Protokoll der Sitzung vom 18.04.2007

Der Forderung, in einem Stadtteil, in dem 6.000 neue Wohnungen entstehen werden, auch günstige Wohnungen zu bauen, begegnet der Senat - Senator Freytag, der heute da ist, hat das immer gern getan - mit dem Hinweis auf 50 Genossenschaftswohnungen. Das ist dann günstiger Wohnungsbau in der HafenCity - ein Hohn.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blömeke GAL)

Das Ziel, auch Familien in der HafenCity eine neue Heimat zu bieten, verfolgt der Senat mit einer Schule, deren Schulhof auf dem Dach gebaut wird -

(Michael Neumann SPD: Karlsson auf dem Dach!)

wie Auslaufflächen in Untersuchungsgefängnissen in den USA.

(Beifall bei der SPD und bei Claudius Lieven GAL - Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

- Herr Reinert, stöhnen Sie nicht, ändern Sie etwas daran.

Welches Bild haben Sie von Familien, von Kindern und von Schulen, wenn Sie eine solche Schule überhaupt in die Planung aufnehmen? Was ist in den Behörden los, dass Sie überhaupt nicht auf die Idee kommen, dass das in Hamburg nicht akzeptabel sein darf?

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Wir Sozialdemokraten wollen die HafenCity zu einem Wohn- und Arbeitsort mit hoher Lebensqualität entwickeln. Das heißt, wir müssen auch den Mut haben, in dieser Richtung über die Vergabe städtischer Grundstücke zu wirken. Das bedeutet dann aber auch, dass nicht allein fiskalische Motive im Vordergrund stehen dürfen und ein hoher Verkaufspreis für jedes Grundstück zu erzielen ist, sondern dass wir die Investoren aussuchen, die das beste Konzept für ein lebenswertes Quartier HafenCity realisieren wollen. Dieser Mut fehlt Ihnen und dem Senat.

(Beifall bei der SPD)

Wir sollten aber die Diskussionen, die zurzeit geführt werden, zum Anlass nehmen, sehr viel grundsätzlicher mit diesem Thema umzugehen und Lehren daraus zu ziehen. Hamburg braucht eine neue Planungskultur. Die Diskussionen um die HafenCity, um den Domplatz, der Streit um Backstein versus Glasbauten zeigen, dass das Interesse an Städtebau in Hamburg groß ist. Wir haben deswegen für morgen einen Antrag auf der Tagesordnung angemeldet, der sich damit auseinandersetzt, eine Stadtwerkstatt zu schaffen. Vor zwei Jahren haben Sie diesen Antrag noch abgelehnt. Wir hoffen, dass Sie gelernt haben und bereit sind, mit den Menschen dieser Stadt zu diskutieren und Städtebau für alle zu machen.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blömeke GAL)

Das Wort bekommt Herr Finck.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wer im Glashaus sitzt, der sollte nicht mit Steinen werfen.

(Zurufe von der SPD)

Sicher ist doch wohl eines: Die Bewohner der HafenCity sitzen in Glashäusern und die werden sicherlich nicht mit Steinen werfen, weil sie nämlich ihre großen Fenster, die hier viele kritisieren, toll finden. Sie sagen, sie haben einen hervorragenden Ausblick auf die Morgensonne, das gleißende Licht am Mittag und vielleicht sogar die blaue Stunde am Abend, das ist Spitzenarchitektur.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Voscherau, der, glaube ich, immer noch Ihrer Partei angehört, sitzt aber auch im Glashaus und wirft mit Steinen, wenn er exponiert öffentliche Kritik übt. Ich finde es schwierig, wenn Herr Dr. Voscherau einerseits auf der Titelseite des "Hamburger Abendblattes" Kritik an der Architektur der HafenCity übt und andererseits das Notariat Alstertor - ich glaube, an dem ist Herr Dr. Voscherau beteiligt - zum Teil die Beurkundungsgebühren für die Grundstücksverträge in der HafenCity mit einstreicht.

(Michael Neumann SPD: Was Sie alles wissen!)

Das mag legal sein, aber ich halte es nicht für legitim.

(Michael Neumann SPD: Woher wissen Sie das denn?)

Das ist janusköpfig. Herr Dr. Voscherau dürfte sich bei dieser Frage normalerweise gar nicht äußern.

(Michael Neumann SPD: Dass ein Wicht wie Sie meint, Herrn Dr. Voscherau mit Schmutz be- schmeißen zu müssen, sagt schon alles!)

Dass er das tut, zeigt, dass er mit dem Begriff der Befangenheit … - Frau Präsidentin, haben Sie das gehört? - Dann wiederhole ich das, was Herr Neumann eben gesagt hat:

"Herr Dr. Voscherau hat es nicht nötig, sich von so einem Wicht wie Ihnen mit Schmutz bewerfen zu lassen."

Dann gebe ich Herrn Neumann zu bedenken, zukünftig parlamentarischere Ausdrücke zu gebrauchen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Wer im Glashaus sitzt, der sollte nicht mit Steinen werfen. Wer hat bis Mitte Juni 2006 die Baugenehmigungen in der HafenCity erteilt? - Das war das Bezirksamt Hamburg-Mitte. Dort regiert Rotgrün und der Bezirksamtsleiter, Markus Schreiber, hat keine Gelegenheit ausgelassen, die Architektur in der HafenCity und die Investoren zu loben. Bei keinem einzigen Bauantrag wurde eine Genehmigung versagt.

Nun könnten Sie natürlich sagen, damit haben wir nichts zu tun, es gab vorweg städtebauliche Wettbewerbe. Nur, wenn Sie heute mit Kritik an der Architektur kommen, dann frage ich Sie, warum Ihre Preisrichter bei allen 14 Wettbewerben, die es in den letzten zwei Jahren gab, immer zugestimmt haben. So hässlich wie Sie die Architektur der HafenCity heute darstellen, kann sie nun wirklich nicht sein.

Die Architektur in der HafenCity ist spitze. Wenn man sich die Genehmigungsverfahren in Hamburg-Mitte anguckt, dann stellt man fest, dass alle Vorschläge, die von den Investoren vorgelegt wurden, genehmigt wurden. Nehmen Sie sich einmal ein Beispiel an ihren Genossen dort im Bezirk, die wissen nämlich, was gute Architektur ist. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Ingo Egloff SPD: Das war ja ein großartiger Beitrag!)

Das Wort bekommt Herr Lieven.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Finck, so einfach, wie Sie eben versucht haben, es sich zu machen, ist es wohl nicht. Es läuft in der HafenCity offensichtlich etwas schief, dass die Zustimmung zu diesem großen und wichtigen Projekt in der Öffentlichkeit quasi einbricht. Wie kann das sein?

(Klaus-Peter Hesse CDU: Sind Sie die Öffentlich- keit?)

Der Senat ist mit dem Ziel angetreten, die Entwicklung in der HafenCity zu beschleunigen. Beschleunigt hat er sie auch, aber offensichtlich in die falsche Richtung, auf den Holzweg, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der GAL)

Die Krise, die wir heute diskutieren, ist auch ein Teil der Bilanz des vorherigen Stadtentwicklungssenators Freytag. Herr Freytag hat in seiner Zeit notorisch den Superlativ bemüht. Kein Leuchtturm konnte ihm hoch genug sein. Ich erinnere an die verunglückten Hochhausvisionen am Chicago-Square. Seit dieser Senat die HafenCity steuert, zählen nur noch die großen Schritte. Besonders gut sichtbar ist dies am Überseequartier, der aktuellen Großbaustelle in der HafenCity. Gegen das, was dort jetzt hoch wächst, ist alles, was am Dalmannkai und am Sandtorkai steht, klein und niedlich. Damit es schnell geht und groß wird, musste das Überseequartier in einem Stück an ein Konsortium verkauft werden, wobei weitreichende

Zugeständnisse an die Investoren gemacht wurden, sei es der Bau der unsinnigen U-Bahn oder die faktische Privatisierung des öffentlichen Raums oder die Verlagerung des Planetariums aus dem Stadtpark, die man nun mit Mühe wieder vermeidet.

Für Größe und Geschwindigkeit opfert der Senat diverse Grundsätze der Stadtentwicklung und den Dialog mit der Stadt.

(Beifall bei der GAL – Hans-Detlef Roock CDU: Die ist doch herbeigeredet, die Krise!)

Diese Gigantomanie auf der einen Seite kontrastiert allerdings mit einer merkwürdigen Borniertheit und Einfallslosigkeit auf der anderen Seite. Nehmen wir die Magellanterrassen, zu der die "FAZ" sagte, dass dies einer der entschlossensten Atmosphärentöter seit der Erfindung der Fußgängerzone sei.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Oder denken wir an die Benennung der Straßen in der HafenCity. Da haben wir bald eine Überseeallee im Überseequartier. Die Magistrale der City Nord heißt Überseering. In der HafenCity haben wir eine Hongkongbrücke, in der City Nord eine Hongkongkehre. Das kann man beliebig so fortsetzen. Das ist dermaßen armselig und einfallslos. Sie geben sich nicht nur Mühe, dass die HafenCity heißt wie die City Nord, Sie geben sich auch noch Mühe, dass sie so aussieht wie die City Nord, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall bei der GAL – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Klaus-Peter Hesse CDU: Das ist ja lächerlich, was Sie da von sich geben, Herr Lieven!)

Aber, meine Damen und Herren, anscheinend beschleicht dieses Gefühl der Monotonie mittlerweile viele Menschen bei der Betrachtung der schon fertigen Neubauten. Ich will hier nicht einer vermeintlich hamburgischen Architektursprache im Sinne von Backstein und Bullaugen das Wort reden. Neue Gebäude, zumal, wenn sie geballt erscheinen, wirken praktisch zwangsläufig fremd. Gleichwohl braucht Architektur ein menschliches Maß. In einem der vielen in den letzten Tagen veröffentlichten Leserbriefe hieß es, man vermisse in der HafenCity schmerzlich den Sinn für das Kleine und für das Schöne. Ja, meine Damen und Herren, kleine Maßstäbe sind in der HafenCity nicht vorgesehen. Alle Gebäude sollen Eindruck machen, von der Bedeutung der Firmen zeugen, die dort residieren, oder vom Reichtum der Menschen, die dort wohnen. Dem muss sich vieles unterordnen.

Nehmen wir das Beispiel der Schule am Sandtorpark, die dort zu einer Restgröße degradiert worden ist: Vier Stockwerke Schule, obendrauf noch drei Stockwerke Wohnen oder Hotel, damit es sich besser rechnet, und in der Pause sperrt man die Kinder in einen Käfig auf dem Dach. Warum das, meine Damen und Herren? - Weil für die Kinder unten kein Platz ist. Dort, wo der Schulhof einmal geplant war, soll heute ein Bürohaus entstehen. Das ist ein Armutszeugnis für die HafenCity.

(Beifall bei der GAL und der SPD)