Nur ein Wort zur Reaktion im Haushaltsausschuss. Es war die Heiterkeit, die man empfindet, wenn eine Blase platzt.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Frage, die ich mir gestellt habe, die wir uns als GAL-Fraktion stellen, lautet: Wovor hat die Behörde eigentlich Angst?
Man kann sich bei diesem Maulkorberlass fragen: Hat Sie Angst vor mündigen Schulleitern, vor aktiven Lehrerinnen, Angst vor der Auseinandersetzung in der politischen Debatte, hat sie Angst überhaupt vor Beteiligung an politischen Prozessen oder auch an Entscheidungen, bei denen es sich letztendlich um die Schüler dreht, hat sie Angst vor autonomer Schule oder vielleicht Angst sogar vor Demokratie? Diese Reihe ließe sich weiter fortsetzen, was nicht heißt, dass die Behörde natürlich Pressearbeit koordinieren muss. Es kann natürlich nicht sein, dass im Amt sozusagen jeder seine Interviews freihändig gibt. Darum geht es auch gar nicht. So geht es auch nicht in Wirtschaftsbetrieben. Aber eine Schule ist nun einmal eine andere Betriebseinheit, in der gearbeitet, gelebt und sicherlich gestritten wird, aber keine Produkte hergestellt werden. Dort werden Kinder, Menschen ins Leben begleitet. Dafür gelten natürlich auch Regeln. Aber wenn wir eine autonome Schule fordern, eine pädagogisch und wirtschaftlich autonome Schule oder mehr Autonomie zumindest, dann muss es möglich sein, dass Schulen selbstständig mit Eltern, mit Menschen im Stadtteil und mit der Presse reden können.
Wenn Sie, Frau Senatorin, dabei eine gewisse loyale Haltung der Lehrerinnen und Schulleitungen fordern, dann ist das sicherlich richtig, aber Loyalität setzt Mündigkeit voraus, Loyalität darf nicht mit Gehorsam verwechselt werden. Deshalb steht auch in der Dienstanweisung für Lehrerinnen und Lehrer, im Schulrecht, bisher geschrieben – Zitat –:
„Auskünfte an Presse... erteilt die Schulleitung oder die von ihr ermächtigte Lehrerin.... Ausgenommen sind Auskünfte, die die Belange anderer Schulen berühren oder die Angelegenheiten betreffen, die bei der BSJB“
In der Praxis gibt es einen lebendigen Umgang mit Auskünften – man könnte das auch Glasnost nennen – und der Umgang war sicherlich nicht nur lebendig, sondern in den meisten Fällen auch verantwortungsbewusst. Zeigen Sie mir die Schulleiterin oder den Schulleiter, der gerne von sich aus an die Presse geht. Der regelt das lieber mit
der Behörde, bevor er an die Öffentlichkeit geht. Insofern ist es eine äußerst unsouveräne Aktion, ein Redeverbot zu erteilen. Das vollmundig verkündete Versprechen, Vertrauen schaffen zu wollen, ist so zu einem Säen von Misstrauen geworden. So sieht unseres Erachtens kein Dialog aus.
Das Disziplinieren von Schulen und Lehrerinnen ist meistens nach hinten losgegangen. Entweder gründen sich dann Schulleiterverbände, die reden dürfen, oder die Elternräte holen sich die Meinungsfreiheit wieder und das ist auch ihr gutes Recht. Wer die Schotten dicht macht, weil ihm die Berichterstattung nicht gefällt, dem wird die öffentliche Meinung umso heftiger um die Ohren fliegen. Ich kann an dieser Stelle nur ausdrücklich die Meinung des Vorsitzenden der Landespressekonferenz, Herrn Heuer, unterstützen.
Der Maulkorberlass ist auch angesichts der Baustellen in der Schullandschaft wirklich das ungeeigneteste Mittel, um von den Schwachstellen abzulenken, ob das nun Schulschließungen, keine Ganztagsschulen, größere Klassen oder auch der Baustopp an den Schulen sind. Wer gestern im Haushaltsausschuss war, hat nicht nur Heiterkeit, sondern wirklich Dramen erleben müssen und kein Wunder, wenn die Behörde dann den Mantel des Schweigens darüber legen möchte. Viele Schulen sind monatelang hingehalten worden und wenn die nicht Alarm geschlagen hätten, wäre dieser unglaubliche Fusch im Bauhaushalt gar nicht bekannt geworden.
Ich möchte aber an dieser Stelle noch einen anderen Widerspruch von der Senatorin aufgeklärt bekommen. Warum darf sich eine Lehrerin tagelang, seitenlang über Hauptschüler und deren Eltern in der Öffentlichkeit auslassen – andere würden sagen, sich auskotzen –,
und das wird noch aktiv vom Pressesprecher unterstützt? Warum ist das möglich, wenn anderen Lehrerinnen der Mund verboten wird?
Dürfen sich etwa nur diejenigen auslassen, die Ihre CDU-Schulpolitik unterstützen? Warum, Frau Senatorin, messen Sie und Ihre Behörde da mit zweierlei Maß? Ich glaube, da ist eine grundsätzliche Haltung zu kritisieren, nämlich der Politikstil des Senats, und das ist ein grundlegendes Übel, das wir als Grüne schon die ganze Zeit kritisieren. Stichwort Beteiligung: Einerseits sollen Jugendliche zur Selbstständigkeit erzogen werden oder sich entwickeln können – wir wollen alle politisch denkende Bürger, die sich für das Gemeinwesen engagieren –, aber wenn es ernst wird, gängelt die Behörde, Beteiligung wird nicht gelebt und auch nicht vorgelebt. Demokratie lebt doch von kritisch konstruktivem Hinterfragen, Transparenz der Entscheidungen, von der Debatte und nicht vom Totschweigen.
Wir wollen als Grüne keine Rede- und Denkverbote, keine preußische Behördenmentalität und fordern deshalb die Senatorin auf, diese Verfügung sofort zurückzunehmen. – Danke.
Bevor ich dem Abgeordneten Heinemann das Wort erteile, möchte ich Frau Goetsch zumindest darauf hinweisen, dass wir zwar als Präsidium beschlossen haben, uns einmal anzugucken, in welche Richtung es hier im Plenum geht. Aber das Wort „auskotzen“ ist bedenklich.
„Heftige Kritik am Maulkorberlass, Schulleiter und Gewerkschaftsvertreter wehren sich gegen Bevormundung.“
Das war keine Überschrift in der letzten Woche, sondern eine vom 19. August 2003. Sie stand in der „Welt“, allerdings in der Berliner Ausgabe. Der dortige Bildungssenator hatte seinen Schulleitern geschrieben, subjektive politische Standpunkte dürften nicht Gegenstand von Erörterungen mit Medienvertretern sein. Nun gehört er zwar der SPD an, aber deshalb muss er ja nicht gleich Unrecht haben.
In Nordrhein-Westfalen untersagte der Innenminister – ich glaube, er ist auch in der SPD – am 8. Juli letzten Jahres sogar die Nutzung dienstlicher E-Mail-Konten für den Kontakt mit Abgeordneten.
Obwohl in der gleichen Partei wie sein Genosse Böger in Berlin ist Herr Dr. Behrens hier sicherlich über das Ziel hinausgeschossen.
Die beiden Beispiele zeigen vielleicht, wie schwer es ist, vernünftige Regelungen zu finden, die zum einen die notwendige Loyalität der Beamten einfordern und die zum anderen Spielraum für die ebenso notwendigen Diskussionen lassen. Wir haben in den letzten Wochen wieder zahlreiche Beiträge von Schulleitern und Lehrern in den Medien lesen können – viele davon fundiert, professionell und abgewogen. Wir haben aber auch Beiträge gelesen, gegen die andere Lehrer und Schulleiter erhebliche Bedenken erhoben haben. Selbst Frau Boeddinghaus hat gestern in den „Harburger Anzeigen und Nachrichten“ ein Ende der Diskussion über die Hauptschuleltern gefordert, während Herr Neumann in der „Welt“ gegen den so genannten Maulkorberlass wettert.
(Dr. Andrea Hilgers SPD: Äpfel und Birnen! – Ge- genruf von Bernd Reinert CDU: Das ist beides Obst!)
Wenden wir uns doch einmal den Fakten zu. Manchmal wird schlicht unterschätzt, wie ein Thema in den Medien wirkt, wie schnell man auch missverstanden oder missinterpretiert werden kann. Jedes größere Unternehmen hat daher eine Pressestelle, die jeden Tag professionell mit den Medien zu tun hat und ihre Mitarbeiter auch im Umgang mit den Medien berät. Selbst die großen Hamburger Zeitungsverlage haben eine solche Stelle, obwohl ihre Mitarbeiter im Umgang mit den Medien bestens geübt sein sollten. Aber auch die Verlage wollen natürlich Entscheidungen erst einmal intern diskutieren und dann mit einer einheitlichen Aussage an die Öffentlichkeit gehen. Denn wenn in einer Organisation jeder völlig unkoordiniert seine Meinung zu unterschiedlichsten Themen äußert, dann entsteht in der Öffentlichkeit keine fruchtbare Diskussion, sondern der Eindruck eines unproduktiven Aufeinanderhackens. Herr Neumann, ich glaube, Sie kennen das ganz gut.
Dies gilt natürlich für Behörden genau so und deshalb hat schon Frau Raab 1990 in der Dienstanweisung das festgelegt, was Frau Goetsch eben zitiert hat. Ich ergänze noch einen Absatz, den Sie weggelassen haben:
„In solchen Fällen bedarf es – insbesondere wenn schulpolitische Fragen tangiert sind – der besonderen Ermächtigung“