Schulweghilfe: Den Vorrang für die Sicherheit und die Bildungschancen der Kinder gewährleisten - Drs. 18/7418 - 5141 D
Wattwagenverkehr mit Pferdefuhrwerken zwischen der Insel Neuwerk und Cuxhaven-Sahlenburg langfristig sicherstellen - Drs. 18/7478 - 5142 A
Änderung des Gesetzes über die Untersuchungsausschüsse der Hamburgischen Bürgerschaft - Drs. 18/7557 - 5142 B
Durchführung der Wahlen zur Hamburgischen Bürgerschaft und den Bezirksversammlungen - Drs. 18/7559 - 5142 D
Ich rufe das dritte, von der GAL-Fraktion angemeldete Thema auf, das in der gestrigen Sitzung wegen Zeitablaufs nicht mehr behandelt werden konnte.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die aktuell vorgelegte Studie, die auch in den Medien zahlreich zitiert wurde, hat nachgewiesen, dass die Leukämierate für Kinder unter fünf Jahren, die in einem Umkreis von fünf Kilometern um Atomkraftwerke leben, um 60 Prozent höher ist als bei gleichaltrigen Kindern anderswo in Deutschland. Je dichter diese Kinder an Atomkraftwerken leben, desto höher ist das Risiko, an Leukämie oder Krebs zu erkranken. Zieht man den Kreis in einem 50-Kilometer-Radius um Atomkraftwerke - davon ist Hamburg dann auch unmittelbar betroffen -, dann sind statistisch immer noch 18 Prozent aller Krebsfälle bei Kindern auf Atomkraftwerke zurückzuführen. Diese Ergebnisse gelten für alle in Deutschland untersuchten Kraftwerkstandorte. Es gibt kein Atomkraftwerk in Deutschland, bei dem dieser Effekt nicht auftritt, bei manchen deutlicher, bei manchen weniger deutlich, aber bei allen tritt ein deutlicher Effekt auf.
Fehler bei der Entwicklung des Studiendesigns oder bei der Datenerhebung wurden im Übrigen vom Bundesamt für Strahlenschutz unter Einschluss von Atomkraftbefürwortern ausgeschlossen. Fachliche Zweifel an dieser Studie bestehen nicht. Diese Studie ist auch nicht die erste oder einzige, die diese gravierenden Fakten zutage gebracht hat. Ich darf an britische Studien erinnern, die bereits in den Achtzigerjahren ein signifikant höheres Auftreten von Kinderleukämie im Zehn-Meilen-Umkreis von Atomkraftwerken festgestellt haben, von Untersuchungen des Deutschen Kinderkrebsregisters, von Untersuchungen in den USA; davon möchte ich zwei herausgreifen.
Im November hat eine Untersuchung für das AKW Indian Point ergeben, dass die lokale Schilddrüsenkrebsrate um 70 Prozent höher ist als im nationalen Durchschnitt der USA, dass die Krebsrate allgemein um 20 Prozent höher liegt als im Durchschnitt und das alles bei einer überdurchschnittlichen Bildungs- und Wohlstandsrate um dieses Atomkraftwerk herum. So weist das Gebiet um das AKW Oyster Creek die höchste Krebsrate des gesamten Staates auf.
Meine Damen und Herren! Die neue Studie ist ein weiterer Mosaikstein dafür, dass AKWs Tod und Krankheit fördern. Wer vor diesem Hintergrund immer noch sagt, die Atomkraftwerke in Deutschland sollen länger betrieben werden, der handelt schlicht unverantwortlich.
Jedes abgeschaltete AKW in Deutschland ist ein Schritt, der weniger Tote und weniger Krankheiten hervorbringt; auch dafür gibt es im Übrigen Untersuchungen. In den
USA hat man bei sieben Atomkraftwerken die Krebsraten in der Umgebung beobachtet, nachdem diese abgeschaltet wurden. Man hat festgestellt, dass die Neuerkrankungen an Krebs nach der Abschaltung, die meistens in den Achtzigerjahren erfolgt ist, um 17 Prozent zurückgegangen sind bei einem deutlich geringeren Rückgang im nationalen Durchschnitt. Das heißt, jedes abgeschaltete AKW bringt mehr Sicherheit. Die Forderung nach einer Laufzeitverlängerung ist deswegen genau das Gegenteil dessen, was wir brauchen. Wir brauchen ein möglichst schnelles Abschalten der Atomkraftwerke in Deutschland, und zwar zugunsten der Gesundheit von uns Hamburgerinnen und Hamburgern.
Es wird gesagt, man kenne den genauen Ursachenzusammenhang noch nicht und könne sich nicht ernsthaft erklären, wie eine relativ niedrige Strahlendosis zu solch statistisch erheblichen Zusammenhängen führen könne. Die Konsequenz kann aber doch nicht sein, bei der wahrscheinlich einzigen Ursachenmöglichkeit zu sagen, wir machen die Augen zu, solange wir den genauen Wirkungszusammenhang nicht kennen, sondern wir brauchen eine Beweislastumkehr. Die AKW-Betreiber, die dem ersten Anschein nach den Krebs verursachen, müssen erst einmal darlegen, dass sie in dem Zusammenhang nicht die Verursacher sind. Wir brauchen eine Beweislastumkehr und deswegen die schnellstmögliche Abschaltung der Atomkraftwerke in Deutschland. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Letzte, was ich von Herrn Maaß vernommen habe, war die Beweislastumkehr. Sie sind Jurist und wissen genau, dass von den Richtern die Schuld nachgewiesen werden muss und nicht umgekehrt.
(Christian Maaß GAL: Beweis des ersten Anscheins!) - Nein, nicht des ersten Anscheins, Sie vergehen sich schlicht und ergreifend an Ihren eigenen juristischen Kriterien. (Beifall bei der CDU)
Jetzt aber zum ernsten Anlass der Debatte. Es besteht kein Zweifel, dass insbesondere Kinderleukämie für die Betroffenen, aber natürlich auch für die Familien, ein schreckliches Ereignis ist und es deswegen vernünftig ist, dass wir uns heute damit befassen. Es besteht gar kein Zweifel, dass hier erheblicher Klärungsbedarf besteht.
(Aus gesundheitlichen Gründen beendet Hartmut Engels an dieser Stelle seine Rede. - Beifall im ganzen Haus)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz durchgeführte Untersuchung des Deutschen Kinderkrebsregisters zum Kinderkrebs in der
Umgebung von Atomkraftwerken hat eines der bedrückendsten Themen zum Inhalt, das uns alle seit mehreren Jahrzehnten immer wieder beschäftigt. Das Ergebnis der nun vorliegenden Untersuchung wird auf der Website des Bundesamtes für Strahlenschutz kurz und erschreckend so beschrieben:
"Das Risiko für Kinder unter fünf Jahren, an Leukämie zu erkranken, nimmt zu, je näher ihr Wohnort an einem Kernkraftwerk liegt."
Der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, Wolfgang König, spricht von überraschend eindeutigen Zusammenhängen. Vom Vorsitzenden der Strahlenschutzkommission Müller ist dagegen zu hören, man werde die Studie noch einmal in allen Einzelheiten prüfen; Zusammenhänge zwischen Wohnort und dem Auftreten von Krebs bei Kindern seien zurzeit kaum belegbar. Mir scheint, dass sich in der aktuellen Diskussion und mit den neuesten Studien und Ergebnissen in fataler Weise das fortsetzt, was wir seit mehr als 20 Jahren mit Untersuchungen und diversen Gutachten erleben. Sie kommen immer zu unterschiedlichen, einander widersprechenden Ergebnissen und dabei hat in der Regel eine Rolle gespielt, von wem die Gutachter beauftragt worden waren. Jeder Gutachter hatte für seine These gute Gründe und auch Beweise. Trotzdem waren die Gutachten vom Ergebnis her widersprüchlich.
Im April dieses Jahres hat es in Hannover eine gemeinsame Expertenanhörung der Landtage von SchleswigHolstein, Niedersachsen und der Hamburgischen Bürgerschaft gegeben. Dabei ging es um das gehäufte Auftreten von Leukämieerkrankungen in der Elbmarsch. Leider haben die Ergebnisse der Anhörung bisher weder Schleswig-Holstein noch Niedersachsen bewogen, daraus irgendwelche Konsequenzen zu ziehen. Ich hätte mir zum Beispiel gewünscht, einmal einen Gedanken daran zu verschwenden, die zulässigen Emissionswerte der Atomkraftwerke zu senken.
(Heiterkeit bei allen Fraktionen - Vereinzelter Bei- fall bei der CDU - Bernd Reinert CDU: Aber Schnaps gibt es nicht!)