Protokoll der Sitzung vom 23.09.2004

Herr Neumann, wer zwei Wochen braucht, um auf eine Rede zu reagieren, dem scheint noch viel parlamentarische Erfahrung zu fehlen. Willkommen, dass Sie heute hier sind.

(Beifall bei der CDU und Buh-Rufe bei der SPD – Michael Neumann SPD: So einen miesen Auftritt habe ich selbst in meinem Beruf nicht erlebt!)

Ich wiederhole mich noch einmal: Es gibt in der Vergangenheit Hamburgs zwei Persönlichkeiten, die eine Zweimillionenstadt in den Raum gestellt haben. Das war der von mir sehr geschätzte Bürgermeister Brauer, der Anfang der Fünfzigerjahre davon redete, dass Hamburg das Potenzial für eine 2,2 Millionenstadt habe, und das war der von mir ebenfalls sehr geschätzte Bürgermeister Weichmann, der die Vision einer Zweimillionenstadt hatte. Wir alle wissen, dass diese Ziele dank der Vorgänger von Herrn Neumann nicht erreicht worden sind. Deswegen machen wir einen neuen Anlauf.

(Zurufe von der SPD)

Der Bundesdatenausschuss hat mit Recht gesagt, dass Hamburg das Potenzial einer wachsenden Stadt in Richtung – das ist die neueste Prognose – einer Einwohnerzahl von 1,8 Millionen habe. Er geht davon aus, dass es einen steigenden Wanderungsgewinn aus den neuen Bundesländern geben wird und dass wir in der Lage sind – das ist neu – den Umlandswanderungssaldo zu stoppen und geringer zu halten. Das ist auch dringend erforderlich, denn Bevölkerung und Bevölkerungsentwicklung sind wichtig zur Finanzierung der Infrastruktur, aber auch wichtig zur finanziellen Grundlage überhaupt. Hier weise ich auf das Thema Länderfinanzausgleich hin.

Wachstum muss aktiv gefördert werden. Wir haben eine Reihe von Prognosen über die künftige Entwicklung. Alles das zeigt, dass natürlich, wenn wir nichts tun, eine bestimmte Entwicklung eintritt. Das sind nun einmal die Grundelemente einer solchen Hochrechnung.

Die Grünen werden sich vielleicht dankbar daran erinnern, dass es in den Sechzigerjahren vom Club of Rome eine Rechnung über die Grenzen des Wachstums gab, in der es sehr viele Extrapolationen gab. Dankenswerterweise ist kaum eine dieser Extrapolationen eingetreten. Aber das geschah nur deshalb nicht, weil man aufgrund der Studien des Club of Rome rechtzeitig gegengesteuert hat.

Was damals die eine Entwicklung war, nämlich Grenzen des Wachstums aufzuzeigen, das ist heute unser umgekehrtes Ziel, nämlich eine Perspektive aufzuzeigen, den Menschen und ihren Kindern in dieser Stadt auch lang

fristig Arbeitsplätze und Wohnraum anzubieten und dementsprechend die Stadt zu entwickeln. Das ist der Grund, weshalb wir das Leitbild "Wachsende Stadt" entwickelt haben.

Eines der Ziele – neben dem Ausbau der Metropolfunktion, Wirtschaft und Arbeit und der Bevölkerungsentwicklung – ist auch die Qualität und die Sicherung der Lebensumstände in dieser Stadt.

(Beifall bei der CDU)

Ohne Bevölkerungszuwachs wird es nicht gehen. Deswegen haben wir auch das Thema Zuwanderung zusätzlich auf die Tagesordnung genommen, weil es neben den Themen Umlandswanderung und Wanderungsgewinn aus den neuen Bundesländern wichtig ist, dass wir uns verstärkt dem Thema Zuwanderung aus dem Ausland widmen. Deswegen ist dies auch eines der zentralen Projekte.

Ich glaube, dass wir mit einer aktiven Politik des gesteuerten Wachstums, das auch die Qualität der Stadt im Auge behält, in der Lage sind, in der Stadt ein Bevölkerungswachstum zu generieren, und zwar über die planerischen und statistischen Hochrechnungen hinaus, die heute natürlich die Grundlagen sind.

Ich bin nicht bereit, die Hochrechnungen, die es heute gibt, einfach nur als Datum hinzunehmen, sondern es ist unsere Aufgabe als verantwortliche Politiker, die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen, dass Hamburg zunehmend eine attraktive Stadt für die Menschen wird, die zu uns von draußen kommen, oder dass diejenigen, die hier leben, nicht weggehen wollen. Deswegen gibt es das Projekt "Wachsende Stadt".

Man muss aber eines feststellen: Wachstum und auch die Voraussetzungen dafür fangen in den Köpfen an. Wir alle müssen die Kräfte dieser Stadt darauf mobilisieren. Wenn wir sagen, wir wollen mehr Menschen in dieser Stadt, dann heißt das auch, dass wir Menschen hier haben wollen, die arbeiten wollen, die sich selbstständig machen und die zum Wirtschaftswachstum und zum Bruttosozialprodukt dieser Stadt mit beitragen wollen.

Deswegen haben wir uns entschlossen, den Flächennutzungsplan neu zu gestalten, denn die Grundlagen, die jetzt acht bis neun Jahre alt sind, gehen mental davon aus, dass Hamburg eine Stadt ohne ausreichendes Flächenpotenzial ist. Ich glaube, diesen mentalen Wandel müssen wir zuerst vollziehen. Wir müssen deutlich machen, dass es in Hamburg ein Flächenpotenzial gibt, mit dem wir sehr wohl mehr Wohnflächen und mehr Gewerbeflächen realisieren können. Darum sind wir dabei, das Flächenpotenzial zu definieren und danach auszuweisen.

Es stimmt schlicht nicht, dass es darum geht, Kleingärten und Grünflächen einzubetonieren. Es geht darum, dass wir mit dem Schwerpunkt Konversionsflächen neue Flächen für diese Stadt gewinnen. Wir haben in den letzten drei Jahren deutlich gemacht: Hamburg hat mit der Entwicklung von Konversationsflächen ein Potenzial, das das Wachstum dieser Stadt nachhaltig absichern kann, ob das der Hafen, die Bahn, der LBK oder ob es Kasernen sind. Neun Umnutzungspläne sind in der Realisierung, 15 befinden sich im Verfahren und 23 in der Vorplanung. Das zeigt, dass wir das Thema Konversionsflächen aktiv aufgreifen.

(Beifall bei der CDU)

Ich komme zum Flächenmanagement. Die Stadt hat schlicht zu wenig Kenntnisse über die Flächen, die ihr zur Verfügung stehen. Das liegt daran, dass öffentliche Grundstücke, Fachgrundstücke und Grundstücke der öffentlichen Unternehmen bis heute nicht systematisch und einheitlich erfasst wurden. Wir sind dabei, hierfür im Bereich der Liegenschaften eine gemeinsame Datenbank zu entwickeln, damit wir überhaupt erst einmal Zugriff auf die Flächen bekommen, die wir in dieser Stadt zur Verfügung haben.

Wir haben auch wichtige Bereiche in unserer Politik geändert. Wohnungsbau ist eben nicht nur sozialer Wohnungsbau, sondern er bedeutet vor allen Dingen auch Eigentum zu verschaffen. Unsere geänderte Erbbaurechtspolitik gibt heute Menschen, Genossenschaften, aber auch großen Wohnungsunternehmen die Chance, auf der Grundlage von Eigentum mehr für Wohnungen zu tun. Allein diese Umsteuerung sorgt für mehr Investitionen im Wohnungsbau. Das hat uns der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen immer wieder bestätigt. Natürlich nehmen wir seine Anregungen darüber hinaus auch ernst, aber wir nehmen es auch ernst, dass er dankbar dafür ist, dass wir durch die geänderte Erbbaurechtspolitik für mehr Wohninvestitionen in dieser Stadt gesorgt haben.

(Beifall bei der CDU)

Ein Weiteres ist die Verdichtung in den Zentren der Stadt. Es ist überhaupt keine Frage, dass auch dies ein wichtiges Thema und Teil unserer Flächenplanung ist. Wir sollten nur mit dem Märchen aufräumen, dass es darum geht, Natur- und Landschaftsräume zu kappen. Wir haben reichlich Kompensationsflächen in Hamburg selbst und auch im Umland. Gerade dank der Politik dieses Senats sind wir auch in der Lage, in enger Kooperation mit den Nachbarn in Schleswig-Holstein und Niedersachsen über Kompensationsflächen zu sprechen. Alles das war früher in diesem Umfange nicht möglich.

Ich kann zusammenfassend sagen: Ich bin dankbar, dass es eine Diskussion über die Bevölkerungs- und über Flächenentwicklung gibt. Sie ist in dieser Stadt notwendig, sie ist eingebettet in die Diskussion über unser Leitbild "Wachsende Stadt". Wir zeigen deutlich, dass Hamburg Flächen genug hat, um qualitativ und quantitativ zu wachsen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Lieven.

Meine Damen und Herren, Frau Hochheim! Zunächst freue ich mich, dass Ihnen die Anfrage gefallen hat. Die Anregung, sie im Fachausschuss weiter zu debattierten, wollen wir gern aufnehmen. Wir stellen den Antrag, sie nachträglich in den Fachausschuss zu überweisen, damit wir uns mit den Ergebnissen weiter auseinander setzen können. Einige Punkte, die dort auch drin sind, konnten bisher noch gar nicht angerissen werden. Es würde sich lohnen, das dort noch zu tun.

Einen Punkt möchte ich aber gern im Nachgang zu Herrn Peiner noch anschneiden und zwar hatten wir auch Fragen zum Monitoring der wachsenden Stadt gestellt, denn wir wollen uns nicht nur auf Glauben verlassen. Wir glauben nicht einfach daran, dass es so werden wird, auch

wenn wir vielleicht mit Ihnen zusammen dazu Visionen entwickeln könnten, sondern wir brauchen auch Zahlen. Wir haben in unserer Großen Anfrage danach gefragt, aber wir haben keine Antwort bekommen. Gleichzeitig entwickelt der Senat aber ein Monitoring-System für die wachsende Stadt. Das ist einerseits ein richtiger Ansatz. Man braucht harte Zahlen, um das abgleichen zu können, auch wenn Sie das Jahr 2004 als Nullmessung verwenden und die letzten drei Jahre nicht mitzählen. Da hätten Sie ja vielleicht mittlerweile auch schon erste Ergebnisse Ihrer Politik ablesen können.

Was wir nichtsdestotrotz kritisieren, ist, dass dieses Monitoring-System quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit entwickelt wird. Ich habe erfahren, dass der Zukunftsrat offensichtlich gefragt worden ist, sich daran zu beteiligen, denn dieser hat auch ein indikatorengestütztes System entwickelt, wie es auch in vielen anderen Bundesländern und von vielen Instituten mittlerweile praktiziert wird. Was aber ganz wichtig ist, wenn man über Leitbilder und eine fundierte Entwicklung diskutieren will, ist, dass es eine breite Diskussion darüber gibt, und es kann nicht so laufen, dass der Senat irgendwann darüber entscheidet, dass dieses die Indikatoren seien, jenes die Zielwerte und es dann so sein wird, sondern das muss in der Öffentlichkeit geschehen. Daran müssen die Gewerkschaften beteiligt sein, da soziale Indikatoren auch eine große Rolle spielen. In Ihrem Entwurf finden die bislang kaum Berücksichtigung. Daran müssen auch Umweltverbände beteiligt sein, damit Umweltindikatoren entsprechend berücksichtigt werden, und von mir aus natürlich auch die Kammern, damit entsprechende wirtschaftliche Indikatoren mit enthalten sind. Dann kann man zu einem wesentlich präziserem Wissen über die Entwicklung der Stadt kommen. Einen Entwurf zu diesem Monitoring-System sollten wir von daher bald vorgelegt bekommen, der es dem Parlament ermöglicht, diese Auseinandersetzung darüber zu führen.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Michael Neu- mann SPD: Endlich einmal ein guter Redner!)

Danke schön.

Herr Peiner, Sie haben mehrfach gesagt, Hamburg habe genug Flächen für seinen Bedarf. Dem können wir nur zustimmen. Wir meinen eben, dass wir auf der Basis des Flächennutzungsplanes und der Konversionsflächen alles an Entwicklungspotenzial ausschöpfen können. Wenn Sie das auch einsehen, können wir ja darauf verzichten, Landschafts-, Naturschutzgebiete und Landschaftsachsen zu bebauen. Dann würden wir für die Lebensqualität in Hamburg einen großen Schritt voran tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei GAL und der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Mir ist mitgeteilt worden, dass die GAL-Fraktion diese Drucksache an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen möchte. Wer stimmt zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich komme zu Tagesordnungspunkt 58, der Drucksache 18/860, Antrag der CDU-Fraktion: Diagnose- und Förderzentren für eine optimale Unterstützung der Sonderpädagogischen Förderung in der Primarstufe und im Vorschul

bereich in den Bereichen "Lernen", "Sprache" sowie "emotionale und soziale Entwicklung".

[Antrag der Fraktion der CDU: Diagnose- und Förderzentren für eine optimale Unterstützung der Sonderpädagogischen Förderung in der Primarstufe und im Vorschulbereich in den Bereichen "Lernen", "Sprache" sowie "emotionale und soziale Entwicklung" – Drucksache 18/860 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 18/922 ein Antrag SPD-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktion der SPD: Gemeinsam lernen in Vorschule und Grundschule – Fördern statt ausgrenzen: Grundschulen werden zu Förderzentren – Drucksache 18/922 –]

Beide Drucksachen möchte die SPD-Fraktion an den Schulausschuss überweisen. Der Abgeordnete Herr Wolfgang Beuß hat mir mitgeteilt, dass er sich wegen Überschneidung mit seiner beruflichen Tätigkeit weder an der Debatte noch an der Abstimmung beteiligen werde. Wer wünscht das Wort? – Der Abgeordnete Weinberg hat es.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ja ganz passend, dass wir da weitermachen können, wo wir gestern aufgehört haben. Wenn ich mich recht erinnere, war es Frau Goetsch, die in ihrem Wortbeitrag mit dem Zitat endete,

"Sie bekommen jedenfalls kein Blatt Papier zwischen Herrn Dr. Maier und mich".

Anatomisch will ich das nicht überprüfen,

(Antje Möller GAL: Ha, ha, ha!)

aber zumindest politisch wollen wir auf den Punkt eingehen, nämlich mit der Fragestellung, wie Sie sich heute bei diesem Antrag politisch einlassen. Ich glaube, es ist an der Zeit, bei allen sehr dezidierten Debatten, die wir führen, Grundsätze der Bildungspolitik zu bestimmen und diese auch zu definieren. Ich sage Ihnen vonseiten der CDU-Fraktion ganz deutlich, dass wir bildungspolitisch ein Ziel haben. Das wird Sie sicherlich interessieren. Vielleicht stimmen Sie mir sogar zu. Dann müssten Sie aber konsequenterweise auch dem Antrag zustimmen.

Für uns kommt es darauf an, in der Bildungspolitik die politischen Eckpfeiler zu setzen, dass alle Kinder in dieser Stadt, egal wo sie wohnen, ein nach ihrer Begabung und ihrem Förderbedarf gerechtes Angebot bekommen, das ihnen weiterhilft, den gesellschaftlichen Prozess in einer sozialen Gesellschaft fortzuentwickeln.

(Beifall bei der CDU)

Das heißt, dass die Frage zu stellen ist, ob Teile des Bildungssystems nach diesen Grundsätzen einer Chancengleichheit ausgelegt sind und so, dass es keine Ungerechtigkeit gibt. Es kann unserer Ansicht nach nicht sein, dass der Wohnort darüber entscheidet, welches Angebot man bekommt. Dass es in der Realität immer so ist, wenn man gegenüber einer Schule wohnt, ist ja klar. Aber es kann nicht sein, dass manche Kinder in Hamburg ausgeschlossen werden oder nur begrenzt an einem Bildungsangebot teilnehmen können.