Protokoll der Sitzung vom 09.05.2007

Wir kommen zur

Aktuellen Stunde

Dazu sind drei Themen angemeldet worden, und zwar von der GAL-Fraktion

Kohle statt Klimaschutz: Neues Kraftwerk heizt dem Klima ein

von der CDU-Fraktion

Mit dem Schulbus auf Schlingerkurs - Welche Schulpolitik will Hamburgs SPD

und von der SPD-Fraktion

Schlamperei in der Schulbehörde - Vergleichsarbeiten verunsichern Kinder und Eltern

Wird das Wort gewünscht? - Herr Maaß.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir hatten schon gewisse Zweifel, ob der Erste Bürgermeister es wirklich ernst meint und Hamburg tatsächlich zur Klimaschutz-Hauptstadt ausbaut, wie er es pünktlich zum Wahlkampfbeginn verkündet hatte.

Aber diese Zweifel haben sich am letzten Freitag ziemlich schnell verflüchtigt. Da hat der Bürgermeister seine Unterstützung für das Kohlekraftwerk Moorburg bekannt gegeben. Am letzten Freitag ist aus einem bis dahin vom Senat sehr kritisch beäugten Kraftwerk über Nacht ein gutes Kraftwerk geworden. Bis zum letzten Freitag hieß es auch vom zuständigen Umweltsenator, dass er große Bauchschmerzen mit dem Kohlekraftwerk habe. Er wolle das Kraftwerk so nicht genehmigen.

Bis letzten Freitag gab es eine kohlekritische Linie des Senats, die auch von der EU-Kommission und auch vom heute vorgelegten jüngsten Gutachten der Bundesregierung gestützt wird, worin aufgezeigt wird, dass 40 Prozent weniger Treibhausgase bis zum Jahre 2020 bei gleichzeitigem Atomausstieg durch den Ausbau der Energieeffi

zienz und der erneuerbaren Energien möglich sind und das ohne viele neue Kohlekraftwerke.

Seit ein paar Tagen hat sich diese ehemals vernünftige Linie des Umweltsenators nun grundlegend geändert. Jetzt unterstützt er den Bau eines Kraftwerks, das in der Zeit eines Wimpernschlags so viel CO2 emittiert und so viel Kohle verbrennt, wie hier soeben auf Ihren Tischen lag.

Was hat sich also über Nacht geändert? Wie kann aus diesem schlechten Kraftwerk über Nacht ein gutes Kraftwerk werden? An der Klimabilanz kann das - glaube ich - nicht liegen, denn das Kraftwerk Moorburg wird weiter jährlich mehr Treibhausgase ausstoßen, als alle Autos, Lastwagen, Bahnen, Schiffe und Flugzeuge in einem Jahr in dieser Stadt zusammen verursachen.

(Zurufe von der GAL: Buh, buh!)

Noch immer hat dieses Kraftwerk einen Wirkungsgrad von unter 50 Prozent. Es wird also immer noch mehr als die Hälfte der Energie, die in der Kohle steckt, nicht genutzt, sondern dafür gebraucht, um die Elbe aufzuheizen. Noch immer liegen die Alternativen zum Steinkohlekraftwerk auf der Hand, nämlich der Bau von modernen dezentralen Gaskraftwerken mit optimierter Kraftwärmekopplung sowie der Ausbau von Blockheizkraftwerken und der Nah- und Fernwärmenetze, eine Strategie der Energieeinsparung und der erneuerbaren Energien. Noch immer werden diese Strategien von diesem Senat nicht genutzt. Das ist die eigentliche Schande.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Stattdessen wird noch immer mit dem geplanten Kraftwerk des Monopolisten Vattenfall auf eine zentralisierte Stromproduktion gesetzt. Hier wird ein Monopol weiter für einen Monopolisten zementiert, der die Verbraucherinnen und Verbraucher in Hamburg nach Gutdünken abzockt. Noch immer wird mit dem Kraftwerk die Einhaltung der Klimaschutzziele, die wir uns in Hamburg setzen wollen, unmöglich gemacht.

Das Kohlekraftwerk wird mindestens bis zum Jahre 2050 laufen. Anstatt der erforderlichen minus 80 Prozent an CO2, die wir bis dahin brauchen, werden wir mit diesem Kraftwerk in Hamburg ein Plus von 40 Prozent haben. Selbst wenn man das Abschalten von Kraftwerken außerhalb Hamburgs dagegen rechnet, dann reichen die Effizienzgewinne doch längst nicht aus. Effizienzgewinne von 23 Prozent sind erkennbar auch für Sie, Herr Gedaschko, weniger als die erforderlichen 80 Prozent, die wir bis zum Jahre 2050 brauchen.

(Beifall bei der GAL)

Mit anderen Worten: Die Gründe, warum dieser Senat sich einmal sehr kritisch gegenüber diesem Kohlekraftwerk ausgesprochen hat, bestehen weiter fort. Die einzige Begründung, die jetzt nachgeliefert wird, ist, dass die Norddeutsche Affinerie auf ihr Müllkraftwerk verzichten will.

Das Müllkraftwerk hat ein Elftel der Größe von Moorburg. Das heißt, bis letzten Freitag wurden Kraftwerkskapazitäten in der Größenordnung von 12 Kraftwerken, wie sie bei der Affinerie gebaut werden sollen, geplant. Seit Freitag sind es nur noch elf Kraftwerke, die in Hamburg geplant werden. Was bei der Affinerie nicht errichtet wird, wird jetzt in Kiel und Tornesch gebaut.

Aber was sagt der Bürgermeister? Ein Kraftwerk in Hamburg ist besser als zwei und nennt das dann einen Erfolg für den Klimaschutz. Herr Bürgermeister, wer so rechnet, hat weder das Kleine Einmaleins richtig verstanden, noch versteht er irgendetwas vom Klimaschutz.

(Beifall bei der GAL - Unruhe im Hause - Glocke)

Herr Abgeordneter, ich möchte Sie kurz unterbrechen. Es ist so unruhig. Ich würde die Damen und Herren bitten, Platz zu nehmen oder hinauszugehen. Danke.

Die Unruhe kann ich verstehen, denn wir haben Ihnen den Dreck auf Ihre Tische gelegt, den Sie mit Ihrem Kraftwerk nach Hamburg bringen wollen und darüber sollten Sie einmal nachdenken.

(Beifall bei der GAL)

Anstatt unserer Stadt einem Unternehmen wie Vattenfall auszuliefern, sollte der Senat endlich handeln. Die unverantwortlichen Entscheidungen von Vattenfall zur Strompreiserhöhung von 7 Prozent und zum Bau des Steinkohlekraftwerks zeigen, dass es ein Fehler war, sich diesem Unternehmen auszuliefern.

(Dr. Andreas Mattner CDU: Aber das war doch Ih- re Politik!)

Wir brauchen stattdessen endlich eine Klimaschutzpolitik des Senats und den Aufbau von Stadtwerken, damit wir in Hamburg endlich Klimaschutzpolitik machen können. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Engels.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Maaß, Sie haben die Kritik am Senat als ersten Punkt genommen. In der Tat hat es sich der Senat mit seiner Entscheidung nicht leicht gemacht.

(Christiane Blömeke GAL: Aber das hilft ja nichts, wenn sie falsch ist!)

Hierbei gab es teilweise auch kritische Töne. Aber ich bin sehr dankbar dafür, dass der Senat sich dann aufgrund eines sorgfältigen Entscheidungsprozesses zu diesem Kohlekraftwerk bekannt hat. Hierfür gibt es sehr gute Gründe. Ich bin mit der Senatsentscheidung mehr als einverstanden und nicht nur wegen der Affinerie.

(Beifall bei der CDU)

Ich komme zunächst einmal zu Ihrem völlig falschen Ansatz. Sie überschreiben das ganze Thema mit "mehr Schutz fürs Klima" beziehungsweise "weniger Schutz", je nachdem, aus welchem Blickwinkel man es betrachtet. Ich sage Ihnen ganz ernsthaft und Herr Kerstan hat gestern in der Schalthoff-Sendung dasselbe eingeräumt: Wir werden uns noch in einem jahrzehntelangen Prozess befinden. Wir werden auf dieser Welt - und es geht um diese Welt und nicht nur um Hamburg - noch sehr lange auf das Verbrennen von fossilen Brennstoffen angewiesen sein. Hierzu gehört auch die Kohle.

(Zurufe von der GAL)

Was haben Sie denn dagegen, dass wir beispielsweise einem Anderthalb-Milliarden-Volk wie China, das ein viel größerer Faktor als Hamburg ist, vormachen, welche deutsche Technologie es in Richtung vernünftiger, energieeffizienter und energiewirksamer Kraftwerke gibt.

(Christiane Blömeke GAL: Das ist doch gar nicht der Punkt!)

Das wird dieses Kohlekraftwerk sein.

(Beifall bei der CDU)

Sie wissen ganz genau, dass dieses Kohlekraftwerk eines der modernsten in der Welt und Vorbild für Regionen, Entwicklungs- und Schwellenländer sein wird, die weiterhin auf diese Kraftwerke angewiesen sind.

(Beifall bei der CDU - Olaf Ohlsen CDU: Sehr richtig!)

Sie verkünden Hunderte von großartigen, millionenschweren Sozialplänen. Aber wie wollen Sie diese finanzieren, wenn Sie deutsche Technologien in dieser Weise abwürgen. Das funktioniert nicht.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der GAL)

- Herr Sarrazin, seien Sie bitte mit Ihrer Harburger Spaßtruppe, die im Eisbärenfell herumläuft, ganz ruhig. Klären Sie diese Leute bitte auf, dass sich die Zahl der Eisbären seit 1945 verdoppelt hat. Das ist nicht das entscheidende Problem.

(Lachen bei der GAL - Beifall bei der CDU)

Und dann im wahrsten Sinne des Wortes Ihre Milchmädchenrechnung. Vielleicht versuche ich einmal, als Mathematiker zu argumentieren. Wenn Sie irgendein fossile Stoffe verbrennendes Kraftwerk an einem Ort aufstellen, an dem bisher nichts verbrannt wurde, dann haben Sie eine Erhöhung um unendliche viele Prozente.

(Christiane Blömeke GAL: Genau!)