Ich sage einfach mal – das ist vielleicht für Sie alle sehr viel konkreter, als würde ich das aus SPD-Sicht kritisieren –, die Filmbranche dieser Stadt kritisiert, dass Sie die Filmförderung zurückführen, und sie kritisiert es mit Recht.
Es gibt auch eine ganze Reihe anderer Punkte, die von Menschen in dieser Stadt und nicht etwa von den Oppositionsfraktionen kritisiert werden. Es ist sogar so, wenn ich die Presse täglich gelesen habe, dass es – ich wende mich an die CDU – auch einige verquälte Stellungnahmen von CDU-Abgeordneten gab, was Drogenpolitik oder Stadtteilkultur oder auch Einsparungen im sozialen Bereich betraf.
Die kann ich alle sehr gut verstehen, weil auch sie feststellen müssen, dass in Bereichen eingespart wird, für die sie sich – genauso wie wir – jahrelang eingesetzt haben, manchmal sogar gegen uns, weil wir da gespart haben. Insofern gehe ich einmal davon aus und wünsche es sogar, dass wir über das, was Sie da an Umschichtungen vorgenommen haben, noch eine konstruktive Diskussion in dieser Stadt und in diesem Parlament bekommen. Die ist, glaube ich, notwendig. Sie könnte dem Haushalt dieser Stadt, ganz gleich, ob wir da in Opposition oder Regierung aufeinander treffen, eher nützen und ihn verbessern.
Meine Damen und Herren! Ich komme auf einen Punkt, der mir eigentlich der wichtigste bei der Diskussion um diesen Haushalt ist. Ich habe eingangs gesagt, der Haushalt des Jahres 2002 bringt keinen einzigen Konsolidierungsbeitrag. Senator Peiner hat für den Senat angekündigt, dass der Haushalt der Freien und Hansestadt Hamburg im Jahr 2004 konsolidiert sein soll, ohne weitere Defizitbegleichungen durch Unternehmensverkäufe oder Vermögensveräußerungen. Dazu braucht man eine Strategie und diese Strategie ist ziemlich schwierig. Es gibt keinen Königsweg. Insofern lohnt es sich, dass wir darüber streiten, und ich beginne den Streit dann auch heute.
Es gibt Presseverlautbarungen der CDU, in der sie ausführt, dass in den nächsten Jahren ein hartes Konsolidierungsprogramm mit Einsparungen bis zu 3 Prozent per Jahr gefahren werden muss, um den Haushalt der Freien und Hansestadt Hamburg bis zum Jahr 2004 zu sanieren. Da ich nicht in Zeiten ausgebildet worden bin, als die PISA-Studie schon relevant war,
kann ich ziemlich gut kopfrechnen. Ich gehe einmal davon aus, dass Sie es auch können. Das bedeutet, wenn wir ab dem Jahr 2003 dreiprozentige Absenkungen auf den gesamten Betriebshaushalt dieser Stadt machen, der über 8 Milliarden Euro beträgt, dass wir bei einem Minimum von 240 Millionen Euro per Jahr sind, die eingespart werden müssen. Wenn wir die Obergrenze dessen nehmen, was wir von Dr. Freytag über seine Verlautbarungen lesen konnten, sind es 5 Prozent, dann sind es 400 Millionen Euro per Jahr. Wenn ich Ihre politischen Versprechen und Ansagen, die Sie bisher gesagt haben, ernst nehme, nämlich dass Sie im Bereich Justiz, Inneres, Wissenschaft und Schule nicht sparen wollen, dann müssen die anderen Behörden diese Einsparbeiträge erbringen. Das bedeutet, wenn Sie das weiter im Kopf rechnen oder in den Haushaltsplan sehen, dass auf die einzelnen Behörden ab dem Jahr 2003 Einsparquoten von 7 bis 11 Prozent in ihren Betriebsausgaben zukommen. Das hat es noch nie gegeben. Das ist eine Herausforderung, die noch keine Verwaltung in den letzten acht Jahren Konsolidierungsprogramm in dieser Art und Weise bestanden hat. Hinzu kommt, dass wir eine Vorbelastung des Haushalts 2003 durch die nicht abgedeckten Defizite des Jahres 2001 haben werden. Die sind auch noch da und betragen 270 Millionen DM oder
130 Millionen Euro. Wenn Sie also bis zum Jahr 2004 einen konsolidierten Haushalt haben wollen, müssen Sie bis zwischen 2003 und 2004 800 Millionen DM oder 400 Millionen Euro Minimum an Konsolidierungsleistung bringen, in circa 16 Monaten.
Ich frage mich, wie Sie das machen wollen. Es bedeutet auch, dass Sie zu diesem Zeitpunkt die Masse des Vermögens, das Sie im Zweifel veräußern wollen, veräußern müssen. Wir waren uns doch alle einig, dass das nicht fiskalisch geschehen sollte, nicht einfach so, sondern strategisch und so, dass der Preis für die Stadt gut ist und die Preise dadurch nicht verfallen.
Was ich Ihnen damit sagen will, ist: Weil Sie in diesem Jahr überhaupt nichts tun, weil Sie sich in einem Wahljahr ausruhen – und ich füge fairerweise hinzu, weil Sie als neue Regierung vielleicht in diesem Jahr auch Schwierigkeiten haben, etwas zu tun –, laufen wir auf einen finanzpolitischen Bruchtest im Jahr 2003 zu. Das ist deshalb ein Bruchtest, weil es so etwas noch niemals gegeben hat. Es ist fast ein Crash. Zu behaupten, man könne das mit Rationalität steuern, ist äußerst gewagt. Wenn Sie das schaffen würden, Hut ab. Bisher hat es niemand geschafft.
Meine Damen und Herren, ich füge hinzu, es geht nicht um Zahlen. Finanzpolitiker sind ja nicht nur Buchhalter, Finanzpolitik dient der Finanzierung von Politik. 800 Millionen DM oder 400 Millionen Euro in knapp zwei Jahren herunterzuholen, ist auch ein gesellschaftspolitisches Crashprogramm. Das bedeutet ungeheuer viel für so eine Stadt und damit hat man die größten Schwierigkeiten; das ist im Augenblick gar nicht vorstellbar. Deshalb fordere ich Sie auf, noch einmal zu durchdenken, was Sie gesagt haben und was Sie vorhaben, denn es ist kaum machbar. Es wird die Politik dieser Stadt nicht nur enorm durcheinander wirbeln, es wird riesige Probleme auslösen. Finanzpolitik ist verpflichtet, einerseits die Finanzierung des Staatshaushaltes sicherzustellen und andererseits die soziale Integration einer Gesellschaft nicht nur zu finanzieren, sondern auch herzustellen.
Insofern ist heute viel gesagt worden, aber dahinter steht eigentlich eine finanzpolitische Problemlage, die so dramatisch ist, wie sie selten in dieser Stadt war. Sie lässt sich auch nicht mit verschiedensten Kommissionen, die Einsparmöglichkeiten finden sollen, schönreden. Es gelingt auch nicht damit, dass wir sagen, wir müssen den Mut dazu haben, es zu tun und trotzdem zu gestalten. Meine Damen und Herren von der Koalition, es geht um Mut, aber der erste Mut, den Sie haben müssen, ist, dieser Stadt offen zu sagen: Ja, wir haben ein strukturelles Einnahmeproblem und das bedeutet, dass die Politik dieser Stadt kaum noch handlungsfähig ist. Wir werden es erstens zugestehen, zugeben müssen, dass unsere Wahlversprechen und vieles von dem, was wir vorher gesagt haben, damit hinfällig sind, und zweitens werden wir versuchen, es sozialverträglich zu lösen. Bisher haben Sie aber nur gesagt, dass die Lage aufgrund der Verschuldung der alten Regierung so dramatisch ist, dass nichts mehr geht, Sie jedoch nicht schuld daran seien. Es geht nicht um Schuld, sondern darum, dass wir dieser Stadt einen Weg zeigen. Das ist das, was wir alle zu tun haben.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Kreditaufnahme erhöht. Sie haben keine Bestandsfinanzierungen für mehr Personal durchgeführt, was Sie aber versprochen haben.
Seit gestern wissen wir, dass Sie die erste Tranche der Flughafenoption ziehen. Sie benutzen sie nicht zur Kreditabsenkung, sondern um das Defizit für den Haushalt 2002 mitzufinanzieren. Sie haben alles, was Sie früher über Finanzpolitik gesagt haben, über Bord geworfen. Das müssen Sie selbst verantworten. Wenn Sie dabei zu einer pragmatischen Politik finden, werden wir Sie unterstützen. Wenn Sie eine vertretbare stufenweise Konsolidierung des Haushalts, eine wirkliche Strategie vorlegen, werden wir bei Ihnen sein, unabhängig von der Kritik politischer Inhalte im Einzelfall. So aber, muss ich ausdrücklich sagen, braucht der Haushalt dieser Stadt eine Nachbesserung. Dazu haben wir noch bis zum 15. April Zeit und ich fordere Sie auf, diese Zeit mit einer konstruktiven Debatte über die Zukunft und deren Finanzierung in Hamburg gemeinsam zu nutzen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Zuckerer, Sie haben starke Worte gebraucht und ich habe in den letzten Tagen auch starke Worte in den Medien oder im Ausschuss von der GAL-Fraktion gehört.
Bemerkenswert ist, Herr Zuckerer, dass Sie ein strukturelles Defizit von 400 Millionen Euro pro Jahr voraussagen, verbunden mit der Aussage, dass das die rotgrüne Regierung in Berlin zu verantworten habe. Recht haben Sie. Das ist aber auch verbunden mit der Aussage, dass nur die Regierung in Berlin das zu verantworten habe und nicht wir hier in Hamburg, nämlich die, die vor uns an der Regierung waren; aber das ist doch falsch.
Ich denke noch einmal eineinhalb Jahre zurück, an den großen Wurf der Steuerreform. Den Medien war zu entnehmen, dass der Kanzler für eine Steuerreform, wie sie nie zuvor gewagt worden ist, gefeiert wurde. Es erhoben sich die mahnenden Finger von einigen Wirtschaftsweisen und unionsregierten Ländern – unter anderem auch der des jetzigen Kanzlerkandidaten –, die gesagt haben: Wenn ihr dieses so macht, wird es zu ganz erheblichen Steuerausfällen in den Kommunen und Ländern kommen.
Freudig erregt hat die Hamburger Regierung, die zu dem gleichen Zeitpunkt die damalige Opposition aufgefordert hat, ein Bündnis in der Steuerpolitik für Hamburg mitzutragen und mitzugestalten – was wir auch getan haben –, über diese Steuerreform mitgejubelt. Es ist eine Steuerreform, bei der sich jetzt herausstellt, dass es das Milliardendesaster der rotgrünen Steuerreform in Berlin ist; darüber gibt es sogar einen „Spiegel“-Artikel. Das hat man hier auch gesehen oder wollen Sie sagen, dass wir hier in Hamburg keine Steuerfachleute haben?
Gucken Sie doch mal in die Bundesratsprotokolle. Ich habe es zu der Zeit nicht gemacht, Dr. Freytag hat es gemacht; und er hat auch auf diese Dinge hingewiesen.
Meine Damen und Herren, Sie können nicht so tun, als ob Rotgrün in Berlin nicht an der Regierung ist; sie sind doch noch in der Regierung. Wenn ich mir ansehe, dass Länder und Gemeinden durch diese Steuerreform 13,6 Milliarden bis 14 Milliarden Euro verlieren werden – selbst Sie von der
Opposition prognostizieren das strukturelle Defizit –, bitte ich Sie, Ihren Einfluss in Berlin zum Wohle Hamburgs geltend zu machen, damit nicht das eintritt, was Senator Peiner befürchtet, dass man nämlich nichts mehr tut. Machen Sie denen in Berlin Beine zum Wohle Hamburgs.
Wenn man in diesen Zeiten, die nicht einfach sind, einfach die Lichter reduziert oder das Licht dimmt, sendet man das Signal nach draußen: Da ist nichts mehr los, die resignieren. Jammern hilft nichts. Trotz dieser Lage müssen Leuchttürme – Türme, die leuchten – in dieser Stadt gesetzt werden. Denn wenn Licht da ist, zieht das auch andere an. Das ist das Neue, das Andere.
Herr Zuckerer, was Sie vermissen, will ich Ihnen erklären. Es werden Zeichen gesetzt. Im Gegensatz zu der Steuerreform für die Größtunternehmen, die wir in Berlin gehabt haben, wollen wir die, die über die Steuerreform vergessen wurden, nämlich den Mittelstand, mit diesen 50 Millionen Euro fördern. Wir wollen sie nicht alleine lassen, sondern gedanklich ein Zeichen setzen, dass in dieser Stadt etwas passiert, und nicht nur überlegen, wie wir Einkommensempfängern am besten mit Transferhilfe helfen können. Wir wollen sehen, dass es in dieser Stadt weiter geht.
Wir wollen den Bürgern sagen, dass der Staat sie ernst nimmt. Deshalb werden im Bereich der Sicherheit, der Justiz und der Bildung Zeichen gesetzt, die in die Zukunft weisen. Das ist eine Haushaltspolitik, die in die Zukunft weist.
Man kann sich natürlich fragen, Herr Zuckerer, ob es richtig ist, die Neuverschuldung jetzt zu erhöhen und Vermögenswerte erst nach reiflicher Überlegung zu veräußern. Ich bin der Auffassung, dass es gut ist, wenn man überlegt.
Meine Damen und Herren, Diskussionen über Vermögensveräußerungen in der Öffentlichkeit, in einem öffentlichen Haushaltsausschuss, bei allem Respekt, Herr Zuckerer, aber das drückt den Preis. Wenn ich öffentlich auf einem Markt diskutiere, welche Unternehmen ich wie verkaufen will, dann drückt das den Preis.
Ein Wort noch zur Schuldenlegende. Herr Zuckerer, ein großes Kompliment an Sie für diese Rede, die manche Dinge in Teilbereichen schonungslos aufgedeckt hat. Übrigens auch ein Kompliment an Senator a.D. Dr. Mirow, der vor drei Tagen in einer Rede diese Dinge zu ähnlichen Problemen schonungslos dargestellt hat. Mein Kompliment an Sie und an Dr. Mirow. Nur ist es noch keine 100 Tage her, wo man Gelegenheit gehabt hätte, diese Dinge alle auch so zu sagen. Ich frage mich nun, warum das nicht geschehen ist. Ob die Schuldenlegende wirklich so eine Legende ist, ist hier nicht so deutlich gesagt worden. Gucken Sie in die Medienberichte von vor einem halben Jahr, darin steht, dass die Finanzsenatorin ganz stolz darauf ist, was sie geleistet hat, nämlich einen ausgeglichenen Haushalt.
Meine Damen und Herren, Sie haben es doch schon gewusst, dass dieser Schuldenberg, dieses strukturelle Problem, auf uns zukommt.
im Bewusstsein dessen, dass diese strukturellen Probleme auf Hamburg zukommen, und das halte ich für fahrlässig. Wer so etwas tut, darf nicht sagen: Weil wir in einem Wahljahr sind, tun wir nichts.