Protokoll der Sitzung vom 20.02.2002

Es geht nicht einfach darum, möglichst viel zu erfahren und Daten zu sammeln, sondern es geht um das existenzielle Interesse von Kindern, Allergikern, Diabetikern und auch von Alkoholikern. Es muss genau in Erfahrung gebracht werden können, was in den Produkten enthalten ist. Das muss von vornherein und nicht erst auf Nachfrage geschehen. Es muss klar sein, an welcher Stelle man diese Informationen abfragen kann. Dieses Gesetz brauchen wir wirklich dringend, denn Gesundheit wiegt schwerer als Datenschutz aus Profitgründen.

Wir werden den vorliegenden Antrag unterstützen, der aus unserer Sicht dazu beiträgt, die Verbrauchermacht zu stärken und die Sicherheit für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu erhöhen. Ich bitte auch die Abgeordneten von der rechten Seite dieses Hauses, den Antrag zu unterstützen,

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Was ist mit der Mitte? – Gegenruf von Uwe Grund SPD: Die Mitte ist ja rot!)

denn diese Forderungen nützen Hamburg insgesamt. Wir sollten nicht den Fehler machen wie Bayern. Dort hat die CSU, um ihren Stoiber zu schützen, einen tollen Antrag zum bayerischen BSE-Skandal beschlossen: Ein Minister, der ein halbes Jahr geschlampt hat, sei diese Sache schnell, energisch und konsequent angegangen, findet die CSU. Im Übrigen sei darauf zu achten, dass die Fleischpreise gesichert bleiben. – Danke.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Alsdann wünscht das Wort die Abgeordnete Gienow.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die kürzlich aufgetauchten falschen BSE-Tests haben wieder gezeigt: Verbraucherschutz ist ein hohes Gut und wird in der politischen Prioritätsliste in der Zukunft sicherlich sehr oben angesiedelt sein.

(Christian Maaß GAL: Nur nicht in Hamburg!)

Warten Sie mal ab.

Verbraucherschutz ist nicht nur auf Lebensmittel – das hat mein Vorredner schon gesagt – und auf Agrarpolitik beschränkt, sondern tangiert so ziemlich alle Bereiche des täglichen Lebens und alle Schichten der Bevölkerung.

Die Emotionen schlugen hoch, als vor gut einem Jahr im November in Schleswig-Holstein der erste BSE-Fall auftauchte und die Verbraucher hochgradig verunsichert waren.

(Vizepräsident Peter Paul Müller übernimmt den Vorsitz.)

Diejenigen, die in der 16. Legislaturperiode im Parlament gesessen haben, wissen das viel besser als ich, die das nur nachlesen konnte, dass sich alle Fraktionen sehr intensiv mit diesem Thema beschäftigt haben. Es wurden Anträge und Anfragen eingebracht, zum Beispiel Schutzmaßnahmen gegen BSE – ich glaube, das hat Frau Brinkmann von der SPD getan – oder Futtermittelkontrollen – das habe ich gelesen – von Herrn Reinert gefordert.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, denn die Ängste und Bedenken verschwanden schnell. Der Appetit auf Rindfleisch kam wieder. Ich möchte nur zwei Zahlen nennen: Im ersten Quartal 2001 ging der Rindfleischverbrauch um 70 Prozent und im Dezember nur noch um 5 bis 10 Prozent zurück. Das heißt, unsere wunderbare Fähigkeit, negative Dinge zu verdrängen, hat im Fall von BSE bundesweit sehr gut funktioniert, wären nicht plötzlich die schlampigen BSE-Tests wieder aufgetreten, sodass uns klar wird, dass die BSE-Gefahr latent immer vorhanden ist.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Es sind nun erste Stimmen – zum Beispiel von der nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsministerin Frau Höhn – laut geworden, die staatlich verordneten Tests durch private Labors generell abzuschaffen; genau das halte ich für verfehlt,

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

wir sollten auf keinen Fall Verbraucherängste schüren.

Wie sieht die Situation in Hamburg aus? Wir hörten schon, dass das Artus Institut GmbH und das NATEC Institut SGS bei regelmäßiger staatlicher Kontrolle Hervorragendes

(Jenspeter Rosenfeldt SPD)

geleistet und ordentlich gearbeitet haben. Die kürzlich zusätzlich noch einmal erfolgte Kontrolle hat gezeigt, nachdem der erste Skandal in Bayern aufgetreten war, dass alles okay ist.

Damit komme ich zu dem Antrag, wobei ich die Ziffern 2, 3 und 4 einmal zusammenfassen möchte. Ich sehe Versäumnisse bei unserer Bundesministerin, die es nicht geschafft hat, zu Anfang ihres Amtsantritts bundeseinheitliche Standards für BSE-Testlabors herauszugeben.

(Krista Sager GAL: Das ist doch gar nicht ihre Auf- gabe! – Christian Maaß GAL: Dafür ist sie nicht zuständig!)

Dadurch erübrigt sich eigentlich schon das, was Sie unter 2., 3. und 4. gefordert haben. Immerhin haben die meisten EU-Mitgliedstaaten bundeseinheitliche Normen entwickelt.

(Zuruf von Krista Sager GAL)

Ja, nicht die spätere föderative Kontrolle.

Es wäre ihre Aufgabe gewesen, bei Amtsantritt für eine verbesserte und koordinierte Vorgehensweise bei den Lebensmittelkontrollen und insbesondere bei den BSETests zu sorgen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Ich möchte noch kurz einen anderen Punkt aufgreifen. Sie sprechen in Ihrem Antrag von den Öko-Tagen. Da stößt mir ganz kräftig etwas hoch.

In der Vergangenheit hätten Sie, als Rotgrün in der Regierungsverantwortung war, längst diese Öko-Tage in Hamburg einführen können. Sie fordern sie jetzt ein, obwohl Sie genau wissen, dass wir eine Zeit der schlanken Kassen haben.

Sie sprechen außerdem einmal von Tagen, nur kaum einer weiß, was dort gefordert wird und was Sie sich darunter vorstellen. In der Begründung dieses Antrages sprechen Sie aber nur von einer Tagung, möchten finanzielle Mittel haben und sagen nicht, was das kosten soll.

Ich sage Ihnen gleich: Dafür kann ich meine Stimme nicht geben, wenn ich zu einer Summe X meine Hand heben soll und nicht einmal weiß, was das Ganze unter dem Strich kosten wird; das lehne ich ab.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Im Gegensatz zur GAL bin ich auch dagegen, die Privatlabors eventuell zu schließen, wenn es dafür keine Gründe gibt. Ich glaube, es gibt niemanden, der etwas gegen ordentlich geführte Tests in Privatlabors haben könnte, wenn dann auch seriöse staatliche Kontrollen durchgeführt werden.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Die Bevölkerung erwartet von uns, dass die Politiker nicht so oft reagieren, sondern mehr agieren. Wir sollten uns im Rahmen einer Selbstbefassung im Ausschuss mit diesem Thema noch einmal befassen und zu Akteuren dieser wichtigen Problematik werden. Aus diesem Grunde lehnen wir den Antrag ab.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Dr. Andrea Hilgers SPD: Ja, das ist aber ein Grund!)

Das Wort hat der Abgeordnete Barth-Völkel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Verbraucher haben ein Recht auf anbieterunabhängige, wissenschaftlich gesicherte Informationen über Waren und deren Herstellung sowie über Dienstleistungen. Das sagt unserer Koalitionsvertrag, an den wir uns konsequent halten wollen.

Wir setzen uns aber dafür ein, dass beim Lebensmittelangebot Klasse statt Masse zum neuen Grundsatz werden soll. Jahrzehntelang wurde in der Landwirtschaft von der Politik – auch von Ihnen – und vom Handel auf die Steigerung großer Mengen und niedriger Preise gesetzt, die großzügig mit EU-Steuergeldern finanziert und gefördert wurde. Sie hat zuerst zu Butterbergen, Milchseen und Fleischbergen und später zur Vernichtung der Überschüsse und auch noch zur BSE-Krise geführt.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Mit der Agrarwende gilt es, gesunde und vollwertige Lebensmittel unter Schonung der natürlichen Ressourcen Boden, Wasser und Luft herzustellen. Hier sind auch wir Ihrer Meinung und wollen uns nicht verwehren. Gute Lebensmittel haben ihren Preis. Der Kunde muss selbstverständlich bereit sein, im Geschäft für bessere Produkte auch mehr Geld zu bezahlen.

Eine Abkehr von der Massentierhaltung ist auch in unserem Sinne, denn es kann nicht sein, dass einem Kalb von 150 Kilo Lebendgewicht 1,5 Quadratmeter zum Wenden zur Verfügung steht. Es kann auch nicht sein, dass durch die Züchtungen neuer Turborassen, die einen besonders hohen Ertrag bei möglichst geringer Aufwuchsgarantie erzielen, ein Irrweg industriell geprägter Landwirtschaft hervorgerufen wird.

Der effektive Verbraucherschutz ist daher wichtig. Die BSE-Krise und der Hormonskandal haben gezeigt, dass der Verbraucherschutz dringend verbessert werden muss. Neue Gütesiegel sollen auf einwandfrei hergestellte Produkte hinweisen.

Auch die Glaubwürdigkeit muss natürlich erhalten bleiben. Wir verwehren uns nicht gegen private Labors – das hat auch schon meine Vorrednerin gesagt –, sie müssen nur ordentlich kontrolliert werden.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP – Barbara Ahrons CDU: Richtig! – Rolf Kruse CDU: Genau!)

Selbst die optimistischsten Prognosen zur Agrarwende gehen nicht davon aus, dass auf absehbare Zeit alle Bauernhöfe in Deutschland auf Öko-Landwirtschaft umgestellt werden können.

Hamburg ist kein Flächenstaat, wir leben in einem Stadtstaat. Wir haben relativ wenig Eckpunkte, mit denen wir zu tun haben.

Auf jeden Fall sollten für die umstellungswilligen Betriebe und die Bio-Bauern die staatlichen Förderungen erhöht werden, aber das ist nicht unsere Angelegenheit, sondern dies sollte von Berlin ausgehen.