Protokoll der Sitzung vom 18.04.2007

Frau Möller hat einen guten Begriff aus der Drucksache zitiert, mit der wir einmal beschlossen haben, dass die PKS vorgelegt wird. Da steht nämlich nicht drin, dass wir uns über die PKS freuen, weil sie die Grundlage von mehr oder weniger glorreichen Presseartikeln der Senatsbank ist, sondern da steht, dass wir die PKS diskutieren wollen, weil sie ein Steuerungsinstrument ist. Sie ist insofern ein Steuerungsinstrument, als dass sie Aufschluss über bestimmte Entwicklungen in einer Gesellschaft, in einer Stadt geben kann. Ich finde diese Rankings ganz wunderbar. Aber ganz ehrlich: Was nützt es dem Hamburger Bürger, der vielleicht auch Opfer von Kriminalität geworden ist, dass es in Köln vielleicht noch ein bisschen schlimmer ist? Diese Rankings helfen uns nicht weiter, sondern wir müssen die PKS als Steuerungsinstrument lesen, das uns Hinweise darauf gibt, wie sich eine Gesellschaft verändert.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei hat in seiner Presseerklärung zu den jährlichen PKS-Vorlagen nicht nur in Hamburg gesagt, wir sehen eine Tendenz der Brutalisierung der Gesellschaft. Davon höre ich von Ihnen gar nichts.

(Doris Mandel SPD: Null!)

Es gibt diese Brutalisierung der Gesellschaft. Das ist in erster Linie kein Versagen der Polizei, aber wir müssen uns hier und auch im Innenausschuss mit solchen Dingen auseinandersetzen. Natürlich könnte ich Ihnen jetzt noch

einmal die Zahlen der Körperverletzung, Gewaltkriminalität, Opfer und so weiter vorlesen, aber den Effekt spare ich mir jetzt. Ich bitte Sie jedoch, noch einmal darüber nachzudenken, dass wir das im Innenausschuss diskutieren und Sie uns dort ganz im Sinne der politischen Steuerung sagen, was Sie verändern, was Sie tun wollen, welche Tendenzen Sie in der PKS erkennen. Bitte, hören Sie auf, sich immer nur zu loben, denn das Einzige, was ich aus dieser umfangreichen 200-SeitenStatistik lese, ist, dass Sie klasse sind und so weitermachen werden. Das wird der Statistik nicht gerecht, das wird den Hamburgern nicht gerecht und das wird Ihrer Verantwortung nicht gerecht. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt Frau Möller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will das noch einmal unterstützen. Wir haben den Innensenator reden hören, und zwar so, wie man es sich vorstellen musste. Er hatte seine Rede vorbereitet, ohne zu wissen, was wir sagen. Vielleicht wusste er, was Herr Dr. Jäger sagt, er wusste aber nicht, was die SPD oder die GAL sagt, dass ich meine Rede an die Seite gelegt und gedacht habe, dass ich dieses Thema so nicht diskutieren will. Ich möchte die Möglichkeit haben, auf eine konkrete Frage eine direkte Antwort zu bekommen. Ich möchte weg von diesen Beschimpfungstiraden, mit denen Sie im Zweifelsfall der SPD, aber vor allem natürlich immer wieder der GAL unterstellen, etwas gegen die Polizei zu haben und die polizeiliche Arbeit zu kritisieren.

Sehr geehrter Herr Senator, wir kritisieren die politische Arbeit und nicht die Arbeit der Polizei.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das ist unsere Aufgabe. Ihre Aufgabe als Senat, aber auch die der Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ist die Kontrolle der Auswirkungen unserer parlamentarischen Arbeit und vor allem die der politischen Arbeit des Senats. Die verhindern Sie durch eine derartige Debatte, die wir uns hier notgedrungen liefern müssen, die aber keine Antworten gibt und meiner Meinung nach in der Außenwirkung in Bezug auf das Ernstnehmen der Innenpolitik fatal ist.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt Herr Warnholz.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich verstehe natürlich die SPD, dass sie nach zehn Jahren Regierung der CDU sauer ist.

(Michael Neumann SPD: Zehn Jahre! - Dr. Andreas Dressel SPD: So viele sind es nicht!)

Ich verstehe auch, dass die nächste Wahl bevorsteht und dass Sie zittern.

(Beifall bei Harald Krüger CDU - Antje Möller GAL: Ich möchte einen Beitrag zur Debatte hören!)

Aber nun seien wir doch einmal ehrlich: Seit zehn Jahren haben wir eine wachsende Stadt und seit 2001 und län

ger - meine Damen und Herren, nehmen Sie das doch einmal zur Kenntnis - haben wir noch nie so viele Polizeibeamte in Hamburg auf der Straße gehabt wie heute. Trotz wachsender Stadt, ob Sie es jetzt hören wollen oder nicht, haben wir weniger Kriminalität. Sie, Herr Dr. Dressel, sitzen natürlich - das akzeptiere ich sehr und finde es auch toll, das ist die Aufgabe der Opposition - als König der Kleinen Anfragen jetzt in der ersten oder in der dritten oder vierten Reihe.

(Gudrun Köncke GAL: Das ist eine Unverschämt- heit!)

Aber eines wollen wir doch mal festhalten: Sie, meine Damen und Herren, und insbesondere Herr Dr. Dressel, fragen doch jede Woche mit zwei Schriftlichen Kleinen Anfragen - was ich durchaus gut und legitim finde, weil das Ihre Aufgabe als Opposition ist - die Zahlen ab, sodass man das als einfacher Realschüler überhaupt nicht mehr zusammenaddieren kann. Ich habe jedenfalls meine Probleme damit.

(Heiterkeit bei der SPD und der GAL und Zurufe von der SPD und der GAL)

Jetzt sage ich Ihnen Folgendes, Herr Dr. Dressel: Sie sind nicht fair. Warum nicht? - Weil Sie sich einzelne Punkte aus der Statistik der Verbrechenskriminalität herausgreifen, die wir natürlich nicht gerne hören. Sehen Sie doch einmal das Gesamte und das ist das, was der Innensenator gesagt hat: Diese Stadt ist sicherer geworden und in dieser Stadt fühlen sich die Bürger wohl. Auch wir bedauern natürlich, dass die Kriminalitätsquoten in einigen Fällen nicht so sind, wie wir uns das wünschen, aber insgesamt haben Sie die Polizei gelobt. Loben Sie auch mal diesen Senator,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das tun wir nicht!)

der es geschafft hat, Hamburg auf den vierten Platz in Deutschland zu bringen.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben es nicht geschafft. Sie waren 40 Jahre die Hauptstadt des Verbrechens und wir nicht mehr und damit müssen Sie leben.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Möller.

Liebe Kollegen und Kolleginnen von der CDU! Es steht mir nicht zu, Ihre Entscheidungen, wer ans Rednerpult geht, zu kritisieren oder zu bewerten,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das machen die schon intern!)

aber das war keine angemessene Bearbeitung, Reaktion auf das, was die Opposition von Ihnen wollte.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.

Wer einer Überweisung der Drs. 18/6044 an den Innenausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Überweisungsbegehren ist abgelehnt.

A C

B D

Dann stelle ich fest, dass die Bürgerschaft Kenntnis genommen hat.

Wir kommen zum Punkt 8 der Tagesordnung, der Großen Anfrage der SPD-Fraktion: Zwangsräumung verhindern: Prävention und Intervention bei Wohnungsverlust.

[Große Anfrage der Fraktion der SPD: Zwangsräumungen verhindern: Prävention und Intervention bei Wohnungsverlust – Drs. 18/5908 –]

Die SPD-Fraktion möchte diese Drucksache an den Sozialausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? - Herr Grund, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir hatten in den vergangenen Jahren immer wieder den Senat zu dem Thema befragt, was der Senat über das Schicksal der Menschen in dieser Stadt weiß, die ihre Wohnung durch Zwangsräumung verlieren. Der Senat war in den vergangenen Jahren dazu nie auskunftsfähig. Auf Drängen und Wunsch der SPD-Fraktion, gemeinsam mit anderen Initiativen im Bereich der Obdachlosigkeit in der Stadt, hat sich die Universität in Hamburg, konkret das Ethnologische Institut, dazu entschlossen, näher zu untersuchen, was mit Zwangsräumungen in dieser Stadt passiert.

Diese qualitative Untersuchung - es handelt sich natürlich nicht um eine Massenuntersuchung - war Anlass für uns, noch einmal konkreter nachzufragen. Immerhin, meine Damen und Herren, handelt es sich nicht um eine Bagatelle, sondern in Hamburg werden an jedem Arbeitstag, also auch heute, etwa acht Wohnungen zwangsweise geräumt. Über 2.000 im Jahre 2006, im Jahre 2005 waren es übrigens noch 300 Zwangsräumungen mehr, also eine gegenwärtig sinkende Tendenz. Wir kommen nachher noch einmal darauf.

Wir haben uns nun etwas intensiver mit den Problemen auseinandergesetzt und fragen den Senat, was geschehen kann, um Zwangsräumungen zu vermeiden. Zwangsräumungen haben viele negative Auswirkungen. Im Detail wird dazu etliches in dieser Großen Anfrage nachgearbeitet.

Ich will an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betonen, bevor nachher wieder das Gegenteil gesagt wird: Die Sozialdemokraten haben, wenn ich es richtig sehe, gemeinsam mit der GAL die Einrichtung des sogenannten Fachstellenkonzepts gegen Wohnungsverlust einhellig begrüßt. Das Konzept wird schon seit vielen Jahren bearbeitet. Wir haben es damals auf den Weg gebracht und der Senat hat nach einigen Jahren begonnen, es auch inhaltlich umzusetzen. Dieses Konzept wird inhaltlich prinzipiell von uns begrüßt. Wir drängen seit geraumer Zeit, dass wir im Sozialausschuss und auch im Parlament dazu kommen, die Ergebnisse dieser bisherigen neuen Regelung der Wohnungssicherungskonzeption in der Stadt zu überprüfen und zu diskutieren. Dazu sind wir bislang nicht gekommen. Ich hoffe, es gelingt mit der Überweisung dieser Großen Anfrage, dem Thema ein Stück näherzukommen.

Auf folgende Aspekte will ich eingehen, weil ich meine, dass sie besonders wichtig sind.

Warum verlieren Menschen ihre Wohnung? Die Ursachen sind vielschichtig. Sie sind an verschiedener Stelle genannt worden. Das hat mit dem Thema Verschuldung, mit dem Thema Erkrankung, mit den Suchtproblemen, mit Arbeitslosigkeit, vor allem auch mit Zerstörung von Familienstrukturen zu tun. Oft sind es mehrere Wirkungsursachen zusammen, die dazu führen, dass Menschen ihre Wohnung verlieren und obdachlos werden. Die Frage ist natürlich, wie man durch politisches Handeln, Intervention und Zusammenarbeit der richtigen Stellen Zwangsräumungen, die per Gerichtsvollzieher durchgeführt werden, in dieser Stadt vermeiden kann? Der entscheidende Punkt ist die Frage, ob die Betroffenen selbst dem drohenden Wohnungsverlust erfolgreich begegnen können, also ob sie in der Lage sind, selbst sehr maßgeblich Handlungsspielräume für sich zu eröffnen und Möglichkeiten zu nutzen, um dem zu begegnen, zum Beispiel, ob sie überhaupt über die Fähigkeit verfügen, sich selbst zu helfen oder helfen zu lassen.

Die Untersuchung, die die Universität durchgeführt hat, hat belegt, dass sehr viele objektiv gar nicht in der Lage sind, sich selbst zu helfen. Viele sind schon nicht mehr in der Lage, sich von Fremden helfen zu lassen. Das bedeutet - so ist die erklärende Position -, dass man an diese Menschen herantreten muss, bevor das Schlimmste, nämlich der Wohnungsverlust, eintritt.

Nun haben wir nachgefragt, wie es mit dieser aufsuchenden Arbeit der Einrichtungen im Bereich der Wohnungsfachstellen aussieht. Da ist das Ergebnis, wie ich finde, doch eher traurig. Herausgekommen ist, dass in Gesamt-Hamburg durchschnittlich je Bezirk jede Woche drei Besuche vor Ort stattfinden. Das ergeben die Zahlen. In den entsprechenden Fachstellen ist eine beachtliche Anzahl von Mitarbeitern beschäftigt. Wie wir aber wissen, sind es viel zu wenige, die in der Lage wären, eine solche aufsuchende Arbeit vor Ort qualitativ zu leisten. Vor dem Hintergrund der Problemlage, wie ich sie gerade dargestellt habe, führt natürlich diese aufsuchende Arbeit in dieser Größenordnung dazu, dass nur in den seltenen Fällen wirklich erfolgreich in letzter Minute, also vor der Zwangsräumung, interveniert werden kann.

Ich sage ausdrücklich, dass wir nicht die Arbeit der Beschäftigten in den Fachstellen kritisieren, sondern wir sagen, dass der Senat hier zu wenig tut, um am Ende Zwangsräumungen zu verhindern. Nun werden der Senat und wahrscheinlich auch die CDU-Fraktion gleich antworten: Aber die Zahl der Zwangsräumungen sind vom Jahr 2005 auf das Jahr 2006 gesunken. Das ist richtig und auch erfreulich, dass das so ist. Nur, wenn man genauer hinschaut, dann sieht man, dass die Zahl der Menschen, die wegen Wohnungslosigkeit in öffentlichen Unterbringungen sind, nicht wegen Flüchtlingsproblematik, exakt dieselbe ist wie im Jahre 2005, nämlich 2766. Das heißt, wenn es nicht gelingt, Zwangsräumungen rechtzeitig zu verhindern, dann geschieht ein sehr merkwürdiger Kreislauf. Die Stadt gibt sich viel Mühe, mit viel Geld und Aufwand, Menschen aus öffentlichen Unterbringungen herauszubekommen und in reguläre Wohnungen zu bekommen. Gleichzeitig füllt sich die Stadt ihre Einrichtungen wieder auf, weil ein nicht kleiner Teil der Menschen, die durch Zwangsräumung obdachlos geworden sind, am Ende doch wieder in öffentlichen Unterbringungen landen. Dieser Kreislauf, meine Damen und Herren, muss dringend unterbrochen werden. Das muss die Zielsetzung dieser Debatte sein.

(Beifall bei der SPD und der GAL)