Protokoll der Sitzung vom 10.12.2008

auch nicht nach der Sachverständigenanhörung, auf die Regelungen zur Mittelstandsförderung, nämlich auf die Regelungen über Fach- und Teillose, zu verzichten. Ganz im Gegenteil. Alle Sachverständigen haben diese Vorschrift ausdrücklich begrüßt. Es ist auch wichtig, diese gesetzlich zu verankern, da wir durch eine bloße Bezugnahme auf untergesetzliche Regelungen, nämlich auf die VOL und die VOB, nicht die gleiche Regelungskraft entfalten.

Schließlich gibt es noch die Verpflichtung zur späteren Einführung eines Korruptionsregisters. Auch dies ist einhellig von allen Sachverständigen begrüßt, ja sogar eingefordert worden. Das bereits bestandene Korruptionsregister wurde ohne Not und Erfahrung hiermit wieder abgeschafft und dies ist unbedingt rückgängig zu machen.

Alle diese genannten Regelungen sind kein Wunschtraum der SPD-Fraktion, sondern unmittelbar Ausfluss der Sachverständigenanhörung. Allein aus Zeitmangel konnten die einzelnen Regelungen nicht untereinander abgesprochen werden. Auf weitergehende, uns wichtig erscheinende Regelungen, zum Beispiel eines detaillierten Sanktionskataloges – auch hier ist es noch sehr weich formuliert – hat die SPD-Fraktion ausdrücklich verzichtet. Es wäre daher unverantwortlich, die hier vorgeschlagenen Zusatzregelungen wider besseres Wissen zu unterlassen. Wir bauen dennoch auf Ihre Einsichtsfähigkeit, auch wenn Sie es bereits angekündigt haben, dass Sie überweisen werden, und bitten um Zustimmung zu diesem Gesetz. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Das Wort erhält der Abgeordnete Hackbusch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Badde hat schon Vieles gesagt, aber einiges ist mir noch wichtig zu sagen. Das Vergabegesetz und die Art und Weise Politik zu machen, ist die moderne Art, Politik organisieren zu können. Konsumentensouveränität nennt man so etwas. Als Konsument in der Lage zu sein, in dieser Gesellschaft wirken zu können, hat sich als eine zusätzliche Möglichkeit erwiesen – in diesem Evaluationsbericht kann man nachlesen –, die verändert und durchaus positiv gewirkt hat. Deswegen finden wir, dass das insgesamt eine gute Möglichkeit ist, die sich nicht nur auf Tarifund Sozialfragen beschränkt – denn diese Diskussionen werden Sie unter anderem auch bei Fairtrade haben –, sondern sich auch mit allen Fragen der gesellschaftlichen und ökologischen Entwicklung beschäftigt, die in dem Zusammenhang möglich sind. Diese Diskussion wird sicherlich noch ei

(Elke Badde)

nige Jahre anhalten und noch eine Menge Möglichkeiten aufzeigen. Da bin ich mir sehr sicher.

Was ich bei aller Lobhudelei im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Situation feststellen möchte, ist, dass wir eine dramatische Verschlechterung unserer Situation durch das EuGH-Urteil haben. Es wäre mir sehr wichtig, das einmal gemeinsam festzustellen, weil es auch darum geht, wie man dieses gemeinsame Europa, das man haben möchte, sozial organisieren will. Wenn wir die Möglichkeit sehen, dass soziale Standards festgelegt werden können, wiederum aber durch europäische Gesetzgebung und Rechtsprechung nicht ermöglicht werden, dann müssen wir uns doch gemeinsam darüber verständigen, ob wir ein soziales Europa wollen, was soziale Mindeststandards festlegt.

Das ist die Frage, die wir politisch beantworten müssen, auch im Zusammenhang mit der Wahl zum Europäischen Parlament, weil ein Gerichtsurteil nicht vom Himmel fällt, sondern die Rechtsprechung wird aufgrund dessen, wie wir die Grundlagen dieser Europäischen Gemeinschaft bestimmen, festgelegt. Ich will nur auf das politische Phänomen hinweisen.

Wenn Sie mit offenen Augen durch diese Stadt gehen und sich einmal überlegen, was bei den großen Baustellen, die wir gegenwärtig haben, los ist, und zu welchen Bedingungen die Leute auf der Baustelle bei Vattenfall arbeiten. Wie ist die Situation bei der Elbphilharmonie, zu welchen Löhnen wird dort gearbeitet? Es ist für uns eine entscheidende und wichtige Frage, dass diejenigen, die in dieser Stadt arbeiten, egal, woher sie kommen, zu hohen sozialen Bedingungen und der Tarifsituation sowie der Mindestlohnsituation entsprechend angemessen arbeiten. Das ist für uns existenziell, wenn wir sagen wollen, wir leben gerne in dieser Stadt und wollen auch einen bestimmten sozialen Standard erreichen. Wir sind gegenwärtig noch nicht einmal in der Lage, die Vattenfall-Baustelle mit dem, was wir an Vergabegesetz haben, vernünftig strukturieren zu können. Wie wollen wir weiter in dieser Stadt existieren, wenn wir solche Dinge nicht regeln können. Das ist eine wichtige Aufgabe. Das ist ein erster Ansatz, deswegen werden wir auch nicht gegen das Gesetz stimmen aber in verschiedenen Punkten sind noch zu wenige Momente berücksichtigt worden. Was noch fehlt, ist die Frage der öffentlichen Unternehmen, die mir nicht klar genug definiert worden ist. Sie müssen eine wichtige Rolle wahrnehmen und das muss auch im Gesetz geregelt werden. Die Weiterentwicklung des Korruptionsregisters ist nicht weitgehend genug genannt. Von daher finden wir zumindest das Instrument richtig, einen Bericht über die Vergabe zu erhalten, um die Dinge weiter beobachten zu können und dann gemeinsam im Ausschuss besprechen zu können. Darauf sollten wir uns verständigen, weil uns sonst die Situation auf

den Baustellen in Hamburg auf die Füße fallen wird. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Egloff.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden dem Gesetz heute zustimmen als Mindeststandard dessen, was verabschiedet werden kann, weil wir das wegen der Befristung heute machen müssen. Wir vertrauen dann auf das, was Herr Kerstan erklärt hat, dass wir bei einer Überweisung unseres Antrags an den Wirtschaftsausschuss noch einmal intensiv über diese Fragen beraten und die Möglichkeit haben, gegebenenfalls das Gesetz im Nachhinein an den Stellen, wo Sie zumindest Überlegungen und Zustimmung signalisiert haben, noch zu verändern. Damit das keine Beerdigung erster Klasse gibt und Sie nicht gezwungen sind, heute ja oder nein zu sagen, sind wir mit der Überweisung einverstanden.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Wir kommen zur Abstimmung.

Zunächst zum SPD-Antrag aus der Drucksache 19/1743. Wer möchte diesen an den Wirtschaftsausschuss überweisen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist einstimmig so beschlossen.

Nun zum Antrag der Fraktion DIE LINKE aus der Drucksache 19/1739. Wer möchte diesem folgen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zum Antrag der Fraktion DIE LINKE aus der Drucksache 19/1749. Wer möchte diesem seine Zustimmung geben? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist bei einer großen Anzahl von Stimmenthaltungen mehrheitlich abgelehnt.

Schließlich kommen wir zum Antrag der Fraktion DIE LINKE aus der Drucksache 19/1740. Wer möchte diesen annehmen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist mehrheitlich abgelehnt.

Wir kommen zum Bericht des Wirtschaftsausschusses aus der Drucksache 19/1660. Wer möchte der Ausschussempfehlung folgen und das Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Vergabegesetzes aus der Drucksache 19/1516 beschließen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist bei einigen Stimmenthaltungen dennoch einstimmig beschlossen.

(Norbert Hackbusch)

Es bedarf einer zweiten Lesung. Stimmt der Senat einer sofortigen zweiten Lesung zu?

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erken- nen.)

Das ist der Fall. Gibt es Widerspruch aus dem Hause? – Das ist nicht der Fall.

Wer will das soeben in erster Lesung beschlossene Gesetz auch in zweiter Lesung beschließen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist mit der gleichen Mehrheit wie in der ersten Lesung auch in zweiter Lesung und damit endgültig beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 43 und 42 auf, Drucksachen 19/1640 und 19/1639, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Kommunales Wahlrecht für alle mit dem Antrag der SPD-Fraktion: Kommunales Wahlrecht auf Nicht-Unionsbürger ausdehnen und aktiv um Einbürgerungen werben.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Kommunales Wahlrecht für alle – Drs 19/1640 –]

[Antrag der Fraktion der SPD: Kommunales Wahlrecht auf Nicht-Unionsbürger ausdehnen und aktiv um EinBÜRGERungen werben! – Drs 19/1639 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 19/1756 ein Antrag der GAL-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktion der GAL: Kommunales Wahlrecht für Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger – Drs 19/1756 –]

Alle drei Drucksachen möchte die SPD-Fraktion an den Innenausschuss überweisen. Wird das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Der Abgeordnete Yildiz hat es.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Im Juni hat die parlamentarische Versammlung des Europarates dazu aufgerufen, alle Hindernisse für eine demokratische Teilhabe der Migranten und Migrantinnen innerhalb der EU zu beseitigen. Sie rief alle Mitgliedstaaten dazu auf, Migranten und Migrantinnen mit einer Aufenthaltsdauer von maximal fünf Jahren das Recht zu gewähren, auf kommunaler Ebene mitzureden. Seit 1992 gibt es in der Bundesrepublik Deutschland das kommunale Wahlrecht für EU-Bürger. Dass dieses Recht Menschen, die im Durchschnitt seit 17 Jahren in diesem Land leben, nicht gewährt wird, ist ein Defizit unserer Demokratie und eine skandalöse Ungleichbehandlung vieler Bürger und Bürgerinnen.

Menschen, die nicht dort wählen dürfen, wo sie seit vielen Jahren leben und ihren Lebensmittelpunkt haben, werden von dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Das stellt auch der Verein "Mehr Demokratie" fest.

16 EU-Staaten haben das längst begriffen und die Bundesrepublik Deutschland tut sich noch schwer. Ständig wird von Parallelgesellschaften gesprochen und gefordert, dass sich Migranten und Migrantinnen zur demokratischen Grundordnung und den dazugehörigen Werten bekennen. Aber man kann dieses nicht fordern und gleichzeitig die Menschen von der demokratischen Teilhabe ausschließen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Olaf Ohlsen CDU und Dr. Andreas Dressel SPD)

Menschen mit Migrationshintergrund sind genauso Teil unserer Gesellschaft wie geborene Deutsche.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb ist es für die LINKE selbstverständlich, dass man ihnen die rechtliche Gleichstellung und gleichberechtigte soziale Partizipation ermöglichen muss. Dies ist vor allem auch für Hamburg ein großes Defizit, das sich stets in allen Fragen weltoffen gibt, bisher aber wenig für eine Veränderung im Sinne eines kommunalen Wahlrechts für hier lebende Migranten und Migrantinnen getan hat.

Derzeit leben etwa 466 000 Menschen mit Migrationshintergrund in unserer Stadt. Das sind knapp 27 Prozent der Hamburger Bevölkerung. Jeder vierte Hamburger beziehungsweise Hamburgerin hat einen Migrationshintergrund. Migrationspolitik betrifft nicht eine kleine Minderheit, sondern die Zukunft unserer Stadt. Die sozialen Probleme der Stadt treffen die Migrantinnen und Migranten in besonderem Maße. Mit rund 25 Prozent liegt der Arbeitslosenanteil unter den Menschen mit ausländischem Pass extrem hoch.

Der Bildungserfolg von Migrantenkindern liegt weit hinter dem Durchschnitt. Wie Sie wissen, spielt die soziale Herkunft dabei eine sehr große Rolle. In Hamburg sind es über 200 000 Menschen, die von jeglicher politischen Teilhabe ausgeschlossen sind. Das würde bedeuten, dass fast die Hälfte der Wandsbeker Bevölkerung oder fast alle Altonaer Bürgerinnen und Bürger kein Recht haben, an den politischen Entscheidungen teilzuhaben.

Stellen Sie sich einmal vor, dass die Bürger aus Altona keine Rechte haben mit zu entscheiden, welche Politik verfolgt wird, wer bei ihnen in der Kommune gewählt wird und welche politische Entscheidung gefällt wird. Sicher ist die Bedeutung des kommunalen Wahlrechts für Migranten und Migrantinnen ein wichtiger Faktor für die Entwicklung unserer Gesellschaft und zur aktiven Teilhabe an unserer Demokratie. Wir wissen aber auch, dass

(Präsident Berndt Röder)

eine rechtliche Komplettgleichstellung erst mit dem Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft vollkommen sein wird. Das ist und bleibt unser Ziel. Doch wir merken, dass dieses Ziel aus dem Fokus des Senats gerückt ist, denn vergessen wir nicht, wer sich dauerhaft in einem Land niederlässt, hat Anspruch auf politische und soziale Rechte.

(Beifall bei der LINKEN)

Dieser Anspruch kann im Prinzip auf zwei Arten erfüllt werden. Erstens einen unkomplizierten Zugang zur Staatsangehörigkeit oder zweitens das Wahlrecht für im Land lebende Menschen ohne Staatsangehörigkeit.

Wir alle kennen die Zahlen des Handlungskonzeptes zur Integration von Zuwanderern, das letztes Jahr von der Sozialbehörde herausgegeben worden ist. Schnell werden Sie merken, dass die Einbürgerungsmöglichkeiten eingeschränkt und erschwert wurden. 2001 wurden fast 9800 Einbürgerungen durch die Ausländerbehörde vollzogen, während 2005 die Zahl Einbürgerungen auf erschreckende 4300 gesunken sind. Im Zeitraum von 2001 bis 2005 haben wir einen prozentualen Rückgang von 60 Prozent, was die vollzogenen Einbürgerungen in der Hansestadt angeht. Doch im Verhältnis zu heute waren das noch viele, denn in diesem Jahr gab es bis Mitte September nur noch 1995 Einbürgerungen. Das ist ein Rückgang von fast 80 Prozent, wenn man 2001 mit heute vergleicht.

In dem Zusammenhang muss man diesem Senat bei diesem Rekord gratulieren. Viele Bürgerinnen und Bürger scheitern deutlich an den Hürden. Das schlägt sich auch in den Statistiken der Sozialbehörde nieder. Die Zahlen zu gestellten Anträgen sind dort radikal zurückgegangen. Die Gründe dafür sind bekannt. Das sind Barrieren im Sinne der Sprachkenntnisse, Einbürgerungstests, Koppelung an das Einkommen und so weiter. Die geltende Rechtslage und Einbürgerungspraxis stellt zu hohe Hürden.

Zu kritisieren sind unter anderem die hohen Einbürgerungsgebühren und zu langwierige Verfahren, weil das Aufgeben der bisherigen Staatsangehörigkeit verlangt wird und der Ausschluss von Personen, die Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Das sind Hartz-IV-Empfänger und Sozialhilfeempfänger. Und das sind nicht wenige.

Weder hat man bisher die Schaffung eines entsprechenden Wahlrechts auf kommunaler Ebene für Migrantinnen und Migranten geschaffen, noch wird offenkundig versucht, Einbürgerungen tatsächlich zu ermöglichen. Folgen wir der Empfehlung und dem Standpunkt der Gewerkschaften, Vereine und Organisationen, die seit Jahren das kommunale Wahlrecht für Menschen fordern, die nicht aus EU-Ländern kommen. Heute, am Internationalen Tag der Menschenrechte sollten wir uns