Protokoll der Sitzung vom 26.05.2004

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Herr Heinemann, es ist zweimal Lernfähigkeit bewiesen worden: Erstens, indem Sie heute erkannt haben, dass es ein Konzept geben muss, und zweitens, indem die Senatorin an zwei Schulen eine wichtige Korrektur herbeigeführt hat. Geben Sie sich einen Ruck und machen Sie den dritten Schritt: Stimmen Sie dem SPD-Antrag zu und machen Sie den Weg für eine Planung, die schon 2004 einsetzt und die auf eine Akzeptanz in Hamburg stoßen wird, frei.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort hat Frau Goetsch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich wollte ursprünglich sagen, ich habe drei Erkenntnisse aus den berechtigten hitzigen und heftigen Debatten der letzten Wochen. Es gibt jetzt noch die vierte Erkenntnis, dass die Halbwertszeiten der Entscheidungen sehr kurz sind. Wir haben gerade zu dem Thema Schulbehörde und Schulstandortplanungen unsere Informationen aus der GAL-Bürgerschaftsfraktion herausgegeben. Sie haben jetzt zwei Schulen wieder herausgenommen.

Das ist einerseits eine kluge Entscheidung, aber andererseits keine vernünftige Verfahrensentscheidung, weil es für alle anderen, die jetzt noch auf der Warteliste stehen, keine Transparenz gibt. Das bedeutet – und das wäre meine erste Erkenntnis –, dass sich das Verfahren als obsolet, als ungeeignet gezeigt hat. Das haben inzwischen alle drei Fraktionen dieser Bürgerschaft gesehen. Das ist zumindest eine gute Entwicklung. Meine zweite Erkenntnis ist, dass die CDU lernfähig ist. Es ist ein begrüßenswerter Schritt, dass man jetzt die zweistufige Verfahrensweise angeht, die tatsächlich eine größere Beteiligung ermöglicht. Man kann diese Lernfähigkeit und dass es nicht nur ein Anfall von Vernunft ist, begrüßen. Interessant ist – das ist noch eine weitere Erkenntnis –, dass die Wahl so unvorbereitet mitten im Schuljahr kam, der schlechteste Zeitpunkt für die Schulorganisation. Gestern erlebten wir in einer spannenden Sitzung des Schulausschusses, dass die Politik, zumindest in der Entwicklung und der Beteiligung bei der Standortplanung, weiter ist, als beispielsweise der Behördenapparat, der seine Verfahren sehr träge weiterverfolgt und den Eltern im vorauseilenden Gehorsam mitteilt, dass diese Schule gar nicht zur Anmeldung steht und Kinder schon zwangsumgewiesen werden. Das ist außerordentlich dialogisch gegenüber den Eltern.

Die dritte und die letzte Erkenntnis ist allerdings – deshalb wird die GAL dem Antrag nicht zustimmen –, dass eine wirkliche Beteiligung nicht stattfindet. Sie machen das immer noch in der Linie, jetzt zwar mit einem zweistufigen Verfahren. Wir sind der Meinung – und da sind wir wieder bei unserer ersten Debatte in der Aktuellen Stunde –, dass die Beteiligung in der Region in der Querverbindung laufen kann. Die könnte auch in dieser Zeitschiene laufen, wie Sie sie vorgeben, die bis Dezember notwendig ist. Aber da fehlt Ihnen noch etwas Mut, tatsächlich eine regionale Standortplanung zu machen, die alle mit einbezieht und die es auch zulässt. Wir haben gar keine Sorge, dass es nicht gut gehen könnte, wenn sich Elternvertreter, Schulleitungen, Stadtentwickler und Behördenvertreter zusammensetzen würden. Das ist der Mangel an Ihrem Antrag. Die GAL ist für Beteiligung, für echte Partizipation und möchte eine regionale Standortplanung. Den Schritt haben Sie noch nicht geschafft. Insofern werden wir uns enthalten. – Danke.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort hat Herr Freistedt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die CDU wird trotz Ihrer Einlassung, Frau Ernst, ihren Antrag durchbringen. Ich habe eben, das muss ich offen gestehen, Ihren Beitrag teilweise gar nicht verstanden.

(Beifall bei der CDU)

Vor zwei Wochen haben wir schon angekündigt, dass wir zu einer Schulstandortplanung kommen wollen und dass wir einen Antrag vorlegen. Das, was Sie hier etwas dramatisch aufgezeigt haben, dass wir eine Lernfähigkeit haben müssten, stimmt nicht. Wir Parlamentarier sollten uns alle daran gewöhnen, dass wir entsprechend reagieren, wenn wir neue Daten bekommen und wenn wir merken, dass die Bürger berechtigte Fragen haben.

Wir können auch nicht die Position der GAL verstehen, wenn sie nach einem Moratorium ruft. Wir haben das Problem, dass wir entscheiden müssen. Wenn wir mit der Schulstandortplanung in die Gremien gehen, werden wir auch Antworten bekommen. Ich bin mir sicher, dass die Verwaltung die Vorschläge, die wir und die die Bürger in die Schulgremien hereinbringen, auch aufnehmen können. Wir können wirklich den Mut haben, diese entsprechenden Entscheidungsgänge jetzt einzuleiten.

Wir als Parlament brauchen keine Angst vor diesen Beratungsergebnissen zu haben und ich bin mir sicher, dass die Behörde die richtigen Schlüsse aus den Ergebnissen ziehen wird. Der Schulentwicklungsplan, wie wir ihn vorlegen wollen, ist nach langen Jahren der erste Schritt zu einer langfristig angelegten Standortsicherheit von Schulen. Das muss unser gemeinsames Ziel sein, denn gerade in der Metropole Hamburg werden wir Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur erleben. Ein Schulangebot muss weiterhin zum Beispiel für Grundschüler so erreichbar und so attraktiv sein, dass wir wissen, hier kann gelernt werden, hierhin schicken Eltern ihre Kinder.

Was wir – und das ist unsere Erkenntnis, die wir hoffentlich in diesem Raum haben – heute richtig planen, spart uns morgen viel Geld. Sorgfalt und Eile sind allerdings geboten. Die Zeit drängt, Kinder und Jugendliche brauchen eine gute Schulbildung, ein gutes Bildungsangebot. Ein Moratorium wäre ein Zeichen der Schwäche. Wir haben den Mut dazu, heute in die Diskussion einzutreten und mit den Gremien zu sprechen. Wenn wir davon ausgehen, dass Klarheit und Wahrheit für den Bürger notwendig sind, so gestehen wir ihm dieses auch zu. Dann sollten wir uns im Parlament auch zugestehen, dass Schulstandortentwicklung hier von heute an bis zum November oder Dezember diskutiert werden kann.

(Beifall bei der CDU)

Schule muss in Hamburg überregional geplant werden. Wir können nicht mehr regional denken, das ist der falsche Ansatz; er hat uns in den letzten fünf Jahren in die Irre geführt. Wir wissen, dass wir von der Bildungsbehörde viel verlangen. Trotz des Zeitdrucks wollen wir dieses Verfahren umsetzen. Wir gehen davon aus, dass der Wirtschaftsstandort Hamburg eine vernünftige Schulplanung benötigt, die Behörde und wir mit den Ergebnissen zufrieden sein können und wir gemeinsam in den Ausschüssen diskutieren. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Buss.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Freistedt, Ihre letzten Bemerkungen haben mich dazu veranlasst, mich doch noch einmal kurz zu melden, um zwei Dinge zu sagen. Zum einen ist es natürlich toll, wenn man solche Veränderungen macht, wie Sie sie jetzt eingeleitet haben, aber dann soll man nicht ste

hen bleiben. Wir werden uns das sehr gut merken, dass Sie gesagt haben, man solle aus bestimmten Dingen, aus sich ergebenden neuen Zahlen, lernen und Konsequenzen ziehen. Da würde sich der Wirtschaftsbereich anbieten. Vorhin hatten wir den Schulbereich in der Debatte und die sich verändernde Stadt. Da muss man dann auch die Konsequenzen ziehen. Nur, Herr Freistedt, dann darf man ein Moratorium auch nicht als Schwäche interpretieren, sondern als Stärke. Das ist doch der Augenblick zu sagen, ich möchte noch einmal neu nachdenken, deswegen halte ich das für ein Schuljahr an, da ich ja sonst auch immer zunächst schulorganisatorische Maßnahmen ergriffen habe und dann erst schulstrukturelle Maßnahmen, und zeige, dass ich bewusst auf diese neuen, sich ergebenden regionalen Aspekte reagieren möchte.

(Hartmut Engels CDU: Erst mal nicht reagieren!)

Damit könnten Sie deutlich machen, für diese schwierigen Entscheidungen alle mit ins Boot zu nehmen. Gerade wenn Sie sagen, wir sollten nicht nur regionale Aspekte berücksichtigen, dann müssen Sie das bei den Grundschulen aber trotzdem tun.

Die zweite Bemerkung: Sie müssen nicht nur regionale Aspekte bedenken, sondern gerade bei Ihrer Politik zur Haupt- und Realschule inzwischen auch schulstrukturelle Aspekte über ganz Hamburg beachten, weil Sie mit den aussterbenden Standorten in dieser Stadt so keine verantwortliche Schulpolitik mehr weitermachen können. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei Jörg Lühmann GAL)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass ich zur Abstimmung komme, zunächst zum Antrag der SPD aus der Drucksache 18/313. Wer möchte diesen annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Wer möchte den CDU-Antrag aus der Drucksache 18/245 beschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag mit großer Mehrheit bei einigen Enthaltungen angenommen.

Wir kommen zum Punkt 29, Drucksache 18/248, Antrag der CDU-Fraktion: Begleitetes Fahren ab 17.

[Antrag der Fraktion der CDU: "Begleitetes Fahren ab 17" – Drucksache 18/248 –]

Hierzu liegen Ihnen als Drucksachen 18/311 und 18/321 ein Antrag der GAL-Fraktion und ein Antrag der SPDFraktion vor.

[Antrag der Fraktion der GAL: "Begleitetes Fahren ab 17" – Drucksache 18/311 –]

[Antrag der Fraktion der SPD: "Begleitetes Fahren ab 17" – Drucksache 18/321 –]

Alle drei Drucksachen möchte die SPD-Fraktion an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen. Wer begehrt das Wort? – Herr Trepoll, Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte am Anfang gleich zum wesentlichen Punkt kommen. Unser Antrag verfolgt ein zentrales Ziel. Wir wollen die hohen Todes- und Unfallzahlen bei jugendlichen Fahranfängern endlich senken.

(Beifall bei der CDU)

Im Jahre 2001 wurden auf Deutschlands Straßen 1606 Fahranfänger im Alter von 18 bis 25 Jahren getötet. Über 21 000 wurden schwer verletzt. Hamburg bildet hier leider keine Ausnahme, die Unfallbeteiligung gerade junger Fahrer ist überdurchschnittlich hoch. 22 Prozent der Verkehrstoten und 22 Prozent der Schwerverletzten gehören zu dieser Gruppe. Allerdings haben die Achtzehn- bis Vierundzwanzigjährigen nur einen Anteil von rund 8 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Besonders dramatisch sieht es bei den Achtzehn- bis Zwanzigjährigen aus. Ihr Unfallrisiko ist fünfmal so hoch wie das Durchschnittsrisiko. Damit hält Deutschland eine negative Spitzenstellung im Verhältnis zu vergleichbaren Ländern.

Dies hängt damit zusammen, dass jungen Menschen die Fahrpraxis fehlt. Wir wollen deshalb die Lern- und Vorbereitungszeit verlängern. Nach der Fahrschulausbildung und der Fahrerlaubnisprüfung ab 17 Jahren soll sich dann eine Phase des Fahrübens in Begleitung anschließen. Selbstständiges Fahren wird weiterhin erst ab 18 Jahren möglich sein.

Statt den jungen Fahranfänger wie bisher allein in den Großstadtverkehr zu entlassen, wollen wir ihm einen Partner an die Seite geben, der ihm Tipps und Hinweise sowie eigene Erfahrung weitergeben kann. Allein die Anwesenheit einer nicht gleich alten Person wirkt automatisch dämpfend auf das Fahrverhalten.

(Karen Koop CDU: Hoffentlich!)

Ziel ist es dabei, vorausschauendes Fahren zu lernen und kritische Situationen bereits frühzeitig zu erkennen.

(Beifall bei der CDU)

Das Sprichwort "Übung macht den Meister" braucht, glaube ich, keine weitere Erklärung.

Wir legen dabei hohe Maßstäbe an die Begleitperson an. Sie muss erstens mindestens das dreißigste Lebensjahr vollendet haben, zweitens seit mindestens fünf Jahren ununterbrochen im Besitz einer Fahrerlaubnis der Klasse B oder 3 sein, sie darf drittens nicht mehr als drei Punkte im Verkehrszentralregister haben und viertens an einem vorgeschriebenen Vorbereitungskurs teilnehmen.

Die Ergebnisse mit diesen und ähnlichen Modellen in anderen Ländern lassen sich wahrlich sehen. Es ist Folgendes zu verzeichnen: Ein Rückgang der Unfallzahlen, weniger Geschwindigkeitsüberschreitungen, seltenerer Drogen- und Alkoholkonsum bei jungen Fahranfängern und – was auch interessant ist – sogar die Begleiter können durch diesen Umgang mit dem Führerscheinneuling ihre Kenntnisse wieder auffrischen.

Lassen Sie mich am Ende noch kurz auf den Zusatzantrag der GAL-Fraktion eingehen. Ich finde das schon ganz erstaunlich. Wenn Sie sich den Antrag ansehen, dann wird im oberen Teil ausführlich dargelegt, wie erfolgreich das Modell in anderen Ländern ist. Mal sank die Unfallquote um 15 Prozent, mal um 46 Prozent und sie ist sogar bis zu 60 Prozent zurückgegangen. Welchen Schluss sollen wir daraus ziehen? Sollen wir erst wieder eine Kommission einrichten, eine Entscheidung aufschieben? Das können Sie in Berlin machen, das machen wir in Hamburg nicht mit; wir entscheiden.

(Beifall bei der CDU)

Auch die Argumente, die Sie hier gleich vortragen werden, sind längst überholt.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU)

Großstadtverkehr finden Sie auch in Schweden, in Österreich und natürlich auch in Nordamerika. Gerade in der Großstadt kommt es auf vorausschauendes Fahren an und das wird hierbei insbesondere geübt. Der Hamburger Fahrlehrerverband hat unser Konzept als überaus positiv beurteilt.