Protokoll der Sitzung vom 10.12.2008

muss man ein Stück weit aufräumen.

Eine Sache, die jetzt im Raum steht, Herr Dr. Dressel, muss man korrigieren. Sie argumentieren die ganze Zeit so, als würde die Entscheidung über die Einführung eines kommunalen Wahlrechts in Hamburg fallen. Das ist total falsch.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Dr. An- dreas Dressel SPD: Aber Sie können einen Beitrag leisten!)

Die Entscheidung fällt in Berlin. Das ist die erste Korrektur.

Der zweite Punkt betrifft Ihren Stil, meine Damen und Herren, und damit spreche ich insbesondere die SPD an. Es scheint bei Ihnen eine neue Methode zu sein, sich den Koalitionsvertrag vorzunehmen, sich dann das Wahlprogramm anzugucken und zu allem aus dem Wahlprogramm, zu dem Sie nichts im Koalitionsvertrag finden, kommt dann ein Antrag, weil Sie natürlich hoffen, das in irgendeiner Form vorzuführen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist unser Job, Frau Güclü! Regieren kann ganz schön schwer sein! – Ingo Egloff SPD: Ja, wer re- gieren will, muss das aushalten können!)

Ich kann Ihnen sehr deutlich sagen – die Frage schrie Herr Ciftlik ja die ganze Zeit in den Raum –, dass das Thema kommunales Wahlrecht allein aus dem Gleichbehandlungsaspekt ein wichtiges Anliegen für die GAL ist. Es ist ein urgrünes Anliegen und es wird auch weiterhin ein grünes Anliegen bleiben.

(Beifall bei der GAL)

(Christiane Schneider)

Deswegen haben wir mit unserem Zusatzantrag genau dieses Signal deutlich gemacht. Aber seien Sie ehrlich – und da bitte ich Sie, sich wirklich an die eigene Nase zu fassen –, die SPD hat es interessanterweise nicht einmal in ihrem Hamburger Wahlprogramm. Ich habe es mir daraufhin noch einmal angeguckt. Die SPD ist doch nicht ein kleiner Koalitionspartner wie wir das hier auf Landesebene sind. Wo ist denn die SPD auf Bundesebene, Herr Dr. Dressel? Auf Bundesebene sind Sie großer Koalitionspartner. Aber was hat die SPD da gemacht? Ich möchte Ihnen ein paar Beispiele nennen und vielleicht doch noch einmal das Erinnerungsvermögen von Herrn Ciftlik auffrischen, der momentan durch die türkischen Medien läuft und sich zum Robin Hood der Migranten erklärt.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Kai Voet van Vormizeele CDU: Nein, Obama!)

Es ist ein genauso verantwortungsloses Vorgehen, wenn man sich zu demjenigen generiert, der jetzt die Verbesserung bringt. Wer hat denn auf Bundesebene die Verschärfung der Familienzusammenführung mit beschlossen? Da war die SPD nicht mutig genug zu sagen, mit uns nicht. Wer hat auf Bundesebene die Einführung von Einbürgerungstests beschlossen? Wer hat auf Bundesebene die Einführung von Einbürgerungskursen beschlossen? Dass das zusätzliche Hürden sind, die nicht gerade dazu führen, dass die Zahl der Einbürgerungen steigt, werden selbst Sie zugeben müssen.

(Beifall bei der GAL)

Eine weitere Korrektur, weil auch das ein wichtiger inhaltlicher Punkt ist: Sie rennen durch die Stadt und erzählen, bei gleicher Antragslage gebe es weniger Einbürgerungen. Da frage ich mich, ob Sie die Antworten, die Sie auf Ihre eigene Kleine Anfrage bekommen haben, nicht selber durchlesen, denn wenn Sie sie durchlesen, werden Sie feststellen, dass die Einbürgerungsanträge in den letzten drei Jahren fast jedes Mal um 1000 zurückgegangen sind. Natürlich beobachten wir das mit Besorgnis.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Und was ist die Konsequenz?)

Es ist auch uns ein wichtiges Anliegen und dahingehend haben wir eine klare Regelung im Koalitionsvertrag. Die Menschen, die einen Einbürgerungsantrag stellen, sollen nach sechs Monaten eine Auskunft über den Stand ihres Verfahrens bekommen. Hamburg wird – und da werden Sie sich wundern – eine große breite Einbürgerungskampagne machen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Super! Und wann?)

Das haben wir bereits in der letzten Legislaturperiode beschlossen und es wird auch kommen. Wir werden aktiv um Einbürgerungen werben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Im Wahlkampf!)

Eine Sache möchte ich dazu noch sagen. Wenn die SPD in ihren Regierungsjahren eine vernünftige Integrationspolitik verfolgt hätte – und es waren immerhin nicht vier, nicht sieben, sondern über 40 Jahre – und nicht einen Zickzackkurs gefahren wäre,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ach, jetzt sind wir Schuld!)

dann wären wir in dieser Debatte viel weiter.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Sie haben die Einbürgerungsfeiern ein bisschen lächerlich gemacht. Sie haben sich dahingehend mehrfach geäußert. Ich glaube, dass das vielleicht aus Ihrer Sicht nicht so wichtig ist, aber darin drückt sich eine ganz wichtige Haltung aus. Die Einbürgerungsfeiern, die Sie so belächeln, sind ein enormes Signal für die Menschen, denn es geht um die Haltung, um eine Willkommenskultur. Ich sage sehr deutlich, dass wir Grünen nie gesagt haben, dass die Einbürgerung am Ende eines Integrationsprozesses steht. Auch Partizipationsmöglichkeiten müssen schon vorher gegeben sein. Aber was Sie machen, ist eine parteipolitische Schlammschlacht, Herr Ciftlik, und das wird diesem Thema nicht gerecht.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Wenn Sie wirklich etwas bewegen wollen, dann sollten Sie dafür arbeiten, dass wir eine breite demokratische Unterstützung bekommen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Genau! Fangen Sie mal an bei Ihrem Koalitionspartner!)

Natürlich ist hier die Position der CDU eine blockierende Position. Aber es gibt auch eine Reihe von Menschen in der CDU, die das durchaus unterstützen.

(Zurufe von der SPD: Undercover, nur un- dercover!)

In die Richtung gilt es zu werben und das nicht nur auf Landesebene, sondern haben Sie den Mut und setzen Sie sich auf Bundesebene durch.

(Bülent Ciftlik SPD: Sie haben es nicht ver- standen!)

Wir sind diejenigen, die auf Bundesebene einen Gesetzesantrag eingebracht haben und dafür kämpfen. Unterstützen Sie das. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Herr Yildiz.

(Nebahat Güclü)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte einige Sachen richtigstellen.

Erstens: Herr Heintze, Sie haben Finnland und andere Länder als Beispiele dafür genannt, dass die Beteiligung von Migranten an den Wahlen auf kommunaler Ebene zurückgehe. In Hamburg haben fast 50 Prozent der Hamburger Bürger an den Wahlen nicht teilgenommen. Nun frage ich Sie, sollen wir die ausbürgern lassen oder was soll man da machen?

(Beifall bei Dora Heyenn und Christiane Schneider [DIE LINKE) Christiane Schneider, beide DIE LINKE Zweitens: Man muss erst einmal den Menschen akzeptieren. Ich kann nicht anordnen, dass Sie mich lieben oder das akzeptieren. (Harald Krüger CDU: Genau, das kann ich erwarten!)

Sie müssen mich als Mensch offen an sich heranlassen, damit wir uns gegenseitig verständigen und akzeptieren. Sie können nicht von Millionen von Menschen erwarten, dass sie sich erst einmal integrieren nach dem Motto, danach akzeptieren wir sie. Wissen Sie, was eine Frechheit ist? Als unsere Eltern nach Deutschland kamen, in den Fabriken geschuftet haben, hat keiner gefragt, ob sie Deutsch lernen wollen und es hat ihnen keiner angeboten, Deutsch zu lernen, es ging um die Arbeitskraft. Bei der zweiten Generation war es nicht anders und bei der dritten Generation wollen Sie anordnen, das zwanghaft zu machen. Ich bin auch Ihrer Meinung, dass man Deutsch lernen soll und dass man sich mit der Geschichte auskennen soll, aber das kann man nicht anordnen. Man muss erst einmal den Menschen die Möglichkeit anbieten und das zu fordern, ohne das angeboten zu haben, finde ich nicht in Ordnung.

Drittens: Frau Güclü, eines muss man sagen. Ich bin schon erstaunt über Ihr Verhalten, denn vor der Wahl haben wir zusammen viele Veranstaltungen gemacht und Sie haben bei den Veranstaltungen dafür geworben. Wenn ich Ihren Antrag lese – die Namen von Frau Güclü, Dr. Till Steffen, Frau Goetsch, Antje Möller und Dr. Willfried Maier stehen auf dem Antrag –, dann steht wortwörtlich am Anfang, wo ich lebe, will ich auch wählen. Haben Sie das kurz vor den Wahlen nur gemacht, damit Sie mehr Stimmen von den Migranten bekommen?

(Nebahat Güclü GAL: Wir haben doch nicht gesagt, dass wir das ganz anders sehen!)

Wissen Sie, was das für die Migranten bedeuten würde, die eine Eingabe machen? Wenn Sie eine Eingabe gemacht hätten, hätte man dies alles für "nicht abhilfefähig" erklärt, weil Sie eine Wählervertuschung machen. Sie versprechen den Wählern

vor den Wahlen, dass Sie für ein kommunales Wahlrecht seien

(Unmutsäußerungen von der GAL)

und nach den Wahlen sagen Sie, nein, wir sind nicht dafür, weil auf Bundesebene nicht möglich. Wir sind dafür, dass der Senat die Bundesratsinitiative mit unterstützt, nichts anderes wollen wir, und wenn der Hamburger Senat drei Stimmen hat, sind das drei Stimmen.

Ich hätte von Ihnen auch erwartet, dass Sie erklären, dass Sie an den Wahlen nicht teilnehmen möchten. Aber dass Sie hier stehen und einen Standpunkt verteidigen, finde ich eine Frechheit. Ich hoffe, dass die Migrantenmedien darüber schreiben und einmal deutlich machen, wie die Grünen gegenüber Migranten stehen. Von der CDU habe ich das nicht erwartet, aber von den Grünen hatte ich zumindest erwartet, dass man die Angelegenheit an den Ausschuss überweist und darüber spricht. Das ist ein politischer Wille, das ist keine rechtliche Sache. Wenn der politische Wille sagt, wir sind zu zwei Drittel der Meinung, dass wir das haben möchten, dann können wir das haben und das Recht steht dann dahinter. – Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das Wort bekommt Herr Müller.

Sehr geehrter Kollege von der Fraktion der LINKEN! Es ist in der Debatte – ich will es Ihnen gern noch einmal erklären – deutlich geworden,

(Wolfgang Beuß CDU: Die begreifen es doch sowieso nicht!)

dass unser Antrag im Februar einen ganz einfachen Grund hatte: Die Debatte im Bundestag war da noch nicht gelaufen. Im September hatten wir eine Anhörung im Bundestag und warum ist der Bundesrat bisher nicht tätig geworden, denn er hätte ja abstimmen können, da der Gesetzesentwurf dort vorliegt? Die Länder haben wohlweislich vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Debatte und der noch nicht geklärten Mehrheiten im Bundestag im Bundesrat den Antrag nicht zur Entscheidung vorgelegt. Dann wäre er nämlich weg und Sie könnten heute Ihren Antrag hier so nicht stellen.