertes Finanzierungskonzept, Sie plakatieren 18 000 KitaPlätze, die Sie schaffen wollen, Sie sagen, der Krippenbereich werde ausgebaut. All das ist in keiner Weise auch nur einigermaßen seriös finanziert und dafür bürgt Herr Mirow? Das kann ich mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen, ich habe heute das Interview mit ihm gelesen.
Wenn der Mann wüsste, was auf ihn zukommt, dann würde er noch einmal mit einigen Kollegen Ihrer Fraktion sprechen.
Zum Schluss bleibt die Frage, was wir denn eigentlich in den letzten zwei Jahren gemacht haben. Es wird viel von Chaos gesprochen. Gut, vieles lief nicht rund, vieles hätten wir uns anders vorstellen können, hätten wir auch unter Umständen anders hinkriegen können. Aber wir haben einen Wahnsinnsschritt im Kita-Bereich gemacht.
Im Übrigen nur einmal am Rande, um einen Bereich herauszugreifen. Wir haben damals den Kita-Bereich aus der Sozialbehörde in die Bildungsbehörde verlagert. Es gab einen Aufschrei bei der SPD, wie könnt ihr das machen, die Kindertagesbetreuung muss in der Sozialbehörde bleiben, die Kindertagesbetreuung gehört fachlich und inhaltlich in den sozialen Bereich und muss in dieser Behörde bleiben. Als Kronzeuge der SPD trat dann ein gewisser Professor Bernzen auf. Der hat das noch einmal ganz klar untermauert und gesagt, das sei fachlich und inhaltlich so, das müsse in der Sozialbehörde bleiben. Nun wird der gemeine Sozialdemokrat denken, Professor Bernzen, Bernzen, Bernzen
richtig –, der ist doch kompetent. Nein, der ist im Kompetenzteam, aber deswegen ist er noch lange nicht kompetent.