Protokoll der Sitzung vom 22.02.2006

Zum Schluss: Ich finde es sehr fragwürdig, dass Sie dieses Thema nicht als Privatmann diskutieren. Wenn Sie Mitarbeiter Ihrer Behörde an einem Gesetzentwurf zur aktiven Sterbehilfe arbeiten lassen, so bekommt die aktive Sterbehilfe eine politische Dimension und das ohne die Diskussion im Senat und ohne die Diskussion mit dieser CDU-Fraktion.

(Beifall bei der SPD und bei Christa Goetsch GAL)

Das Wort bekommt Herr Maaß.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte auf einen Aspekt zu sprechen

kommen, der recht bemerkenswert ist, nämlich die Tatsache, dass dieser Justizsenator wie kein anderer Senator in diesem Senat und wie auch kein anderer Landesminister in einer Landesregierung mittlerweile eine Skandalchronik hat, die ihresgleichen sucht. Dennoch deckt der Erste Bürgermeister diesen Justizsenator.

(Barbara Ahrons CDU: Das haben Sie vorhin schon mal gesagt! – Viviane Spethmann CDU: Sagen Sie doch mal was Neues!)

Herr von Beust deckt die Personalentscheidung, die aktuell geworden ist. Wenn es tatsächlich stimmt, was heute in der Zeitung stand, mit einem zweimal befriedigenden Examen, dann sagt das zumindest etwas aus über das, was für die CDU-Fraktion und den Ersten Bürgermeister – er hat es als eine hervorragende Qualifikation gepriesen – eine hervorragende Qualifikation ist: befriedigend. Auch juristisch ist das nichts weiter als pures Mittelmaß. Wenn das für Sie herausragend ist und das auch noch der Maßstab ist, wie Sie diese Stadt regieren wollen, dann gute Nacht.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Mittelmaß können wir uns gerade nicht für eine Schaltstelle der Rechtspolitik leisten.

Herr von Beust deckt, so konnten wir in der Zeitung lesen, offenbar auch die Praxis der Nacktfesselung im Strafvollzug, erstaunlicherweise, bevor der Bericht vorliegt, den der Senator angekündigt hat. Gedeckt wurde auch die Abschaffung der sozialtherapeutischen Anstalten gegen den Rat aller Experten, die etwas damit zu tun haben, was zu einem Verlust von Sicherheit durch eben schwer therapierbare Straftäter führen wird. Herr von Beust hat auch in der letzten Legislaturperiode einen Filz in der Justizbehörde gedeckt, der ganz klar vom Arbeitsstab des PUA als rechtswidrig enttarnt wurde.

Meine Damen und Herren! In anderen Landesregierungen, für andere Ministerpräsidenten, hätte die Skandalchronik dieses Senators für drei Entlassungen gelangt; in Hamburg reicht das noch nicht einmal für eine.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Soweit ich es menschlich verstehen kann, dass man seinen Studienfreund nicht vergrätzen oder seinen Mieter nicht verlieren will, darf das beim besten Willen keine Rolle spielen, wenn es darum geht, von wem diese Stadt regiert wird. Roger Kusch genügt schlicht nicht den Anforderungen, die an einen Senator in dieser Freien und Hansestadt zu stellen sind und deswegen muss der Bürgermeister die Konsequenzen ziehen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Erschreckende an dieser Neueinstellung, von der schon die Rede war, ist ja, dass Herr Kusch jetzt offenbar das Feld der Bundesrechtspolitik für sich entdeckt hat und deswegen diesen herausragenden Mitarbeiter auf diesen neu geschaffenen Stabsbereich der Rechtspolitik ansetzen will. Bundespolitik soll jetzt ein Schwerpunkt werden, aber letztlich zeigen die Vorkommnisse der vergangenen Wochen, dass damit eigentlich nichts weiter als eine Spielwiese zum Ausspielen der Eitelkeiten des Justizsenators gemeint ist,

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

ein Justizsenator, der Vorschläge macht wie die Abschaffung des Jugendgerichtsgesetzes, wo er wirklich ganz

allein auf weiter Flur steht und das sozusagen zum zentralen Punkt seiner bundespolitischen und rechtspolitischen Vorstellungen macht oder der mit einem Vorstoß zur Sterbehilfe kommt,

(Harald Krüger CDU: Das haben wir auch schon gehört!)

die eigentlich der Diskussion nicht wert ist und der auch noch im Strafvollzug die Gesetzgebung gerne an sich reißen will.

Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, dass es an der Zeit wäre, dass dieser Justizsenator sich nicht so sehr um die Bundesrechtspolitik kümmert, sondern schlicht einfach mal seinen Laden in Hamburg in den Griff bekommt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt Herr Böwer.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Spethmann, Sie haben die Debattendramaturgie angesprochen und gesagt, eigentlich würden wir gerne über Erfolgsstories sprechen.

(Dr. Till Steffen GAL: Jetzt kommt erst der Höhe- punkt!)

Reden wir über Erfolgsstories, die aber im Zusammenhang mit Herrn Kusch stehen, reden wir über die geschlossene Unterbringung Feuerbergstraße. Das ist der einzige Anknüpfungspunkt, den ich bisher mit dem Justizsenator haben durfte und wo ich einige Beobachtungen machen konnte, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte.

(Harald Krüger CDU: Das haben wir befürchtet!)

Wir hatten das Vergnügen, Herrn Kusch vor 14 Tagen im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu Gast zu haben. Keine Angst, ich rede nicht über Beugehaft, ich rede insgesamt über die Aussagen und die Erkenntnis, die ich dort gewonnen habe. Ich habe gedacht, ein netter Zeuge und wir hören uns das einmal an. Was lerne ich aus der Zeugenbefragung des Doktor Roger Kusch? Erstens habe ich gelernt, dass er mit dem damaligen Innensenator nur im geschützten Senatsbereich verkehrt habe

(Heiterkeit bei der SPD)

und die zweite Aussage war, es sei geschmacklos, ihn mit Schill-Zitaten zu konfrontieren, wenn es um Zeugenaussagen gehe.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Das ist doch sehr an- ständig!)

Bisher ist nach dem Motto argumentiert worden: Ihr von der CDU seid Opfer des Roger Kusch. Nein, aus meiner Sicht stellt es sich vielmehr so dar, dass Sie dringend Herrn Kusch brauchen, genauso wie Sie in der Legislaturperiode vorher Herrn Schill gebraucht haben; das ist in Wahrheit der Punkt. Im Grunde genommen übernimmt Herr Kusch die Aufgabe von Herrn Schill. Das ist die ganze Wahrheit und deswegen wird der Bürgermeister niemals Herrn Kusch entlassen, denn er braucht ihn bis zum Ende dieser Legislaturperiode.

(Zurufe von der CDU)

Ja, das sind meine schlichten Vorstellungen in dem Bereich.

(Dr. Andreas Mattner CDU: Karnevalsrede! – Viviane Spethmann CDU: Sie waren schon mal besser, Herr Böwer!)

Der zweite Bereich betrifft die Amtsführung. Im März 2003 gab es eine Presseerklärung der Sozialbehörde im Zusammenhang mit den Entweichungen von Jugendlichen aus der Feuerbergstraße. Diese Presseerklärung war zugegebenermaßen verunglückt. Sie war deswegen verunglückt, weil – so die Zeugenaussagen des damaligen Staatsrats Horstmann – der Gebrauch der Ausdrücke "Wachttürme" und "elektrische Zäune" die Justizbehörde an KZ-Methoden erinnert hätte. Anstatt diesen Irrtum sehr schnell zu beseitigen, geht der Justizsenator hin und kündigt einseitig die Kooperation in einem ihrer Schlüsselfelder, nämlich der geschlossenen Unterbringung Feuerbergstraße gegenüber der Innenbehörde und der Sozialbehörde. Auch das ist Roger Kusch und so geht's nimmer.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Auf die Frage, ob er sich denn an diesen Fall erinnern könne, sagt er "nein, daran kann ich mich nicht erinnern", obwohl es …

(Harald Krüger CDU: An Ihre Rede wird sich auch keiner erinnern!)

Sie können es aber nachlesen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Von daher kann ich Sie an dieser Stelle beruhigen, Herr Kusch, denn Sie werden bei der CDU dringend benötigt. Weil der CDU Herr Schill abhanden gekommen ist, werden Sie diese Legislaturperiode noch ruhig überstehen. – Danke.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt Frau Dräger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kann da gleich anschließen. Es gibt natürlich noch einen ganz anderen Grund, warum Herr Kusch so unersetzbar ist: weil es in der CDUFraktion niemanden gibt, der eigentlich wirklich will, dass er geht. Sie kokettieren gerne damit, sich abzugrenzen, Herr Hesse beim Jugendstrafrecht, andere bei der Sterbehilfe. Immer wieder gibt es Themen, mit denen Herr Kusch für Aufregung in der Republik sorgt und die CDU sagt, so scharf würden wir das nicht sagen

(Wolfgang Beuß CDU: Das lassen Sie mal unsere Sorge sein!)

und das würden wir alles gar nicht machen. Aber in Wirklichkeit unternehmen Sie nicht einen einzigen klitzekleinen Schritt, um dieses Spektakel zu beenden.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Wolfgang Beuß CDU: Dann fordern Sie doch seinen Rück- tritt, dann werden Sie sehen, wo die Mehrheit steht!)

In Wirklichkeit sind Sie höchst zufrieden damit, dass jemand im Senat sitzt und einen bestimmten Bereich der Rechtspolitik abdeckt, nämlich der rechten Rechtspolitik.