Protokoll der Sitzung vom 26.05.2005

Die Bürgerschaft hat diesen Konflikt geregelt, und zwar so, dass man ab einer bestimmten Hierarchiestufe nicht gleichzeitig Abgeordneter sein kann. Das ist eine vernünftige Regelung, die zwar Härten für Einzelne gehabt hat

(Zuruf von Inge Ehlers CDU)

Frau Ehlers, in diesem Fall für einen Einzelnen; dafür haben wir noch extra eine Legislaturperiode drangehängt –,

aber, die man im Analogiefall nutzen kann, ohne dass man den kleinlichen Schritt unternimmt, tatsächlich – das ist auch lebensgeschichtlich gewachsen – das Interesse eines Menschen an seiner Berufswelt, in der er auch Kenntnisse hat, zu verdammen und darin nicht mehr tätig sein zu dürfen. Das ist unvernünftig und schwächt auch die Informationsbasis der übrigen Bürgerinnen und Bürger, wenn in einer Deputation nicht der eine oder andere Polizist aus der Innenbehörde oder der eine oder andere Lehrer aus der Schulbehörde mit dabei ist. Unkenntnis ist auch für den Bürgerblick nicht gut.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Ich sehe jetzt keine weiteren Wortmeldungen. Damit kommen wir zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 18/2155 an den Verfassungsausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig erfolgt.

Ich rufe den Punkt 42 auf, Drucksache 18/2243, Antrag der SPD-Fraktion: Neue Planungskultur entwickeln – Einrichtung einer Hamburger Stadtwerkstatt.

[Antrag der Fraktion der SPD: Neue Planungskultur entwickeln – Einrichtung einer Hamburger Stadtwerkstatt – Drucksache 18/2243 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Quast bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Interesse am Städtebau und der Gestaltung unserer Stadt ist groß. Das haben die Diskussionen in der Vergangenheit gezeigt. Die Auseinandersetzungen um Glas- oder Backsteinfassaden, um eine von Hochhäusern oder von Kirchtürmen dominierte Stadtsilhouette oder um die Konkurrenz von Hafen- und Wohnungsbauflächen haben aber alle einen gravierenden Mangel: Die Diskussion findet zumeist nur in Fachkreisen oder behördenintern statt.

Die Bürgerinnen und Bürger können sie oftmals nur über die Medien verfolgen und ihre Meinungen lediglich über Leserbriefe artikulieren. Stadtentwicklung geht aber alle an. Deshalb sollten auch alle mitreden und mit diskutieren können, wenn es um die großen Projekte und Entwicklungslinien in unserer Stadt geht.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Der Senat agiert stattdessen mit einer Stadtentwicklungspolitik von oben. Das Leitbild "Wachsende Stadt" ist den Bürgern vom Senat verordnet worden. Das kann dauerhaft so nicht funktionieren. Soll ein Leitbild die Kraft einer Zukunftsvision haben, die eine Metropole dauerhaft voranbringt, muss es gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern entwickelt werden und auf eine breite Akzeptanz stoßen.

Um die vielen großen Projekte, die Hamburg sich vorgenommen hat, tatsächlich realisieren zu können, braucht man auch den Dialog mit den Menschen in dieser Stadt. Dialog heißt, der direkte Austausch von Argumenten, das Einbeziehen von Ideen, das Abwägen und Überzeugen, um Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt zu schaffen, die schließlich für die vielen Großprojekte bezahlen sollen oder dafür sogar Einschränkungen an anderer Stelle hinnehmen müssen.

Wir wollen deshalb eine neue Planungskultur entwickeln, die offen und dialogisch ist. Offen heißt, dass sie allen Interessierten offen steht, nicht nur den Experten, Investoren oder Politikern. Bisher geschieht die Einbeziehung der Bevölkerung in die Stadtplanung bestenfalls im Rahmen von gesetzlich vorgegebenen Plandiskussionen. Das bedeutet, sie geschieht sehr spät – wenn es schon sehr konkret geworden ist – und zumeist nur mit der Wohnbevölkerung aus dem näheren Umfeld. Das allein reicht uns nicht mehr aus, weil das für eine wachsende Stadt nicht mehr zeitgemäß ist.

(Beifall bei der SPD)

Der "Sprung über die Elbe" geht nicht nur die Harburger etwas an und über Hochhäuser am Chicagoplatz wollen sicherlich auch andere als nur die Bezirksversammlung in Hamburg-Mitte mitreden. Wir wollen, dass große Projekte, Ideen und Visionen mit der ganzen Stadt diskutiert werden und sich dabei alle interessierten Hamburger direkt beteiligen, sich einbringen können und nicht darauf beschränkt sind, Leserbriefe zu schreiben. Die Hamburger sollen nicht nur informiert werden, sondern mitreden können. Sie sollen nicht nur Stadtmodelle ansehen, sondern sie sollen die Stadt modellieren können.

Wir wollen deshalb eine Institution und einen Ort schaffen, an dem Laien und Experten zusammenkommen und über die Zukunft der Stadt kommunizieren,

(Beifall bei der SPD und bei Claudius Lieven GAL)

an dem sich die Menschen informieren und ihre Ideen einbringen können, damit sie mitgenommen werden und Stadtentwicklung nicht über ihre Köpfe hinweg passiert. Wir wollen deswegen eine Hamburger Stadtwerkstatt schaffen.

In der Hamburger Stadtwerkstatt sollen verbindlich alle Projekte und Planungsvorhaben von gesamtstädtischer Bedeutung und herausragende bezirkliche Projekte in einer möglichst frühen Phase vorgestellt werden, um die Möglichkeit einer breiten Diskussion in der Stadt mit den Betroffenen und Beteiligten, mit Abgeordneten, Fachleuten und Interessierten, aber vor allem mit den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt zu gewährleisten, und zwar möglichst vor dem Beginn formeller Planverfahren.

Für aktuelle Probleme und strategische Entwicklungsthemen sollen Bürger und Experten gemeinsam Lösungsansätze entwickeln können, denn die Bürger sind als Betroffene bei Fehlentwicklungen schließlich auch Experten der Stadtentwicklung. Außerdem soll die Hamburger Stadtwerkstatt erste Anlaufstelle für Planungsinteressierte, Hamburger und ihre Besucher, für Investoren und Fachleute sein, indem dort in wechselnden Ausstellungen zu verschiedenen Themen und Projekten der Stadtplanung präsentiert wird.

Um dieser Zielsetzung gerecht werden zu können, soll die Hamburger Stadtwerkstatt unseres Erachtens zentral in der Innenstadt angesiedelt sein. Dafür bietet sich – so meinen wir – als Standort besonders der Domplatz an, denn an dieser Keimzelle Hamburgs könnte auch die Wiege für Hamburgs Zukunft stehen.

Eine Integration in den Plan zur Neubebauung würde die historische Bedeutung des Platzes unterstreichen. Die für die Bürgerschaft und anderen Nutzer vorgesehenen Räumlichkeiten – Säle, Ausstellungsräume – könnten mitgenutzt werden. Als zusätzliche Attraktion stellen wir uns vor, das Hamburger Stadtmodell mit einzubeziehen.

Die Einrichtung einer Hamburger Stadtwerkstatt soll in Kooperation mit den verschiedenen Organisationen und Institutionen geschehen, die es in diesem Bereich gibt. Dazu zählen beispielsweise die Architektenkammer, das Architekturzentrum, die TU Hamburg-Harburg, die HfBK, der Bund deutscher Architekten und andere. Viele dieser Einrichtungen beteiligen sich selbst durch Foren an der Diskussion über Hamburgs Stadtentwicklung. Aber der Nachteil ist, dass sie zumeist nur für bestimmte Kreise geöffnet sind und sich somit nicht alle, die es wollen, mit einbringen können.

Die SPD-Fraktion hat mit Vertretern der verschiedenen Institutionen bereits Gespräche geführt. Unsere Idee ist dabei durchweg positiv und zum Teil sogar begeistert aufgenommen worden. Insofern, meine Damen und Herren von der CDU, sollten Sie nicht hinter das zurückfallen, was die Experten in diesem Bereich als sinnvoll erachten.

(Beifall bei der SPD)

Die Bürgerinnen und Bürger sind die von der Stadtentwicklung Betroffenen. Machen Sie sie auch zu Beteiligten.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Roock, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Quast, Ihr Antrag fordert im Wesentlichen das ein, was tägliches Geschäft in dieser Stadt ist. Alles das, was Sie einfordern, wird in unterschiedlichster Art und Weise geleistet. Ihre Behauptung, der Senat regiere in der Frage der Stadtentwicklung von oben, halte ich für groben Unfug. Ich will Ihnen auch sagen, warum.

Mit dem Modell Wexstraße existiert bereits ein hervorragender Ort für Ausstellungen und Präsentationen von aktuellen Planungen. Dieser Modellsaal ist auch werktags für die Bevölkerung offen und für jeden zugänglich. Das dort Geleistete kann sich wirklich sehen lassen. Fachlich interessierte Besuchergruppen können jederzeit das Stadtmodell besuchen. Es finden Vorträge und Diskussionsveranstaltungen statt. Es steht ein großes Angebot an Publikationen, Broschüren und weiterem Informationsmaterial zur Verfügung.

Die unmittelbare Lage in der Nähe der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt ist im Gegensatz zum Domplatz weitaus günstiger. Auf Diskussionswünsche können die zuständigen Mitarbeiter aufgrund der geringen Entfernung flexibel eingehen. Zudem ist das Stadtmodell auch ein Arbeitsmodell und aufgrund seiner Lage mit wenig Zeitaufwand von den Mitarbeitern zu erreichen.

Weiterhin wird für das Flaggschiff HafenCity im Kesselhaus ein eigenes Informationszentrum vorgehalten. Dieses Zentrum wird hervorragend angenommen und erfüllt seinen Zweck mit dem nicht weit entfernten View Point am besten vor Ort. Von daher bietet sich eine Eingliederung in eine zentrale Einrichtung nicht an.

Ebenso sollten nach unserer Auffassung öffentliche Plandiskussionen im Rahmen von Bebauungsplänen, Stadterneuerungsprozessen und vergleichbaren Beteiligungsformen, die in ständiger Praxis ebenfalls der Planungskultur dienen, bewusst nicht zentralisiert werden. Es hat sich vielmehr bewährt, auf die Bürgerinnen und Bürger zuzugehen und derartige Veranstaltungen, Planauslegungen und so weiter in der Nähe des Planungsraumes, also vor Ort durchzuführen.

Es bleibt festzuhalten, dass umfassende Informationsangebote, die sich insgesamt bewährt haben, vorgehalten werden. Dazu kommen im Übrigen auch noch Wettbewerbe unterschiedlichster Art, die in vielen Ausstellungen dieser Stadt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind. Ich erinnere nur an die vielen Veranstaltungen, die vonseiten des Senats beziehungsweise von der BSU zur HafenCity gemacht wurden.

Weiterhin möchte ich bemerken, dass Sie in Ihrem Antrag keine einzige Aussage über Kosten treffen. Von daher ist mir wirklich nicht klar geworden, warum man immer noch draufsatteln soll, vor allen Dingen dann nicht, wenn Sinn und Zweck zweifelhaft sind. Bewährtes sollte man nicht so einfach aufgeben. Von daher werden wir Ihren Antrag ablehnen. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat jetzt Herr Lieven.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mehr Planungskultur in Hamburg tut dringend Not. Viele Projekte der Stadtentwicklung gehen

quälend langsam voran, sind hoch strittig und manche scheitern letztlich.

Erinnern Sie sich an den Spielbudenplatz, die endlose Odyssee von Koons Kränen und an verschiedene Projekte und Planungen. Wie oft wurde dort ein neues Bild präsentiert, das letzten Endes nicht realisiert wurde.

Erinnern Sie sich an die CCH-Erweiterung. Es ist ein großes Glück, dass die Grimshaw-Planung nicht realisiert worden ist und dass es durch das engagierte Eintreten vieler Bürger dieser Stadt gelungen ist, dort eine andere Planung zu realisieren. Das war ein Beispiel, wo aktive Beteiligung der Bürger trotz des Widerstands der Verwaltung geholfen hat.

Denken Sie an die vielen Evokationen, die in den letzten Jahren durchgeführt worden sind und die zu erheblichen Streitigkeiten in vielen Stadtteilen geführt haben. Diese Beispiele zeigen: Planungskultur in Hamburg tut Not und muss verbessert werden.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und der SPD – Hans-Detlef Roock CDU: Sie haben ja auch jahre- lang Zeit gehabt!)

Gegenwärtig bereitet die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt eine Reihe – es werden circa sechs – weiterer Evokationen vor. Sie werden gegenwärtig betrieben und es wird weitere Konflikte geben.

Genauso ist es im Rahmen der Bezirksverwaltungsreform geplant, gesamtstädtische Vorbehaltsgebiete zu definieren, in denen dann unmittelbar die Senatsebene zuständig ist. Das sind aus meiner Sicht quasi beteiligungsfreie Zonen.

(Hans-Detlef Roock CDU: Das ist auch gut so!)