Protokoll der Sitzung vom 27.09.2007

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir in diesem Hause wenigstens einmal ein bisschen über Fernsehen und Film sprechen. Die Stadt hat es bitter nötig. Wir wissen alle, heute Abend beginnt das Filmfest, es gibt Premieren und man wird in Hamburg ein paar Tage lang über viele neue Filme sprechen.

Uns allen muss klar sein, dass der Zug, große TVGesellschaften nach Hamburg zu holen, erst einmal abgefahren ist. Zu sagen, na gut, dann ist das wohl so und deswegen wollen wir uns jetzt einmal bei den Spartenkanälen ein bisschen tummeln, kann eine Strategie sein. Sie wurde auch in der Senatsdrucksache beschrieben.

Weil wir im Content so stark sind - eben wurde schon gesagt, das sei in Hamburg unsere Stärke -, sind auch

ein paar Millionen Euro bereitgestellt worden, um Inhalte für das Handy-TV herzustellen und besonders die Hamburger Kompetenz dabei herausstellen zu lassen. Das haben wir begrüßt. Bei der Weltmeisterschaft gab es den ersten Versuch, Handy-TV massentauglich zu machen. Es wurde ganz böse geunkt, da kommt etwas Neues auf uns zu: Schnipsel-TV.

Damit es nicht zum Schnipsel-TV kommt, sondern auch zu intelligenten Inhalten, begrüße ich es, dass Hamburg diese Initiative gestartet hat. Das hat jetzt aber 2 Millionen Euro unserer Steuergelder verbraucht und muss auch auf den Weg gebracht werden. Wir sind daher momentan eher skeptisch, dass wir nun schon wieder - bevor das Gründerzentrum überhaupt auf den Weg gebracht ist - weitere Mittel bereitstellen sollen, bevor das Herzstück, das Aushängeschild, wenn wir sagen, wir wollen digitale Spartenkanäle fördern, noch nicht richtig auf die Füße gestellt ist und auch noch gar nicht sichtbar ist.

(Uwe Grund SPD: Es ist kein neues Geld! - Gesine Dräger SPD: Es ist das gleiche Geld!)

Wir wollen aber jetzt nicht schon wieder herumkleckern. Konzentrieren Sie sich darauf, dass Sie das Gründerzentrum hinbekommen. Wenn das gut läuft, ist das schon Ausstrahlung auch in Richtung Berlin, weil immer die Befürchtung besteht, dass sie nach Berlin oder nach Köln gehen. Es fehlt mir das Verständnis, schon wieder neue Gelder für irgendwelche anderen Fördermaßnahmen im gleichen Bereich bereitzustellen, bevor wir das in Hamburg nicht auf die Reihe bekommen haben. Das hat auch nichts mehr mit einer kohärenten Wirtschaftspolitik zu tun, sondern mit Glaubwürdigkeit. Die Filmförderung ist zusammengestrichen worden. Berlin hat bewusst Millionen obendrauf gepackt. Wenn wir in den Bereichen TV und Film noch einmal einen Versuch wagen wollen, auf die Füße zu kommen, dann muss man ein durchgehendes Konzept haben.

Nun sage ich nicht, nur weil man die Filmförderung zusammengekürzt hat und nicht willig ist, da wieder etwas drauf zu tun, darf man keine Spartenkanäle fördern. Aber es ist irrsinnig zu glauben, dass wir die Produktion von TV-Inhalten einseitig nach Hamburg locken und aufbauen können, wenn wir nicht auch ein bisschen auf ein kohärentes Konzept gucken. Hier sind ein paar Millionen für Handy-TV, dann haben wir noch die Filmförderung, die aber im Rahmen der anderen Bundesländer, was die Förderung von Filmen betrifft, nicht mehr richtig wettbewerbsfähig ist. Dann haben wir die Spartenkanäle des Gründerzentrums, bei denen wir offensichtlich Schwierigkeiten haben, das richtig aufzubauen.

Wir wären sehr gut beraten und ich wünsche Herrn Uldall Mut und Kraft, das Gründerzentrum auf den Weg zu bringen. Ich wünsche mir, dass wir das erst einmal schaffen. Dann müssen wir gucken, wie wir darüber hinaus, wenn es denn notwendig ist, weiter Fördermittel einsetzen. Ich halte momentan nichts davon, die Mittel für Medien, TV und Handy so zu verzetteln, dass wir in allen Bereichen Mittelmaß sind oder darunter liegen. Das führt uns in dieser Stadt nicht weiter. Das ist auch das Drama, weshalb wir in bestimmten Bereichen des Mediensektors im Vergleich zu anderen Standorten in diesem Lande nicht mehr ernst genommen werden.

Deswegen habe ich folgende Bitte: Konzentrieren Sie sich auf das Gründerzentrum. Wenn wir das haben, können wir gern über weitere, notwendige Förderungen in

dieser Stadt sprechen. Deswegen wird meine Fraktion diesem Antrag nicht zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Frau Dräger hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Müller, jetzt haben Sie mich ein bisschen provoziert. Das Bizarre an diesem Antrag ist nicht, dass man neues Geld in die Hand nimmt, während man alte Sachen noch nicht fertig gestellt hat. Das völlig Absurde an dieser Debatte heute ist, dass wir 2006 einen Titel "Stärkung des Medien- und IT-Standorts Hamburg" beschlossen haben, für 2007 2,5 Millionen Euro und für 2006 550.000 Euro bereitzustellen und dass dieses Geld schlicht nicht abfließt, weil nichts gemacht wird. Jetzt sagt die CDU-Fraktion, nimm doch das Geld, das wir euch bewilligt haben, und macht etwas damit. Das ist so absurd, dass ich die Meinung meines Kollegen Grund teile, dass ich nicht erwartet habe, dass Sie diesen Kram auch noch hier anmelden. Ich höre jetzt auf, das ist es nicht wert. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.

Wer möchte den CDU-Antrag aus der Drs. 18/6963 annehmen? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist bei einigen Enthaltungen einstimmig so geschehen.

Punkt 29, Drs. 18/6974, Neufassung, gemeinsamer Antrag der SPD- und GAL-Fraktion: Schülerinnen und Schüler mit Behinderung integrieren statt ausgrenzen.

[Antrag der Fraktionen der SPD und der GAL: Schülerinnen und Schüler mit Behinderung integrieren statt ausgrenzen - Drs. 18/6974 (Neufassung)-]

Wer wünscht das Wort? - Es wünscht keiner das Wort?

(Zurufe von der CDU: Abstimmen!)

Wenn keiner das Wort wünscht, dann kommen wir zur Abstimmung. Wer möchte den gemeinsamen Antrag von SPD- und GAL-Fraktion aus Drs. 18/6974, Neufassung …

(Unruhe im Hause)

- Es tut mir leid. Ich werde jetzt abstimmen lassen. Wer möchte den gemeinsamen Antrag von SPD- und GALFraktion aus der Drs. 18/6974, Neufassung, annehmen? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist mit Mehrheit abgelehnt.

(Beifall bei der CDU)

Wir kommen zu Punkt 24, Drs. 18/6962, Antrag der CDUFraktion: Gesamtkonzept für "Orte des Gedenkens an die Zeit des Nationalsozialismus 1933 bis 1945 in Hamburg" und Sachstandsbericht über die Aktivitäten zur Gestaltung des Lohseplatzes.

[Antrag der Fraktion der CDU: Gesamtkonzept für "Orte des Gedenkens an die Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945 in Hamburg" und Sachstandsbericht über die Aktivitäten zur Gestaltung des Lohseplatzes - Drs. 18/6962 -]

Diese Drucksache möchte die GAL-Fraktion an den Kulturausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? - Frau Ehlers.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe ja das Glück, dass ich da bin.

(Beifall bei der CDU)

Wir debattieren heute über einen Antrag der CDUFraktion, mit dem wir für Hamburg ein Konzept für die Orte des Geschehens in der Zeit des Nationalsozialismus 1933 bis 1945 in Hamburg einfordern.

Die Zeit der nationalsozialistischen Diktatur bedeutete für Deutschland und Hamburg eine tiefgreifende Zäsur. Die erste demokratische Republik von Weimar ging unter in Barbarei und Völkermord. Die geistige und kulturelle Blüte Deutschlands versank im Vernichtungswahn der Nationalsozialisten. Übrig blieb in jeder Hinsicht ein zerstörtes Land, das im Westen seine politische und wirtschaftliche Stabilität dank der Hilfe der Siegermächte recht schnell erlangte.

(Unruhe im Hause - Glocke)

Frau Abgeordnete, ich möchte Sie einmal unterbrechen und um Ruhe bitten.

Auch international fand die Bundesrepublik aufgrund der klaren Westbindung eine akzeptierte Position. Dieser äußeren Heilung in den Fünfziger- und Sechzigerjahren stand jedoch eine schwierige, oft durch Sprachlosigkeit und Erstarrung gekennzeichnete Stimmungslage gegenüber. Wie sollten die Menschen die existenzielle Bedrohung in Diktatur, Krieg und Zusammenbruch verarbeiten und den berechtigten Ansprüchen an Verantwortung und Verpflichtung für die Zukunft gerecht werden? Wie mit den Ansprüchen umgehen, die sich aus den Nürnberger Prozessen mit der Verurteilung der großen Täter einerseits und den Persilscheinen für die sogenannten Mitläufer andererseits ergaben? Wie mit der offiziellen Aussöhnung mit Israel im Bewusstsein der Verantwortung Deutschlands für den jüdischen Staat einerseits und der oft bedrückenden Erfahrung personeller Kontinuität in der Verwaltung und Rechtsprechung der Nachkriegs- und Aufbauzeit andererseits?

Es war nicht leicht, in dieser Gemengelage und Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus dem Gedenken an die NS-Opfer eine Form zu geben, die jenseits politischer Diskussionen und medialer Aufgeregtheiten eine aufrichtige Auseinandersetzung mit der NSZeit ermöglichte.

Der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat am 8. Mai 1985 in seiner Rede zum 40. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges genau diese Aufrichtigkeit gefordert. Er sagte:

"Erinnern heißt, eines Geschehens so ehrlich und rein zu gedenken, dass es zu einem Teil des eigenen Inneren wird. Das stellt große Anforderungen an unsere Wahrhaftigkeit."

(Beifall bei der CDU und bei Wolfgang Marx SPD)

Lange Zeit gab es in der Bundesrepublik eine Verweigerungshaltung gegenüber diesem Anspruch. Zwar gab es offizielle Aktivitäten, so wurden ehemalige Konzentrationslager in Gedenkstätten umgewandelt und im Bildungssystem bekam die Zeit von 1933 bis 1945 ihren Platz, doch oft wurde das Gespräch über die NS-Zeit und die Judenverfolgung mit den Worten "davon wussten wir nichts, das haben wir nicht gemerkt" verweigert. Es gab lange Zeit keine breite, in allen Teilen der Bevölkerung akzeptierte Auseinandersetzung mit diesem Teil unserer Vergangenheit. Erst in den Siebziger- und Achtzigerjahren änderte sich dies. So ist festzustellen, dass an viel mehr Orten Gedenkstätten errichtet wurden, als es diese Haltung vermuten lässt. Sichtbarer Beleg ist die Veröffentlichung der Bundeszentrale für politische Bildung, die die vielen Orte der Opfer des Nationalsozialismus in Deutschland dokumentiert.

Auch in Hamburg haben wir eine lebendige und vielfältige Aktivität des Gedenkens an die nationalsozialistische Diktatur, die in dieser Zeit verübten Verbrechen und den Widerstand. Die Bandbreite der Orte des Gedenkens reicht von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme mit ihren Ausstellungs- und Veranstaltungsangeboten über künstlerisch gestaltete Mahnmale, die Tafelprogramme bis hin zu den inzwischen zahlreich verlegten Stolpersteinen. Hamburg hat über 1.700 Stolpersteine und ist damit anscheinend die Stadt mit den meisten Steinen, um zu gedenken.

(Beifall bei der CDU, der GAL und bei Ingo Egloff SPD)

Man könnte also meinen, dass Hamburg "gut" dasteht, da wir an vielen Stellen und in vielfältigen Formen der Opfer gedenken und auch viele private Initiativen Gedenkorte geschaffen haben und wir keine Veränderungen bräuchten. Wir glauben jedoch, dass es an der Zeit ist, dass Hamburg ein Konzept für die Schaffung, Unterhaltung und insbesondere auch der Pflege und der Nutzung weiterer Orte des Geschehens und des Gedenkens erstellt. Wie das Beispiel Lohseplatz zeigt, mit dem wir uns gerade vor der Sommerpause wieder aktuell beschäftigt haben, ist es nötig, die Orte in den Blick zu nehmen, die möglicherweise für das Gedenken von Bedeutung sind, die aber erst jetzt langsam wieder in das öffentliche Bewusstsein treten. Wir wollen uns vor einer Diskussion aus irgendeinem aktuellen Anlass in Ruhe darüber verständigen, wie über die Gestaltung von Orten des Gedenkens entschieden werden soll und welche Gestaltungs- und Nutzungsmöglichkeiten angemessen sind.

Zudem soll erarbeitet werden, in welchem Verhältnis die schon bestehenden und möglicherweise noch hinzukommenden Orte des Gedenkens zueinander stehen werden oder könnten. Schließlich soll auch die Information über diese Orte verbessert werden. Die Übersicht aus dem Jahre 2003, die wir gemeinsam beschlossen haben, muss vervollständigt werden. Es sind inzwischen andere Orte dazugekommen und sie müssen laufend aktualisiert werden, damit diese Orte immer zugänglich bleiben und der Öffentlichkeit auch präsent sind.

Mit der Erstellung eines Konzeptes wird auch den privaten Initiativen und den Bezirken, die letztlich für die Pflege der Plätze zuständig sind, ein guter Leitfaden an die Hand gegeben. Das Gedenken an die NS-Diktatur hat einen hohen Stellenwert in unserer Stadt. Deshalb, denke ich, sollten wir diesem Antrag nach der Überweisung und Diskussion im Ausschuss zustimmen. - Danke.

(Beifall bei der CDU und bei Ingo Egloff und Luisa Fiedler, beide SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Buss.

(Wolfgang Beuß CDU: Hoffentlich hat er die richti- ge Rede mit!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion! Ihre Aufforderung an den Senat, ein Gesamtkonzept für die Schaffung und Erhaltung und Pflege sowie die Nutzung von Orten des Gedenkens an die Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933 bis 1945 in Hamburg aufzulegen, findet die volle Unterstützung der SPD-Fraktion, zeigt doch diese Forderung schließlich auch, Frau Senatorin, dass zumindest in den letzten Jahren kein Konzept vorhanden war. Bereits bei der Beantwortung der Großen Anfrage der SPD-Fraktion "Erinnern statt vergessen", die wir an dieser Stelle im Januar 2005, also vor über zwei Jahren debattiert haben, wurde schon deutlich, dass es an einer Konzeption des Umgangs mit diesen Problemen mangelt.