Protokoll der Sitzung vom 21.11.2007

(Beifall bei der CDU - Glocke)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, die Redezeit von uns Abgeordneten ist leider begrenzt.

(Michael Neumann SPD: In Ihrem Fall Gott sei Dank!)

Ich habe mich sehr gefreut - auch wenn Frau Dr. Schaal das als Einmischung von außerhalb wertet, wenn sozialdemokratische Wirtschaftsminister etwas über Politik sagen -, dass sich die Wirtschaftsminister in Deutschland mit Klimatechnologie beschäftigt haben, dass sie Kriterien für eine wirtschaftliche Energieversorgung aufgestellt haben und dass sie auch den Klimaschutzaspekt ganz weit nach vorne schreiben.

Ein bisschen wehmütig bin ich, wenn ich die Argumentation von Herrn Maaß höre, jenen Personen, die einmal Vorkämpfer für den Bereich erneuerbare Energien waren. Wenn er dann sagt, ihr macht jetzt eine Technologie, die uns auf 40 bis 50 Jahre festlegt. Da können wir einmal zurückspulen. Es ist nicht die erste Moorburg-Debatte und ich kann mich an eine der ersten Debatten hier erinnern, in denen ich gesagt habe, dass wir das eigentlich auch nicht wollen, aber lassen Sie doch die Brückentechnologie, die schon installiert ist, ein bisschen länger laufen, zwölf bis 15 Jahre, damit wir den Weg für die erneuerbaren Energien und diese Investitionssummen frei haben. Stellen Sie sich einmal vor, wir hätten verhandeln können, weil Herr Maaß und seine Freunde einmal einen historischen Kompromiss für den Klimaschutz gemacht und gesagt hätten, wir springen über das Dogma Kernenergie. Dann hätte man wahrscheinlich 1,7 Milliarden Euro in erneuerbare Energien stecken können. Herr Maaß sagt, wir wollen in den nächsten Jahrzehnten die Wohnungen in Hamburg auf einen Standard bringen, dass sie nicht mehr so viel Energie verbrauchen; das wollen wir auch. Der Unterschied zwischen uns beiden ist nur, dass wir es tun werden. Bis man aber in den nächsten 30, 40 Jahren so weit ist, dass es reicht, mit einer Kerze zu heizen, wollen die Leute es auch warm haben und dafür haben Sie kein Angebot.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben uns, wie so oft, die Aufgabe hinterlassen, für die Versorgung der Menschen und die Zukunftssicherheit sowohl in energiepolitischer als auch in umweltpolitischer Sicht zu sorgen.

Dann gibt es noch einen fundamentalen Irrtum. Sie machen einen auf grüne Festung Europa und sagen, Hamburg würde untergehen. Doch Hamburg und Deutschland wird es sich immer leisten können, Deiche oder Sperrwerke zu bauen, aber Bangladesch kann das nicht, die Menschen im Rest der Welt können das nicht. Und wenn Sie sich heute angucken, dass China auch die nächsten Jahrzehnte noch auf Kohle setzt, dann ist es vollkommen richtig, eine Technologie zu entwickeln, die auch in China eine umweltfreundlichere Produktion ermöglicht. Da die so gerne kopieren und am liebsten bei uns und das dann hinterher vielleicht noch ein Stück besser machen, sollen sie doch unser Kraftwerk mit 62 Prozent kopieren als die bisherigen mit 30 Prozent. Das ist doch die richtige Richtung, das müssen Sie einmal sehen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn man die Klimadebatte in Hamburg alleine gewinnen könnte, dann würden wir es tun, wir müssen sie aber weltweit gewinnen. Deswegen muss der Hamburger Beitrag stimmen und darum leisten wir auch einen Beitrag für den Klimaschutz, der über Hamburg hinausgeht. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält die Abgeordnete Dräger.

Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kann Ihnen ein paar Zahlen nicht ersparen,

(Dr. Till Steffen GAL: Sie immer mit Ihren Zahlen!)

aber ich versuche, es kurz zu machen.

Herr Gedaschko, Sie haben vorhin gesagt, man müsse 20.000 Wohneinheiten anschließen, um die 200 Megawatt Leistung, die neu hinzukommen würden, auf diesem neuen Strang zu verbrauchen. Wir haben im Moment 1.450 Megawatt für 410.000 Wohneinheiten, 200 Megawatt von 1.450 sind rund ein Siebtel. Rund ein Siebtel von 400.000 liegt irgendwo zwischen 50.000 und 60.000 Wohneinheiten, die man theoretisch anschließen können müsste. Wenn Sie sagen, Sie schaffen nur 20.000 Wohneinheiten mit diesen 200 Megawatt, dann kann man daraus nur den Schluss ziehen, dass das, was Sie machen, in allerhöchstem Grade ineffizient ist,

(Beifall bei der SPD und der GAL)

weil Sie dann nämlich für diese anzuschließenden Wohneinheiten dreimal soviel Energie verbrauchen wie im Durchschnitt für die bisher bestehenden Wohneinheiten im Bestand. Das verkaufen Sie uns als Erfolg, eine merkwürdige Definition von Erfolg. Das war der erste Punkt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Der zweite Punkt. Wann schaltet ein Stromunternehmen ein Kraftwerk ab? Ein Stromunternehmen schaltet nicht etwa ein Kraftwerk ab, weil es ein besseres gibt, sondern wenn sich dieses Kraftwerk nicht mehr lohnt, das heißt, wenn alle Kosten dieses Kraftwerks, insbesondere auch die Abschreibung, die bei alten Kraftwerken sehr gering ist, über dem liegen, was man am Markt bekommen kann. Die interessante Frage ist gar nicht, wie gut oder schlecht andere Kraftwerke sind, sondern wie sich der

Marktpreis entwickelt. Deswegen ist es auch so schwierig, genau zu sagen, was eigentlich am Kraftwerkmarkt passiert, wenn ein neues Kraftwerk hinzukommt. Wenn man das anders haben wollte und sozusagen die Schwierigkeit umgehen würde, dann müsste man mit dem Kraftwerkbetreiber ganz konkrete Vereinbarungen über das Abschalten von Kraftwerken treffen und das nicht so im Allgemeinen stehen lassen und sagen, das passiert schon irgendwie von alleine; das ist einfach Unsinn.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Nun zu Ihrem wiederholten Versuch, zwischen uns und dem Bundesumweltminister und der Bundes-SPD eine Differenz herbeizureden. Herr Gabriel hat gestern gesagt - er ist nicht der Genehmigende, deswegen muss er die Entscheidung nicht treffen -, das Kraftwerk sei so, wie es ist, nicht gut. Das sagen wir auch. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält die Abgeordnete Goetsch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe die Debatte aufmerksam verfolgt und das hat mich alles nicht überzeugt.

Zum einen bleibt es dabei, dass Sie die acht Tonnen CO2 nicht schönreden können. Zum zweiten haben Sie die Überkapazitäten nicht ausräumen können; die fachliche Debatte ist über meinen Kollegen Maaß eindeutig in Richtung dezentrale Gaskraftwerke gelaufen. Von den Abhängigkeiten von Russland zu sprechen, ist vollkommener Quatsch; selbst im Kalten Krieg ist das Gas geflossen. Und wenn Sie hier Vergleiche mit Ukraine und Weißrussland anstellen, dann frage ich Sie, warum Sie überhaupt noch die Pipeline bauen.

(Bernd Reinert CDU: Die bauen wir doch nicht! - Barbara Ahrons CDU: Die baut der Bund!)

Dann können Sie sich diese Milliarden Gelder nach Moskau auch schenken, wenn Sie denken, dass das nicht mehr funktioniert. Das ist alles an den Haaren herbeigezogen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Dass die Verhandlungen miserabel gelaufen sind, haben wir auch gehört.

Jetzt komme ich noch einmal zu Ihrem Argument, Herr Kruse, dass wir uns in die Ecke begäben, die Sie damals boykottiert haben: Windkraftwerke, Solaranlagen und so weiter. Dieser Vergleich hinkt total. Die CCS-Technik dieses Kraftwerks ist im Grunde genommen so entwickelt, als würden Sie sich in ein Auto ohne Bremsen setzen und die Forscher forschen noch, ob die Bremsen überhaupt funktionieren; so legen Sie los.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das ist eine fossile Technologie, die wir nicht wollen, und wir wollen uns nicht schon wieder eine Entsorgungsproblematik hereinholen. Es ist sicherlich nicht 1 : 1 vergleichbar mit den AKWs, aber eine weitere Entsorgungsproblematik entstünde und die wollen wir nicht. Wir müssen nach vorne gucken. Alles, was Sie jetzt machen, ist rückwärtsgewandt und hat mit modernen innovativen Technologien nichts zu tun und vor allen Dingen nicht mit regenerativen.

(Beifall bei der GAL)

Ich möchte aber noch ein anderes Argument anbringen, das wir bisher noch nicht gehört haben. Ich habe vorhin über die Glaubwürdigkeit von Herrn von Beust gesprochen und mich hat schon irritiert, dass, nachdem diese Entscheidung gefallen war, Herr von Beust sagte, die Bevölkerung sei nicht direkt betroffen. Da kann man sicherlich sagen, CO2 ist nicht direkt giftig, es ist ein bisschen schwerer als Luft, ansonsten tut es nichts. Aber wenn Sie sich erdreisten zu sagen, die Bevölkerung sei nicht direkt betroffen, dann frage ich Sie, ob Sie noch nie etwas von Feinstaub gehört haben, was die Bevölkerung im Umfeld extrem belastet.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Haben Sie noch nicht davon gehört, dass auch modernste KKWs großen Feinstaubausstoß haben, dass 65.000 Menschen im Jahr sterben, dass das Asthma-Risiko um 30 Prozent steigt?

Dann will ich aus "der tageszeitung" von heute zitieren, wo aufgezeigt wird, dass die Grenze, die das BundesImmissionsschutzgesetz auf 40 Mikrogramm Höchstwert festgelegt hat, schon nach 13 Tagen überschritten sein wird, wenn Moorburg gebaut wird. Haben Sie eigentlich gewusst, was diese 393 Tonnen Feinstaub bedeuten, die zusätzlich ausgestoßen werden, dass dies eine katastrophale Wirkung auf die Gesundheit der Kinder und der Bevölkerung dort hat? Und dann sagen Sie, die Bevölkerung sei nicht direkt betroffen. Wo ist da die Glaubwürdigkeit? Ganze Ärzteschaften im Saarland - 400 Ärzte im Saarland und im Ruhrgebiet - haben sich zusammengetan, um deutlich zu machen, dass sie es nicht mehr verantworten können, dass überhaupt nur ein einziges Kohlekraftwerk gebaut wird. Ich zitiere:

"Besonders betroffen werden die […] Kinder sein, deren Atemwege während der Entwicklung und Ausreifung bereits dauerhaften Schaden durch [Feinstaub] erleiden müssen."

Es ist die ärztliche Pflicht, dass das gesagt wird, und dann soll die Aussage von Herrn von Beust glaubwürdig sein, dass die Bevölkerung nicht betroffen sei.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Stehr.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bundesumweltminister Gabriel ist vorhin ein paarmal zitiert worden. Auch wenn ich in vielen Punkten seine Ansicht nicht teile, muss man ihm eines zugute halten. Er erkennt jedenfalls an, dass man bei einem Ausstieg aus der Kernenergie die Kohle braucht und nutzen muss und diesen Schritt haben Sie hier bislang verweigert.

Der zweite Punkt, den Sie als Alternative anbieten, sind die Gaskraftwerke. Wir unterscheiden Grundlast, Mittellast und Spitzenlast und Gas ist viel zu wertvoll, um es im Grundlastbereich zu verfeuern. Wir haben in Brunsbüttel ein Gaskraftwerk, das ein Spitzenlastkraftwerk ist, und diese Spitzenlastkraftwerke braucht man insbesondere dann, wenn man die regenerativen Energien stärker nutzen will, weil die nicht permanent laufen und man ohne diese Reserven überhaupt nicht auskommt; die müssen schnellstartfähig sein.

Dann haben Sie, Frau Dräger, etwas zu den Kosten gesagt. Es ist logisch, dass zunächst diese Kraftwerke im Verbund zurückgefahren werden, die die höchsten spezifischen Kosten haben, und das sind entweder die Gaskraftwerke, weil es die teuersten sind, oder die uneffizienten alten Kohlekraftwerke.

(Christian Maaß GAL: Ja, die Gaskraftwerke, das ist ja toll!)

Das geht vernünftigerweise nicht anders zu machen. - Ich komme gleich zu Ihnen, gedulden Sie sich, Herr Maaß.